VERFGRP VGH B 11/10

ECLI:ECLI:DE:VERFGRP:2010:1129.VGHB11.10.0A
29.11.2010

Gericht

1. § 69 Abs. 4 Satz 4 des Schulgesetzes in der Fassung des Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) ist mit Art. 17 Abs. 1 und 2 der Landesverfassung unvereinbar.

2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. August 2012 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. § 69 Abs. 4 Satz 4 des Schulgesetzes bleibt bis zum In-Kraft-Treten einer Neuregelung, längstens bis zum 31. Juli 2012, weiter anwendbar.

3. Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren verursachten notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.

Tatbestand

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen § 69 Abs. 4 Satz 4 des Schulgesetzes - SchulG - vom 30. März 2004 (GVBl. S. 239) in der Fassung des Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340). Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die darin enthaltene Regelung der Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten, die nach der Schulstrukturreform im Bereich der Sekundarstufe I - allein - für Schülerinnen und Schüler der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen eine solche Eigenbeteiligung vorsieht.

I.

2

1. Nach § 69 Abs. 1 SchulG obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung die Beförderung der Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz, denen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar ist. Die Aufgabe umfasst die Beförderung zu Grund- und Förderschulen, zur nächstgelegenen Realschule plus sowie der Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen. Sie wird vorrangig durch Übernahme der notwendigen Fahrkosten für öffentliche Verkehrsmittel erfüllt (vgl. § 69 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SchulG).

3

2. Im Bereich der Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) sieht § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG bei der Übernahme der Schülerbeförderungskosten für einen Teil der Schüler eine Eigenbeteiligung vor. Danach soll für Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien ein angemessener Eigenanteil an den Beförderungskosten gefordert werden, wenn eine Einkommensgrenze überschritten wird, deren Ausgestaltung unter Berücksichtigung der sozialen Belastbarkeit der Betroffenen durch Rechtsverordnung geregelt wird. Die Einkommensgrenze, ab der eine Kostenbeteiligung verlangt wird, liegt derzeit - vereinfacht dargestellt - bei einem Jahreseinkommen der Eltern von 26500 € bzw. bei Alleinerziehenden von 22750 € zuzüglich 3750 € für jedes Geschwisterkind (vgl. Landesverordnung vom 18. Mai 2009, GVBl. S. 206).

4

Die Schüler der Realschule plus werden hingegen nicht an den Beförderungskosten beteiligt. Ihre Beförderungskosten werden - wie im Bereich der Primarstufe (Klassenstufen 1 bis 4) die der Grund- und Förderschüler - ohne Eigenbeteiligung übernommen.

5

3. Die angegriffene Vorschrift des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG erhielt ihre gegenwärtige Fassung mit dem dargelegten Inhalt durch Art. 1 des Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340), das insoweit am 1. August 2009 in Kraft getreten ist.

6

Mit diesem Gesetz wurde die Schulstruktur des Landes im Bereich der Sekundarstufe I wie folgt reformiert: Die Realschule plus wurde als neue Schulart in das Schulgesetz aufgenommen (§ 9 Abs. 3 Nr. 2 SchulG). Die im Schuljahr 2008/2009 bestehenden Hauptschulen und Realschulen wurden bzw. werden bis spätestens zum 1. August 2013 in Realschulen plus überführt; danach wird es keine Haupt- und Realschulen mehr geben (vgl. §§ 2 Abs. 1, 5 des Landesgesetzes zur Einführung der neuen Schulstruktur im Bereich der Sekundarstufe I - SchulstrukturEinfG -, Art. 7 des Landesgesetzes vom 22. Dezember 2008). Ebenso werden die Regionalen Schulen, die bereits einen Zusammenschluss von Haupt- und Realschule darstellten (vgl. § 10 Abs. 4 SchulG in der bis zum 31. Juli 2009 geltenden Fassung; im Folgenden: SchulG a.F.), seit dem 1. August 2009 als Realschulen plus geführt (vgl. § 2 Abs. 2 SchulstrukturEinfG).

7

Die Realschule plus führt nach § 10 Abs. 3 Satz 1 SchulG zur Qualifikation der Berufsreife wie zuvor die Hauptschule (vgl. § 10 Abs. 3 SchulG a.F.) und zum qualifizierten Sekundarabschluss I wie zuvor die Realschule (vgl. § 10 Abs. 5 SchulG a.F.). Sie umfasst gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 SchulG Schüler der Bildungsgänge zur Erlangung der Berufsreife und zur Erlangung des qualifizierten Sekundarabschlusses I und vereinigt damit die ehemaligen Haupt- und Realschulen in einer Schulart.

8

Während der Übergangszeit bis zum 31. Juli 2013 richtet sich die Schülerbeförderung für die Schüler der - noch bestehenden - Haupt- und Realschulen im Wesentlichen nach den bisherigen Bestimmungen (vgl. § 9 SchulstrukturEinfG).

9

4. Vor der Neufassung durch das Gesetz zur Änderung der Schulstruktur bestimmte § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG a.F. hinsichtlich der Schülerbeförderungskosten im Bereich der Sekundarstufe I, dass für die Schüler der Realschulen, Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien ein angemessener Eigenanteil gefordert werden soll. Die Schüler der Hauptschulen, Regionalen Schulen und Förderschulen wurden hingegen nicht an den Beförderungskosten beteiligt.

II.

10

Der Beschwerdeführer ist Vater zweier Kinder, die gegenwärtig die Jahrgangsstufen 7 und 9 eines Gymnasiums in … besuchen.

