Anlegerrecht: EU - Kommission schlägt Maßnahmenpaket zur Stärkung von Verbraucherschutz und Verbrauchervertrauen im Finanzdienstleistungssektor vor
published on 15/07/2010 10:49
Anlegerrecht: EU - Kommission schlägt Maßnahmenpaket zur Stärkung von Verbraucherschutz und Verbrauchervertrauen im Finanzdienstleistungssektor vor
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Mit dem Ziel, Anleger, Sparer und Versicherte besser zu schützen, hat die EU – Kommission am 12.07.2010 ein umfassendes Paket von Maßnahmen vorgeschlagen. Hier der Text der Pressemitteilung der EU – Kommission vom 12.07.2010:
Im Zuge ihrer Arbeiten zur Schaffung eines sichereren und solideren Finanzsystems, zur Abwendung künftiger Krisen und zur Wiederherstellung des Verbrauchervertrauens hat die Europäische Kommission heute Änderungen an bestehenden europäischen Rechtsvorschriften vorgeschlagen. Durch die geplanten Änderungen sollen Inhaber von Bankkonten sowie Kleinanleger besser geschützt werden. Gleichzeitig hat die Kommission eine öffentliche Konsultation zu verschiedenen Optionen für einen besseren Schutz von Versicherungsnehmern eingeleitet.
Unter anderem wird die Möglichkeit zur Diskussion gestellt, in allen Mitgliedstaaten Sicherungssysteme für Versicherungen einzurichten. Für die Inhaber von Bankkonten würden die heute von der Kommission gebilligten Maßnahmen bedeuten, dass sie bei Insolvenz ihrer Bank ihr Geld schneller zurückerhalten (nämlich innerhalb von sieben Tagen), dass die Deckungssumme erhöht wird (auf 100 000 EUR) und dass sie besser darüber informiert werden, wie und wann sie geschützt sind. Für Anleger, die Wertpapierdienstleistungen in Anspruch nehmen, sehen die Kommissionsvorschläge eine raschere Entschädigung für den Fall vor, dass eine Wertpapierfirma aufgrund von Betrug, unzulässigen Praktiken oder operativen Fehlern nicht in der Lage ist, Vermögenswerte der Anleger zurückzugeben. Außerdem soll die Höhe der Entschädigung von 20 000 auf 50 000 EUR angehoben werden.
Auch sollen Anleger besser darüber aufgeklärt werden, wann das Entschädigungssystem zur Anwendung kommt, und in Fällen, in denen ihre Vermögenswerte von einem Dritten gehalten werden, besser vor Veruntreuung – wie man sie unlängst in der Madoff-Affäre erleben musste – geschützt werden. Die Kommissionsvorschläge, die voll und ganz mit den Zusagen der EU auf Ebene der G20 in Einklang stehen, werden jetzt zur Beratung an das Europäische Parlament und den Ministerrat weitergeleitet.
Dazu der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier: „Mit der Annahme des heute vorgelegten Maßnahmenpakets unternimmt die Kommission erneut Anstrengungen, um in Europas Finanzsystem für mehr Transparenz und Verantwortlichkeit zu sorgen und damit künftige Krisen abwenden bzw. besser bewältigen zu können. Die europäischen Verbraucher haben Besseres verdient. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Ersparnisse, Anlagen oder Versicherungen überall in Europa geschützt sind. Damit dies Realität werden kann, appelliere ich nun an das Europäische Parlament und den Rat, das heute von uns vorgelegte Paket rasch zur Verabschiedung zu bringen.“
Schutz von Bankanlagen
Die jüngste Finanzkrise hat einmal mehr das Risiko eines „Bankruns“ vor Augen geführt, bei dem alle Bankkunden gleichzeitig versuchen, ihr Geld abzuheben, weil sie ihre Ersparnisse nicht mehr für sicher halten. Seit 1994 gibt es eine Richtlinie (Richtlinie 94/19/EG), die gewährleistet, dass alle Mitgliedstaaten über ein Sicherheitsnetz für die Inhaber von Bankkonten verfügen. Wird eine Bank geschlossen, bekommen die Kontoinhaber ihr Geld bis zu einer bestimmten Höhe von den Einlagensicherungssystemen zurück.
