Unzulässige Fragen beim Einstellungsgespräch im Arbeitsrecht

erstmalig veröffentlicht: 15.11.2021, letzte Fassung: 19.10.2022

Autoren

Rechtsanwalt

Henry Bach

ArbeitsrechtMiet- und Wohnungseigentumsrecht
Zusammenfassung des Autors

Eine Frage ist beim Einstellungsgespräch nur zulässig, wenn hieran ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Das ist im Arbeitsrecht dann der Fall, wenn die Frage für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes von Bedeutung ist und wenn das Frageinteresse auch unter Beachtung des Schutzes der Persönlichkeitssphäre und des Persönlichkeitsrechts des Bewerbers überwiegend schützenswert ist. Erforderlich ist also stets eine Abwägung gegenseitiger Interessen im Einzelfall.

Eine Frage ist beim Einstellungsgespräch nur zulässig, wenn hieran ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht. Das ist im Arbeitsrecht dann der Fall, wenn die Frage für die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes von Bedeutung ist und wenn das Frageinteresse auch unter Beachtung des Schutzes der Persönlichkeitssphäre und des Persönlichkeitsrechts des Bewerbers überwiegend schützenswert ist. Erforderlich ist also stets eine Abwägung gegenseitiger Interessen im Einzelfall.

Bei unzulässigen Fragen hat der Arbeitnehmer nicht nur ein Schweigerecht, sondern sogar ein Recht zur Lüge. Falsche Antworten oder Schweigen auf unzulässige Fragen dürfen dem Stellenbewerber nicht zum Nachteil gereichen. Insbesondere darf darauf später keine Kündigung oder Anfechtung des Arbeitsvertrages gestützt werden.

Eine Offenbarungspflicht des Bewerbers kann auch ohne entsprechende Frage bestehen, wenn der Arbeitgeber eine Aufklärung nach Treu und Glauben erwarten kann. So muss ein Berufskraftfahrer ungefragt über einen Entzug seiner Fahrerlaubnis informieren.

1. Private Lebensführung und Familienplanung

Fragen nach der privaten Lebensführung sind im Bewerbungsgespräch grundsätzlich verboten. Ausnahmsweise werden sie als zulässig angesehen, wenn sie sich aus dem besonderen Unternehmenszweck, z. B. einer kirchlichen Einrichtung, ergeben. In solchen Fällen darf der Arbeitgeber auch fragen, ob der Bewerber eine gemeinsame Wohnung mit einem nichtehelichen Lebenspartner bewohnt. 
Auch nach geplanten oder bestehenden Schwangerschaften (Familienplanung) darf grundsätzlich nicht gefragt werden. Das gilt selbst dann, wenn die Schwangere die Stelle von Beginn an wegen der Schwangerschaft nicht antreten könnte.

2. Schwerbehinderung

Auch zu einer Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung mit einer Schwerbehinderteneigenschaft darf nicht gefragt werden. Das gilt wiederum nicht, wenn mit dem Arbeitsplatz eine gezielte Förderung behinderter Menschen beabsichtigt ist oder wenn das Fehlen einer Behinderung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit ist. Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall wahrheitsgemäß antworten. Wenn die Frage nach der Schwerbehinderung nicht gestellt wird, muss ein behinderter Mensch jedoch nicht von sich aus über eine bestehende Behinderung aufklären, soweit ihm die Tätigkeit dadurch nicht unmöglich gemacht wird. 
Nach einer Schwerbehinderung darf auch gefragt werden, wenn ein Arbeitsverhältnis seit mindestens sechs Monaten besteht. Denn der Arbeitgeber muss wissen, ob zugunsten des Beschäftigten der gesetzliche Sonderkündigungsschutz für behinderte Menschen nach dem SGB gilt. Auch bei der Vorbereitung betriebsbedingter Kündigungen muss die Frage nach einer Schwerbehinderteneigenschaft erlaubt sein, um eine korrekte Sozialauswahl treffen zu können.