11

Mit der am 22. März 2010 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt er eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Regelung über die Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten nach der Schulstrukturreform stelle eine unzulässige Benachteiligung der Schüler der Gymnasien in der „Mittelstufe“ (Sekundarstufe I) gegenüber den Schülern der neuen Realschule plus dar. Als Vater von zwei das Gymnasium besuchenden Töchtern, für die der vorliegend zuständige Landkreis monatlich einen Eigenanteil von derzeit 21,-- € je Kind erhebe, sei er hiervon unmittelbar betroffen.

III.

12

Der Landtag Rheinland-Pfalz und die Landesregierung haben zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

13

1. Nach Ansicht des Landtags ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

14

Der Beschwerdeführer sei durch die angegriffene Vorschrift des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG nicht unmittelbar betroffen. Sie bedürfe der Umsetzung durch einen Vollzugsakt, da sie sowohl auf der Tatbestandsseite mit dem unbestimmten Rechtsbegriff „angemessener Eigenanteil“ als auch auf der Rechtsfolgenseite als Soll-Vorschrift offen formuliert sei. Der Beschwerdeführer sei auf den Rechtsweg gegen einen etwaigen Vollzugsakt zu verweisen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Rechtswegerschöpfung nach § 44 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – wegen allgemeiner Bedeutung der Verfassungsbeschwerde liege nicht vor, weil die aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit der differenzierten Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten bereits im Jahre 1990 durch das Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz und das Bundesverwaltungsgericht bejaht worden sei. Des Weiteren sei zumindest fraglich, ob die für Gesetzesverfassungsbeschwerden geltende Jahresfrist des § 46 Abs. 3 VerfGHG gewahrt sei. Die gegenständliche Regelung sei zwar erst mit Gesetz vom 22. Dezember 2008 – in dem hier maßgeblichen Teil – am 1. August 2009 in Kraft getreten. Die Kostenbeteiligung für Schüler der Gymnasien – wie für die Kinder des Beschwerdeführers – bestehe jedoch bereits seit 1980 und sei durch die aufgenommene Regelung zur Einkommensgrenze lediglich eingeschränkt worden. Überdies genüge die Verfassungsbeschwerde nicht den Formerfordernissen des § 45 VerfGHG, da die Angaben des Beschwerdeführers nicht ausreichend seien, um auf dieser Grundlage eine verlässliche Beurteilung zu ermöglichen.

15

Die Verfassungsbeschwerde habe auch in der Sache keinen Erfolg. Der gesetzlichen Regelung der Schülerbeförderungskosten habe von Anfang an ein sachlich nachvollziehbares Prioritätenverhältnis zwischen Pflicht- und Wahlschülern zugrunde gelegen. Der Gesetzgeber habe wegen der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand zu keinem Zeitpunkt eine vollumfängliche Kostenfreiheit für alle Schüler, sondern lediglich eine Grundversorgung gewähren wollen, die mit der Schulpflicht und dem Erreichen des schulischen Mindestabschlusses durch den Einzelnen inhaltlich korreliert habe. Diese Konzeption der Schülerbeförderung sei mit Eintritt in die Schulstrukturreform im Jahre 2009 systemgerecht fortentwickelt worden. Der Gesetzgeber habe sich von folgenden Erwägungen leiten lassen (vgl. LT-Drs. 15/2514, S. 43f.): Die Realschule plus übernehme künftig die Funktion der Hauptschulen und Regionalen Schulen als Pflichtschulen und biete den Bildungsgang zur Erreichung der Berufsreife an. Der den bisherigen Bestimmungen zugrunde liegende Grundsatz, dass die Beförderung zu der Schule, die den Mindestabschluss (Berufsreife) verleihe, kostenlos sein solle, bedinge, künftig alle Schüler der Realschulen plus wie die der bisherigen Hauptschulen und Regionalen Schulen zu behandeln. Daher werde hier kein angemessener Eigenanteil gefordert, sondern nur noch von den Schülern der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen. Diese Entscheidung des Gesetzgebers, die bisherige Rechtslage für Schüler der Hauptschulen und Regionalen Schulen auf alle Schüler der Realschule plus zu übertragen, sei folgerichtig und beruhe auf sachlichen Erwägungen.

16

2. Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für zulässig, aber unbegründet. Dem Gesetzgeber stehe bei der Gestaltung finanzieller Förderungsbedingungen ein weiter Spielraum zu, der durch die angegriffene Regelung nicht überschritten worden sei. Hintergrund der Entwicklung der Schülerbeförderungskostenregelung sei das Bestreben des Gesetzgebers, eine Standardeinrichtung für die Regelbedürfnisse zu schaffen, die mit der schulischen Grundversorgung und der Erfüllung der Schulpflicht verbunden seien. Zwar habe auch der Besuch einer Realschule oder eines Gymnasiums die gesetzliche Schulpflicht erfüllt, die Schularten vermittelten jedoch eine qualifizierte Ausbildung mit jeweils eigenständigen höherwertigen Bildungsabschlüssen. Daher seien nur diese Schulen Wahlschulen gewesen. Die Hauptschule sei demgegenüber Pflichtschule gewesen, an der im Sinne einer Grundversorgung die über den Besuch der Grundschule hinausgehende Schulpflicht habe erfüllt werden müssen, wenn der Schüler nach Begabung und Leistung nicht für den Besuch einer anderen Schulart geeignet erschienen sei. Mit der Schulstrukturreform übernehme die Realschule plus die Funktion der Hauptschule als Pflichtschule. Sie sei künftig die einzige Schulart, an der abschlussbezogene Klassen zur Erlangung der Berufsreife gebildet werden könnten. Sie sei auch ihrem Pflichtschulcharakter entsprechend die einzige Schulart, die die Aufnahme von Schülern nicht verweigern könne, weil z.B. die Kapazitäten nicht ausreichten. Die neue Regelung der Schülerbeförderungskosten folge der bisherigen gesetzlichen Systematik. Vor dem Hintergrund der andauernd angespannten Haushaltslage habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die bisher bestehende Rechtslage für Schüler der Hauptschulen und Regionalen Schulen auf alle Schüler der Realschulen plus zu übertragen, damit der bisher begünstigte Personenkreis nicht benachteiligt werde. Für weitere Verbesserungen der Schülerbeförderung habe kein finanzieller Spielraum bestanden. Im Schuljahr 2009/10 hätten rund 85 v.H. der Schüler, die einen „Hauptschulabschluss“ erworben haben, diesen an einer - schon bestehenden oder künftigen - Realschule plus erlangt. An den schon bestehenden Realschulen plus hätten 37 v.H. der Absolventen einen „Hauptschulabschluss“ und 63 v.H. einen qualifizierten Sekundarabschluss I erreicht.