Als 2008 die Finanzkrise zuschlug, wurden auf die Schnelle einige Änderungen an der Richtlinie vorgenommen. Insbesondere wurde die Deckungssumme (in zwei Schritten) auf 100 000 EUR angehoben und die Möglichkeit abgeschafft, einen Selbstbehalt vorzusehen (also die Möglichkeit, die Bankkunden nicht in vollem Umfang zu entschädigen, sondern von ihnen zu verlangen, dass sie einen bestimmten Prozentsatz ihres finanziellen Verlustes selbst tragen – auch wenn die Höhe des Verlusts unterhalb der maximalen Deckungshöhe liegt). Da jedoch noch weitere Schwachstellen in den bestehenden Systemen zutage getreten sind, legt die Kommission jetzt einen Vorschlag für eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinie aus dem Jahr 1994 vor, der allen aus der Krise zu ziehenden Lehren Rechnung trägt.
Die Kernelemente des Vorschlags:
- Höhere Deckung: Es bleibt bei der Anhebung der Deckungssumme auf 100 000 EUR bis Ende des Jahres. Das bedeutet, dass 95 % aller Kontoinhaber in der EU im Falle einer Insolvenz ihrer Bank ihre gesamten Ersparnisse zurückerhalten. Die Einlagensicherung erstreckt sich künftig auf kleine, mittlere und große Unternehmen sowie auf alle Währungen. Ausgenommen sind hingegen Einlagen von Finanzinstituten und Behörden, strukturierte Anlageprodukte und Schuldverschreibungen.
- Schnellere Auszahlung: Inhaber von Bankkonten erhalten ihre Einlagen innerhalb von sieben Tagen zurück. Dies ist eine erhebliche Verbesserung gegenüber der derzeit üblichen Praxis. Gegenwärtig müssen viele Bankkunden nämlich Wochen oder gar Monate warten, bis sie ihr Geld zurückbekommen. Damit eine so rasche Auszahlung möglich wird, müssen die Verwalter von Einlagensicherungssystemen frühzeitig von den Aufsichtsbehörden unterrichtet werden, wenn sich Banken in Schwierigkeiten befinden. Banken haben in ihren Büchern zu kennzeichnen, ob Einlagen gesichert sind oder nicht.
- Weniger Bürokratie: Angenommen, Sie leben in Portugal und haben Ihr Konto bei einer Bank mit Hauptsitz in Schweden. Im Falle einer Insolvenz dieser Bank würde Ihnen das portugiesische Einlagensicherungssystem aus eigener Initiative Ihr Geld zurückzahlen und als Ihr Ansprechpartner fungieren. Anschließend würde das schwedische System dem portugiesischen System den entsprechenden Betrag erstatten. Dies wäre eine bedeutende Verbesserung gegenüber der aktuellen Situation, denn derzeit muss die gesamte Kommunikation über das System des Landes abgewickelt werden, in dem sich der Hauptsitz der Bank befindet. Durch die neue Regelung werden bürokratische Hindernisse beseitigt und Auszahlungen beschleunigt.
- Bessere Information: Kontoinhaber werden besser über Deckungsumfang und Funktionsweise des jeweiligen Einlagensicherungssystems informiert – durch einen neuen, leicht verständlichen Standard-Informationsbogen und auf ihren Kontoauszügen.
