Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2015 - VGH N 8/14

Gericht
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe
A.
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Mit ihrem Antrag wendet sich die Antragstellerin, die Verbandsgemeinde Wallhalben, gegen ihre Auflösung und die Zusammenlegung ihrer Ortsgemeinden mit den Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen zur neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben im Rahmen einer Kommunal- und Verwaltungsreform.
I.
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Die letzte große kommunale Funktions- und Gebietsreform fand in Rheinland-Pfalz Ende der 1960er Jahre/ Anfang der 1970er Jahre statt. Sie diente der Anpassung der kommunalen Strukturen an die gewachsenen Ansprüche im modernen Sozial- und Rechtsstaat. Ziel war es, Kommunen angemessener Größe zu schaffen, um eine effiziente Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen und dadurch die kommunale Selbstverwaltung zu stärken (vgl. hierzu LT-Drucks. 6/17, S. 18 ff., LT-Drucks. 6/698, S. 28 ff.; ferner Stamm, in: Brocker/Droege/Jutzi [Hrsg.], Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2014, Art. 49 Rn. 6 m.w.N.; vertiefend Steinbicker, in: Junkernheinrich/Lorig [Hrsg.], Kommunalreformen in Deutschland, 2013, S. 213 ff.).
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Mehr als 40 Jahre später hat der Landtag Rheinland-Pfalz beschlossen, eine weitere Kommunal- und Verwaltungsreform durchzuführen. Diese beinhaltet neben der Änderung zahlreicher Zuständigkeiten (vgl. hierzu das Zweite Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform vom 28. September 2010, GVBl. S. 280) auf einer ersten Stufe insbesondere eine Gebietsreform auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden. Hierdurch sollen die Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft dieser kommunalen Gebietskörperschaften gestärkt werden. Anlässe für die Änderung der Gebietsstrukturen seien, so der Gesetzgeber, im Wesentlichen demografische Veränderungen, die Situation der öffentlichen Finanzen, technische und soziale Entwicklungen sowie eine Änderung des Aufgabenspektrums der Verwaltungen (so LT-Drucks. 15/4488, S. 1, 21). Auf einer zweiten Stufe der Reform sollen bis zum Jahr 2019 die Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte optimiert werden (vgl. hierzu auch LT-Drucks. 15/4488, S. 32, LT-Drucks. 16/1081).
II.
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Am 8. September 2010 beschloss der Landtag das Erste Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform, das am 5. Oktober 2010 im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet wurde (GVBl. 272). Artikel 1 dieses Gesetzes beinhaltet das Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform – KomVwRGrG – (im Folgenden: Grundsätzegesetz), das unter anderem die Kriterien für eine Änderung der Gebietsstrukturen festlegt.
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§ 1 bis § 3 KomVwRGrG lauten wie folgt:
§ 1
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Ziele
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(1) Ein Ziel der Kommunal- und Verwaltungsreform sind kommunale Gebietskörperschaften, die unter besonderer Berücksichtigung der demografischen Entwicklungen und des Einsatzes neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere im Rahmen von E-Government, in der Lage sind, langfristig die eigenen und die übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrzunehmen. Zu diesem Zweck sollen Aufgabenzuständigkeiten verändert und die Leistungsfähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit und die Verwaltungskraft der verbandsfreien Gemeinden und der Verbandsgemeinden im Interesse einer bestmöglichen Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger durch Gebietsänderungen verbessert werden. Der Freiwilligkeit gebietlicher Veränderungen wird hierbei der Vorrang eingeräumt.
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(2) Darüber hinaus ist zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung eine Erweiterung der gemeinsamen Wahrnehmung von Aufgaben und der gemeinsamen Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen durch öffentliche und private Stellen angestrebt; dies gilt insbesondere für eine Zusammenarbeit kommunaler Gebietskörperschaften, die ihren Sitz in derselben Gemeinde haben. Mit Dienstleistungsangeboten der kommunalen Gebietskörperschaften sollen die Möglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger zur schnellen, qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Abwicklung ihrer Verwaltungsangelegenheiten und die Unterstützung der Ortsgemeinden und der Ortsbezirke in Verwaltungsangelegenheiten verbessert werden. Ein Ziel der Kommunal- und Verwaltungsreform ist auch eine stärkere direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in kommunalen Selbstverwaltungsangelegenheiten, um das Potenzial des in Rheinland-Pfalz sehr ausgeprägten bürgerschaftlichen Engagements zur Verwirklichung des Gemeinwohlziels verstärkt nutzen zu können. Dazu sollen notwendige Voraussetzungen geschaffen und erweitert werden.
§ 2
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Grundsätze der Verbesserung kommunaler Gebietsstrukturen
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(1) Zur Stärkung der Leistungsfähigkeit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Verwaltungskraft der verbandsfreien Gemeinden und der Verbandsgemeinden werden die vorhandenen Gebietsstrukturen dieser kommunalen Gebietskörperschaften bis zum Tag der allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2014 verbessert.
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(2) Eine ausreichende Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft haben in der Regel
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1. verbandsfreie Gemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern und
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2. Verbandsgemeinden mit mindestens 12 000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
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Maßgebend ist die vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz zum 30. Juni 2009 festgestellte amtliche Zahl der Personen, die mit alleiniger Wohnung oder, sofern eine Person mehrere Wohnungen hat, mit ihrer Hauptwohnung in der verbandsfreien Gemeinde oder der Verbandsgemeinde gemeldet sind.
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(3) Unterschreitungen der Mindestgröße nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 sind in der Regel unbeachtlich bei Verbandsgemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, die eine Fläche von mehr als 100 Quadratkilometern und mehr als 15 Ortsgemeinden haben. Aus besonderen Gründen können Unterschreitungen der Mindestgrößen nach Absatz 2 Satz 1 unbeachtlich sein, wenn die verbandsfreien Gemeinden und die Verbandsgemeinden die Gewähr dafür bieten, langfristig die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrzunehmen. Besondere Gründe sind vor allem landschaftliche und topografische Gegebenheiten, die geografische Lage einer kommunalen Gebietskörperschaft unmittelbar an der Grenze zu einem Nachbarstaat oder einem Nachbarland, die Wirtschafts- und Finanzkraft, die Erfordernisse der Raumordnung sowie die Zahl der nicht kasernierten Soldatinnen und Soldaten, Zivilangehörigen und Familienangehörigen der ausländischen Stationierungsstreitkräfte, soweit diese nicht den deutschen Meldevorschriften unterliegen.
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(4) Verbandsfreie Gemeinden und Verbandsgemeinden sollen mit benachbarten verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden desselben Landkreises zusammengeschlossen werden. Eine Ausnahme von Satz 1 kann zugelassen werden, vor allem wenn innerhalb desselben Landkreises ein Zusammenschluss zu einer verbandsfreien Gemeinde oder Verbandsgemeinde mit einer ausreichenden Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft nicht möglich ist. Ferner können im Ausnahmefall die Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde in mehrere andere Verbandsgemeinden eingegliedert, die Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde und die Ortsgemeinden mehrerer anderer Verbandsgemeinden zu neuen Verbandsgemeinden zusammengeschlossen sowie eine Ortsgemeinde aus einer Verbandsgemeinde ausgegliedert und in eine andere Verbandsgemeinde eingegliedert werden.
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(5) Bei dem Zusammenschluss kommunaler Gebietskörperschaften sind vor allem die Erfordernisse der Raumordnung, landschaftliche und topografische Gegebenheiten, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur, die Wirtschaftsstruktur und historische und religiöse Bindungen und Beziehungen zu berücksichtigen.
§ 3
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Freiwillige Gebietsänderungen
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(1) Im Falle der freiwilligen Eingliederung einer verbandsfreien Gemeinde oder einer Verbandsgemeinde in eine Verbandsgemeinde sind Beschlüsse des Gemeinderates der bisherigen verbandsfreien Gemeinde, der Verbandsgemeinderäte der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde sowie der Ortsgemeinderäte der Ortsgemeinden der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde erforderlich, mit denen übereinstimmend der Wille zu dieser freiwilligen Gebietsänderung erklärt wird. Im Falle der freiwilligen Eingliederung der Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde in mehrere andere Verbandsgemeinden sind Beschlüsse nach Satz 1 des Verbandsgemeinderates der bisherigen Verbandsgemeinde und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden sowie der Verbandsgemeinderäte der aufnehmenden Verbandsgemeinden und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden erforderlich. Im Falle der freiwilligen Umgliederung einer Ortsgemeinde aus einer Verbandsgemeinde in eine andere Verbandsgemeinde sind Beschlüsse nach Satz 1 der Ortsgemeinderäte und der Verbandsgemeinderäte dieser kommunalen Gebietskörperschaften erforderlich. Die Zustimmung der Ortsgemeinden nach den Sätzen 1 bis 3 gilt als erteilt, wenn jeweils mehr als die Hälfte der Ortsgemeinden der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde zugestimmt hat und in diesen Ortsgemeinden jeweils mehr als die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner der bisherigen und der aufnehmenden Verbandsgemeinde wohnt.
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(2) Im Falle der freiwilligen Bildung einer neuen verbandsfreien Gemeinde oder Verbandsgemeinde aus verbandsfreien Gemeinden oder Verbandsgemeinden sind Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 1 der Gemeinderäte der bisherigen verbandsfreien Gemeinden oder der Verbandsgemeinderäte der bisherigen Verbandsgemeinden und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden erforderlich. Im Falle des freiwilligen Zusammenschlusses der Ortsgemeinden einer Verbandsgemeinde mit den Ortsgemeinden mehrerer anderer Verbandsgemeinden zu neuen Verbandsgemeinden sind Beschlüsse nach Absatz 1 Satz 1 der Verbandsgemeinderäte der bisherigen Verbandsgemeinden und der Ortsgemeinderäte ihrer Ortsgemeinden erforderlich. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
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(3) Im Hinblick auf eine freiwillige Änderung des Gebiets kommunaler Gebietskörperschaften, die verschiedenen Landkreisen angehören, sind die betroffenen Landkreise vorher zu hören.
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(4) Die Beschlussfassung und die Anhörung nach den Absätzen 1 bis 3 müssen bis zum 30. Juni 2012 erfolgen.
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(5) Eine Gebietsänderung, die aus Gründen des Gemeinwohls erforderlich ist und nicht freiwillig erfolgt, wird nach vorheriger Anhörung der beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften ohne deren Zustimmung durch Gesetz geregelt.
(…)
III.
- 24
Zur Vorbereitung der Gebietsreform hatte im Auftrag des Ministeriums des Innern und für Sport Prof. Dr. Junkernheinrich eine „begleitende Gesetzesfolgenabschätzung zu den Entwürfen des Ersten und Zweiten Landesgesetzes zur Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz“ (Stand: 13. April 2010) – im Folgenden: begleitende Gesetzesfolgenabschätzung – durchgeführt. Darin kommt er zu dem Ergebnis, dass in fiskalischer Hinsicht kleine Gemeinden im Durchschnitt deutlich schlechter dastehen als einwohnerstarke Gemeinden. Dies spiegele sich zum einen in ihren überwiegend negativen Haushaltsergebnissen und darüber hinaus auch in der Höhe ihrer Kassenkreditverbindlichkeiten wider. Beide Indikatoren korrespondierten deutlich mit der Gemeindegröße. Die fiskalischen Unterschiede gingen wesentlich auf ortsgrößenbedingte Kostendifferenzen zurück. Zwar stelle die Einwohnerzahl nicht die einzige Bestimmungsgröße für die Höhe des administrativen Ressourcenverbrauchs dar, doch insbesondere im fiskalisch besonders bedeutsamen Bereich der allgemeinen Verwaltung (Einzelplan 0) habe sie einen deutlich spürbaren Einfluss. Im Verbandsgemeindebereich ergäben sich im Hinblick auf eine künftige Mindestortsgröße zwei methodisch begründbare Wirtschaftlichkeitsgrenzen. Die erste liege bei einer Einwohnerzahl von 10.700, die zweite bei etwa 13.000 Einwohnern.
IV.
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1. Unter dem 1. August 2012 erstellte Prof. Dr. Junkernheinrich im Auftrag des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur ein Gutachten mit dem Titel „Fusion von Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden in Rheinland-Pfalz – Teil A – Prüfung der Ausnahmegründe von der Fusionspflicht im Rahmen der territorialen Neugliederung rheinland-pfälzischer Verbandsgemeinden und verbandsfreier Gemeinden“ (im Folgenden: Gutachten Junkernheinrich Teil A). Darin untersuchte er, welche verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden die primären Ausnahmegründe nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KomVwRGrG bzw. die besonderen Ausnahmegründe nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG erfüllten. Unter Zugrundlegung der im Gutachten angewandten Kriterien kam nach den Feststellungen von Prof. Dr. Junkernheinrich für die Antragstellerin kein Ausnahmegrund in Betracht.