Entscheidungsgründe

B.

I.

17

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

18

1. Der Beschwerdeführer ist beschwerdebefugt. Er beruft sich auf die Verletzung eigener, in der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - enthaltener Rechte im Sinne des Art. 130a LV, § 44 Abs. 1 VerfGHG. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sowie das Willkürverbot, deren Verletzung der Beschwerdeführer der Sache nach geltend macht, sind in Art. 17 Abs. 1 und 2 LV landesverfassungsrechtlich verbürgt.

19

Er kann auch geltend machen, durch die angegriffene gesetzliche Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen zu sein (vgl. hierzu VerfGH RP, AS 31, 348 [350]; 34, 169 [180]).

20

a) Der Beschwerdeführer trägt vor, als Vater von zwei Töchtern, die ein Gymnasium in … besuchen, durch die mit der Schulstrukturreform verbundene Neuregelung der Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten, die die Schüler an Gymnasien in der „Mittelstufe“ gegenüber den Schülern der Realschule plus benachteilige, unmittelbar betroffen zu sein. Für seine Töchter, die sich derzeit in den Klassenstufen 7 und 9 befinden, werde er vom zuständigen Landkreis zu einem Eigenanteil an den Beförderungskosten von 21,-- € je Kind herangezogen. Der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde ist damit im Sinne von § 45 VerfGHG hinreichend deutlich zu entnehmen, dass seine Rechtsstellung durch die Eigenbeteiligungsregelung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG berührt wird.

21

b) Gegenwärtig ist die Betroffenheit, wenn die angegriffene Vorschrift auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers aktuell einwirkt (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [350]). Dies ist hier der Fall. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 9 SchulstrukturEinfG während der Übergangszeit bis zum 31. Juli 2013 sich die Schülerbeförderung für die Schüler der - noch bestehenden - Haupt- und Realschulen im Wesentlichen nach den bisherigen Bestimmungen richtet. Die zum 1. August 2009 in Kraft getretene Neuregelung der Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG gilt für die Schüler der derzeit bereits errichteten Realschulen plus nicht erst nach Ablauf der genannten Übergangszeit, so dass die vom Beschwerdeführer gerügte Ungleichbehandlung dieser Schüler gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien schon gegenwärtig besteht.

22

c) Die Sachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof scheitert auch nicht am Erfordernis unmittelbarer Betroffenheit.

23

Unmittelbare Betroffenheit verlangt, dass die Rechtsstellung des Beschwerdeführers durch die angegriffene Rechtsnorm und nicht erst durch ihren Vollzug berührt wird. Bedarf ein Gesetz rechtsnotwendig oder nach der tatsächlichen Vollzugspraxis der Umsetzung durch einen besonderen Vollzugsakt, muss der Beschwerdeführer grundsätzlich zunächst diesen Akt angreifen und den gegen ihn eröffneten Rechtsweg erschöpfen, bevor er die Verfassungsbeschwerde erhebt (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [351] m.w.N.).

24

Da die angegriffene Norm in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG lediglich zur Forderung eines angemessenen Eigenanteils als Soll-Vorschrift ermächtigt, bedarf sie zu ihrer Umsetzung - neben der Bestimmung der Einkommensgrenze durch die Landesverordnung vom 18. Mai 2009 (GVBl. S. 206) - noch eines Vollzugsakts. Gegen diese Heranziehung zu einer Kostenbeteiligung könnte der Beschwerdeführer vor den Verwaltungsgerichten um fachgerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen.

25

Jedoch schließt dies die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht aus. Mit dem Erfordernis unmittelbarer Betroffenheit wird dem in § 44 Abs. 3 VerfGHG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Rechnung getragen (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [351]. Deshalb ist die unmittelbare Betroffenheit trotz Vollzugsbedürftigkeit eines Gesetzes dann zu bejahen, wenn die vorherige Klärung der tatsächlichen und einfachrechtlichen Grundlagen des Normvollzugs entbehrlich und eine Vorabentscheidung über die verfassungsrechtlichen Fragen sachgerecht ist (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [351]; 37, 292 [303]; Beschluss vom 12. Juli 2010 – VGH B 74/09, juris, Rn. 20). So liegt der Fall hier, so dass der Beschwerdeführer nicht darauf verwiesen werden muss, zunächst die Verwaltungsgerichte anzurufen.