- Langfristige und verantwortungsvolle Finanzierung: Es werden mitunter Bedenken geäußert, dass die Finanzierung der bestehenden Einlagensicherungssysteme unzureichend sei. Die heute vorgeschlagenen Änderungen werden künftig für eine solidere Finanzierung nach einem Vierstufenkonzept sorgen: Zunächst werden im Wege einer Ex-ante-Finanzierung solide Reserven aufgebaut. In einem zweiten Schritt können diese Reserven bei Bedarf durch zusätzliche Ex-post-Beiträge aufgestockt werden. Ist die Finanzierung immer noch unzureichend, können die Systeme in einem dritten Schritt in begrenztem Umfang Mittel bei anderen Systemen aufnehmen (gegenseitige Kreditvergabe). Als viertes und letztes Mittel kämen dann anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht. Die Beiträge zum Einlagensicherungssystem werden, wie dies bereits jetzt der Fall ist, von den Banken gezahlt. Allerdings soll künftig eine fairere Beitragsbemessung erfolgen, indem dem individuellen Risiko der einzelnen Banken Rechnung getragen wird.
Nicht nur werden die Ersparnisse der Europäer künftig besser geschützt sein. Auch werden die Europäer sich künftig für das beste Sparprodukt in einem beliebigen EU Land entscheiden können, ohne sich Gedanken über Unterschiede bei der Einlagensicherung machen zu müssen. Den Banken wird die neue Regelung insofern zugute kommen, als sie in der gesamten EU wettbewerbsfähige Produkte anbieten können, ohne dass Unterschiede bei der Einlagensicherung zu einem Hindernis werden. Darüber hinaus profitiert auch der Steuerzahler von einer besseren Finanzierung der Systeme, da die Notwendigkeit staatlicher Interventionen weitaus weniger wahrscheinlich wird.
Die meisten der vorgeschlagenen Verbesserungen könnten bereits 2012 bzw. 2013 wirksam werden. Sie würden in allen EU-Mitgliedstaaten gelten und, sobald sie in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum eingefügt wurden, auch in Norwegen, Island und Liechtenstein.
Siehe auch MEMO/10/318
Schutz von Wertpapieren
Anleger, die in Europa Wertpapierdienstleistungen in Anspruch nehmen, sind seit 1997 durch die Richtlinie über die Entschädigung der Anleger (Richtlinie 97/9/EG) geschützt. Diese Richtlinie gewährleistet eine Entschädigung in Fällen, in denen eine Wertpapierfirma nicht in der Lage ist, einem Anleger die ihm gehörenden Vermögenswerte zurückzugeben. Eine solche Situation kann beispielsweise aufgrund von Betrug oder Fahrlässigkeit in einer Firma oder aufgrund des Versagens oder fehlerhaften Funktionierens der firmeninternen Systeme eintreten. Anlagerisiken als solche werden nicht abgesichert. Derzeit bestehen in den 27 EU Mitgliedstaaten 39 verschiedene Anlegerentschädigungssysteme.
In den vergangenen Jahren sind bei der Kommission zahlreiche Beschwerden über die Anwendung der Richtlinie in einigen Mitgliedstaaten eingegangen. Die Beschwerden betrafen Probleme wie die mit Blick auf die Auszahlung von Forderungen unzureichende Finanzierung von Systemen oder die langen Auszahlungsfristen.
Mit den heute vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie sollen die Effizienz der Vorschriften zum Anlegerschutz erhöht, Wettbewerbsgleichheit hinsichtlich der Art der geschützten Finanzinstrumente hergestellt sowie eine ausreichende Finanzierung und das Vorhandensein der erforderlichen Regelungen für die Entschädigung der Anleger gewährleistet werden.
Die Kernelemente des Vorschlags:
- Höhere Deckung: Derzeit beträgt die Mindestentschädigungshöhe für Anleger 20 000 EUR. Der Kommissionsvorschlag sieht eine Anhebung der Entschädigungssumme auf 50 000 EUR pro Anleger vor.
- Schnellere Auszahlung: Bei der derzeitigen Rechtslage kann es bisweilen mehrere Jahre dauern, bis ein Anleger eine Entschädigung erhält. Dies soll sich nach dem Kommissionsvorschlag ändern: Anleger sollen künftig spätestens neun Monate nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einer Wertpapierfirma entschädigt werden. Dieses Zeitfenster ist erforderlich, um den zuständigen Behörden eine Untersuchung der Angelegenheit und die Klärung der Position einzelner Anleger zu ermöglichen.