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2. Im September 2012 legte Prof. Dr. Junkernheinrich zudem im Auftrag des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur Teil B seines Gutachtens „Fusion von Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden in Rheinland-Pfalz“ (im Folgenden: Gutachten Junkernheinrich Teil B) vor, in dem er Neugliederungsoptionen für diejenigen verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden entwickelte, für die zuvor ein gemeindeimmanenter Gebietsänderungsbedarf festgestellt worden war. In diesem Rahmen schlug er für die Antragstellerin in den beiden ersten von drei ausgearbeiteten Varianten eine die Landkreisgrenze überschreitende Fusion mit der Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land und in der dritten Variante eine teilweise die Landkreisgrenze überschreitende Fusion mit den Verbandsgemeinden Kaiserslautern-Süd und Thaleischweiler-Fröschen vor.
V.
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1. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 an den Bürgermeister der Antragstellerin sowie den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen teilte das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur mit, dass für die Antragstellerin und die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen nach Maßgabe des Landesgesetzes über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform ein gemeindeimmanenter Gebietsänderungsbedarf gesehen und unter Zugrundelegung der Empfehlungen von Prof. Dr. Junkernheinrich erwogen werde, einen Zusammenschluss herbeizuführen. Der Antragstellerin wurde hierzu die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon machte sie mit Schreiben vom 15. Januar 2013 Gebrauch. In den Schreiben sprach sich die Antragstellerin unter Bezugnahme auf Erörterungen im Verbandsgemeinderat und eine durchgeführte Bürgerbefragung sowie unter Hinweis auf gleichgerichtete Positionen und Beschlüsse in den einzelnen Ortsgemeinden gegen eine Fusion mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen aus und brachte Überlegungen zu (späteren) kreisübergreifenden Fusionsalternativen und die Bildung einer gänzlich neuen Verbandsgemeinde ein. Die Bürgerbefragung habe bei einem Rücklauf von 71 % Folgendes ergeben: 96 % der Befragten hätten sich für eine Berücksichtigung des Bürgerwillens ausgesprochen, 95 % seien für den Erhalt der Antragstellerin gewesen und 80 % befürworteten (hilfsweise) eine kreisübergreifende Neubildung einer Verbandsgemeinde „Sickinger Höhe“.
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Mit Schreiben vom 3. Mai 2013 informierte das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur die betroffenen verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden, darunter auch die Antragstellerin, darüber, dass Gesetzesentwürfe zu Gebietsänderungen vorbereitet würden. Die Landesregierung sei auf Wunsch einiger Fusionskandidaten allerdings bereit, im Gesetzesentwurf die Gebietsänderung für einen späteren Zeitpunkt, spätestens aber zum 1. Juli 2019, vorzusehen, sofern die betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften der jeweilig vorgesehenen Gebietsänderung zustimmten. Von dieser Möglichkeit machte die Antragstellerin keinen Gebrauch.
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2. Das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur gab der Antragstellerin mit Schreiben vom 2. Juli 2013 zum Entwurf eines Landesgesetzes über die Bildung der neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 2. September 2013. Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. und 30. Juli 2013 eine Fristverlängerung bis zum 31. Oktober 2013, deren Notwendigkeit sie vor allem damit begründete, dass sich der Zeitraum für die Einreichung einer Stellungnahme im Wesentlichen auf die rheinland-pfälzischen Sommerferien beschränke und Gespräche mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen hinsichtlich einer gegebenenfalls einvernehmlichen Fusion Zeit beanspruchten. Ferner beantragte sie, ihr die dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Auswertungen und Finanzdaten zur Verfügung zu stellen. Nachdem das Ministerium die Anträge auf Fristverlängerung abgelehnt hatte, nahm die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigten unter dem 2. September 2013 zu dem geplanten Gesetz Stellung und beantragte (nochmals), ihr Einsicht in sämtliche Verfahrensakten zu dem Gesetzesentwurf zu gewähren und ihr sämtliche dem Gutachten von Prof. Dr. Junkernheinrich zugrunde liegenden statistischen Daten zur Verfügung zu stellen. Das Akteneinsichtsgesuch wurde mit Schreiben vom 11. September 2013 abgelehnt. Auch die Antragstellerin selbst äußerte sich mit Schreiben vom 2. September 2013 zu der geplanten Fusion. Mit Schreiben vom 27. September 2013 wandte sich die Antragstellerin mit ihren Einwendungen außerdem auch direkt an den Landtag. Zusätzlich fand am 5. November 2013 vor dem Innenausschuss des Landtages ein Anhörungsverfahren zu dem Gesetzesentwurf statt, zu dem unter anderem der Bürgermeister der Antragstellerin und der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen geladen worden waren.
VI.
- 30
1. Am 20. Dezember 2013 beschloss der Landtag das Landesgesetz über die Bildung der neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben (im Folgenden: Neubildungsgesetz Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben oder Thal/WallVerbGemBiG) in der Fassung des Gesetzesentwurfs der Landesregierung (LT-Drucks. 16/2800). Das Gesetz wurde am 30. Dezember 2013 im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet (GVBl. S. 551). Es lautet auszugsweise wie folgt:
§ 1
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Die Verbandsgemeinden Thaleischweiler-Fröschen und Wallhalben werden zum 1. Juli 2014 aufgelöst. Aus ihren Ortsgemeinden wird zum 1. Juli 2014 eine neue Verbandsgemeinde gebildet.
§ 2
- 32
Die neue Verbandsgemeinde führt vorläufig den Namen Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben. Das fachlich zuständige Ministerium wird innerhalb eines Jahres nach der Gebietsänderung den endgültigen Namen der neuen Verbandsgemeinde festlegen. Der Sitz der neuen Verbandsgemeinde ist Thaleischweiler-Fröschen.
§ 3
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Der Verbandsgemeinderat und die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben werden am Tage der allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2014 gewählt. Eine etwaige Stichwahl zur Wahl der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben findet am 14. Tage nach der ersten Wahl statt. Für die Vorbereitung und die Durchführung der Wahlen ist das gemeinsame Gebiet der Verbandsgemeinden Thaleischweiler-Fröschen und Wallhalben maßgeblich. Die Wahlzeit des neuen Verbandsgemeinderates Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben beginnt am 1. Juli 2014. Die Wahlzeiten der bisherigen Verbandsgemeinderäte der Verbandsgemeinden Thaleischweiler-Fröschen und Wallhalben enden mit Ablauf des 30. Juni 2014.
§ 13
- 34
Soweit in diesem Gesetz nichts Abweichendes geregelt ist, gilt ergänzend das Landesgesetz über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform.
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2. In der Begründung zum Gesetzesentwurf vom 24. September 2013 (LT-Drucks. 16/2800) heißt es unter anderem: Für die Antragstellerin bestehe ein Gebietsänderungsbedarf. Sie unterschreite mit 7.522 Einwohnern zum Stichtag 30. Juni 2009 die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KomVwRGrG erforderliche Mindesteinwohnerzahl von 12.000 Einwohnern um 4.478 Einwohner (= 37,32 %). Auch bei Zugrundelegung des Bevölkerungsstandes zum 30. Juni 2012 werde die erforderliche Mindesteinwohnerzahl mit 7.238 Einwohnern sogar noch deutlicher unterschritten. Es lägen keine besonderen Voraussetzungen vor, die eine Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl ausnahmsweise rechtfertigen könnten. Die Antragstellerin erfülle nicht den primären Ausnahmegrund des § 2 Abs. 3 Satz 1 KomVwRGrG. Besondere Gründe gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG lägen, wie im Einzelnen ausgeführt wird, ebenfalls nicht vor. Die Antragstellerin biete zwar unter Zugrundelegung der im Gutachten Junkernheinrich angewandten Kriterien die Gewähr der dauerhaften Leistungsfähigkeit. Unter Einbeziehung der deutlich unterdurchschnittlichen Wirtschafts- und Finanzkraft, der bedenklichen demografischen Entwicklung und der bereits jetzt erheblichen Unterschreitung der geforderten Mindesteinwohnerzahl sei jedoch eine Unbeachtlichkeit der Unterschreitung der festgelegten Mindesteinwohnerzahl nicht anzunehmen.
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Für die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen bestehe ebenfalls ein Gebietsänderungsbedarf. Sie unterschreite mit 11.084 Einwohnern zum Stichtag 30. Juni 2009 die Mindesteinwohnerzahl um 914 Einwohner. Zum 30. Juni 2012 habe die Einwohnerzahl 10.882 Einwohner betragen. Für die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen seien weder der primäre Ausnahmegrund nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KomVwRGrG noch besondere Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG zu berücksichtigen.
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Der Zusammenschluss der Antragstellerin und der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen sei aus Gründen des Gemeinwohls erforderlich. Die Fusionsentscheidung orientiere sich an dem gesetzlichen Ziel des § 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KomVwRGrG und berücksichtige dabei insbesondere die Vorgaben nach § 2 Abs. 4 KomVwRGrG, wonach Verbandsgemeinden grundsätzlich mit benachbarten Verbandsgemeinden desselben Landkreises (Satz 1) und – wie die Ausnahmeregelung in Satz 3 zeige – grundsätzlich kommunale Gebietskörperschaften möglichst als Ganzes zusammengeschlossen werden sollen. Ausgehend davon stelle die Fusion der Antragstellerin mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung der Reformziele dar. Die gewählte Neugliederungsvariante sei zwar in keiner der drei Varianten des Gutachtens Junkernheinrich Teil B vorgesehen und weise bei einzelgemeindlicher Betrachtung für die beteiligten Verbandsgemeinden auch nicht die nach diesem System vergebenen höchsten Punktzahlen auf. Allerdings würden – bis auf wenige Ausnahmen – die aus Perspektive der Antragstellerin im Gutachten Junkernheinrich Teil B im Vergleich zur Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen besser oder zumindest gleich gut bewerteten Fusionsvarianten Verbandsgemeinden ohne eigenen Gebietsänderungsbedarf einbeziehen, die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedoch nur dann fusionspflichtig seien, wenn – anders als hier – kein die Ziele der Reform wahrender Zusammenschluss mit einer Verbandsgemeinde mit eigenem Gebietsänderungsbedarf erfolgen könne. Die Abwägung unter den danach verbleibenden Neugliederungsvarianten, die nicht schematisch erfolgen dürfe, sondern im Bezug zum Einzelfall die einzelnen Indikatoren gewichten müsse, führe zu einer Bevorzugung einer Fusion der Antragstellerin mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen. Für diese Variante spreche zudem, dass sie im Unterschied zu den anderen verbleibenden Fusionsalternativen mit Verbandsgemeinden mit eigenem Gebietsänderungsbedarf den Vorgaben des § 2 Abs. 4 Satz 1 KomVwRGrG entsprechend eine landkreisinterne Lösung ermögliche. Hinzu komme, dass der Fusionsbedarf der gesamten Region in den Blick genommen werden müsse und andere Fusionsalternativen einzelne Verbandsgemeinden mit Gebietsänderungsbedarf isolierten. Schließlich erweise sich der Zusammenschluss der Antragstellerin und der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen für keinen der Fusionspartner als unverhältnismäßig. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Erreichbarkeit des künftigen Verwaltungssitzes als auch der finanziellen Situation. Hier weise die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen zwar höhere finanzielle Belastungen auf. Die Folgen der Fusion seien insoweit jedoch deutlich günstiger als die nach dem Gutachten Junkernheinrich Teil B präferierte Variante. Dass die Antragstellerin, die selbst nur geringe Schulden aufweise, in diesem Bereich ein „Minusgeschäft“ mache, stehe dem Zusammenschluss nicht entgegen. Beachtenswerte historische Bindungen oder Beziehungen im Sinne von § 2 Abs. 5 KomVwRGrG, die dem Zusammenschluss entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Auch das Ergebnis der im Gebiet der Antragstellerin durchgeführten Bürgerbefragung stelle die geplante Fusion nicht durchgreifend in Frage. Anhaltspunkte für eine Feindschaft oder unüberbrückbare Differenzen zwischen der Bevölkerung der Fusionspartner, die auf Dauer die notwendige Integration und die zu entwickelnde örtliche Verbundenheit der Einwohner zur neuen Verbandsgemeinde gefährden könnten, seien nicht festzustellen. Auch werde die identitätsstiftende Ebene der Ortsgemeinden durch die Zusammenlegung nicht berührt. Die seitens der Antragstellerin vorgeschlagene Bildung einer Verbandsgemeinde Sickinger Höhe berührte die verfassungsrechtlichen Belange einer Vielzahl von Gebietskörperschaften, die sich zum Teil noch nicht geäußert und sich zum Teil auch gegen einen derartigen Zusammenschluss ausgesprochen hätten. Hinzu komme, dass nach § 2 Abs. 4 Satz 3 KomVwRGrG vorrangig eine – hier mögliche – Fusion von Gebietskörperschaften als Ganzes angestrebt sei. Dies spreche letztlich auch gegen die seitens einzelner Ortsgemeinden begehrten Einzelausgliederungen.