26

Die Beurteilung der erhobenen Rüge setzt nicht die Prüfung einfachrechtlicher oder tatsächlicher Fragen voraus. Es ist zwar zutreffend, dass im Rahmen der Anwendung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG sowohl der unbestimmte Rechtsbegriff des „angemessenen Eigenanteils“ ausgefüllt als auch das mit der Soll-Vorschrift eröffnete - intendierte - Ermessen ausgeübt werden muss. Diese Punkte werden mit der Verfassungsbeschwerde jedoch nicht angegriffen. Der Beschwerdeführer hält nicht die Höhe der Eigenbeteiligung für unangemessen und trägt auch keinen atypisch gelagerten Fall vor, um ein Abweichen von der durch die Soll-Bestimmung für den Regelfall vorgegebenen Ermessensausübung zu begründen. Er wendet sich auch nicht gegen die Höhe der in der genannten Landesverordnung festgelegten Einkommensgrenzen für die Heranziehung zu einem Eigenanteil. Vielmehr rügt der Beschwerdeführer die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Unterscheidung zwischen den Schularten bei der Eigenbeteiligung an den Kosten der Schülerbeförderung, wonach im Bereich der Sekundarstufe I für die Schüler der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen ein Eigenanteil gefordert werden soll, nicht hingegen für die Schüler der neuen Realschule plus. Damit ist die Frage, ob die nach § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG nur für bestimmte Schularten in der Sekundarstufe I vorgesehene Kostenbeteiligung mit dem Gleichbehandlungsgebot und dem Willkürverbot vereinbar ist, allein nach verfassungsrechtlichen Kriterien zu beantworten.

27

Wegen der großen Zahl der von der Regelung Betroffenen kommt der Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung zu, weshalb eine Vorabentscheidung entsprechend § 44 Abs. 3 Satz 2 VerfGHG angezeigt ist (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [351]. Dem steht nicht entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 15. Mai 1990 (AS 23, 49) und das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Oktober 1990 (NVwZ-RR 1991, 197) die damals geltende Regelung der Schülerbeförderungskosten, wonach für Schüler der Realschulen und Gymnasien ein Eigenanteil gefordert werden kann, für vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz erachtet haben. Diese Entscheidungen betreffen zwar auch die Ungleichbehandlung der Schularten bei der Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten, sind jedoch noch auf Grundlage der seinerzeit bestehenden Schulstruktur ergangen und treffen damit keine Aussage darüber, ob - wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht - die Neuregelung der Eigenbeteiligung nach der Schulstrukturreform mit Einführung der Realschule plus gegen das Gleichbehandlungsgebot und Willkürverbot verstößt.

28

2. Die Verfassungsbeschwerde ist rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist des § 46 Abs. 3 VerfGHG erhoben worden.

29

Zwar war eine der angegriffenen Bestimmung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG vergleichbare Vorschrift, die von Schülern (auch) des Gymnasiums einen Eigenanteil an den Schülerbeförderungskosten festlegte, bereits seit Inkrafttreten des Landesgesetzes zur Neuregelung der Schülerbeförderung und der Kindergartenfahrten vom 2. Juli 1980 (GVBl. S. 146) zum 1. August 1980 im Schulgesetz enthalten (vgl. § 56 Abs. 4 Satz 5 SchulG in der seinerzeit geltenden Fassung). Die Frist des § 46 Abs. 3 VerfGHG ist durch das Inkrafttreten des Landesgesetzes zur Änderung des Schulgesetzes vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) am 1. August 2009 jedoch erneut ausgelöst worden, womit die am 22. März 2010 eingegangene Verfassungsbeschwerde fristgerecht erhoben ist.

30

Die Änderung eines Gesetzes setzt die Jahresfrist für die geänderten Vorschriften grundsätzlich neu in Lauf. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Änderung rein redaktioneller Natur ist und den sachlichen Gehalt der Norm unberührt lässt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. März 2010 - VGH B 60/09, VGH B 70/09B 70/09 -, juris, Rn. 66 m.w.N. = LKRZ 2010, 216). Mit der Neufassung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG durch das Landesgesetz vom 22. Dezember 2008 ist die Regelung über die Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten nicht nur redaktionell, sondern inhaltlich geändert worden. Während § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG in der bis 31. Juli 2009 geltenden Fassung noch Schüler der Realschulen in die Kostenpflicht mit einbezogen hat, sieht die Neufassung nur noch für Schüler der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien eine Kostenbeteiligung vor. Wenngleich für Schüler der Gymnasien unverändert ein Eigenanteil gefordert wird, hat die Regelung in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG insoweit eine inhaltliche Änderung erfahren, als die Schüler der bisherigen Realschulen, die mit der Schulstrukturreform in die Realschulen plus überführt werden, nunmehr in die kostenlose Schülerbeförderung einbezogen worden sind. Damit hat der Gesetzgeber die Gruppen der Schüler der Sekundarstufe I, für die ein Eigenanteil an den Beförderungskosten gefordert werden soll, neu bestimmt.

II.

31

Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG in der Fassung des Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) ist mit Art. 17 Abs. 1 und 2 LV nicht vereinbar.

32

1. a) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 17 Abs. 1 und 2 LV) gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Hieraus ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Der Gleichheitssatz ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich – bezogen auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs – ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Grund für die betreffende Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 8. März 2010 und Beschluss vom 12. Juli 2010, a.a.O., jeweils m.w.N.; BVerfGE 112, 164 [174]).

33

b) Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Unzulässig ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird. Bei der Überprüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten vom nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz abgrenzt, ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Dem Gesetzgeber ist aber auch im Rahmen der gewährenden Verwaltung nicht gestattet, bei der Abgrenzung der Leistungsberechtigten sachwidrig zu differenzieren (vgl. BVerfGE 112, 164 [174 f.] m.w.N.).