- Bessere Information: Anleger sollen künftig klarere und umfassendere Informationen darüber erhalten, inwieweit ihre Vermögenswerte abgesichert sind. Anlagerisiken – also Wertverluste aufgrund sinkender Börsenkurse oder aufgrund der Zahlungsunfähigkeit eines Emittenten – werden im Rahmen der Richtlinie beispielweise nicht abgedeckt.
- Langfristige und verantwortungsvolle Finanzierung: Seit 1997 gab es in den Mitgliedstaaten mehrere Fälle, in denen Systeme aufgrund unzureichender Finanzierung nicht in der Lage waren, Anleger für den Verlust ihrer Vermögenswerte zu entschädigen. Der Kommissionsvorschlag sieht nun eine Mindestausstattung („Zielausstattung“) vor, deren Finanzierung in vollem Umfang vorab sicherzustellen ist. Bei Bedarf können die Systeme als letztes Mittel Kredite in begrenzter Höhe bei anderen Systemen aufnehmen (gegenseitige Kreditvergabe) oder auf andere Finanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen. Das Entschädigungssystem wird aus Beiträgen der Wertpapierfirmen finanziert.
- Umfassenderer Schutz: Derzeit sind Anleger nicht zwangsläufig geschützt, wenn eine Wertpapierfirma die Vermögenswerte ihrer Kunden einem als Verwahrer agierenden Dritten anvertraut und dieser zahlungsunfähig wird und die Vermögenswerte nicht zurückgibt. Ebenso können Inhaber von Investmentfondsanteilen Verluste erleiden, wenn eine Verwahrstelle oder eine Unterdepotbank des Fonds ausfällt. Ein jüngeres Beispiel für einen derartigen Fall war der Madoff-Anlagebetrug im Jahr 2008. Die Kommission schlägt nun vor, auch solche Fälle durch die Richtlinie abzudecken.
Die meisten der vorgeschlagenen Verbesserungen könnten bereits bis Ende 2012 wirksam werden. Sie würden in allen EU-Mitgliedstaaten gelten und, sobald sie in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum eingefügt wurden, auch in Norwegen, Island und Liechtenstein.
Siehe auch MEMO/10/319
Besserer Schutz für Versicherungsunternehmer
Sicherungssysteme für Versicherungen bieten Verbrauchern in letzter Instanz Schutz, wenn Versicherungen ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen können, und schützen sie somit vor dem Risiko, dass ihre Forderungen bei Insolvenz eines Versicherungsunternehmens nicht erfüllt werden.
Sicherungssysteme für Versicherungen schützen Verbraucher, indem sie ihnen eine Entschädigung zahlen oder indem sie das Fortbestehen ihres Versicherungsvertrags gewährleisten, beispielsweise durch Übertragung der Policen auf einen solventen Versicherer oder auf das Sicherungssystem selbst. Anders als im Bank- und im Wertpapiersektor gibt es im Versicherungssektor bisher keine europäischen Rechtsvorschriften oder Sicherungssysteme. Derzeit verfügen zwölf Mitgliedstaaten über ein oder mehrere Sicherungssysteme für Lebens- und/oder Nichtlebensversicherungen.
Zwischen diesen Systemen bestehen nicht nur Unterschiede hinsichtlich Deckungsumfang und Zulässigkeit von Ansprüchen, sondern auch beispielsweise in Bezug auf den Zeitpunkt der Intervention und die Art der Finanzierung.
In dem heute angenommenen Weißbuch stellt die Kommission verschiedene Optionen vor, wie zum einen ein fairer und umfassender Verbraucherschutz in der EU sichergestellt und zum anderen verhindert werden kann, dass die Kosten des Zusammenbruchs einer Versicherungsgesellschaft dem Steuerzahler aufgebürdet werden. Insbesondere wird der Erlass einer Richtlinie vorgeschlagen, die sicherstellen soll, dass alle Mitgliedstaaten über ein Sicherungssystem für Versicherungen verfügen und diese Systeme gewisse Mindestanforderungen erfüllen. Mit der Vorlage des Weißbuchs „Sicherungssysteme für Versicherungen“ wird eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Interessierte Kreise sind aufgefordert, etwaige Stellungnahmen und sonstige Beiträge bis spätestens 30. November 2010 zu übermitteln.