B.
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Mit ihrem Antrag macht die Antragstellerin geltend, durch das Landesgesetz über die Bildung der neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben in ihrer kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verletzt zu sein, und rügt weiter einen Verstoß gegen das im allgemeinen Gleichheitssatz verankerte Willkürverbot.
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§ 1 Neubildungsgesetz Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben leide an mehreren Abwägungsfehlern. Ein Abwägungsausfall sei darin zu sehen, dass das Gesetz die alten Verbandsgemeinden auflöse und die neue Verbandsgemeinde aus den Ortsgemeinden gebildet werde, während die Gesetzesbegründung von „Zusammenschluss“, „Fusion“ und „Vereinigung“ spreche, mithin die neue Verbandsgemeinde aus den alten Verbandsgemeinden gebildet würden und letztere eben nicht aufgelöst werden sollten. Insoweit handle es sich auch um ein Aliud. Dies ergebe sich zum einen aus § 65 Abs. 2 Gemeindeordnung, der zwischen Auflösung und Neugliederung unterscheide. Zum anderen zeige § 2 Abs. 4 Satz 3 KomVwRGrG, dass die Bildung einer Verbandsgemeinde aus Ortsgemeinden eine Ausnahme darstelle. Ein Vergleich mit anderen Fusionsverfahren, in denen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Auflösung abgesehen oder zumindest ausdrücklich darauf eingegangen worden sei, mache deutlich, dass die Erwägungen in der Gesetzesbegründung die durchgeführte Auflösung der alten Verbandsgemeinden nicht abdeckten. Diese Folgerung werde weiter dadurch gestützt, dass der Gesetzgeber in anderen Verfahren, in denen es zu einer Auflösung gekommen sei, dies gesondert begründet und Vorkehrungen für die Rechtsnachfolge getroffen habe. Entsprechendes fehle hier, obschon vor allem eine Regelung zur Rechtsnachfolge zwingend erforderlich sei und ein Rückgriff auf § 8 Abs. 1 KomVwRGrG hier nicht in Betracht komme, da die Regelung ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich die Neubildung aus verbandsfreien Gemeinden oder Verbandsgemeinden erfasse, nicht jedoch diejenige aus Ortsgemeinden. Die Absätze 2 und 3 des § 8 KomVwRGrG seien ebenfalls nicht anwendbar. Die Bildung der neuen Verbandsgemeinde aus den Ortsgemeinden begründe ungeachtet dessen ein doppeltes Abwägungsdefizit, weil nach § 2 Abs. 4 Satz 3 KomVwRGrG dieses Vorgehen allenfalls ausnahmsweise erfolgen solle, während regelmäßig ein Zusammenschluss benachbarter Verbandsgemeinden vorgesehen sei. Besondere Umstände für eine Ausnahme habe der Gesetzgeber nicht benannt und dementsprechend auch nicht in seiner Abwägung berücksichtigt. Mithin erweise sich die angeordnete Form der Gebietsänderung wegen ihrer Systemwidrigkeit als abwägungsfehlerhaft. Außerdem fehle es an einer Berücksichtigung der (letztlich nicht normierten) Rechtsfolge der Auflösung der alten Verbandsgemeinden. In diesem Kontext liege eine weitere Abwägungsfehleinschätzung darin, dass die vorgesehene Auflösung der alten Verbandsgemeinden anstelle deren Zusammenschluss unverhältnismäßig sei. Zutreffend sei der Gesetzgeber in anderen Verfahren davon ausgegangen, dass die Auflösung einen schwereren Eingriff darstelle als eine Gebietsänderung in Form der Eingliederung. Dasselbe gelte bei der Bildung einer neuen Verbandsgemeinde aus bestehenden Gebietskörperschaften.
- 40
Ein weiteres Abwägungsdefizit liege darin begründet, dass der Gesetzgeber die Ergebnisse der Bürgerbefragung unzureichend in seine Abwägung eingestellt habe. Der Gesetzgeber sei insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen, weil – anders als in der Gesetzesbegründung ausgeführt – sich nicht 95 % der Bürger gegen einen Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen ausgesprochen, sondern 95 % für einen Erhalt der Antragstellerin gestimmt hätten. Auch sei der Gesetzgeber den Gründen für diese Ablehnung nicht weiter nachgegangen.
- 41
Der Gesetzgeber sei einer Abwägungsfehleinschätzung unterlegen, als er das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG zu ihren Gunsten abgelehnt habe. Es könne offen bleiben, ob sie sich entgegen der Einschätzung des Gesetzgebers auf den besonderen Grund der Wirtschafts- und Finanzkraft berufen könne, da sie unter Berücksichtigung ihres niedrigen Verschuldungsgrades und ihrer besonders effizienten Verwaltungsstrukturen einen unbenannten besonderen Grund für sich in Anspruch nehmen könne und laut der Gesetzesbegründung – wie von § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG gefordert – dauerhaft in der Lage sei, sowohl ihre eigenen als auch die ihr übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah zu erfüllen. Diesen Ausnahmetatbestand habe der Gesetzgeber aufgrund einer falschen Würdigung des von ihm ermittelten Sachverhalts übersehen und nicht in seine Abwägung eingestellt.
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Ein weiteres Abwägungsdefizit sei darin zu erblicken, dass für die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen ohne weitergehende Prüfung, insbesondere etwaiger unbenannter besonderer Gründe im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG, von einem Gebietsänderungsbedarf ausgegangen worden sei. Weitergehende Erwägungen wären insoweit erforderlich gewesen, weil auch die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen im Gutachten Junkernheinrich Teil A als dauerhaft leistungsfähig eingestuft werde.
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Ein Verstoß gegen das Willkürverbot und das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung liege darin, dass der Gesetzgeber, abweichend von sonstigen, insbesondere freiwilligen Fusionen, für die vorliegende Gebietsänderung keine finanzielle Unterstützung gewährt habe. Hierfür fehlten sachliche Gründe.
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Schließlich verstoße der Gesetzgeber gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit und gegen das Willkürverbot. Denn es mangele vorliegend an einem Gesamtkonzept in zeitlicher Hinsicht. Ein solches sei nach dem Grundsätzegesetz bereits vor Ende der Freiwilligkeitsphase am 30. Juni 2012 zu erstellen gewesen. Des Weiteren hätte der Gesetzgeber die Reform auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden bis zum 25. Mai 2014, dem Tag der allgemeinen Kommunalwahlen, abschließen müssen. Abweichungen von diesem Zeitplan kämen nur im Einzelfall und bei Vorliegen zwingender Gründe in Betracht. Hierzu zählten jedoch keine Belange, denen bereits nach den Grundsätzen und Ausnahmetatbeständen des Grundsätzegesetzes Rechnung getragen werden könne.
- 45
Die zunächst schriftsätzlich vorgetragenen Rügen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Grundsätzegesetzes und im Hinblick auf die im Vorfeld der Fusion durchgeführte Anhörung hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten.
C.
- 46
Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag und der Landesregierung Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
I.
- 47
Der Landtag hält den Antrag für unbegründet. Der Zusammenschluss werde den prozeduralen und materiellen Anforderungen gerecht. Die in Umsetzung von Leitbild und Leitlinien erfolgte Auflösung der Verbandsgemeinden Thaleischweiler-Fröschen und Wallhalben und die Bildung einer neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben aus deren Ortsgemeinden sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber habe den für die Antragstellerin festgestellten Gebietsänderungsbedarf auf hinreichend belastbare und nachvollziehbare Erkenntnisse gestützt und vor allem aus der Einwohnerzahl und deren künftiger Entwicklung die Annahme mangelnder Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft abgeleitet. Hierbei habe der Gesetzgeber auch die unterdurchschnittliche Verschuldung der Antragstellerin berücksichtigt, die jedoch ein ausnahmsweises Absehen von der Fusionspflicht – insbesondere mit Blick auf die erhebliche Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl – nicht begründet habe. Der Gesetzgeber habe auch das Ergebnis der Bürgerbefragung angemessen berücksichtigt, dem gemeinwohlorientierten Zusammenschluss jedoch den Vorrang eingeräumt. Dass der Gesetzgeber insoweit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre, sei nicht ersichtlich. Durch den gewählten Weg, die alten Verbandsgemeinden aufzulösen und aus ihren Ortsgemeinden eine neue Verbandsgemeinde zu bilden, werde die materiell-rechtliche Position der Antragstellerin, die unabhängig vom Umsetzungsweg nicht fortbestehen würde, nicht nachteilig berührt. Auch die gewählte Fusionsalternative sei nachvollziehbar und vertretbar begründet. Verstöße gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit lägen ebenfalls nicht vor. Die Kommunal- und Verwaltungsreform sei ein mehrstufiger sukzessiver Prozess. Die stufenweise Aufstellung und Verwirklichung des Reformkonzepts seien Ausdruck des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot sei ebenfalls nicht verletzt. Die finanzielle Förderung eines freiwilligen Zusammenschlusses sei sachgerecht, denn die Neubildung einer kommunalen Gebietskörperschaft stoße umso eher auf Akzeptanz der Bevölkerung, wenn sie freiwillig geschehe.
II.
- 48
Die Landesregierung ist ebenfalls der Ansicht, das angegriffene Gesetz sei verfassungsmäßig. Der gewählte Modus der Neugliederung durch Auflösung der alten Verbandsgemeinden und Bildung der neuen Verbandsgemeinde aus den Ortsgemeinden sei nicht zu beanstanden und ausweislich der Gesetzesbegründung vom Gesetzgeber auch in dieser Weise angestrebt gewesen. Die an Begrifflichkeiten orientierte Argumentation der Antragstellerin sei nicht geeignet, Anderes zu belegen, da die Terminologie nicht trennscharf sei und sämtliche Begriffe die Durchführung einer kommunalen Neugliederungsmaßnahme beschrieben. Im Übrigen bestehe auf Seiten der Antragstellerin ein Missverständnis hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen kommunaler Neugliederungsmaßnahmen. Die von der Antragstellerin angeführte Neubildung einer Verbandsgemeinde durch Zusammenschluss zweier Verbandsgemeinden vollziehe sich gerade dadurch, dass die Rechtssubjektivität der bisherigen Gebietskörperschaften ende, sie aufgelöst würden, und ein neues Rechtssubjekt gebildet werde, das in deren Rechtsstellung einrücke. Die Auflösung der alten Verbandsgemeinden sei ein denklogischer Zwischenschritt vor dem Zusammenschluss der Ortsgemeinden zur neuen Verbandsgemeinde. Aus dem System des Grundsätzegesetzes ergebe sich nichts Abweichendes. Insbesondere aus der Ausnahme in § 2 Abs. 4 Satz 3 KomVwRGrG könne nichts hergeleitet werden, dessen Regelungsgehalt eine Fragmentierung bestehender Verbandsgemeinden betreffe, während vorliegend der Zusammenschluss einer ganzen Gebietskörperschaft erfolge.
- 49
Ein Abwägungsdefizit ergebe sich auch nicht in Bezug auf die Berücksichtigung des Bürgerwillens. Der Gesetzgeber habe sich mit dem Ergebnis der Bürgerbefragung auseinandergesetzt. Dass die Antragstellerin dieses inhaltlich anders gewichtet haben wolle, sei verfassungsrechtlich unerheblich.
- 50
Die Ablehnung eines Ausnahmetatbestands zur Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin ihren niedrigen Schuldenstand als unbenannten besonderen Grund im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG einbezogen haben wolle, habe der Gesetzgeber diesen Punkt im Rahmen seiner Prüfung der Wirtschafts- und Finanzkraft berücksichtigt, wobei es Sache des Gesetzgebers sei, die insoweit maßgeblichen Indikatoren zu bestimmen. Abgesehen davon sei der Gesetzgeber auch bei Annahme eines zugunsten der Antragstellerin bestehenden besonderen Grundes zu dem Schluss gelangt, dass dies die erhebliche Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl nicht kompensieren könnte. Auf die Frage, ob die Antragstellerin dauerhaft leistungsfähig sei, komme es danach nicht an. Mit der nach § 2 KomVwRGrG für die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Gebietsänderungsbedarfs zusätzlich erforderlichen Abwägung setze sich die Antragstellerin nicht auseinander.
- 51
Ein Abwägungsdefizit ergebe sich auch nicht bezüglich des festgestellten Gebietsänderungsbedarfs der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen. Denn selbst wenn für die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen ein Gebietsänderungsbedarf zu verneinen gewesen wäre, wäre deren Einbeziehung in die Neugliederung ohne weiteres möglich gewesen.