34

2. Nach diesen Maßstäben verstößt § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG in der Fassung des Landesgesetzes zur Änderung der Schulstruktur vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 340) gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 17 Abs. 1 und 2 LV.

35

Die Neuregelung über die Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten nach der am 1. August 2009 in Kraft getretenen Schulstrukturreform sieht in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG vor, dass im Bereich der Sekundarstufe I (Klassenstufen 5 bis 10) allein für Schüler der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien ein angemessener Eigenanteil an den Schülerbeförderungskosten gefordert werden soll, wenn eine vom zuständigen Ministerium festzusetzende Einkommensgrenze überschritten wird. Für die Benachteiligung dieser Schüler - und deren unterhaltspflichtigen Eltern - gegenüber den Schülern der neu eingeführten Realschule plus, deren Beförderungskosten vollständig ohne Eigenbeteiligung übernommen werden, fehlen hinreichende sachliche Gründe.

36

Die historische Entwicklung der Regelung der Schülerbeförderungskosten zeigt zwar einleuchtende Gründe auf für die ursprüngliche Differenzierung zwischen Hauptschülern einerseits und Schülern der Realschulen und Gymnasien andererseits (a). Nach der Schulstrukturreform besteht jedoch für die Schlechterstellung der Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen gegenüber den Schülern der Realschule plus keine tragfähige Grundlage (b). Daher ist die angegriffene Vorschrift mit Art. 17 Abs.1 und 2 LV nicht vereinbar (c).

37

a) Die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Schülerbeförderung war nach der vom Landesgesetzgeber verfolgten Konzeption anfänglich als Ausgleich dafür gedacht, dass die Neuorganisation des Volksschulwesens im Jahre 1964 durch die Zusammenfassung von Schulen und Klassenstufen in großem Umfang zu längeren Schulwegen führte. Daher wurde mit der Änderung des Volksschulgesetzes – VSchG – vom 1. Juli 1964 (GVBl. S. 111) in § 57 Abs. 4 VSchG bestimmt, dass die Kosten für die Beförderung der Schüler, die durch die Zusammenfassung entstehen, das Land trägt.

38

Mit der Überführung der Volksschule in die Grund- und Hauptschule im Jahre 1968 wurde diese Regelung dahin ausgeweitet, dass sich das Land allgemein zur Tragung der angemessenen Kosten der Beförderung von Schülern zur zuständigen Grund- oder Hauptschule verpflichtete, wenn ihnen der Schulweg ohne Benutzung eines Verkehrsmittels nicht zumutbar war (vgl. § 52 des Landesgesetzes über öffentliche Grund-, Haupt- und Sonderschulen - GHS SchG - vom 9. Mai 1968, GVBl. S. 73). Für die Sonderschulen galt dies entsprechend (vgl. § 70 GHS SchG).

39

Das Schulgesetz vom 6. November 1974 (GVBl. S. 487) übernahm diese Regelung der Fahrkostenfreiheit für den Besuch von Grund-, Haupt- und Sonderschulen (vgl. § 56 Abs. 1). Darüber hinaus sah es in § 56 Abs. 3 erstmals die Möglichkeit vor, die Beförderungskosten für andere Schularten nach Maßgabe des Landeshaushaltsplans als freiwillige Leistung des Landes zu übernehmen. Eine Regelung dieses Bereichs als Pflichtleistung - wie bei den Grund-, Haupt- und Sonderschulen – wurde im Hinblick auf die Höhe der Finanzmittel, die damit gesetzlich festgeschrieben worden wären, seinerzeit als nicht vertretbar angesehen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 7/2751, S. 76, zu § 55).

40

Im Jahre 1980 wurde die Schülerbeförderung den Landkreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung übertragen. Hierbei wurde nicht nur die Beförderung von Schülern der Grund-, Haupt- und Sonderschulen, sondern auch der Realschulen und der Klassenstufen 5 bis 10 der Gymnasien zur nächstgelegenen Schule zur Pflichtaufgabe erklärt (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 SchulG in der Fassung des Landesgesetzes zur Neuregelung der Schülerbeförderung und der Kindergartenfahrten vom 2. Juli 1980, GVBl. S. 146). Zugleich wurden die Aufgabenträger ermächtigt, für Schüler der Realschulen und Gymnasien einen Eigenanteil von monatlich bis zu 15 DM, jedoch nur für höchstens zwei Schüler in einer Familie, festzulegen. Für die Schüler der Grund-, Haupt- und Sonderschulen wurden die Fahrkosten hingegen - wie bisher - ohne Eigenbeteiligung übernommen (vgl. § 56 Abs. 4 Satz 1 und 5 SchulG in der Fassung des Gesetzes vom 2. Juli 1980). Als eine Maßnahme des Landesgesetzes zur Verbesserung der Haushaltsfinanzierung vom 18. Dezember 1981 (GVBl. S. 331) wurde die gesetzliche Regelung in § 56 Abs. 4 Satz 5 SchulG dahin geändert, dass nunmehr ein „angemessener Eigenanteil“ - ohne Begrenzung auf 15 DM monatlich - für Schüler der Realschulen und Gymnasien gefordert werden sollte (vgl. zur Entwicklung der Regelung der Schülerbeförderungskosten auch OVG Rheinland-Pfalz, AS 23, 49 [51 ff.]).

