Vergabekammer Nordbayern Beschluss, 19. Okt. 2015 - 21.VK-3194/38/15

bei uns veröffentlicht am19.10.2015

Gericht

Vergabekammer Nordbayern

Gründe

Vergabekammer Nordbayern

Regierung von Mittelfranken

Az.: 21.VK - 3194 - 38/15

Beschluss

vom 19.10.2015

Leitsätze:

Nachprüfungsantrag: ...

Bevollmächtigte: ...

(Antragstellerin - ASt)

Vergabestelle: ...

Bevollmächtigte: ...

(Vergabestelle - VSt)

Beigeladene: ...

(Beigeladene - BGl)

Vorhaben: Neubau ... Rohbauarbeiten, Sichtbetonfassade

Öffentliche Ausschreibung nach § 3 Abs. 2 VOB/A

Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt ohne mündliche Verhandlung am 19.10.2015 durch die Vorsitzende ..., den hauptamtlichen Beisitzer ... und den ehrenamtlichen Beisitzer ... folgenden

Beschluss:

1. Der Antrag wird verworfen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Vergabestelle war notwendig.

4. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.

5. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt ... €.

Auslagen sind nicht angefallen.

Sachverhalt:

1.

Die VSt ist eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Auf ihre Initiative soll im Geburtshaus von ... und in einem benachbarten Neubau ein Dokumentations-, Ausstellungs-, Forschungs- und Begegnungszentrum für ... und die Soziale Marktwirtschaft eingerichtet werden.

Dieses soll laut Satzung „eine breite, politisch interessierte Öffentlichkeit, vor allem aber junge Menschen, insbesondere Schulkassen, in Veranstaltungen und Seminaren mit der grundsätzlichen und aktuellen Bedeutung der ... Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik vertraut machen und mit ihnen die konkreten politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen erörtern, die mit einer Sozialen Marktwirtschaft verbunden sind, die Wohlstand für alle und soziale Zufriedenheit schafft und sichert. ...“ (aus der Präambel)

Für den Neubau schrieb die VSt die Rohbauarbeiten und die Errichtung einer Sichtbetonfassade in einer nationalen öffentlichen Ausschreibung aus. Ein Offenes Verfahren wurde nicht durchgeführt.

2.

Der Eröffnungstermin fand am 13.08.2015 statt.

Die ASt hat sich an der Ausschreibung beteiligt und laut Submissionsprotokoll mit ... € (nachgerechnet) das günstigste Angebot abgegeben.

Mit Schreiben vom 11.09.2015 (Formblatt 332 - Absageschreiben - Bieter) teilte die VSt der ASt mit, dass das Angebot der ASt von der Wertung ausgeschlossen werde, weil es unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalte und es nicht alle in den Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen erfülle. In einer Anlage waren die Ausschlussgründe erläutert.

3.

Mit Schreiben vom 14.09.2015 rügte die ASt bei der VSt den Ausschluss ihres Angebotes als verfahrensfehlerhaft.

Ferner beanstandete die ASt, dass die Ausschreibung nur national erfolgt sei und die Vorgaben des EU-Vergaberechts nicht beachtet worden seien. Die Voraussetzungen des § 98 Nr. 2 GWB lägen vor.

Mit Schreiben vom 15.09.2015 wies die VSt die Rüge zurück. Insbesondere sei sie keine öffentliche Auftraggeberin.

4.

Mit Fax vom 18.09.2015 stellte die ASt Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Nordbayern und beantragte die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Gleichzeitig kündigte sie folgenden Sachantrag an:

„Der Antragsgegnerin wird es untersagt, im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung der Leistung „Rohbauarbeiten, Sichtbetonfassade“ für die Baumaßnahme Neubau „...“ den Zuschlag auf das Angebot der ... oder auf das Angebot der ... zu erteilen.“

Die VSt sei öffentlicher Auftraggeber nach § 98 Nr.2 und Nr. 5 GWB. Sie nehme im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art wahr. Das Bauvorhaben werde überwiegend mit Fördermitteln von Bund, Land und Stadt ... finanziert sowie alle Betriebskosten bis 2018 durch den Freistaat Bayern übernommen. Die VSt werde überwiegend durch die öffentliche Hand finanziert.