- 52
Das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung werde nicht verletzt. Selbst im Falle des Bestehens des von der Antragstellerin behaupteten Anspruchs auf einen Finanzzuschuss gemäß § 17a Landesfinanzausgleichgesetz – LFAG – ergebe sich daraus nicht die Verfassungswidrigkeit der Neugliederungsmaßnahme. Ungeachtet dessen sei die finanzielle Förderung für ausschließlich freiwillige Zusammenschlüsse sachgerecht. Selbst wenn man hypothetisch einen Verstoß gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung annähme, so würde hieraus lediglich die Feststellung der Unvereinbarkeit der inkompletten Regelung mit der Verfassung bei gleichzeitigem Ausspruch der Verpflichtung des Landes, eine entsprechende ergänzende Regelung zu erlassen, folgen. Eine Nichtigkeit der Eingliederungsentscheidung ergäbe sich daraus nicht.
- 53
Ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit könne nicht darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber nicht bis zum Ende der Freiwilligkeitsphase ein landesweites Konzept zur Optimierung von Gebietsstrukturen aller Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden vorgelegt und nicht alle Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden mit Gebietsänderungsbedarf bis zum Tag der allgemeinen Kommunalwahl neugegliedert habe. Die Bindung des Gesetzgebers beziehe sich auf die Inhalte von Leitbild und Leitlinien, nicht auf deren Konkretisierung innerhalb einer bestimmten Frist. Die in § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 4 KomVwRGrG genannten Fristen seien überdies nicht zwingend. Im Übrigen bestünden sachliche Gründe für die Durchführung von Neugliederungsmaßnahmen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden nach der allgemeinen Kommunalwahl im Jahr 2014. Die Antragstellerin mache ferner nicht geltend, dass sie selbst unter Durchbrechung des Systems einer Neugliederungsmaßnahme unterworfen werde.
D.
- 54
Der Antrag ist überwiegend zulässig (I.); soweit er zulässig ist, ist er allerdings unbegründet (II.).
I.
- 55
1. Der Antrag ist gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – als Normenkontrolle auf kommunalen Antrag statthaft. Nach Art. 130 Abs. 1 Satz 1 LV kann die Landesregierung, der Landtag und jede Landtagsfraktion eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs darüber beantragen, ob ein Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsorgans, soweit es sich nicht um eine Gesetzesvorlage handelt, verfassungswidrig ist. Den Antrag können nach Satz 2 auch Körperschaften des öffentlichen Rechts stellen – und damit auch die Antragstellerin als kommunale Gebietskörperschaft (vgl. § 64 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung – GemO –) –, soweit sie geltend machen, durch das Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsorgans in eigenen Rechten verletzt zu sein (zum Vorrang des Verfahrens nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV gegenüber der Verfassungsbeschwerde nach Art. 130a LV vgl. etwa VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 – m.w.N.).
- 56
Unter Rechten in diesem Sinne sind nur solche zu verstehen, die sich aus dem Wesen und der Aufgabe der Körperschaft ergeben, die also zu ihrem spezifisch hoheitlichen Aufgabenbereich gehören (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. November 1966 – VGH 5/66 –, AS 3, 19 [20]; Urteil vom 8. Februar 1971 – VGH 10/70 –, AS 12, 256 [257]; Urteil vom 18. April 1994 – VGH N 1/93 u.a. –, AS 24, 321 [332 f.]). Kommunale Gebietskörperschaften können sich daher im Wesentlichen auf die in Art. 49 Abs. 1 bis Abs. 3 LV verankerte Selbstverwaltungsgarantie und das zum Rechtsstaatsprinzip zählende Willkürverbot (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Mai 1985 – VGH 2/84 –, AS 19, 339 [340]) berufen, sowie auf solche Vorschriften, die ihrem Inhalt nach geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen (VerfGH RP, Urteil vom 18. April 1994 – VGH N 1/93 u.a. –, AS 24, 321 [333]; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1980 – 2 BvR 584/76 u.a. –, BVerfGE 56, 298 [310]; VerfGH NRW, Urteil vom 15. September 1986 – 17/85 –, OVGE 39, 292 [293]).
- 57
Diese Voraussetzungen sind vorliegend überwiegend erfüllt. Die Antragstellerin macht geltend, durch ihren Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen gemäß § 1 Thal/WallVerbGemBiG in ihrer durch Art. 49 Abs. 1 bis 3 LV geschützten Selbstverwaltungsgarantie verletzt zu sein und rügt darüber hinaus einen Verstoß gegen das Willkürverbot. Sie hat Tatsachen vorgetragen, die eine Beeinträchtigung ihres Selbstverwaltungsrechts bzw. einen Verstoß gegen das Willkürverbot nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen. Insoweit ist sie zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofs nach Art. 130 Abs. 1 Satz 2 LV befugt.
- 58
Soweit die Antragstellerin allerdings rügt, § 1 Thal/WallVerbGemBiG verstoße gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht sowie das Willkürverbot, weil ihr im Gegensatz zu anderen verbandsfreien Gemeinden bzw. Verbandsgemeinden für die Fusion keine finanzielle Zuwendung nach § 17a Landesfinanzausgleichgesetz– LFAG – bzw. § 6 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Nr. 2 bis 8 LFAG gewährt wurde, ist ihr Antrag nicht gemäß § 23 des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – hinreichend begründet. Für eine substantiierte Darlegung, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert, muss der Antragsteller aufzeigen, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Recht verletzt sein soll (vgl. zum Verfassungsbeschwerdeverfahren etwa BVerfG, Beschluss vom 29. September 1998 – 2 BvR 1790/94 –, BVerfGE 99, 84 [87]; Kammerbeschluss vom 14. Dezember 2011 – 2 BvR 1430/11 –, juris, Rn. 3) und sich mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhaltes auseinandersetzen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 2909/08 –, juris, Rn. 2). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Antragstellerin nicht. Insbesondere legt sie nicht dar, inwieweit sich eine unterbliebene finanzielle Zuwendung unmittelbar auf den hier allein angegriffenen § 1 Thal/WallVerbGemBiG auswirken könnte. Dass die Eingliederung als solche und eine etwaig zu gewährende finanzielle Zuwendung in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass das Fehlen letzterer zugleich die Verfassungswidrigkeit der Neugliederung als solcher zur Folge hat, zeigt sie nicht auf. Unabhängig hiervon hat sie nicht ausreichend dargetan, sachwidrig benachteiligt worden zu sein. Beruft sich eine Antragstellerin auf eine Verletzung des Willkürverbots bzw. des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots, ist sie – wie auch sonst im Falle der Geltendmachung einer Verletzung des allgemeinen oder eines besonderen Gleichheitssatzes – gehalten, nicht nur die unterschiedliche Behandlung, sondern auch aufzuzeigen, dass es sich um wesentlich gleiche Sachverhalte handelt (vgl. allgemein zur Darlegung von Ungleichbehandlungen BVerfG, Beschluss vom 8. Mai 2012 – 1 BvR 1065/03 u.a. –, BVerfGE 131, 66 [82]). Dabei ist auch auf nahe liegende Gründe für und gegen die angegriffene Differenzierung einzugehen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. Mai 2014 – 1 BvR 3571/13 u.a. –, juris, Rn. 43, m.w.N.). Dem ist die Antragstellerin nicht ausreichend nachgekommen. Sie setzt sich insbesondere nicht mit der Freiwilligkeit der Fusion als Grund für die Zuwendung von Finanzhilfen bei freiwilligen Gebietsänderungen auseinander (vgl. auch VerfGH RP, Urteil vom 29. Juni 2015 – VGH N 7/14 –, UA S. 19 f.).
- 59
2. Der Zulässigkeit des Antrags steht ansonsten nicht entgegen, dass die Antragstellerin gemäß § 1 Thal/WallVerbGemBiG seit dem 1. Juli 2014 aufgelöst und somit rechtlich nicht mehr existent ist. Denn für die Dauer des Verfahrens gegen den ihre Auflösung bewirkenden Rechtsakt gelten Gemeinden und Gemeindeverbände als fortbestehend. Dies resultiert aus dem Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, da anderenfalls der Existenzverlust der Gebietskörperschaft nicht rügefähig bliebe (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 24 f. m.w.N.).
- 60
3. Die Antragstellerin wird im Verfahren zulässigerweise durch ihren zuletzt amtierenden Bürgermeister vertreten (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 14. Juni 1971 – VGH 7/70 –, AS 12, 153 [159 ff.]; ferner Th. Schmidt, JA 2008, 763 [765]). Da der Bürgermeister der Antragstellerin nicht im Dienst der neu gebildeten Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben steht, ist es mangels der Gefahr eines Interessenwiderstreits nicht veranlasst, die Prozessfähigkeit der Antrag-stellerin über ihren Rat herzustellen (so aber VerfGH NRW, Urteil vom 18. Dezember 1970 – 11/70 –, OVGE 26, 306 [310 f.]; Urteil vom 18. Dezember 1970 – 13/70 –, OVGE 26, 316 [318] unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung). Es erscheint vielmehr sachgerechter, die Fiktion des Fortbestehens von Organen zum Zwecke der Prozessführung auf den Bürgermeister der aufgelösten kommunalen Gebietskörperschaft zu beschränken (vgl. Bosse, DÖV 1976, 34 [35]), zumal nach § 64 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 GemO grundsätzlich dem Bürgermeister die Vertretung der Gemeinde obliegt.
II.
- 61
Der Antrag ist, soweit er zulässig ist, nicht begründet. § 1 Thal/WallVerbGemBiG verstößt nicht gegen die in Art. 49 Abs. 1 bis Abs. 3 LV verankerte kommunale Selbstverwaltungsgarantie.
- 62
Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verlangt bei der Auflösung und Eingliederung von Verbandsgemeinden oder deren Zusammenschluss – ebenso wie bei Gemeinden –, dass die betroffenen Gebietskörperschaften angehört werden und der Eingriff in den individuellen Bestand dem Gemeinwohl dient (vgl. dazu VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 26 f., m.w.N.). Die Antragstellerin ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht ausreichend angehört worden (1.). Ihre Auflösung und ihr Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen entsprechen zudem dem Gemeinwohl (2.)
- 63
1. Die hier vorgenommene Anhörung der Antragstellerin ist gemessen an den verfassungsrechtlichen Maßstäben, wie sie sich aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 8. Juni 2015 ergeben (VGH N 18/14, UA S. 27 ff.), nicht zu beanstanden.
- 64
2. Die in § 1 Thal/WallVerbGemBiG vorgesehene Auflösung der Antragstellerin und der Zusammenschluss ihrer Ortsgemeinden mit den Ortsgemeinden der Fusionspartnerin zur neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben dient dem Gemeinwohl.
- 65
a) Nach der übereinstimmenden, ständigen Rechtsprechung der Verfassungsgerichte verlangt die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung, so wie diese sich geschichtlich entwickelt hat, dass Gemeinden in ihrem individuellen Bestand nur dann geändert oder aufgelöst werden dürfen, wenn dieser Eingriff dem Gemeinwohl bzw. dem öffentlichen Wohl dient (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50; Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [107]; BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. November 1981 – 2 BvR 827/80 –, juris, Rn. 2; VerfGH RP, Urteil vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [78 ff.]; Urteil vom 5. Mai 1969 – VGH 29/69 –, AS 11, 118 [121]; Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [247 f.]; Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 43 f.; ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [641]). Die Gemeinwohlbindung, wie sie für sämtliche Gesetzgebung besteht, folgt zudem aus Art. 1 Abs. 2 bis 4 LV (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [80]; Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [247 f.]).
- 66
Bei dem abstrakten Begriff des „Gemeinwohls“ handelt es sich um einen generalklauselartigen unbestimmten Rechts- bzw. Verfassungsbegriff, dessen Inhalt nicht festgelegt und keiner abstrakten Definition zugänglich ist. Es ist vielmehr Sache des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, die für ihn maßgeblichen Gemeinwohlgründe zu bestimmen und daran die Neugliederung von Gemeinden auszurichten (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [82 ff.]; Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 44). Dabei hat er – im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben – einen großen politischen Spielraum (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 – UA S. 44; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Juli 2007 – 9/06 u.a. –, juris, Rn. 117). Das Gemeinwohl kann durch die rechtlichen Wertungen der Verfassung konkretisiert werden. Allerdings können auch Interessen und Zwecke, die sich nicht unmittelbar aus einem Verfassungsgrundsatz ableiten lassen, Gründe des öffentlichen Wohls darstellen. Dabei ist aber übergeordneten Verfassungsprinzipien bzw. der verfassungsmäßigen Wertordnung Rechnung zu tragen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [641]; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. April 2009 – LVG 12/08 –, BeckRS 2009, 33217).
- 67
Mit dem erheblichen politischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bestimmung des Gemeinwohls im Rahmen von Gebietsreformen und dem „planerischen Einschlag“ von Neugliederungsgesetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [108]) korrespondiert eine nur eingeschränkte verfassungsgerichtliche Überprüfung der Gemeinwohlkonformität. Die Bewältigung komplexer Probleme, wie sie bei einer Gebietsreform auftreten, muss vorrangig dem Parlament überlassen bleiben (vgl. auch VerfG Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 1994 – VfGBbg 4/93 –).