41

Diese Differenzierung zwischen Hauptschülern einerseits und Schülern der Realschulen und Gymnasien andererseits erachteten sowohl das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (AS 23, 49 [53 f.]) als auch ihm folgend das Bundesverwaltungsgericht (NVwZ-RR 1991, 197) für verfassungsrechtlich zulässig, insbesondere für vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem daraus folgenden Willkürverbot. Die Regelung knüpfe an den sachlichen Umstand an, dass die aus öffentlichen Mitteln finanzierte Schülerbeförderung als eine Standardeinrichtung für Regelbedürfnisse entstanden sei, die für jedes Kind ohne zusätzliche Anforderungen grundsätzlich durch den Besuch der Hauptschule erfüllt werden könnten, in deren Schulbezirk es wohne. Soweit die Bildungsbedürfnisse eines Schulkindes wegen seiner über das zum Hauptschulabschluss erforderliche Maß hinausreichenden Begabung jene Regelbedürfnisse überstiegen, könne der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gesondert prüfen und abwägen, ob es die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand unter Berücksichtigung ihrer zahlreichen sonstigen Aufgaben rechtfertige, auch die Eltern solcher Kinder ganz oder teilweise von den zur Erfüllung dieser besonderen Bedürfnisse notwendigen Kosten freizustellen. Es sei sachlich vertretbar, dass der Staat unter dem Zwang zu sparen seine finanziellen Leistungen für die Kosten der Schülerbeförderung in erster Linie solchen Schülern zuwende, die mangels der für den Besuch einer „höheren“ Schule erforderlichen Begabung oder wegen der Entscheidung ihrer Erziehungsberechtigten verpflichtet seien, sich bei der Erfüllung ihrer Schulpflicht mit der von ihm vorgehaltenen Standardeinrichtung für Regelbedürfnisse zu begnügen.

42

Hiergegen ist aus landesverfassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Es war auch nach Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs sachlich begründet, dass ursprünglich - zu Zeiten des dreigliedrigen Schulsystems (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) - angesichts der begrenzten finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand die Beförderungskosten von Schülern der Realschulen und Gymnasien nicht im gleichen Umfang übernommen wurden wie die von Schülern der Hauptschulen, weil an diesen im Sinne einer „Grundversorgung“ grundsätzlich jeder schulpflichtige Schüler seine Schulpflicht erfüllen konnte.

43

b) Die Neuregelung der Eigenbeteiligung in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG nach der am 1. August 2009 in Kraft getretenen Schulstrukturreform unterscheidet nunmehr zwischen den Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen einerseits, für die ein angemessener Eigenanteil an den Schülerbeförderungskosten gefordert werden soll, wenn eine vom zuständigen Ministerium festzusetzende Einkommensgrenze überschritten wird, und den Schülern der neu eingeführten Realschule plus, deren Beförderungskosten vollständig ohne Eigenbeteiligung übernommen werden. Für diese Schlechterstellung der Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen gegenüber den Schülern der Realschule plus bestehen keine hinreichenden sachlichen Gründe.

44

aa) Für die unterschiedliche Behandlung der Schüler der Sekundarstufe I (Klassen 5 – 10) der verschiedenen Schularten hat sich der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs von folgenden Überlegungen leiten lassen (vgl. LT-Drs. 15/2514, S. 44):

45

„Die Änderung der Schulstruktur bedingt eine Anpassung der Regelungen zur Schülerbeförderung. Nach Abschluss der Schulstruktur im Jahre 2013 wird es keine Hauptschulen und Regionale Schulen als sogenannte Pflichtschulen mehr geben. Diese Rolle nimmt künftig die Realschule plus ein, die den Bildungsgang zur Erreichung der Berufsreife entweder integrativ oder abschlussbezogen anbietet. Der bildungspolitische Grundsatz, der den bisherigen Bestimmungen zugrunde liegt, dass die Beförderung zu der Schule, die den Mindestabschluss (Berufsreife) verleiht, kostenlos sein soll, bedingt, dass künftig alle Schülerinnen und Schüler der Realschule plus so behandelt werden wie die Schülerinnen und Schüler der bisherigen Regionalen Schulen und der Hauptschulen. (…) Ausgehend von dem bisherigen Grundsatz, dass die Beförderung zur Schule, die den Mindestabschluss (Berufsreife) anbietet, kostenlos sein soll, wird künftig nur noch von Schülerinnen und Schülern der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien ein angemessener Eigenanteil gefordert. Da die Realschule plus künftig quasi die Funktion einer Pflichtschule übernimmt, wird hier kein Eigenanteil gefordert. Damit wird die bisher bestehende Rechtslage für Schülerinnen und Schüler der Hauptschulen und Regionalen Schulen auf alle Schülerinnen und Schüler der Realschule plus übertragen.“

46

Mit der Neuregelung der Eigenbeteiligung verfolgt der Gesetzgeber demnach als „bildungspolitischen Grundsatz“ das Ziel, - wie bisher - eine kostenlose Beförderung zu der Schulart zu gewähren, die den Mindestabschluss (Berufsreife) verleiht. Maßgeblich für die Ungleichbehandlung ist mithin in erster Linie der von der Schulart angebotene Abschluss, nämlich der Mindestabschluss der Berufsreife.

47

Dieses abschlussbezogene Kriterium bildet jedoch keine tragfähige Grundlage für die mit der Neuregelung vorgenommene Differenzierung. Zwar bietet nach der Schulstrukturreform die Realschule plus den Mindestabschluss an, da sie nach § 10 Abs. 3 Satz 1 SchulG - wie die ehemalige Hauptschule – zur Qualifikation der Berufsreife führt. Dies gilt aber ebenso für die Integrierte Gesamtschule, die ebenfalls zur Qualifikation der Berufsreife führt (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 SchulG). Der von der Schulart angebotene Mindestabschluss der Berufsreife vermag daher die unterschiedliche Behandlung der jeweiligen Schüler der Sekundarstufe I bei der Eigenbeteiligung an den Beförderungskosten nicht zu rechtfertigen.