Siehe auch MEMO/10/320
Weitere Informationen:
Einlagensicherungssysteme:
http://ec.europa.eu/internal_market/bank/guarantee/index_de.htm
Anlegerentschädigungssysteme:
http://ec.europa.eu/internal_market/securities/isd/investor_de.htm
Sicherungssysteme für Versicherungen:
http://ec.europa.eu/internal_market/insurance/guarantee_de.htm
Im Zuge ihrer Arbeiten zur Schaffung eines sichereren und solideren Finanzsystems, zur Abwendung künftiger Krisen und zur Wiederherstellung des Verbrauchervertrauens hat die Europäische Kommission heute Änderungen an bestehenden europäischen Rechtsvorschriften vorgeschlagen. Durch die geplanten Änderungen sollen Inhaber von Bankkonten sowie Kleinanleger besser geschützt werden. Gleichzeitig hat die Kommission eine öffentliche Konsultation zu verschiedenen Optionen für einen besseren Schutz von Versicherungsnehmern eingeleitet.
Unter anderem wird die Möglichkeit zur Diskussion gestellt, in allen Mitgliedstaaten Sicherungssysteme für Versicherungen einzurichten. Für die Inhaber von Bankkonten würden die heute von der Kommission gebilligten Maßnahmen bedeuten, dass sie bei Insolvenz ihrer Bank ihr Geld schneller zurückerhalten (nämlich innerhalb von sieben Tagen), dass die Deckungssumme erhöht wird (auf 100 000 EUR) und dass sie besser darüber informiert werden, wie und wann sie geschützt sind. Für Anleger, die Wertpapierdienstleistungen in Anspruch nehmen, sehen die Kommissionsvorschläge eine raschere Entschädigung für den Fall vor, dass eine Wertpapierfirma aufgrund von Betrug, unzulässigen Praktiken oder operativen Fehlern nicht in der Lage ist, Vermögenswerte der Anleger zurückzugeben. Außerdem soll die Höhe der Entschädigung von 20 000 auf 50 000 EUR angehoben werden.
Auch sollen Anleger besser darüber aufgeklärt werden, wann das Entschädigungssystem zur Anwendung kommt, und in Fällen, in denen ihre Vermögenswerte von einem Dritten gehalten werden, besser vor Veruntreuung – wie man sie unlängst in der Madoff-Affäre erleben musste – geschützt werden. Die Kommissionsvorschläge, die voll und ganz mit den Zusagen der EU auf Ebene der G20 in Einklang stehen, werden jetzt zur Beratung an das Europäische Parlament und den Ministerrat weitergeleitet.
Dazu der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier: „Mit der Annahme des heute vorgelegten Maßnahmenpakets unternimmt die Kommission erneut Anstrengungen, um in Europas Finanzsystem für mehr Transparenz und Verantwortlichkeit zu sorgen und damit künftige Krisen abwenden bzw. besser bewältigen zu können. Die europäischen Verbraucher haben Besseres verdient. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Ersparnisse, Anlagen oder Versicherungen überall in Europa geschützt sind. Damit dies Realität werden kann, appelliere ich nun an das Europäische Parlament und den Rat, das heute von uns vorgelegte Paket rasch zur Verabschiedung zu bringen.“
Schutz von Bankanlagen
Die jüngste Finanzkrise hat einmal mehr das Risiko eines „Bankruns“ vor Augen geführt, bei dem alle Bankkunden gleichzeitig versuchen, ihr Geld abzuheben, weil sie ihre Ersparnisse nicht mehr für sicher halten. Seit 1994 gibt es eine Richtlinie (Richtlinie 94/19/EG), die gewährleistet, dass alle Mitgliedstaaten über ein Sicherheitsnetz für die Inhaber von Bankkonten verfügen. Wird eine Bank geschlossen, bekommen die Kontoinhaber ihr Geld bis zu einer bestimmten Höhe von den Einlagensicherungssystemen zurück.