- 68
Dabei lassen sich drei Stufen der gesetzgeberischen Entscheidung unterscheiden, auf denen jeweils eine Gemeinwohlkonkretisierung durch den Gesetzgeber erfolgt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 45 ff.; VerfGH Sachsen, Beschluss vom 9. November 1995 – Vf. 20-VIII-95 –; Urteil vom 18. Juni 1999 – Vf. 51-VIII-98 –; ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [642 ff.]; Beschluss vom 8. September 1997 – 8/95 –, juris, Rn. 76 ff.; Müller/Trute, Stadt-Umland-Probleme und Gebietsreform in Sachsen, 1996, S. 156 ff.):
- 69
Auf der ersten Stufe werden die Überlegungen, die der Durchführung der Reform als solcher zugrunde liegen, verfassungsrechtlich gewürdigt. Dabei prüft der Verfassungsgerichtshof nur, ob im Lichte der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie betrachtet verfassungsrechtlich legitime Reformziele verwirklicht werden sollen.
- 70
Auf der zweiten Stufe werden das Leitbild und die Leitlinien, die der Gesetzgeber seiner Reformmaßnahme selbst zugrunde gelegt hat, einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen. Diese erlangen rechtliche Bedeutung für die einzelne Neugliederung durch das aus dem Gleichheitssatz bzw. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Systemgerechtigkeit (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –; ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [643]; NdsStGH, Urteil vom 14. Februar 1979 – StGH 2/77 –, juris, Rn. 610; Müller/Trute, Stadt-Umland-Probleme und Gebietsreform in Sachsen, 1996, S. 190).
- 71
Auf der dritten Stufe wird schließlich die konkrete einzelne Neugliederungsmaßnahme verfassungsrechtlich gewürdigt.
- 72
b) Gemessen an diesem verfassungsrechtlichen „Prüfprogramm“ verfolgt der Gesetzgeber mit seiner Gebietsreform betreffend die verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden ein verfassungsrechtlich legitimes Reformziel. Auch begegnen das Leitbild und die Leitlinien des Grundsätzegesetzes und damit dieses selbst keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat der Verfassungsgerichtshof bereits mit seinem Urteil vom 8. Juni 2015 (VGH N 18/14, UA S. 47 ff.) entschieden. Die von der Antragstellerin zuvor schriftsätzlich erhobenen weiteren Rügen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der ersten beiden Stufen der Reform hält sie, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof klargestellt hat, nicht weiter aufrecht.
- 73
§ 1 Thal/WallVerbGemBiG hält ebenfalls der verfassungsgerichtlichen Überprüfung stand. Ihr Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen verletzt die Antragstellerin nicht in ihrer kommunalen Selbstverwaltungsgarantie.
- 74
aa) Auch auf der Stufe der verfassungsrechtlichen Überprüfung des konkreten Fusionsgesetzes ist der politische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der nur eine eingeschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle zulässt (vgl. etwa LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 4. September 2012 – LVG 3/11 –; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 125). Allerdings unterliegt der Gesetzgeber hier einer intensiveren verfassungsgerichtlichen Kontrolle als auf den beiden vorangegangenen Stufen (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [644]; VerfGH Sachsen, Beschluss vom 9. November 1995 – Vf. 20-VIII-95 –; VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 64).
- 75
In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verfassungsgerichte der Länder überprüft der Verfassungsgerichtshof die einzelne Neugliederung darauf, ob der Gesetzgeber den für seine Regelung erheblichen Sachverhalt zutreffend ermittelt, dem Gesetz zugrunde gelegt hat und ob er die im konkreten Fall angesprochenen Gemeinwohlgründe sowie die Vor- und Nachteile der gesetzlichen Regelung in die vorzunehmende Abwägung eingestellt hat. Auf der Grundlage des in dieser Weise ermittelten Sachverhalts und der Gegenüberstellung der daraus folgenden verschiedenen – oft gegenläufigen Belange – ist der Gesetzgeber befugt, sich letztlich für die Bevorzugung eines Belangs und damit notwendig zugleich für die Zurückstellung aller anderen betroffenen Aspekte zu entscheiden. Insoweit hat sich die Prüfung auf die Kontrolle zu beschränken, ob die angegriffene Neugliederungsmaßnahme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und frei von willkürlichen Erwägungen ist (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 64 f.; BVerfG, Beschluss vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 [51]; Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [108 f.]; VerfGH Sachsen Urteil vom 6. Mai 1999 – Vf. 51-VIII-98 –; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 124). Liegen zudem gesetzgeberische Leitbilder und Leitlinien für die Neugliederungsmaßnahme vor, prüft der Verfassungsgerichtshof, ob diese systemgerecht verwirklicht worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 [51]; VerfGH RP, Urteil vom 5. Mai 1969 – VGH 29/69 –, AS 11, 118 [130 f., 133]; Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [249 f.]; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 124). Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen des Gesetzgebers in Rede stehen, hat der Verfassungsgerichtshof darüber zu wachen, dass diese nicht offensichtlich oder eindeutig widerlegbar sind oder gar den Prinzipien der verfassungsrechtlichen Ordnung widersprechen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. November 1978 – 2 BvR 165/75 –, BVerfGE 50, 50 [51], und vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [109]; VerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. August 2011 – 21/10 –, juris, Rn. 124; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 4. September 2012 – LVG 3/11 –; VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 64 f.).
- 76
Für diese Prüfung ist es unabdingbar, dass der Gesetzgeber seiner Entscheidung eine Begründung beigibt, aus der die für den Abwägungsprozess und sein Ergebnis relevanten Gesichtspunkte erkennbar werden (VerfGH Sachsen, Urteil vom 6. Mai 1999 – Vf. 51-VIII-98 –; Urteil vom 25. November 2005 – Vf. 119-VIII-04 –, juris, Rn. 246). Der Gemeinwohlvorbehalt für gemeindliche Neugliederungen bedeutet daher im Wesentlichen ein „legislatorisches Abwägungsgebot“ (Wallerath, in: Die Verfassungsgerichte der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern u.a. [Hrsg.], 20 Jahre Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern, 2014, S. 53 [82]).
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bb) Hieran gemessen ist § 1 Thal/WallVerbGemBiG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt in ausreichendem Maße ermittelt (1). Auch genügt die hier vorgenommene Abwägung den verfassungsrechtlichen Anforderungen (2).
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(1) Der Annahme einer ausreichenden Sachverhaltsermittlung steht insbesondere nicht entgegen, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, weitergehende Ermittlungen zu den Hintergründen der ablehnenden Haltung der Bürger der Antragstellerin zu dem vorgesehenen Zusammenschluss einzuholen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber das Ergebnis der Bürgerbefragung ausweislich der Gesetzesbegründung zur Kenntnis genommen und in seine Abwägung einbezogen hat (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 75 f., 132, 170). Die Rüge der Antragstellerin, der Gesetzgeber sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, indem er ausführe, 95 % der Bürger hätten sich gegen einen Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen ausgesprochen (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 170), obschon die Bürger mit 95 % für einen Erhalt der Antragstellerin gestimmt hätten, führt nicht zum Erfolg. Die Antragstellerin lässt insoweit zum einen außer Betracht, dass es sich inhaltlich um einen zwingenden Gegenschluss handelt, weil das Votum für einen Fortbestand der Antragstellerin gleichzeitig eine Ablehnung jeder Fusionsalternative – mithin auch mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – beinhaltet. Zum anderen zeigt auch die Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber die konkrete an die Bürger gestellte Frage durchaus zutreffend erfasst hat (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 132). Auch weitergehende Ermittlungen zu Ausmaß, Gewicht und Hintergründen der ablehnenden Haltung waren vorliegend nicht erforderlich. Soweit die Antragstellerin die Pflicht zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu stützen sucht (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [110 ff.]), lässt sie außer Acht, dass die dieser Entscheidung zugrunde liegende Konstellation einer Rückneugliederung mit der vorliegenden Fallgestaltung insoweit nicht vergleichbar ist. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung nicht einmal selbst behauptet, die Ablehnung stelle die Leistungsfähigkeit der Selbstverwaltung der neu zu bildenden Verbandsgemeinde dauerhaft in Frage (zur erforderlichen Qualität einer ablehnenden Haltung vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [111]), sondern vielmehr auf die Notwendigkeit hinweist, die Bürger auf die völlig neue Situation vorzubereiten (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 70). Anlass für eine weitergehende Ermittlung im Zusammenhang mit der Bürgerbefragung bestand danach nicht.
- 79
(2) Die gesetzgeberische Abwägung der für und gegen den Zusammenschluss der Antragstellerin mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen sprechenden Belange lässt keine verfassungsrechtlich zu beanstandenden Fehler erkennen. Ein Abwägungsfehler ergibt sich insbesondere nicht aus dem gewählten Modus, den Zusammenschluss durch Auflösung der alten Verbandsgemeinden und Zusammenschluss der jeweiligen Ortsgemeinden umzusetzen (a). Auch ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber einen Ausnahmetatbestand nach § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG abgelehnt und für die Antragstellerin einen Gebietsänderungsbedarf angenommen hat (b). Sonstige Abwägungsfehler sind ebenso wenig ersichtlich (c) wie Verstöße gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit (d) oder das Willkürverbot (e).
- 80
(a) Die Regelung in § 1 Thal/WallVerbGemBiG, der zufolge die Antragstellerin und die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen zum 1. Juli 2014 aufgelöst (Satz 1) und aus deren Ortsgemeinden zum 1. Juli 2014 die neue Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben gebildet wird (Satz 2), begründet keinen Abwägungsausfall oder ein sonstiges damit zusammenhängendes Abwägungsdefizit.
- 81
Die formulierte Annahme der Antragstellerin, der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesbegründung einen Zusammenschluss von zwei Verbandsgemeinden zu einer neuen Verbandsgemeinde vornehmen und nicht – wie letztlich in § 1 Thal/WallVerbGemBiG geregelt – die alten Verbandsgemeinden auflösen und aus ihren Ortsgemeinden die neue Verbandsgemeinde bilden wollen, geht bereits im Ausgangspunkt fehl.
- 82
Zum einen heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 1 Thal/WallVerbGemBiG ausdrücklich, dass die alten Verbandsgemeinden aufgelöst werden und aus ihren Ortsgemeinden die neue Verbandsgemeinde gebildet wird (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 112), mithin von einer anderen Vorstellung des Gesetzgebers zur rechtstechnischen Umsetzung der Fusion nicht die Rede sein kann. Auch der auf Begrifflichkeiten gestützte Einwand, die Gesetzesbegründung spreche ansonsten von einem „Zusammenschluss“, einer „Fusion“ oder einer „Vereinigung“ der bisherigen Verbandsgemeinden sowie von der Bildung der neuen Verbandsgemeinde aus den bisherigen Verbandsgemeinden und gerade nicht von deren Auflösung, steht dem nicht entgegen. Die Gesetzesbegründung selbst führt direkt im Anschluss an die konkrete Umsetzung der Neugliederungsmaßnahme durch Auflösung der alten Verbandsgemeinden und Bildung der neuen Verbandsgemeinde aus deren Ortsgemeinden aus, dass „diese Gebietsänderungsmaßnahme in Gestalt der Zusammenlegung beider bisheriger Verbandsgemeinden“ aus Gründen des Gemeinwohls erforderlich sei (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 112). Mithin verwendet die Gesetzesbegründung die Formulierung „Zusammenlegung beider bisheriger Verbandsgemeinden“ synonym zu der zuvor im Einzelnen beschrieben rechtstechnischen Umsetzung durch Auflösung und Neubildung; für die anderen Begrifflichkeiten gilt danach nichts anderes.
- 83
Zum anderen stellen der Zusammenschluss der beteiligten Verbandsgemeinden zu einer neuen Verbandsgemeinde einerseits und deren Auflösung und Bildung der neuen Verbandsgemeinde aus deren Ortsgemeinden andererseits – im Gegensatz zum Vortrag der Antragstellerin – inhaltlich auch kein Aliud dar.
