Erbschein ohn Berufungsgrund (Testament oder gesetzliche Erbfolge)?

bei uns veröffentlicht am03.02.2022

Autoren

Rechtsanwalt

Bernfried Rose

Zusammenfassung des Autors

Erbe wird man auch ohne Erbschein. Der Erbschein weist den Erben jedoch als solchen aus, damit er sich zum Beispiel gegenüber Grundbuchämtern oder Banken legitimieren kann. Aus dem Erbschein geht hervor, wer Erbe geworden ist. Manchmal kommt es den Betroffenen aber auch darauf an, ob sich die Erbfolge aus dem Gesetz oder einem Testament ergibt. Warum das so ist, und was der BGH dazu sagt, lesen Sie in diesem Beitrag.

Bei Streitigkeiten unter mehreren Erben über die Verteilung von Nachlässen, insbesondere in Fällen, in welchen mehrere Testamente vom Nachlassgericht eröffnet werden, kommt es auch häufig zu Auseinandersetzungen darüber, welche dieser letztwilligen Verfügungen wirksam ist. 

Der BGH hat letztinstanzlich mit Beschluss vom 8. September 2021 (IV ZB 17/20) festgestellt, dass auch, wenn es ausdrücklich beantragt wurde, in einen Erbschein keine Angaben dazu aufzunehmen sind, ob der oder die Erben aufgrund eines bestimmten Testaments oder aufgrund gesetzliche Erbfolge Rechtsnachfolger des Erblassers geworden sind. 

In dem entschiedenen Fall ging es nach dem Tod ihrer Mutter 2018 um einen Streit zwischen zwei Brüdern. Der gemeinsame Vater war bereits 1984 vorverstorben. Im Jahre 1982 hatten die Ehegatten ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet, in welchem sie sich gegenseitig als ihre Alleinerben eingesetzt hatten. 

In dem Ehegattentestament, war es dem Überlebenden war es ausdrücklich gestattet, frei über sein Vermögen verfügen zu dürfen, und zwar zu Lebzeiten (z.B. durch Schenkungen) oder von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag). Lediglich für den Fall, dass der Überlebende kein neues Testament errichten haben sollte, hatten sie festgelegt, dass dann, der gesetzlichen Erbfolge entsprechend, ihre Kinder nach dem Letztversterbenden Erben zu gleichen Teilen sein sollten.

Neues Testament mit Teilungsanordnung

Im Jahr 2015 machte die Mutter von diesem Recht Gebrauch und setzte ein neues notarielles Testament auf. Hierin wiederholte sie ausdrücklich die bereits 1982 bestimmte Erbfolge ihrer Söhne zu je ½. Allerdings verband sie dies Erbeinsetzung mit umfangreichen Teilungsanordnungen für die Verteilung ihres Nachlasses. 

Unter anderem sollte das von der Mutter bewohnte und wertvolle Einfamilienhaus an einen ihrer Söhne falle, allerdings gegen einen an den anderen Bruder zu leistenden Wertausgleich. 

Mutter noch testierfähig?

Der Bruder, dem das Haus nicht zugedacht war, berief sich im Wesentlichen darauf, dass seine Mutter im Jahre 2015 nicht mehr testierfähig gewesen sei und beantragte beim Nachlassgericht gestützt auf das Testament aus dem Jahr 1982 einen gemeinschaftlichen Erbschein. Er beantragte zudem, dass dieses Testament von 1982 im Erbschein als Berufungsgrund aufgenommen werde. 

Das Nachlassgericht und das Beschwerdegericht hingegen weigerten sich, diesem Antrag nachzukommen, da jedenfalls die Erbfolge der Brüder zu je ½ nach beiden Testamenten identisch war. Da es keine anderen lebenden Erbberechtigten gab, entsprachen diese Quoten zudem der gesetzlichen Erbfolge. 

Identisch Erbfolge

Der Erbschein erging somit lediglich mit der Feststellung, dass die beiden Brüder Erben zu je ½ geworden sind. Nach richtiger Ansicht der Gerichte, kann der Streit darüber, ob die 2015 nachträglich verfügte Teilungsanordnung wirksam war oder nicht, nicht durch den Erbschein entschieden, sondern nur in einem gesonderten Verfahren zwischen den Geschwistern.

Der Auffassung der Vorinstanzen schloss sich der BGH nunmehr an. 

Legitimationswirkung des Erbscheins

Der BGH stellte in seiner Begründung auf den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zweck des Erbscheins ab. § 2353 BGB bestimmt, dass auf einen Antrag hin, Erben durch einen Erbschein ein Zeugnis über ihr Erbrecht zu erteilen ist. Durch dieses Zeugnis wird bestätigt, dass der im Erbschein genannte Erbe ist und belegt die Größe (Quote) des Erbteils. Ferner sind im Erbschein etwaige den Erben beschränkende Anordnungen (z.B. eine Testamentsvollstreckung) aufzunehmen. 

Dagegen sieht das Gesetz nicht vor, dass Angaben des Berufungsgrundes in den Erbschein aufgenommen werden können, weswegen dies grundsätzlich zu unterbleiben hat. 

Zweck eines Erbscheins ist es, den Erben gegenüber Dritten (z.B. Banken, Grundbuchämtern, Versicherungen, etc.) durch die Richtigkeitsvermutung zu legitimieren.

Gesetz gibt den Inhalt des Erbscheins vor 

Der BGH machte deutlich, dass kein Recht dazu besteht, weitere Ergänzungen des Erbscheins zu verlangen, die über diesen gesetzlich gesteckten Rahmen des Erbscheins hinausgehen.

Offen gelassen hat der BGH, ob die nachträgliche Teilungsanordnung wirksam war, da es einzig darauf ankommt, ob die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins, der die Brüder als Erben zu je 1/2 ausweist, für festgestellt erachtet werden konnten. Für diese Frage kam es auf die Wirksamkeit des Testaments aus dem Jahr 2015 nicht an, denn die die Erbquoten bestimmenden Verfügungen im Testament aus 1982 hatte die Mutter nicht aufgehoben oder durch eine andere ersetzt, sondern vielmehr wiederholt. 

Über den wirklichen Streitstand unter den Brüdern, nämlich dazu, ob die Mutter noch testierfähig war und überhaupt in der Lage war, durch ihr Testament ihre Vermögenswerte zwischen den Brüdern konkret aufzuteilen, können nun noch langwierige Verfahren folgen. 

Die Entscheidung macht deutlich, dass bei streitigen Erbauseinandersetzungen, insbesondere unter Miterben, frühzeitig  und sorgfältig eine erbrechtliche Strategie erarbeitet werden muss,  um langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren möglichst zu vermeiden. 

Ausführliche Informationen rund um den Erbschein finden Sie auf unserer Website:

https://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/erbschaft-erbschein-erbengemeinschaft-abwicklung-eines-erbfalls/erbschein.html

Gesetze

Gesetze

1 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2353 Zuständigkeit des Nachlassgerichts, Antrag


Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Teil der Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erbteils zu erteilen (Erbschein).

Referenzen

Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Teil der Erbschaft berufen ist, über die Größe des Erbteils zu erteilen (Erbschein).