Als 2008 die Finanzkrise zuschlug, wurden auf die Schnelle einige Änderungen an der Richtlinie vorgenommen. Insbesondere wurde die Deckungssumme (in zwei Schritten) auf 100 000 EUR angehoben und die Möglichkeit abgeschafft, einen Selbstbehalt vorzusehen (also die Möglichkeit, die Bankkunden nicht in vollem Umfang zu entschädigen, sondern von ihnen zu verlangen, dass sie einen bestimmten Prozentsatz ihres finanziellen Verlustes selbst tragen – auch wenn die Höhe des Verlusts unterhalb der maximalen Deckungshöhe liegt). Da jedoch noch weitere Schwachstellen in den bestehenden Systemen zutage getreten sind, legt die Kommission jetzt einen Vorschlag für eine grundlegende Überarbeitung der Richtlinie aus dem Jahr 1994 vor, der allen aus der Krise zu ziehenden Lehren Rechnung trägt.
Die Kernelemente des Vorschlags:
- Höhere Deckung: Es bleibt bei der Anhebung der Deckungssumme auf 100 000 EUR bis Ende des Jahres. Das bedeutet, dass 95 % aller Kontoinhaber in der EU im Falle einer Insolvenz ihrer Bank ihre gesamten Ersparnisse zurückerhalten. Die Einlagensicherung erstreckt sich künftig auf kleine, mittlere und große Unternehmen sowie auf alle Währungen. Ausgenommen sind hingegen Einlagen von Finanzinstituten und Behörden, strukturierte Anlageprodukte und Schuldverschreibungen.
- Schnellere Auszahlung: Inhaber von Bankkonten erhalten ihre Einlagen innerhalb von sieben Tagen zurück. Dies ist eine erhebliche Verbesserung gegenüber der derzeit üblichen Praxis. Gegenwärtig müssen viele Bankkunden nämlich Wochen oder gar Monate warten, bis sie ihr Geld zurückbekommen. Damit eine so rasche Auszahlung möglich wird, müssen die Verwalter von Einlagensicherungssystemen frühzeitig von den Aufsichtsbehörden unterrichtet werden, wenn sich Banken in Schwierigkeiten befinden. Banken haben in ihren Büchern zu kennzeichnen, ob Einlagen gesichert sind oder nicht.
- Weniger Bürokratie: Angenommen, Sie leben in Portugal und haben Ihr Konto bei einer Bank mit Hauptsitz in Schweden. Im Falle einer Insolvenz dieser Bank würde Ihnen das portugiesische Einlagensicherungssystem aus eigener Initiative Ihr Geld zurückzahlen und als Ihr Ansprechpartner fungieren. Anschließend würde das schwedische System dem portugiesischen System den entsprechenden Betrag erstatten. Dies wäre eine bedeutende Verbesserung gegenüber der aktuellen Situation, denn derzeit muss die gesamte Kommunikation über das System des Landes abgewickelt werden, in dem sich der Hauptsitz der Bank befindet. Durch die neue Regelung werden bürokratische Hindernisse beseitigt und Auszahlungen beschleunigt.
- Bessere Information: Kontoinhaber werden besser über Deckungsumfang und Funktionsweise des jeweiligen Einlagensicherungssystems informiert – durch einen neuen, leicht verständlichen Standard-Informationsbogen und auf ihren Kontoauszügen.