- 84
Das Grundsätzegesetz unterscheidet – soweit man sich zunächst auf Neugliederungsmaßnahmen betreffend ganze Gebietskörperschaften beschränkt und Aus- oder Eingliederungen einzelner Ortsgemeinden außen vorlässt (dazu unten) – zwischen der Eingliederung einer verbandsfreien Gemeinde oder einer Verbandsgemeinde in eine Verbandsgemeinde und der Bildung einer neuen Verbandsgemeinde aus verbandsfreien Gemeinden oder Verbandsgemeinden (vgl. etwa § 3 Abs. 1 Satz 1 (Eingliederung), § 3 Abs. 2 Satz 1 (Neubildung); jeweils Eingliederung und Neubildung regeln § 5 Abs. 1 und Abs. 2, § 6 Abs. 1 und Abs. 2, § 8 Abs. 1 und Abs. 2, § 9, § 10). Das Grundsätzegesetz selbst enthält dabei keine weitergehenden Bestimmungen zur inhaltlichen Ausgestaltung und Durchführung der Eingliederung oder Neubildung. Aus den vor allem in §§ 5, 6 und 8 KomVwRGrG differenziert geregelten Rechtsfolgen ergibt sich unter Einbeziehung der Gesetzesbegründung indes folgendes Bild: Bei einer Eingliederung bleibt die aufnehmende Gebietskörperschaft in ihrer Existenz selbstredend unangetastet. Hinsichtlich der aufgenommenen Gebietskörperschaft ist weiter danach zu unterscheiden, ob es sich um eine verbandsfreie Gemeinde handelt, die lediglich ihren Status der Verbandsfreiheit verliert, in ihrer Existenz jedoch ansonsten unangetastet bleibt und als Ortsgemeinde fortbesteht (vgl. dazu nur § 5 Abs. 2 Satz 1 KomVwRGrG und LT-Drucks. 15/4488, S. 36), oder eine Verbandsgemeinde betroffen ist. Für eine Verbandsgemeinde macht es insoweit keinen Unterschied, ob sie im Rahmen der Eingliederung aufgenommen wird oder im Zuge einer Neubildung mit einer anderen Verbandsgemeinde oder einer verbandsfreien Gemeinde zu einer neuen Verbandsgemeinde zusammengeschlossen wird. In beiden Fällen der Gebietsänderung besteht die bisherige Gebietskörperschaft nicht fort (vgl. dazu nur § 5 Abs. 2 Satz 4 KomVwRGrG und LT-Drucks. 15/4488, S. 36; soweit in der Gesetzesbegründung insoweit auf Satz 5 Bezug genommen wird, handelt es sich ersichtlich um ein redaktionelles Versehen, da § 5 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz ausweislich des vorherigen Absatzes der Begründung fälschlicherweise als Satz 4 herangezogen wurde). Eine entsprechende Unterscheidung trifft § 8 KomVwRGrG, der – unterstützt durch die Ausführungen der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drucks. 15/4488, S. 38 f.) – in Absatz 1 die Rechtsnachfolge in Fällen der Eingliederung und Neubildung regelt, in denen die bisherige Verbandsgemeinde nicht weiter fortbesteht, und in Absatz 2 Neugliederungsmaßnahmen erfasst, bei denen die bisherigen kommunalen Gebietskörperschaften – mithin die lediglich ihren Status der Verbandsfreiheit verlierenden bisherigen verbandsfreien Gemeinden als Ortsgemeinden – erhalten bleiben. Diese differenzierende Regelungssystematik des Grundsätzegesetzes auf das vorliegende Verfahren übertragen, in dem keine verbandsfreie Gemeinde beteiligt ist und es nicht um eine Eingliederung geht, bedeutet in den Formulierungen des Grundsätzgesetzes, dass die Bildung der neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben aus der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen und der Antragstellerin eine Neugliederungsmaßnahme darstellt, bei der die bisherigen kommunalen Gebietskörperschaften nicht fortbestehen. Genau diese Folge ordnet auch § 1 Satz 1 Thal/WallVerbGemBiG an. Dass sich die neue Verbandsgemeinde dabei aus den Ortsgemeinden der bisherigen Verbandsgemeinden zusammensetzt, bedarf keiner weiteren Erörterung.
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Die vorgenannte Differenzierung – insbesondere in Bezug auf die Situation der aufnehmenden Gebietskörperschaft bei einer Eingliederung und die Sonderrolle der verbandsfreien Gemeinden, die sowohl bei einer Eingliederung als auch einer Neubildung nicht in ihrer Existenz als kommunale Gebietskörperschaft betroffen sind – ist auch der Grund, weshalb die Einwendung der Antragstellerin, in anderen Fusionsverfahren sei von einer Auflösung abgesehen bzw. zumindest auf die Frage der Auflösung ausdrücklich eingegangen worden, nicht zielführend ist. Denn in den von ihr zitierten Verfahren betreffend die Eingliederung der verbandsfreien Stadt Herdorf in die Verbandsgemeinde Daaden (dazu LT-Drucks. 16/2793, S. 113), die Eingliederung der Verbandsgemeinde Maikammer in die Verbandsgemeinde Edenkoben (dazu LT-Drucks. 16/2794, S. 105) und die Eingliederung der Verbandsgemeinde Manderscheid in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land (dazu LT-Drucks. 16/2795, S. 95) geht es unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit jeweils um die zu wahrende Position der aufnehmenden Verbandsgemeinde und in Bezug auf die Stadt Herdorf zusätzlich um den Verlust allein der Verbandsfreiheit. Auch der Verweis auf das Landesgesetz über die Bildung der neuen Verbandsgemeinde Traben-Trarbach (dazu LT-Drucks. 16/2797, S. 100) führt nicht weiter, weil die dortigen Erwägungen allein die Frage betreffen, ob eine Neubildung oder eine Eingliederung – mit einer geringeren Eingriffsintensität allein für die aufnehmende Gebietskörperschaft – vorgenommen werden solle. Nicht hingegen geht es dort um den – seitens der Antragstellerin letztlich konstruierten – Unterschied zwischen einer „direkten Fusion“ der beiden Verbandsgemeinden zu einer neuen Verbandsgemeinde oder der Auflösung der bisherigen Verbandsgemeinden und der Neubildung aus den jeweiligen Ortsgemeinden.
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Aus den vorgenannten Gründen gehen auch die Einwendungen der Antragstellerin fehl, die Auflösung der bisherigen Verbandsgemeinden sei im Vergleich zu einem Zusammenschluss der bisherigen Verbandsgemeinden unverhältnismäßig. Zum einen verfängt – wie ausgeführt – der Vergleich zu den bereits zitierten Verfahren der Eingliederung nicht, weil nur dort im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bezüglich der aufnehmenden Gebietskörperschaft ein milderes Mittel gegeben ist. Zum anderen ist die in § 1 Thal/WallVerbGemBiG geregelte Neugliederungsmaßnahme – wie ebenfalls dargelegt – inhaltsgleich zur Bildung einer Verbandsgemeinde aus bestehenden Verbandsgemeinden. Ebenso wenig belastbar ist die seitens der Antragstellerin angeführte Argumentation über § 65 Abs. 2 Satz 2 Gemeindeordnung – GemO –, da dort gerade nicht zwischen Auflösung und Neugliederung unterschieden wird, sondern zwischen Auflösung und Neugliederung einerseits und Eingliederung und Ausgliederung andererseits.
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Soweit die Antragstellerin die von ihr vertretene Ansicht, die Auflösung der bisherigen Verbandsgemeinden und Neubildung einer Verbandsgemeinde aus den jeweiligen Ortsgemeinden sei gegenüber dem Zusammenschluss der bisherigen Verbandsgemeinden ein Aliud, darüber hinaus auf § 2 Abs. 4 Satz 3 KomVwRGrG zu stützen sucht, weil dort explizit der Zusammenschluss von Ortsgemeinden zu einer neuen Verbandsgemeinde geregelt sei, lässt sie den Regelungsbereich des § 2 Abs. 4 Satz 3 KomVwRGrG außer Acht. § 1 Thal/WallVerbGemBiG regelt den Zusammenschluss zweier ganzer Gebietskörperschaften.
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In Konsequenz der vorstehenden Ausführungen fehlt es auch nicht an einer Regelung zur Rechtsnachfolge. Die in § 1 Thal/WallVerbGemBiG angeordnete Auflösung der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen und der Antragstellerin und die Bildung der neuen Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen – Wallhalben ist im Sinne der Nomenklatur des Grundsätzegesetzes „die Bildung einer neuen Verbandsgemeinde aus Verbandsgemeinden“, für die § 8 Abs. 1 KomVwRGrG, der über § 13 Thal/WallVerbGemBiG anwendbar ist, die Rechtsnachfolge regelt (vgl. LT-Drucks. 15/4488, S. 38 f.).
- 89
(b) Soweit die Antragstellerin einen Abwägungsfehler darin erblickt, dass der Gesetzgeber einen Ausnahmetatbestand nach § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG abgelehnt und für die Antragstellerin einen Gebietsänderungsbedarf angenommen hat, vermag der Verfassungsgerichtshof diese Ansicht nicht zu teilen.
- 90
Die Antragstellerin stützt ihre Position, sie erfülle die Voraussetzung für eine ausnahmsweise zulässige Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG, im Wesentlichen darauf, dass sie aufgrund ihrer niedrigen Schuldenstände und ihrer besonders effizienten Verwaltungsstruktur einen unbenannten besonderen Grund im Sinne der Norm für sich beanspruchen könne (aa) und auch – wie ihr unter anderem in der Gesetzesbegründung bestätigt werde – die Gewähr einer dauerhaften Leistungsfähigkeit biete (bb).
- 91
(aa) Die Aufzählung besonderer Gründe in § 2 Abs. 3 Satz 3 KomVwRGrG ist ausweislich der Gesetzesbegründung nicht abschließend (vgl. LT-Drucks. 15/4488, S. 31) und lässt dementsprechend auch Raum für die Berücksichtigung unbenannter besonderer Gründe. Der Gesetzgeber berücksichtigt die Umstände, aus denen die Antragstellerin einen unbenannten besonderen Grund ableitet, im Rahmen der Prüfung des benannten besonderen Grundes der Wirtschafts- und Finanzkraft (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 120 ff.), stellt jedoch in seiner inhaltlichen Auseinandersetzung letztlich darauf ab, dass insoweit grundsätzlich die Einnahmepotenziale im Mittelpunkt stünden, die bei der Antragstellerin unterdurchschnittlich seien. Selbst bei einer die positive Verschuldungssituation der Antragstellerin einbeziehenden Gesamtbetrachtung lasse sich danach eine ausreichende Wirtschafts- und Finanzkraft nicht feststellen (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 125). Mithin hat der Gesetzgeber, obschon die unterdurchschnittliche Verschuldung und die Finanzierungssalden nach der zugrunde liegenden Konzeption an sich kein Kriterium der Wirtschafts- und Finanzkraft darstellen, sondern in die Prüfung der dauerhaften Leistungsfähigkeit einfließen (dazu gleich), diese Faktoren im Wege der Gesamtbetrachtung mit berücksichtigt. Dass der Gesetzgeber dabei in der vorgenommenen Gesamtschau einen besonderen Grund im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG abgelehnt hat, ist unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes nicht zu beanstanden. Dabei macht es insoweit letztlich auch keinen Unterschied, ob der Gesetzgeber diese Faktoren innerhalb eines benannten besonderen Grundes jenseits der dort vorgesehenen Kriterien einbezieht oder diese von vornherein als unbenannten besonderen Grund in die Gesamtbetrachtung einstellt.
- 92
(bb) Ungeachtet der vorliegend nicht zu beanstandenden Ablehnung eines besonderen Grundes im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KomVwRGrG bedarf es der Prüfung, ob die Antragstellerin dauerhaft leistungsfähig ist. Aufgrund der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG kommt es – abweichend vom Ansatz des Gesetzgebers, demzufolge ein besonderer Grund kumulativ zur dauerhaften Leistungsfähigkeit vorliegen müsse (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 121) – auf das Vorliegen eines besonderen Grundes nicht an, wenn die betroffene verbandsfreie Gemeinde bzw. Verbandsgemeinde Gewähr dafür bietet, langfristig die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrzunehmen (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 56 f.). Bietet nämlich die verbandsfreie Gemeinde bzw. Verbandsgemeinde die Gewähr dafür, langfristig die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrzunehmen, entspricht sie gerade dem Leitbild und dem Ziel der Gebietsreform, wie es wortgleich in § 1 Abs. 1 KomVwRGrG umschrieben wird. In diesem Fall ist daher das Mittel einer Gebietsänderung – abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer passiven Fusionspflicht (vgl. dazu VerfGH RP, Urteil vom 14. Dezember 1970 – VGH 4/70 –, AS 12, 239 [251]) – nicht veranlasst, um das angestrebte Ziel zu erreichen (so auch Dietlein/Thiel, Rechtsfragen eines zwangsweisen Zusammenschlusses von Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden in Rheinland-Pfalz, 2013, S. 83). Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG vor, d.h. beurteilt der Gesetzgeber die betroffene verbandsfreie Gemeinde bzw. Verbandsgemeinde als dauerhaft leistungsfähig im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz KomVwRGrG, dann darf zumindest kein eigener Gebietsänderungsbedarf der betroffenen Gebietskörperschaft angenommen werden (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 57).
- 93
Dabei ist allerdings, wie der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden hat (Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 59 f.), zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber hinsichtlich der Beurteilung der dauerhaften Leistungsfähigkeit ein nicht unerheblicher, verfassungsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum zusteht (so auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Juni 2012 – LVG 54/10 –). Hierbei ist er nicht an bestimmte finanzielle Kriterien gebunden (in diese Richtung auch Dietlein/Thiel, Zwangsfusionen von Gemeinden, 2013, S. 131 ff.). Die Offenheit des Begriffs der dauerhaften Leistungsfähigkeit und der Formulierung in § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG, der sowohl den Aspekt der Wirtschaftlichkeit als auch der Bürger- und Ortsnähe aufgreift, erlauben es zudem, bei der Beurteilung der dauerhaften Leistungsfähigkeit einer Gemeinde keine starren Kriterien anzulegen, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. hierzu auch Wallerath, in: Butzer/Kaltenborn/Meyer [Hrsg.], Festschrift für Schnapp, 2008, S. 694 [718]).