Das Dokumentations-, Ausstellungs-, und Begegnungszentrum stelle darüber hinaus eine Freizeiteinrichtung (mit Bildungscharakter) dar sowie ein Schul- bzw. Hochschulgebäude i. S. v. § 98 Nr. 5 GWB.

Das Vorhaben hätte also europaweit ausgeschrieben werden müssen. Ungeachtet dessen lägen die von der VSt behaupteten Ausschlussgründe nicht vor.

5.

Die Vergabekammer Nordbayern hat den Nachprüfungsantrag am 18.09.2015 der VSt übermittelt und um Zusendung der Vergabeakten und Äußerung gebeten.

6.

Mit Schreiben vom 25.09.2015 beantragte die VSt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und der ASt die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die VSt sei kein öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 2 oder 5 GWB. Die Vergabekammer Nordbayern sei daher unzuständig.

Die ASt berufe sich auf eine überwiegende Finanzierung des Bauvorhabens durch Bund, Land und Kommune und meine, damit eine öffentliche Auftraggebereigenschaft der VSt nach § 98 Nr. 2 oder Nr. 5 GWB begründen zu können. Keiner von beiden Tatbeständen sei erfüllt.

Die VSt sei zwar eine Stiftung des bürgerlichen Rechts und damit rechtsfähig. Sie sei aber keine öffentliche Stiftung, sondern eine Stiftung des bürgerlichen Rechts. Ihre Stiftungsmitglieder seien ausweislich ihrer Satzung ausschließlich Privatpersonen, Unternehmen aus der Privatwirtschaft und private Vereine. Sie werde mitnichten von der öffentlichen Hand getragen.

Die VSt verfolge keine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe. Ein funktionaler Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB müsse Aufgaben im Allgemeininteresse verfolgen. Der EuGH stelle hierzu in ständiger Rechtsprechung entscheidend darauf ab, „dass es sich um Aufgaben handelt, die der Staat oder eine Gebietskörperschaft aus Gründen des Allgemeininteresses im Allgemeinen selbst erfüllen oder bei denen er oder sie einen entscheidenden Einfluss behalten möchte“. Von Aufgaben im Allgemeininteresse gehe der EuGH im Besonderen aus, „wenn diese eng mit der öffentlichen Ordnung und dem institutionellen Funktionieren des Staats verknüpft sind und nach einer Versorgungsgarantie verlangen. In die Terminologie des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts übertragen, liege eine Aufgabe im Allgemeininteresse vor, wenn originär staatliche Hoheitsaufgaben erfüllt werden oder der Staat im Bereich der Daseinsvorsorge handelt“.

Dem habe sich die Rechtsprechung der deutschen Vergabesenate angeschlossen.

Diese Voraussetzungen lägen bei der VSt nicht vor. Sie nehme keine staatlichen Aufgaben wahr. Genauso wenig verfolge sie mit dem Dokumentations-, Begegnungs- und Forschungszentrum ein Allgemeininteresse oder nehme eine Tätigkeit im Dienste der allgemeinen Öffentlichkeit wahr. Die VSt habe sich im Gegenteil im Interesse ihrer privaten Stifter einem Partikularinteresse verschrieben und wolle das Gedenken an ... erhalten und eine Soziale Marktwirtschaft ...demokratischer Prägung propagieren.

Damit fehle bereits der von § 98 Nr. 2 GWB geforderte besondere Gründungszweck, eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe zu erfüllen.

Auch liege nicht die erforderliche staatliche Beherrschung der VSt vor, die einen funktionalen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB ausmacht. Hierfür erforderlich wäre alternativ eine überwiegende Finanzierung, eine Aufsicht über die Leitung oder die Bestimmung von mehr als der Hälfte der zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe. Keine dieser Voraussetzungen sei erfüllt.

Die VSt sei nicht überwiegend öffentlich durch öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB finanziert (§ 98 Nr. 2 Var. 1 GWB). Für das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Finanzierung sei nach Auffassung des EuGH nicht auf den konkret zu vergebenden Auftrag, sondern auf die Finanzierung der Einrichtung selbst abzustellen.