3. Vorstrafen

Nach Vorstrafen darf gefragt werden, wenn die Art des Arbeitsplatzes, der besetzt werden soll, entsprechende Informationen erfordert. Allerdings kommt es nicht darauf an, welche Vorstrafen der Arbeitgeber nach seiner eigenen Einschätzung für relevant hält. Entscheidend ist vielmehr ein objektiver Maßstab, unter Einbeziehung der objektiven Wertordnung des Grundgesetzes, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Bewerbers sowie seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. So wird ein Bankkassierer oder Buchhalter nach Vorstrafen wegen Vermögensdelikten gefragt werden dürfen.

4. Krankheiten

Fragen nach Vorerkrankungen, die vollständig überwunden wurden, sind unzulässig. Auch nach bestehenden HIV-Infektionen darf, außer bei Heilberufen, grundsätzlich nicht gefragt werden. Allgemein dürfen Fragen nach dem Gesundheitszustand nur gestellt werden, wenn sie einen Bezug zur angestrebten Tätigkeit aufweisen.            

5. Falschbeantwortung zulässiger Fragen

Die falsche Beantwortung zulässiger Fragen kann Schadensersatzansprüche auslösen oder den Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB) berechtigen.

Im Falle der Wirksamkeit einer Anfechtung und der daraus folgenden Nichtigkeit des Arbeitsvertrages heißt das jedoch nicht, dass der Arbeitnehmer das gesamte, bislang erhaltene Gehalt zurückzahlen müsste. Der Arbeitnehmer darf vielmehr das Gehalt als Gegenleistung zu der faktisch geleisteten Arbeitstätigkeit behalten. Der Arbeitnehmer kann aber ggf. zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein.

6. Erstattung der Vorstellungskosten

Bei einer unaufgeforderten persönlichen Vorstellung muss der Bewerber die Kosten seiner Bewerbung und Vorstellung grundsätzlich selbst tragen. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber einer unaufgeforderten Vorstellung lediglich zustimmt. Soweit der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dagegen ausdrücklich zum Vorstellungsgespräch eingeladen hat, muss er dem Arbeitnehmer die notwendigen Auslagen und eventuelle Verdienstausfälle erstatten. Zu den notwendigen Auslagen gehören die Fahrtkosten sowie die Kosten für Verpflegung und Unterkunft. Fahrtkosten für ein Kfz sind zu erstatten, wenn der Bewerber bei verständiger Würdigung darauf vertrauen durfte, dass die Einladung nicht nur für eine Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln gilt (§ 670 BGB). 
Eine Ausnahme von der Erstattungspflicht gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber Zahlungen im Rahmen der Einladung zum Vorstellungsgespräch ausdrücklich ausgeschlossen hat. Eingereichte Unterlagen können im Falle einer Ablehnung zurück verlangt werden. Personalfragebögen, die im Rahmen des Vorstellungsgesprächs vom Arbeitgeber erstellt wurden, sind zu vernichten.

7. Betriebsratsbeteiligung

Zu beachten ist auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG in Betrieben mit über 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Hier hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten, erforderliche Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu erteilen (§ 99 Abs. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Betriebsrats zur geplanten Einstellung einholen. Der Betriebsrat hat sich nach Vorlage aller relevanten Unterlagen binnen einer Woche zu äußern. Eine Verweigerung der Zustimmung ist nur aus den Gründen des § 99 Abs. 2 BetrVG möglich, wobei eine Verweigerung innerhalb der Wochenfrist mitzuteilen ist, ansonsten gilt die Zustimmung als erteilt. Ein gegen die Zustimmung des Betriebsrats abgeschlossener Arbeitsvertrag ist rechtlich zwar wirksam. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer aber nicht beschäftigen und muss dennoch das vereinbarte Entgelt zahlen.

Gesetze

Gesetze

3 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 99 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen


(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen v

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung


(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 670 Ersatz von Aufwendungen


Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

Referenzen

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Macht der Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrags Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber zum Ersatz verpflichtet.

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.