- 94
In diesen Kontext sind die Kriterien des Gutachtens Junkernheinrich Teil A zur Feststellung der dauerhaften Leistungsfähigkeit einzuordnen, die sich der Gesetzgeber bei der Prüfung einer ausnahmsweise zulässigen Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahlen zu Eigen gemacht hat. Dort wird der Aspekt der dauerhaften Leistungsfähigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG anhand zweier Kriterien überprüft: Das erste Kriterium erfordert einen im Neunjahresdurchschnitt ausgeglichenen Finanzierungssaldo. Das zweite Kriterium verlangt, dass die jeweilige verbandsfreie Gemeinde oder Verbandsgemeinde im Zeitraum von 2007 bis 2009 maximal ein Jahr einen negativen Finanzierungssaldo aufwies (vgl. Gutachten Junkernheinrich Teil A, S. 57). Die Beschränkung allein auf diese fiskalischen Kriterien wird damit begründet, dass nicht jedes einzelne Kriterium der gesicherten Aufgabenerfüllung nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG einer empirischen Erfassung unterzogen werden könne und deshalb nur überprüft werde, ob die verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden über das Ausgleichen ihrer Haushalte die fiskalische Möglichkeit hätten, die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah langfristig wahrzunehmen. Die Frage, ob die jeweilige Kommune in der Lage sei, ihre Aufgaben finanziell angemessen zu erfüllen, bilde den Ausgangspunkt zur Beurteilung der dauerhaften Leistungsfähigkeit (vgl. Gutachten Junkernheinrich Teil A, S. 56).
- 95
In Konsequenz hieraus ist die in der Gesetzesbegründung getroffene Feststellung, eine dauerhafte Leistungsfähigkeit nach den Kriterien im Gutachten Junkernheinrich Teil A sei gegeben, nicht gleichzusetzen mit der Gewähr, dass die verbandsfreie Gemeinde oder Verbandsgemeinde langfristig die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah wahrnehmen kann, weil hiermit lediglich die fiskalischen Grundvoraussetzungen bejaht wurden. Mit anderen Worten bilden die beiden fiskalischen Kriterien – wie sie der Gesetzgeber in Anlehnung an das Gutachten Junkernheinrich bei der Prüfung des Ausnahmetatbestandes heranzieht – eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Bedingung für die Annahme einer dauerhaften Leistungsfähigkeit, wie sie in § 2 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz KomVwRGrG und wortgleich als Reformziel in § 1 Abs. 1 KomVwRGrG vorgesehen ist.
- 96
Hinzu kommt, dass eine systemimmanente Betrachtung des Grundsätzegesetzes einer Gleichsetzung zwischen den im Gutachten Junkernheinrich Teil A zur dauerhaften Leistungsfähigkeit überprüften Kriterien einerseits und der geforderten Fähigkeit, die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah langfristig wahrzunehmen, andererseits sogar entgegensteht. Ein derartiger Ansatz würde nämlich die in § 2 Abs. 2 Satz 1 KomVwRGrG an Regelgrößen orientierte Grundannahme konterkarieren, der zufolge eine ausreichende Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Verwaltungskraft, die ihrerseits dem Zweck dienen, eine dauerhafte Leistungsfähigkeit zu gewährleisten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 KomVwRGrG), in Abhängigkeit von Mindesteinwohnerzahlen angenommen wird (vgl. LT-Drucks. 15/4488, S. 30). Stattdessen müsste der Gebietsänderungsbedarf einer Gebietskörperschaft unmittelbar in Anlehnung an das Kriterium eines kurz- und langfristig ausgeglichenen Haushalts – bei retrospektiver Betrachtung – bestimmt werden, weil bei einer angenommenen Gleichsetzung mit den beiden fiskalischen Kriterien zugleich über die Erreichung des Reformziels entschieden würde. Dies wird indes weder den Inhalten des Grundsätzegesetzes als Ganzes noch konkret der Funktion des Kriteriums eines ausgeglichenen Haushalts gerecht, das konzeptionell lediglich im Rahmen eines Ausnahmetatbestandes als fiskalische Grundvoraussetzung dienen soll (vgl. Gutachten Junkernheinrich Teil A, S. 56 f.).
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Ausgehend davon ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber zur Beurteilung der dauerhaften Leistungsfähigkeit weitere Kriterien heranzieht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich das im Gutachten Junkernheinrich Teil A überprüfte Kriterium des ausgeglichenen Haushalts nicht unmittelbar aus § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG ergibt, sondern die Regelung vielmehr Raum für die Berücksichtigung mehrerer Aspekte bietet (zur Offenheit des Begriffs der Leistungsfähigkeit vgl. auch Wallerath, in: Die Verfassungsgerichte der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern u.a. [Hrsg.], 20 Jahre Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen Ländern, 2014, S. 53 [93]). Allerdings ist der Gesetzgeber nicht berechtigt, die dauerhafte Leistungsfähigkeit allein durch den bloßen Verweis auf eine Unterschreitung der festgesetzten Mindesteinwohnerzahl abzulehnen, wenn er insoweit doch gerade einen Ausnahmetatbestand zur Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl vorgesehen hat. Er kann auch keine Kriterien heranziehen, die im Grundsätzegesetz nicht enthalten sind, und darauf gestützt einen Gebietsänderungsbedarf annehmen (vgl. hierzu VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 79 f.).
- 98
Zulässig ist es hingegen, neben der prognostizierten demografischen Entwicklung, die ihrerseits in § 1 Abs. 1 Satz 1 KomVwRGrG als zu berücksichtigender Belang aufgeführt ist, auch das Maß des Unterschreitens der Mindesteinwohnerzahl einzubeziehen. Insofern ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die „Abwägungsleitlinie“ vorgibt, dass die für den Fortbestand der Gemeinde sprechenden Gesichtspunkte desto schwerer wiegen müssen, je stärker die Einwohnerzahl hinter der Richtzahl zurückbleibt (vgl. LT-Drucks. 15/4488, S. 31; so auch VerfG Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, LKV 2002, 573 [575]). Denn dies steht im Einklang mit seiner verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden typisierenden Annahme, dass größere Gebietskörperschaften tendenziell leistungsfähiger sind. So verstanden begegnet es letztlich auch keinen Bedenken, wenn sich der Gesetzgeber darauf beruft, dass es trotz der – anhand der Kriterien im Gutachten Junkernheinrich Teil A – festgestellten dauerhaften Leistungsfähigkeit zusätzlich einer Abwägung bedürfe. Im Rahmen dieser Abwägung wird nämlich nicht eine den Reformzielen entsprechende Fähigkeit, die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah langfristig wahrzunehmen, einer ergänzenden Prüfung unterzogen, sondern ausgehend von der insoweit auf fiskalische Grundvoraussetzungen beschränkten Prüfung im Gutachten Junkernheinrich Teil A erst die dauerhafte Leistungsfähigkeit in einem umfassenden Sinne ermittelt.
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Nach diesen Maßgaben ist die Ablehnung eines Ausnahmetatbestandes zugunsten der Antragstellerin verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat ausgehend von der Feststellung, dass die Antragstellerin nach den im Gutachten Junkernheinrich Teil A angelegten Kriterien dauerhaft leistungsfähig sei (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 121), eine abwägende Betrachtung vorgenommen. In der Gesamtbewertung hat der Gesetzgeber ausdrücklich die anzuerkennende positive Verschuldungssituation der Antragstellerin hervorgehoben und berücksichtigt (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 125). Gestützt auf die unterdurchschnittliche Steuerkraft (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 122 ff.), die bedenkliche demografische Entwicklung (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 125 ff.) und die erhebliche Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 130) hat er indes eine ausnahmsweise unbeachtliche Unterschreitung der Mindesteinwohnerzahl abgelehnt. Dass der Gesetzgeber die vorstehenden Erwägungen ausgehend von seinem – verfassungsrechtlich nicht ohne Weiteres haltbaren (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 56 ff.) – Systemverständnis des § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG bei der Prüfung des besonderen Grundes der Wirtschafts- und Finanzkraft vorgenommen und an dieser Stelle abwägend zur dauerhaften Leistungsfähigkeit im Sinne der Kriterien nach dem Gutachten Junkernheinrich Teil A in Beziehung gesetzt hat, ist dabei unschädlich. Die Erwägungen sind solche, die in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zur weiteren Bestimmung der dauerhaften Leistungsfähigkeit und damit letztlich zur Begründung eines eigenen Gebietsänderungsbedarfs herangezogen werden konnten. Hier unterscheidet sich das vorliegende Verfahren maßgeblich von der stattgebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 8. Juni 2015. Der Gesetzgeber hatte dort nämlich im Anschluss an die Feststellung einer dauerhaften Leistungsfähigkeit nach den Kriterien des Gutachtens Junkernheinrich Teil A und des Vorliegens eines besonderen Grundes den Gebietsänderungsbedarf der betroffenen Verbandsgemeinde mit einem regionalen Vergleich und dem Disparitätenausgleich begründet; diese Erwägungen verletzten aber das verfassungsrechtliche Gebot der Systemgerechtigkeit (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 74 ff.). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Gesetzgeber ist nach dem oben Gesagten vorliegend eine tragfähige, einzelfallbezogene Begründung nicht schuldig geblieben, weshalb die Antragstellerin trotz ihrer guten wirtschaftlichen Lage nicht die Gewähr einer dauerhaften Leistungsfähigkeit biete.
- 100
(c) Weitere Abwägungsfehler, die die Antragstellerin in Bezug auf die Bejahung eines Gebietsänderungsbedarfs der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen (aa) und bei der Berücksichtigung des Ergebnisses der Bürgerbefragung (bb) geltend macht, lassen sich ebenfalls nicht feststellen.
- 101
(aa) Soweit die Antragstellerin darin ein Abwägungsdefizit sieht, dass trotz der im Gutachten Junkernheinrich Teil A festgestellten dauerhaften Leistungsfähigkeit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen keine weitergehende Prüfung stattgefunden habe, ob eine (unbenannte) Ausnahme nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KomVwRGrG vorliege, vermag der Verfassungsgerichtshof keinen Abwägungsfehler zu erkennen. Insoweit kann bei der Antragstellerin zwar nicht von vornherein eine eigene Beschwer durch die Feststellung eines Gebietsänderungsbedarfs ihrer Fusionspartnerin in Abrede gestellt werden, weil ein maßgebliches Kriterium bei der Abwägung gerade war, dass die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen im Vergleich zu einer Vielzahl anderer, im Gutachten Junkernheinrich Teil B höher bewerteter Alternativen einen eigenen Gebietsänderungsbedarf aufweise (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 140 ff.), und außerdem bei anderen Varianten eingewandt wurde, für die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen sei dann kein geeigneter Fusionspartner mit eigenem Gebietsänderungsbedarf vorhanden (LT-Drucks. 16/2800, S. 140 ff.). Beides zeigt, dass hier die Abwägung der Neugliederungsmaßnahmen auch in Bezug auf die Antragstellerin durch die Entscheidung über einen Gebietsänderungsbedarf der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen beeinflusst wurde. Dies ändert allerdings im Kern nichts daran, dass die Frage eines bestehenden Gebietsänderungsbedarfs in erster Linie die hiervon betroffene Gebietskörperschaft in ihrer Selbstverwaltungsgarantie berührt, während es potenzielle Fusionspartner – wie hier die Antragstellerin – lediglich als (abwägungsrelevanten) Reflex betrifft.
- 102
Es kann dahinstehen, ob sich hieraus für die Antragstellerin allenfalls eingeschränkte Rügemöglichkeiten in Bezug auf die Feststellungen eines Gebietsänderungsbedarfs ergeben, da die Annahme eines Gebietsänderungsbedarfs der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Bezugnehmend auf die vorangegangenen Ausführungen bestätigt die Feststellung einer dauerhaften Leistungsfähigkeit nach den Kriterien des Gutachtens Junkernheinrich Teil A lediglich, dass die fiskalischen Grundvoraussetzungen für die Fähigkeit, die eigenen und übertragenen Aufgaben in fachlich hoher Qualität, wirtschaftlich sowie bürger-, sach- und ortsnah langfristig wahrzunehmen, vorliegen. Allein dies vermag, ohne ersichtliche Anhaltspunkte, die weder die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen im Rahmen ihrer Anhörung noch die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren geltend gemacht haben, eine weitergehende Prüfpflicht des Gesetzgebers – quasi ins Blaue hinein – nicht zu begründen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die in § 2 Abs. 3 Satz 3 KomVwRGrG geschriebenen besonderen Gründe im Gutachten Junkernheinrich Teil A geprüft und ihr Vorliegen in Bezug auf die Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen ebenso verneint wurde wie ein primärer Ausnahmegrund nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KomVwRGrG (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 133 ff.).