Für die Beurteilung der überwiegenden Finanzierung seien die staatlichen Zuwendungen für das konkrete Projekt im Rahmen des § 98 Nr. 5 GWB außer Betracht zu lassen.

Die VSt erhalte als Stiftung selbst aktuell keine staatlichen oder kommunalen Zuschüsse. Das Stiftungsvermögen sei ausschließlich von Privatpersonen oder Unternehmen aus der Privatwirtschaft erbracht worden.

Die VSt unterstehe keiner Aufsicht über die Leitung im Sinne des § 98 Nr. 2 Var. 2 GWB. Hierfür sei nicht ausreichend, dass sie als Stiftung der nachprüfenden und kontrollierenden Rechtsaufsicht der Regierung ... unterliegt. Die öffentliche Hand müsse vielmehr die Entscheidungen der jeweiligen Einrichtung gerade in Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge kontrollieren können. Dies sei nicht der Fall.

Nach der Satzung der VSt sei der erste Stiftungsvorstand durch die Stifter bestimmt worden (§ 7 Abs. 1 S. 2). Stifter seien ausschließlich Privatpersonen und Unternehmen aus der Privatwirtschaft (Präambel). Künftige Vorstandsmitglieder würden mit einfacher Mehrheit der vorhandenen Stimmen gewählt (§ 7 Abs. 1 S. 4). Auch die Zusammensetzung des Kuratoriums werde durch die Stifter bestimmt (§ 11 Abs. 1).

Die von der ASt dargelegte überwiegende Finanzierung des Bauvorhabens führe auch nicht über § 98 Nr. 5 GWB zu einer öffentlichen Auftraggebereigenschaft der VSt.

Der Katalog des § 98 Nr. 5 GWB sei abschließend.

Auch wenn das ... insbesondere auch für Schulklassen zur Verfügung stehen solle und der Begriff des Schulgebäudes grundsätzlich eher weit auszulegen sei, könne es hierunter nicht subsumiert werden.

Die Rechtfertigung für die Zuordnung des Schulwesens zu § 98 Nr. 5 GWB liege in der staatlichen Aufsicht über das Schulwesen und im staatlichen Bildungsauftrag für das Schulwesen begründet. Die VSt sei aber keine Privatschule und stelle keine Räume für den regulären Unterricht zur Verfügung.

Wenn genügen würde, dass Schulklassen im Rahmen von Wandertagen oder Exkursionen eine Einrichtung besuchen, wären auch Minigolfanlagen, Bowling-Bahnen, Kinos (in denen pädagogisch wertvolle Filme angesehen werden) etc. als „Schulgebäude“ im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB anzusehen. Gleiches gelte für das Tatbestandsmerkmal des Hochschulgebäudes.

Das ... lasse sich auch nicht unter den Begriff der Freizeiteinrichtung subsumieren. Das Bauvorhaben zähle schwerlich zu den „Sport-, Erholungs- und Freizeitanlagen“. Die Besucher des ... sollten sich weder zur Erholung noch zum Spaß mit der Person ... und den geistigen Grundlagen einer Sozialen Marktwirtschaft ...demokratischer Prägung beschäftigen.

Abschließend werde darauf hingewiesen, dass der von der ASt geforderten extensiven Auslegung des § 98 Nr. 5 GWB der Bestimmtheitsgrundsatz Grenzen setze.

(Die weiteren Ausführungen betreffen u. a. die Rügepräklusion und die Angebotsausschlussgründe.)

7.

Mit Schreiben vom 08.10.2015 erwiderte die ASt, lt. ihrer Homepage sei die VSt eine rechtsfähige öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts. Die dort aufgeführten Aufgaben der VSt lägen klar im Allgemeininteresse. Nur unter diesem Blickwinkel sei auch die hohe Beteiligung staatlicher Stellen mit Steuergeldern an diesem Projekt zu rechtfertigen. Bildungsstätten würden allgemein als Einrichtungen angesehen, die im Allgemeininteresse tätig sind.

Die Baukosten für das Projekt von rund xx.Mio € würden überwiegend von Bund, Land und Stadt ... finanziert. Dies übersteige das eigentliche Stiftungsvermögen um ein Vielfaches, so dass die überwiegende Finanzierung des Projektes durch Steuermittel eine überwiegende Finanzierung der Stiftung selbst darstelle. Eine besondere Staatsverbundenheit i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB sei damit zu bejahen.