- Langfristige und verantwortungsvolle Finanzierung: Es werden mitunter Bedenken geäußert, dass die Finanzierung der bestehenden Einlagensicherungssysteme unzureichend sei. Die heute vorgeschlagenen Änderungen werden künftig für eine solidere Finanzierung nach einem Vierstufenkonzept sorgen: Zunächst werden im Wege einer Ex-ante-Finanzierung solide Reserven aufgebaut. In einem zweiten Schritt können diese Reserven bei Bedarf durch zusätzliche Ex-post-Beiträge aufgestockt werden. Ist die Finanzierung immer noch unzureichend, können die Systeme in einem dritten Schritt in begrenztem Umfang Mittel bei anderen Systemen aufnehmen (gegenseitige Kreditvergabe). Als viertes und letztes Mittel kämen dann anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht. Die Beiträge zum Einlagensicherungssystem werden, wie dies bereits jetzt der Fall ist, von den Banken gezahlt. Allerdings soll künftig eine fairere Beitragsbemessung erfolgen, indem dem individuellen Risiko der einzelnen Banken Rechnung getragen wird.
Nicht nur werden die Ersparnisse der Europäer künftig besser geschützt sein. Auch werden die Europäer sich künftig für das beste Sparprodukt in einem beliebigen EU Land entscheiden können, ohne sich Gedanken über Unterschiede bei der Einlagensicherung machen zu müssen. Den Banken wird die neue Regelung insofern zugute kommen, als sie in der gesamten EU wettbewerbsfähige Produkte anbieten können, ohne dass Unterschiede bei der Einlagensicherung zu einem Hindernis werden. Darüber hinaus profitiert auch der Steuerzahler von einer besseren Finanzierung der Systeme, da die Notwendigkeit staatlicher Interventionen weitaus weniger wahrscheinlich wird.
Die meisten der vorgeschlagenen Verbesserungen könnten bereits 2012 bzw. 2013 wirksam werden. Sie würden in allen EU-Mitgliedstaaten gelten und, sobald sie in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum eingefügt wurden, auch in Norwegen, Island und Liechtenstein.
Siehe auch MEMO/10/318
Schutz von Wertpapieren
Anleger, die in Europa Wertpapierdienstleistungen in Anspruch nehmen, sind seit 1997 durch die Richtlinie über die Entschädigung der Anleger (Richtlinie 97/9/EG) geschützt. Diese Richtlinie gewährleistet eine Entschädigung in Fällen, in denen eine Wertpapierfirma nicht in der Lage ist, einem Anleger die ihm gehörenden Vermögenswerte zurückzugeben. Eine solche Situation kann beispielsweise aufgrund von Betrug oder Fahrlässigkeit in einer Firma oder aufgrund des Versagens oder fehlerhaften Funktionierens der firmeninternen Systeme eintreten. Anlagerisiken als solche werden nicht abgesichert. Derzeit bestehen in den 27 EU Mitgliedstaaten 39 verschiedene Anlegerentschädigungssysteme.
In den vergangenen Jahren sind bei der Kommission zahlreiche Beschwerden über die Anwendung der Richtlinie in einigen Mitgliedstaaten eingegangen. Die Beschwerden betrafen Probleme wie die mit Blick auf die Auszahlung von Forderungen unzureichende Finanzierung von Systemen oder die langen Auszahlungsfristen.
Mit den heute vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie sollen die Effizienz der Vorschriften zum Anlegerschutz erhöht, Wettbewerbsgleichheit hinsichtlich der Art der geschützten Finanzinstrumente hergestellt sowie eine ausreichende Finanzierung und das Vorhandensein der erforderlichen Regelungen für die Entschädigung der Anleger gewährleistet werden.
Die Kernelemente des Vorschlags:
- Höhere Deckung: Derzeit beträgt die Mindestentschädigungshöhe für Anleger 20 000 EUR. Der Kommissionsvorschlag sieht eine Anhebung der Entschädigungssumme auf 50 000 EUR pro Anleger vor.
- Schnellere Auszahlung: Bei der derzeitigen Rechtslage kann es bisweilen mehrere Jahre dauern, bis ein Anleger eine Entschädigung erhält. Dies soll sich nach dem Kommissionsvorschlag ändern: Anleger sollen künftig spätestens neun Monate nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einer Wertpapierfirma entschädigt werden. Dieses Zeitfenster ist erforderlich, um den zuständigen Behörden eine Untersuchung der Angelegenheit und die Klärung der Position einzelner Anleger zu ermöglichen.