- 103
(bb) Im Hinblick auf den entgegenstehenden Bürgerwillen war der Gesetzgeber, der im Rahmen der Abwägung generell befugt ist, sich für die Bevorzugung eines Belanges und damit notwendig zugleich für die Zurückstellung anderer betroffener Aspekte zu entscheiden, nicht gehalten, diesem Belang den Vorrang vor dem herausgearbeiteten Gebietsänderungsbedarf einzuräumen. Die Ergebnisse von Bürgerbefragungen und Bürgerentscheiden stellen ein Merkmal unter weiteren Gesichtspunkten dar, die für die Ermittlung der Gründe des öffentlichen Wohles und damit für die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers von Bedeutung sind. Bei einer allgemeinen Gebietsreform geht es eben auch darum, größere Räume neu zu gliedern, so dass nicht nur örtliche Gegebenheiten – wie etwa die Akzeptanz des Vorhabens bei den Bürgern der einzelnen Gemeinde – ins Gewicht fallen (vgl. VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2004 – 167/03 –, juris, Rn. 52; LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. August 2011 – LVG 45/10 –, BeckRS 2011, 54411). Der Gesetzgeber verweist insoweit ausdrücklich darauf, dass er nicht allein den Bürgerwillen, sondern auch die überörtlichen Belange bzw. die gesamte Kommunalstruktur des Landes zu bedenken habe (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 132), und erkennt in der ablehnenden Haltung der Bürger letztlich keinen durchgreifenden Grund, von dem gemeinwohlbegründeten Zusammenschluss Abstand zu nehmen (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 170).
- 104
(d) Entgegen der Annahme der Antragstellerin ist ein Verstoß gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit (zu Herleitung, Inhalt und Grenzen des Gebots vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 68 f., m.w.N.) nicht darin zu sehen, dass der Gesetzgeber die Gebietsreformmaßnahmen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden nicht bis zum Tag der allgemeinen Kommunalwahl im Jahr 2014 abgeschlossen hat.
- 105
(aa) Nach § 2 Abs. 1 KomVwRGrG werden zur Stärkung der Leistungsfähigkeit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Verwaltungskraft der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden die vorhandenen Gebietsstrukturen dieser kommunalen Gebietskörperschaften bis zum Tag der allgemeinen Kommunalwahl im Jahr 2014 verbessert. Es spricht vieles dafür, dass es sich bei dieser Regelung lediglich um eine bloße „Zielbestimmung“ und keine verbindliche zeitliche Vorgabe in dem Sinne handeln sollte, dass nach dem Tag der allgemeinen Kommunalwahl Gebietsänderungen nicht mehr möglich sein sollen. Denn Gebietsreformen stellen sich in der Regel als Prozess dar, der häufig aus vielfältigen Gründen anders als zunächst politisch beabsichtigt, nicht zu einem festen Zeitpunkt vollständig umgesetzt werden wird, insbesondere wenn – wie hier – eine Vielzahl von Gebietskörperschaften betroffen ist. Gebietsreformen ist daher eine strikte Bindung an zeitliche Vorgaben fremd. Im Übrigen kann eine Verbesserung der vorhandenen Gebietsstrukturen nicht erst durch die Änderung sämtlicher reformbedürftiger Gebietskörperschaften, sondern auch schon durch einzelne gebietliche Veränderungen eintreten.
- 106
Nichts anderes ergibt sich, soweit in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit ein „Gesamtkonzept“ für Gebietsreformen gefordert wird (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 30. Juli 1999 – Vf. 7-VII-98 –, juris, Rn. 71). Denn mit einem solchen Gesamtkonzept ist kein verbindlicher Zeitplan für die Durchführung von Gebietsreformen, sondern vielmehr ein inhaltliches Konzept gemeint, welches die maßgeblichen materiellen Kriterien für die Gebietsänderungen festlegt (vgl. hierzu BayVerfGH, Entscheidung vom 30. Juli 1999 – Vf. 7-VII-98 –, juris, Rn. 72; Entscheidung vom 27. Juni 1997 – Vf. 10-VII-95 –, juris, Rn. 55; VerfGH RP, Urteil vom 17. April 1969 – VGH 2/69 –, AS 11, 73 [96]). Dem hat der Gesetzgeber vorliegend mit dem Grundsätzegesetz hinreichend Rechnung getragen.
- 107
Ungeachtet dessen ist nicht ersichtlich, inwieweit die Antragstellerin durch eine Verzögerung der Gebietsreform überhaupt beschwert sein könnte (vgl. hierzu auch VerfG Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – VfGBbg 34/01 –, LKV 2002, 573 [574], wonach Regelungen, die das System verändern, für die hiervon betroffenen Kommunen die Beschwerdebefugnis begründen; vgl. ferner StGH BW, Urteil vom 14. Februar 1975 – GR 11/74 –, ESVGH 25, 1 [24]; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2004 – VfgBbg 167/03 –, juris, Rn. 50). Ihr Zusammenschluss mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen ist gerade im Jahre 2014 erfolgt. Wollte man dem Grundsätzegesetz die Leitlinie entnehmen, dass die in Betracht kommenden Gebietsreformen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden bis zum Tag der allgemeinen Kommunalwahl 2014 zu erfolgen haben, dann wurde diese Leitlinie in Bezug auf die Antragstellerin gerade systemgerecht umgesetzt.
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Eine andere Beurteilung käme vorliegend lediglich dann in Betracht, wenn die Grenze zur Willkür überschritten wäre. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Gesetzgeber seine im Jahr 2014 durchgeführte Gebietsreform auf einzelne, beliebig herausgegriffene verbandsfreie Gemeinden bzw. Verbandsgemeinden beschränkt hätte und die Antragstellerin hierdurch in willkürlicher Weise benachteiligen würde (zu einer ähnlichen Problematik im Baurecht vgl. OVG RP, Urteil vom 17. Dezember 1999 – 1 A 10091/99.OVG –, ESOVGRP; zum Wehrrecht vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1993 – 8 C 20/92 –, juris, Rn. 16; vgl. ferner BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77 –, BVerfGE 50, 142 [166]).
- 109
Für ein derartiges, mit einem Systemversagen einhergehendes Vorgehen bestehen vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Bereits in der amtlichen Gesetzesbegründung zu dem hier angegriffenen Eingliederungsgesetz führt der Gesetzgeber im Einzelnen auf, für welche verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden er einen immanenten Gebietsänderungsbedarf sieht (vgl. LT-Drucks. 16/2800, S. 43 f.). Zudem legt er dar, dass auf der zweiten Reformstufe bis zum Jahr 2019 Gebietsänderungen von verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden realisiert würden, die derzeit mit der Änderung von Landkreisen verbunden wären. Gleiches gelte für die Gebietsänderungen von verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden, die sich aus unterschiedlichen Gründen bis 2014 nicht realisieren ließen (LT-Drucks. 16/2800, S. 29). Der Gesetzgeber hat damit zum einen verdeutlicht, dass er die Gebietsreform auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden nicht als abgeschlossen betrachtet und nicht auf die bereits durchgeführten Neugliederungen beschränken will.
- 110
Zum anderen hat der Gesetzgeber hinreichend plausibilisiert, weshalb er die Reformmaßnahmen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden zeitlich abgeschichtet hat. Zwar trifft es zu, dass dem Gesetzgeber auch auf der ersten Stufe der Reform nach § 2 Abs. 4 Satz 2 KomVwRGrG die Möglichkeit offensteht, landkreisübergreifende Fusionen zu beschließen. Wenn er jedoch davon absieht, Gebietsänderungen für verbandsfreie Gemeinden bzw. Verbandsgemeinden zu beschließen, die mit einer Änderung der Landkreise verbunden wären und die er grundsätzlich erst auf der zweiten Reformstufe verwirklichen will, so stellt sich dies keineswegs als sachfremd dar (vgl. hierzu auch VerfGH RP, Urteil vom 8. Juni 2015 – VGH N 18/14 –, UA S. 61 ff.). Würden nämlich bei einem Zusammenschluss von verbandsfreien Gemeinden bzw. Verbandsgemeinden die Kreisgrenzen überschritten, so wäre hiermit zwangsläufig eine Änderung der Kreisgrenzen verbunden (vgl. § 5 Landkreisordnung – LKO –). Eine Änderung der Kreisgrenzen zum jetzigen Zeitpunkt würde jedoch den Gesetzgeber bei der späteren Reform der Landkreise gewissen Bindungen unterwerfen. Zwar wäre er grundsätzlich nicht daran gehindert, die Grenzen der Landkreise erneut zu ändern. Eine derartige Änderung unterliegt allerdings in verfassungsrechtlicher Hinsicht gesteigerten Anforderungen (zu so genannten Rück-Neugliederungen vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 1992 – 2 BvR 470/90 u.a. –, BVerfGE 86, 90 [110 ff.]). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber derartige Reformen zeitgleich mit der Landkreisreform durchführen will.
- 111
Darüber hinaus ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs – ohne weitere Anhaltspunkte – zu überprüfen, ob die Gründe, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, die aus seiner Sicht anstehenden Reformmaßnahmen nicht vollständig bereits im Jahr 2014 durchzuführen, tatsächlich tragen.
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(bb) Soweit die Antragstellerin meint, der Gesetzgeber habe gegen das Gebot der Systemgerechtigkeit verstoßen, weil er vor Ende der Freiwilligkeitsphase kein landesweites Gesamtkonzept zur Optimierung von Gebietsstrukturen aller Verbandsgemeinden und verbandsfreien Gemeinden entwickelt habe, verfängt diese Argumentation ebenfalls nicht. Zum Ende der Freiwilligkeitsphase am 30. Juni 2012 (vgl. § 3 Abs. 4 KomVwRGrG) bestand mit dem Grundsätzegesetz ein inhaltliches Konzept für die Neugliederungsmaßnahmen auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen geboten, weil das Gutachten Junkernheinrich (Teil A und B) zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlag. Soweit die Antragstellerin diesbezüglich ausführt, dass einige Neugliederungsvorschläge des Gutachters angesichts der zwischenzeitlich erfolgten freiwilligen Fusionen vom Gesetzgeber nicht mehr umgesetzt werden konnten, so ist daran zu erinnern, dass der Gesetzgeber an derartige Empfehlungen weder gebunden war, noch war er verpflichtet, ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, das bereits fusionierte Gebietskörperschaften außer Betracht ließ. Die Entscheidung über Neugliederungsmaßnahmen und die Auswahl zwischen verschiedenen Lösungsalternativen ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, der hierfür die politische Verantwortung trägt (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 18. Dezember 1996 – 2/95 u.a. –, NVwZ-RR 1997, 639 [640]; Urteil vom 1. März 2001 – 20/00 –, juris, Rn. 96).
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(e) Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV, Art. 77 Abs. 2 LV) vor. Soweit die Antragstellerin einen derartigen Verstoß darin begründet sieht, dass der Gesetzgeber ihr im Hinblick auf die Fusion keine finanzielle Unterstützung gewährt hat, hat sie – wie bereits ausgeführt – nicht hinreichend substantiiert dargelegt, inwieweit sich dies auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit ihres Zusammenschlusses mit der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen auswirken könnte bzw. inwieweit die Freiwilligkeit einen sachlichen Grund für eine Differenzierung darstellt (zu letzterem vgl. VerfG Brandenburg, Urteil vom 29. August 2002 – 34/01 –, LKV 2002, 573 [576]). Die dahingehenden Ausführungen in der Antragsschrift, die den Unterschied zwischen dem (sachlichen) Grund für die Finanzhilfen und deren Verwendungszweck nivelliert und damit letztlich den an sich zu prüfenden sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung ausblendet und stattdessen auf die vergleichbare Situation der nachgelagerten zweckentsprechenden Mittelverwendung abstellt, genügen insoweit nicht. Im Übrigen hat der Gesetzgeber, wie ebenfalls bereits ausgeführt, die Anforderungen an ein „Gesamtkonzept“ der Gebietsreform erfüllt, indem er die maßgeblichen materiellen Kriterien für die Gebietsänderungen festgelegt hat. Darüber hinausgehende Anforderungen an die Aufstellung eines landesweiten Gesamtkonzepts auf der Ebene der verbandsfreien Gemeinden und Verbandsgemeinden, wie sie die Antragstellerin für erforderlich hält, sind nicht zu erfüllen, so dass insoweit auch kein Verstoß gegen das Willkürverbot in Betracht kommt.
E.
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Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Gründe dafür, die volle oder teilweise Erstattung der Auslagen gemäß § 21a Abs. 3 VerfGHG anzuordnen, liegen nicht vor.