Unter Freizeiteinrichtungen i. S. d. § 98 Nr. 5 GWB würden von der weit überwiegenden Literaturansicht z. B. Einrichtungen kultureller Art, wie Museen, Bibliotheken und Ausstellungszentren verstanden.

Das Gutachten von ..., auf das sich die Regierung ... in der Mail vom 16.03.2015 bezogen habe, komme zu dem Ergebnis, es sei vertretbar, die Stiftung nicht als Freizeiteinrichtung i. S. d. § 98 Nr. 5 GWB einzuordnen, wobei es offen bleibe, ob dies einer rechtlichen Überprüfung in einem Nachprüfungsverfahren standhält.

(Die weiteren Ausführungen betreffen u. a. die Rügepräklusion und die Angebotsausschlussgründe.)

8.

Soweit kein Geheimschutz geboten war, wurden der ASt am 08.10.2015 Auszüge aus der Vergabeakte zugesandt.

9.

Am 09.10.2015 hat die Vergabekammer die Firma ... zum Verfahren beigeladen.

10.

Mit Schreiben vom 14.10.2015 äußerte sich nochmals die VSt:

Es sei nochmals zu betonen, dass die VSt keine Bildung und Kulturförderung im Dienste der allgemeinen Öffentlichkeit verfolge, sondern im Partikularinteresse eines ...demokratischen Meinungsbildungsprozesses eine Soziale Marktwirtschaft im Sinne ... propagiere. Dies komme auch in der Aufgabenbeschreibung ihrer Homepage zum Ausdruck.

Eines der prominenten Stiftungsmitglieder sei der Wirtschaftsrat der ... Es sei gerade nicht Sache des Staates, einen beherrschenden Einfluss auf eine parteipolitisch geprägte Stiftung zu nehmen.

Die VSt werde auch nicht überwiegend aus staatlichen oder kommunalen Mitteln finanziert. Sie werde ein vielfältiges Aufgabenspektrum weit über die Tätigkeit als Bauherrin eines aus öffentlichen Mitteln geförderten Bauvorhabens hinaus wahrnehmen. Aus der Zweckbestimmung der Satzung der VSt gehe klar hervor, dass ihr Aufgabenbereich nicht einzig darin bestehe, das ... zu errichten.

Nach der Rechtsprechung sei die überwiegende Finanzierung von einzelnen Aufgabenbereichen gerade nicht ausreichend für eine überwiegende Finanzierung der Auftraggeberin selbst. Der Grund hierfür liege darin, dass eine juristische Person nur dann einem staatlichen Auftraggeber gleichzustellen sei, wenn die juristische Person in einer derartigen Weise staatsgebunden ist, dass zwischen der staatlichen Stelle und der juristischen Person praktisch kein Unterschied besteht. Voraussetzung hierfür sei grundsätzlich die Möglichkeit der Beherrschung durch eine staatliche Stelle, entweder in finanzieller oder personeller Hinsicht. Im Gegensatz zu § 98 Nr. 5 GWB stelle Nr.2 nicht auf das Aufgabengebiet, sondern auf den Rechtsträger als solchen ab.

Mit Nachdruck werde der Vorwurf zurückgewiesen, das Rechtsgutachten der Kanzlei ... sei ein Gefälligkeitsrechtsgutachten. Es sei erkennbar von einem auf das Vergaberecht spezialisierten Kollegen und Partner dieser Kanzlei erstellt worden. Dessen Ergebnis, dass es rechtlich vertretbar sei, die VSt weder als öffentlichen Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 noch nach Nr. 5 GWB einzuordnen, sei auch von der Regierung... ausdrücklich geteilt und bestätigt worden.

Es bleibe dabei, dass das Bauvorhaben ... ungeachtet seiner Ausstellungsflächen nicht unter die abschließend in § 98 Nr. 5 GWB aufgezählten Einrichtungen falle.

(Die weiteren Ausführungen betreffen u. a. die Rügepräklusion und den möglichen Schaden der ASt.)

11.

Auf die Schriftsätze der Beteiligten wird im Übrigen verwiesen.