48

Es kommt hinzu, dass die kostenlose Beförderung allen Schülern der Realschule plus gewährt wird, nicht nur den Schülern des Bildungsganges zur Erlangung der Berufsreife. Die Realschule plus führt vielmehr - wie die ehemalige Realschule - auch zum qualifizierten Sekundarabschluss I und umfasst daher auch Schüler des Bildungsganges zur Erlangung dieses Abschlusses (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 SchulG). Sie kann in zwei Schulformen eingerichtet werden: als Integrative Realschule und als Kooperative Realschule (vgl. § 10 a Abs. 1 SchulG). In der Kooperativen Realschule wird ab der Klassenstufe 7 in abschlussbezogene Klassen der Bildungsgänge zur Erlangung der Berufsreife und zur Erlangung des qualifizierten Sekundarabschlusses I differenziert, während in der Integrativen Realschule ab der Klassenstufe 7 Fachleistungsdifferenzierung in Kursen und in klasseninternen Lerngruppen stattfindet; ab Klassenstufe 8 können allerdings auch hier abschlussbezogene Klassen gebildet werden (vgl. § 10 a Abs. 2 und 3 SchulG). Demnach befindet sich ab der Klassenstufe 7 bzw. 8 ein Teil der Schüler der Realschulen plus in abschlussbezogenen Klassen des Bildungsganges zur Erlangung des qualifizierten Sekundarabschlusses I.

49

Die kostenlose Beförderung dieses Teils der Schüler der Realschulen plus kann daher nicht - jedenfalls nicht allein - mit dem von der Schulart auch angebotenen Mindestabschluss der Berufsreife gerechtfertigt werden, weil diesem Teil der Schüler nicht die Qualifikation der Berufsreife, sondern der qualifizierte Sekundarabschluss I in abschlussbezogenen Klassen verliehen wird. Der diesem Teil der Schüler der Realschulen plus verliehene Abschluss rechtfertigt insbesondere nicht deren Besserstellung gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen. Die Integrierte Gesamtschule führt nämlich ebenso wie die Realschule plus auch - neben der Qualifikation der Berufsreife - zum qualifizierten Sekundarabschluss I (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 SchulG). Gleiches gilt für die Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien. Die Sekundarstufe I des Gymnasiums vermittelt ebenfalls den qualifizierten Sekundarabschluss I, wenngleich das Gymnasium anders als die Realschule plus und die Integrierte Gesamtschule nicht die Qualifikation der Berufsreife anbietet, sondern zur allgemeinen Hochschulreife führt (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SchulG).

50

Nach alledem kann die Besserstellung der Schüler der Realschulen plus gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien nicht - allein - damit gerechtfertigt werden, dass die Realschule plus den Mindestabschluss der Berufsreife anbietet.

51

bb) Ausweislich der oben wiedergegebenen Gesetzesbegründung wird für die Schüler der Realschule plus auch deswegen keine Eigenbeteiligung gefordert, weil sie „quasi die Funktion einer Pflichtschule“ übernehme, die bisher die Hauptschulen und Regionalen Schulen gehabt hätten.

52

Mit der Unterscheidung zwischen Pflicht- und Wahlschule lässt sich indes zumindest seit der Schulstrukturreform im Jahre 2009 eine unterschiedliche Behandlung bei den Kosten der Schülerbeförderung nicht mehr begründen. Dies gilt unabhängig davon, ob man mit dem Begriff der Pflichtschule an die Schulpflicht oder an die sogenannte Sprengelpflicht anknüpft.

53

Als Pflichtschulen werden herkömmlich die Schulen bezeichnet, in denen der Schüler die Schulpflicht erfüllt (vgl. Avenarius/Heckel, Schulrechtskunde, 7. Aufl. 2000, Tz. 3.15). So sah § 5 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes vom 22. Dezember 1955 (GVBl. S. 115) vor, dass die allgemeine Schulpflicht grundsätzlich durch den Besuch der Volksschule erfüllt wird. Von der Pflicht zum Besuch der Volksschule war gemäß § 5 Abs. 2 Buchstabe b) des Schulpflichtgesetzes „befreit“, wer eine Schule besuchte, deren Lernziel über das der Volksschule hinausging, also die damaligen Mittelschulen oder höheren Schulen (die späteren Realschulen und Gymnasien). Zu dieser Zeit wurde die Schulpflicht nach der gesetzlichen Regelung daher allein durch den Besuch der Volksschule - als Pflichtschule - erfüllt, während für den Besuch der Mittelschule oder höheren Schule eine Befreiung erfolgte, die demgemäß als Wahlschulen bezeichnet wurden.

54

Allerdings wurde bereits mit Gesetz vom 28. Juli 1966 (GVBl. S. 207) das Schulpflichtgesetz dahin gehend geändert, dass die Schulpflicht durch den Besuch sämtlicher weiterführender Schulen (Hauptschule, Realschule und Gymnasium) erfüllt werden konnte. Dies gilt auch gegenwärtig nach der Schulstrukturreform (vgl. §§ 56, 60 SchulG). Mit Blick auf die Schulpflicht lässt sich damit eine Unterscheidung zwischen Pflicht- und Wahlschulen schon seit dem Jahr 1966 nicht mehr begründen.