- Bessere Information: Anleger sollen künftig klarere und umfassendere Informationen darüber erhalten, inwieweit ihre Vermögenswerte abgesichert sind. Anlagerisiken – also Wertverluste aufgrund sinkender Börsenkurse oder aufgrund der Zahlungsunfähigkeit eines Emittenten – werden im Rahmen der Richtlinie beispielweise nicht abgedeckt.
- Langfristige und verantwortungsvolle Finanzierung: Seit 1997 gab es in den Mitgliedstaaten mehrere Fälle, in denen Systeme aufgrund unzureichender Finanzierung nicht in der Lage waren, Anleger für den Verlust ihrer Vermögenswerte zu entschädigen. Der Kommissionsvorschlag sieht nun eine Mindestausstattung („Zielausstattung“) vor, deren Finanzierung in vollem Umfang vorab sicherzustellen ist. Bei Bedarf können die Systeme als letztes Mittel Kredite in begrenzter Höhe bei anderen Systemen aufnehmen (gegenseitige Kreditvergabe) oder auf andere Finanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen. Das Entschädigungssystem wird aus Beiträgen der Wertpapierfirmen finanziert.
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Die meisten der vorgeschlagenen Verbesserungen könnten bereits bis Ende 2012 wirksam werden. Sie würden in allen EU-Mitgliedstaaten gelten und, sobald sie in das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum eingefügt wurden, auch in Norwegen, Island und Liechtenstein.
Siehe auch MEMO/10/319
Besserer Schutz für Versicherungsunternehmer
Sicherungssysteme für Versicherungen bieten Verbrauchern in letzter Instanz Schutz, wenn Versicherungen ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen können, und schützen sie somit vor dem Risiko, dass ihre Forderungen bei Insolvenz eines Versicherungsunternehmens nicht erfüllt werden.
Sicherungssysteme für Versicherungen schützen Verbraucher, indem sie ihnen eine Entschädigung zahlen oder indem sie das Fortbestehen ihres Versicherungsvertrags gewährleisten, beispielsweise durch Übertragung der Policen auf einen solventen Versicherer oder auf das Sicherungssystem selbst. Anders als im Bank- und im Wertpapiersektor gibt es im Versicherungssektor bisher keine europäischen Rechtsvorschriften oder Sicherungssysteme. Derzeit verfügen zwölf Mitgliedstaaten über ein oder mehrere Sicherungssysteme für Lebens- und/oder Nichtlebensversicherungen.
Zwischen diesen Systemen bestehen nicht nur Unterschiede hinsichtlich Deckungsumfang und Zulässigkeit von Ansprüchen, sondern auch beispielsweise in Bezug auf den Zeitpunkt der Intervention und die Art der Finanzierung.
In dem heute angenommenen Weißbuch stellt die Kommission verschiedene Optionen vor, wie zum einen ein fairer und umfassender Verbraucherschutz in der EU sichergestellt und zum anderen verhindert werden kann, dass die Kosten des Zusammenbruchs einer Versicherungsgesellschaft dem Steuerzahler aufgebürdet werden. Insbesondere wird der Erlass einer Richtlinie vorgeschlagen, die sicherstellen soll, dass alle Mitgliedstaaten über ein Sicherungssystem für Versicherungen verfügen und diese Systeme gewisse Mindestanforderungen erfüllen. Mit der Vorlage des Weißbuchs „Sicherungssysteme für Versicherungen“ wird eine öffentliche Konsultation eingeleitet. Interessierte Kreise sind aufgefordert, etwaige Stellungnahmen und sonstige Beiträge bis spätestens 30. November 2010 zu übermitteln.
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Weitere Informationen:
Einlagensicherungssysteme:
http://ec.europa.eu/internal_market/bank/guarantee/index_de.htm
Anlegerentschädigungssysteme:
http://ec.europa.eu/internal_market/securities/isd/investor_de.htm
Sicherungssysteme für Versicherungen:
http://ec.europa.eu/internal_market/insurance/guarantee_de.htm
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