12.

Die Vergabekammer hat am 19.10.2015 ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Begründung:

1.

Der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen ist nicht eröffnet, weil die VSt nicht den öffentlichen Auftraggebern zuzuordnen ist. Die Vergabe unterliegt damit nicht dem Anwendungsbereich des GWB.

1.1

Die VSt ist keine öffentliche Auftraggeberin nach § 98 Nr. 2 GWB.

Öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB sind andere juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen die unter Nr. 1 oder 3 fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben.

1.1.1

Die VSt ist nach § 1 ihrer Satzung eine rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Die Aussagen auf der Homepage sind dagegen nicht relevant.

1.1.2

Die VSt verfolgt keine im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben. Der EuGH stellt hierzu in ständiger Rechtsprechung entscheidend darauf ab, dass es sich um Aufgaben handelt, die hoheitliche Befugnisse und damit Aufgaben betreffen, die der Staat aus Gründen des Allgemeininteresses selbst erfüllen oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte (Boesen Vergaberechtskommentar RdNr. 44 zu § 98 GWB; BayObLG v. 21.10.2004 Az. Verg 17/04). Dies ist der Fall, wenn diese Aufgaben eng mit der öffentlichen Ordnung und dem institutionellen Funktionieren des Staates verknüpft sind und nach einer Versorgungsgarantie verlangen (Zeiss in Heiermann/Zeiss - Juris Praxiskommentar Vergaberecht, 4. Auflage, RdNr. 104 zu § 98 GWB u.B.a. EuGH v. 15.01.1998 - C-44/96). Eine Aufgabe liegt im Allgemeininteresse, wenn originär staatliche Hoheitsaufgaben erfüllt werden oder die VSt im Bereich der Daseinsvorsorge handelt. Aufgaben im Allgemeininteresse liegen vor, wo grundlegende Staatsfunktionen betroffen sind (Zeiss a. a. O. RdNr. 105 zu § 98 GWB; Kullack in Heiermann - Riedl - Rusam VOB-Kommentar, 13. Auflage, RdNr. 10 zu § 98 GWB).

Diese Voraussetzungen liegen bei der VSt nicht vor. Sie nimmt keine staatlichen Aufgaben wahr und handelt nicht im Bereich der Daseinsvorsorge. Sie verfolgt mit dem Dokumentations-, Begegnungs- und Forschungszentrum keine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe. Die VSt soll und will im Interesse ihrer privaten Stifter das Gedenken an den Politiker ... und seine Soziale Marktwirtschaft erhalten und fördern.

1.1.3

Die Gleichstellung der juristischen Personen i. S. v. § 98 Nr.2 GWB mit den „klassischen“ öffentlichen Auftraggebern soll verhindern, dass die Aufgaben des Staates und der Gebietskörperschaften auf verselbstständigte Organisationseinheiten verlagert werden, auf die der Staat maßgebenden Einfluss ausübt, und damit das Vergaberecht ausgehebelt wird (Ziekow in Ziekow/Völlink Vergaberecht, 2. Auflage, RdNr. 42 zu § 98 GWB).

Die VSt unterliegt nicht einem beherrschenden staatlichen Einfluss.

1.1.4

Die VSt wird nicht überwiegend durch öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 oder Nr. 3 finanziert (§ 98 Nr. 2 Alt. 1 GWB). Für das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Finanzierung ist nicht auf den konkret zu vergebenden Auftrag, sondern auf die Finanzierung der Einrichtung selbst abzustellen.

Die VSt erhält als Stiftung nach eigener Aussage aktuell keine staatlichen oder kommunalen Zuschüsse. Demnach ist das Stiftungsvermögen ausschließlich von den in der Einleitung zur Satzung genannten Privatpersonen oder Unternehmen aus der Privatwirtschaft (Stifter) erbracht worden. Diese Aussagen wurden weder bestritten noch widerlegt.

Für die Beurteilung der überwiegenden Finanzierung müssen die staatlichen Zuwendungen für das konkrete Projekt außer Betracht bleiben. Wollte man vorhabenbezogene Zuwendungen im Rahmen des § 98 Nr. 2 GWB berücksichtigen, würde die abschließende Aufzählung der subventionierten Vorhaben in § 98 Nr. 5 GWB ausgehebelt.

