Geschlechterbenachteiligung im E-Commerce? Das dritte Geschlecht fühlt sich diskriminiert

erstmalig veröffentlicht: 06.02.2022, letzte Fassung: 06.02.2022

Autoren

Rechtsanwalt

Helge Schubert, LL.M.

Steuerrecht
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Zusammenfassung des Autors

Jeden Tag bestellen Millionen Menschen Dinge im Internet. Darunter Frauen, Männer und non-binäre Menschen. Wenn man heutzutage etwas aus dem E-Commerce bestellen möchte, kommt man in 85 % der Fälle nicht an einer Registrierung im entsprechenden Onlineshop vorbei. Im Gegensatz zur Onlinehandel-Situation vor ein paar Jahren bieten nur noch sehr wenige Shops die Option an, den Kauf als Gast zu tätigen. Eine Registrierung ist also vielerorts zur Voraussetzung für eine erfolgreiche Kaufabwicklung geworden. 

Im Laufe des Registrierungsprozesses muss man dann spätestens bei der Adresseneingabe seinen Namen angeben und eine Anrede auswählen. Genau bei diesem Schritt stieß eine nicht-binäre Person auf Probleme. Dieser Mensch hatte von einem Onlineshop lediglich die Möglichkeiten Herr/Frau vorgeschlagen bekommen. Da er sich allerdings weder mit dem einen noch dem anderen biologischen Geschlecht identifizieren wollte, klagte er vor Gericht, weil er sich benachteiligt fühlte (OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.12.2021 - 24 U 19/21). 

Onlineshop auf 2.500 EUR verklagt, weil passende Anrede fehlt

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied vor zwei Wochen in dem Fall. Die klagende Person, welche ihr soziales Geschlecht weder als ausschließlich männlich oder weiblich identifiziert, hatte bei einem Onlineshop Kleidung bestellen wollen. Da ihr aber keine geschlechtsneutrale Anrede neben Herr/Frau zur Auswahl bereitgestellt wurde, sah sie sich gezwungen sich für die Anrede Herr zu entscheiden, um den Bestellprozess abschließen zu können.

Dies nahm die Person zum Anlass, den Onlineshop-Betreiber auf 2.500 EUR Entschädigung zu verklagen. On top wollte sie außerdem einen Unterlassungsanspruch erwerben.

OLG: Benachteiligung von Diversen im Onlinehandel

In einem Punkt gaben die Karlsruher Richter dem non-binären Menschen Recht: Eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbotene unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zur Begründung eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses im Zusammenhang mit einem sogenannten Massengeschäft habe tatsächlich vorgelegen. 

Das OLG Karlsruhe begründete das damit, dass im Gegensatz zu den Personen, die sich mit ihrem biologischen Geschlecht wirklich identifizierten, nichtbinäre Menschen ausschließlich unwahre Angaben über ihr selbst bestimmtes Geschlecht tätigen könnten, wenn es keine geschlechtsneutrale Anrede gebe. 

Und wenn sie diese Angabe nicht tätigten, könnten sie unter Umständen den Kaufprozess nicht abwickeln. In Anbetracht dessen sei das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der non-binären Person in seiner Ausprägung des Schutzes der geschlechtlichen Identität verletzt worden.

Keine Geldentschädigung für non-binäre Person

Einen Unterlassungsanspruch gewährten die Richter nicht, da keine dafür erforderliche Wiederholungsgefahr identifiziert werden konnte. Denn der E-Commerce-Betreiber hatte zwischenzeitlich mit der Option „Divers/Keine Anrede“ bereits eine dritte Auswahlmöglichkeit geschaffen. 

Ebenso wurde ein Anspruch auf Geldentschädigung abgelehnt, weil eine erforderliche Schwere der Verletzung des Benachteiligungsverbots, in Form einer gewissen Intensität der Herab- und Zurücksetzung, im vorliegenden Fall nicht vorgelegen habe.

Geschlechtsneutrale Anrede bereits integriert

Darüber hinaus könne man dem Bekleidungsunternehmen kein allzu großes Verschulden unterstellen, da mit der Geschlechterwahl im Registrierungsprozess nicht das Ziel verfolgt wurde, einer kaufinteressierten Person eine Angabe zu ihrer geschlechtlichen Zuordnung abzuverlangen, sondern vielmehr eine angemessene, korrekte Anrede der bestellenden Person im Rahmen der Kaufabwicklung des Massengeschäfts zu ermöglichen. Und letzten Endes wurde ja eine dritte Anredemöglichkeit bereitgestellt. 

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