1.1.5

Die VSt untersteht als privatrechtliche Stiftung keiner Aufsicht im Sinne des § 98 Nr. 2 Alt. 2 GWB (Ziekow a. a. O., RdNr. 227 zu § 98 GWB). Hierbei ist nicht entscheidend, dass die Stiftung der Rechtsaufsicht durch die Regierung ... unterliegt. Die Entscheidungen der VSt müssten vielmehr der Kontrolle durch die öffentliche Hand unterliegen. Dies ist nicht der Fall.

Nach der Satzung der VSt war der erste Stiftungsvorstand durch die Stifter zu bestimmen (§ 7 Abs. 1 S. 2). Die Stifter sind laut Einleitung zur Satzung ausschließlich Privatpersonen, Unternehmen aus der Privatwirtschaft und ein eingetragener Verein. Künftige Vorstandsmitglieder werden durch das Kuratorium gewählt (§ 7 Abs. 1 S. 4). Auch dessen Zusammensetzung wird durch die Stifter bestimmt (§ 11 Abs. 1).

Im Ergebnis ist die VSt keine öffentliche Auftraggeberin i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB.

1.2.

Die VSt ist auch keine öffentliche Auftraggeberin i. S. d. § 98 Nr. 5 GWB.

Zwar wird das Bauvorhaben der VSt überwiegend durch Mittel der öffentlichen Hand finanziert. Das Bauvorhaben ist aber keines, das unter den abschließenden Katalog des § 98 Nr. 5 GWB fällt.

1.2.1

Auch wenn das ... u. a. Schulklassen ansprechen soll, es auch der Forschung dienen soll und der Begriff des Schul- bzw. Hochschulgebäudes grundsätzlich eher weit auszulegen ist, handelt es sich nicht um ein Schul- oder Hochschulgebäude. Die VSt ist keine (Privat-)schule und stellt keine Räume für regulären Unterricht zur Verfügung. Das ... kann eine von vielen Einrichtungen werden, die von Schulklassen im Rahmen z. B. von Exkursionen besucht werden, was es aber nicht zum Schulgebäude macht. Nicht jedes Gebäude, in dem gelegentlich Unterrichtseinheiten abgehalten werden, wird deshalb ein Schulhaus. Entsprechendes gilt für den Begriff des Hochschulgebäudes.

1.2.2

Das ... ist auch keine Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtung. Der einzig infrage kommende Begriff der Freizeiteinrichtung ist als Sammelbegriff für alle Orte zu verstehen, die von der überwiegenden Mehrzahl der Besucher während deren Freizeit aufgesucht werden (Weyand ibronline-Kommentar Vergaberecht, RdNr. 180/1 zu § 98 GWB). Der Annahme, es werde sich beim ... um eine Freizeiteinrichtung handeln, steht schon der politische und bildungspolitische Ansatz der VSt entgegen. Die Besucher des ... werden sich eher nicht zur Erholung oder zum Vergnügen mit der Person ... und dessen Sozialer Marktwirtschaft beschäftigen.

1.2.3

Einer zu weiten Auslegung des § 98 Nr. 5 GWB setzt der Bestimmtheitsgrundsatz Grenzen. Zweck der Vorschrift ist die Erfassung sogenannter Drittvergaben, in denen der Dritte gleichsam als verlängerter Arm des öffentlichen Auftraggebers auftritt (Ziekow a. a. O., RdNr. 151 zu § 98 GWB; Kullack a. a. O., RdNr. 54 zu § 98 GWB). Es muss sich um die Delegation von Aufgaben handeln, die klassischerweise im öffentlichen Interesse von öffentlichen Auftraggebern zu erfüllen sind (Weyand a. a. O. RdNr. 181 zu § 98 GWB). Das kann aber angesichts des Stiftungszweckes - das Gedenken an den ...-Politiker ... und seine Soziale Marktwirtschaft zu erhalten und zu fördern - hier nicht angenommen werden.

2.

Nachdem der Nachprüfungsantrag zu verwerfen war und damit unzulässig ist, konnte die Vergabekammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 112 Abs. 1 Satz 3 GWB).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 GWB.

a) Die ASt hat die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der VSt zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 128 Abs. 3 Satz 1 GWB).

b) Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der VSt ergibt sich aus § 128 Abs. 4 Satz 1 GWB.

c) Die BGl trägt ihre Aufwendungen selbst. Sie hat keine Anträge gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen. Infolgedessen hat sie auch ihre Aufwendungen selbst zu tragen.

d) Die Gebühr war nach § 128 Abs. 2 GWB festzusetzen.

Im Hinblick auf die Bruttoangebotssumme der ASt und unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer errechnet sich entsprechend der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von ... €. Da ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, reduziert sich die Gebühr um ... € auf ... €.

e) Der von der ASt geleistete Kostenvorschuss von ... € wird mit der zu zahlenden Gebühr verrechnet.

Die Kostenrechnung für den übersteigenden Betrag in Höhe von ... € wird nachgereicht.

Rechtsmittelbelehrung:

...

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 128 Auftragsausführung


(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelunge

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 98 Auftraggeber


Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 112 Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen, die verschiedene Tätigkeiten umfassen


(1) Umfasst ein öffentlicher Auftrag mehrere Tätigkeiten, von denen eine Tätigkeit eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 darstellt, dürfen getrennte Aufträge für die Zwecke jeder einzelnen Tätigkeit oder darf ein Gesamtauftrag vergeben werden.

Referenzen

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

(1) Umfasst ein öffentlicher Auftrag mehrere Tätigkeiten, von denen eine Tätigkeit eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 darstellt, dürfen getrennte Aufträge für die Zwecke jeder einzelnen Tätigkeit oder darf ein Gesamtauftrag vergeben werden.

(2) Werden getrennte Aufträge vergeben, so wird jeder einzelne Auftrag nach den Vorschriften vergeben, die auf seine Merkmale anzuwenden sind.

(3) Wird ein Gesamtauftrag vergeben, unterliegt dieser Auftrag den Bestimmungen, die für die Tätigkeit gelten, für die der Auftrag hauptsächlich bestimmt ist. Ist der Auftrag sowohl für eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 als auch für eine Tätigkeit bestimmt, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte umfasst, ist § 111 Absatz 3 Nummer 1 und 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Die Entscheidung, einen Gesamtauftrag oder getrennte Aufträge zu vergeben, darf nicht zu dem Zweck getroffen werden, die Auftragsvergabe von den Vorschriften dieses Teils auszunehmen.

(5) Ist es objektiv unmöglich, festzustellen, für welche Tätigkeit der Auftrag hauptsächlich bestimmt ist, unterliegt die Vergabe

1.
den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn eine der Tätigkeiten, für die der Auftrag bestimmt ist, unter diese Vorschriften fällt,
2.
den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber, wenn der Auftrag sowohl für eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 als auch für eine Tätigkeit bestimmt ist, die in den Anwendungsbereich der Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen fallen würde,
3.
den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber, wenn der Auftrag sowohl für eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 als auch für eine Tätigkeit bestimmt ist, die weder in den Anwendungsbereich der Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen noch in den Anwendungsbereich der Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber fallen würde.

(6) Umfasst eine Konzession mehrere Tätigkeiten, von denen eine Tätigkeit eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 darstellt, sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. Ist es objektiv unmöglich, festzustellen, für welche Tätigkeit die Konzession hauptsächlich bestimmt ist, unterliegt die Vergabe

1.
den Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen durch Konzessionsgeber im Sinne des § 101 Absatz 1 Nummer 1, wenn eine der Tätigkeiten, für die die Konzession bestimmt ist, diesen Bestimmungen und die andere Tätigkeit den Bestimmungen für die Vergabe von Konzessionen durch Konzessionsgeber im Sinne des § 101 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 unterliegt,
2.
den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber, wenn eine der Tätigkeiten, für die die Konzession bestimmt ist, unter diese Vorschriften fällt,
3.
den Vorschriften zur Vergabe von Konzessionen, wenn eine der Tätigkeiten, für die die Konzession bestimmt ist, diesen Vorschriften und die andere Tätigkeit weder den Vorschriften zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber noch den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber unterliegt.

(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.

(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.