55

Als Pflichtschulen werden darüber hinaus solche Schulen bezeichnet, für die eine sogenannte Sprengelpflicht besteht: der Schüler muss die Schule besuchen, in deren Schulbezirk er wohnt (vgl. Avenarius/Heckel, a.a.O., Tz. 3.15 und 4.34). In diesem Sinne waren die Hauptschulen Pflichtschulen, da das Schulgesetz für sie Schulbezirke und eine entsprechende Sprengelpflicht vorsah (teilweise auch für die Regionalen Schulen, vgl. § 62 Abs.1 und 3 Satz 3 SchulG a.F.). Die Realschule plus hat diese Funktion der Hauptschulen jedoch nicht übernommen. Seit der Schulstrukturreform mit Gesetz vom 22. Dezember 2008 gibt es im Bereich der Sekundarstufe I keine Schulbezirke für bestimmte Schularten mehr. Schulbezirke werden nur noch für Grundschulen gebildet (vgl. § 62 Abs. 1 SchulG); daneben besteht lediglich für sämtliche Schularten die Möglichkeit, Einzugsbereiche zu bilden (§ 93 SchulG). Mangels Schulbezirk und daraus folgender Sprengelpflicht kann die Realschule plus auch insofern nicht als Pflichtschule bezeichnet werden.

56

Unerheblich ist der in der mündlichen Verhandlung für die Qualifizierung als Pflichtschule angeführte Umstand, dass die Realschule plus als einzige Schulart die Aufnahme von Schülern aus Kapazitätsgründen nicht verweigern dürfe. Selbst wenn insoweit ein Unterschied zur Integrierten Gesamtschule bestehen sollte, ist nicht erkennbar, weshalb die Möglichkeit der Ablehnung von Schülern wegen Kapazitätsauslastung die Schlechterstellung der von den Integrierten Gesamtschulen aufgenommenen Schülern gegenüber den von den Realschulen plus aufgenommenen Schülern bei den Fahrkosten sachlich rechtfertigen könnte.

57

cc) Es sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, die die Ungleichbehandlung der Schüler der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien gegenüber den Schülern der Realschulen plus sachlich rechtfertigen.

58

Die Realschule plus unterscheidet sich insbesondere von der Integrierten Gesamtschule nicht dadurch, dass allein sie eine „Standardeinrichtung für Regelbedürfnisse“ wie die ehemalige Hauptschule zu Zeiten des dreigliedrigen Schulsystems (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) wäre, an der im Sinne einer „Grundversorgung“ grundsätzlich jeder schulpflichtige Schüler seine Schulpflicht erfüllen kann, wenn er nach Begabung und Leistung oder elterlicher Einschätzung für den Besuch einer Schule, an der eine mit zusätzlichen Anforderungen verbundene Ausbildung mit weiterführendem Abschluss vermittelt wird, nicht geeignet erscheint.

59

(1) Zwar unterscheidet sich die Realschule plus von der Integrierten Gesamtschule und dem Gymnasium hinsichtlich der angebotenen Abschlüsse. Während sie nur die Qualifikation der Berufsreife und den qualifizierten Sekundarabschluss I verleiht (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 SchulG), führt die Integrierte Gesamtschule darüber hinaus zur Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe; sie umfasst auch in der Regel eine gymnasiale Oberstufe, die ebenso wie das Gymnasium zur allgemeinen Hochschulreife führt (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 1 und 2 SchulG). Dies ändert aber nichts daran, dass die Integrierte Gesamtschule ebenso wie die Realschule plus den Mindestabschluss der Berufsreife und den qualifizierten Sekundarabschluss I anbietet. Jeder Schüler, der nach Begabung und Leistung oder elterlicher Einschätzung für den weiterführenden Schulabschluss der allgemeinen Hochschulreife nicht geeignet erscheint, kann daher seine Schulpflicht im Sinne einer „Grundversorgung“ nicht nur an einer Realschule plus, sondern auch an einer Integrierten Gesamtschule erfüllen.

60

Im Übrigen führt die Realschule plus zwar im Gegensatz zur Integrierten Gesamtschule mangels gymnasialer Oberstufe nicht selbst zur allgemeinen Hochschulreife. An ihr kann jedoch ebenfalls die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erworben werden, wenn die Schüler den qualifizierten Sekundarabschluss I und im Abschlusszeugnis der Klassenstufe 10 bestimmte Leistungen erreichen (vgl. § 30 Abs. 1 und 2 der Schulordnung für die öffentlichen Realschulen plus, Integrierten Gesamtschulen, Gymnasien, Kollegs und Abendgymnasien - Übergreifende Schulordnung - vom 12. Juni 2009, GVBl. S. 224).

61

Ein erheblicher Unterschied besteht danach nur zum Gymnasium, das den Mindestabschluss der Berufsreife und damit eine schulische „Grundversorgung“ zur Erfüllung der Schulpflicht nicht anbietet (vgl. § 10 Abs. 4 SchulG), nicht jedoch zur Integrierten Gesamtschule.

62

(2) Etwas anderes lässt sich nicht aus dem von der Landesregierung angeführten Umstand herleiten, dass die Realschule plus die einzige Schulart ist, bei der abschlussbezogene Klassen des Bildungsgangs zur Erlangung der Berufsreife gebildet werden können (vgl. § 10a Abs. 2 und 3 SchulG), während für die Integrierte Gesamtschule ein weitgehend gemeinsamer Unterricht vorgesehen ist (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 3 SchulG).

63

Die darin liegenden Unterschiede haben zum einen keinerlei Einfluss auf den in beiden Schularten zu erreichenden Mindestabschluss (Berufsreife). Zum anderen sind diese Unterschiede nicht so bedeutsam, dass sie die Funktion der Integrierten Gesamtschulen für eine „Grundversorgung“ zur Erfüllung der Schulpflicht in Frage und ihre Schlechterstellung bei der Schülerbeförderung rechtfertigen können. So ist in den Klassenstufen 5 und 6 für beide Schularten eine Orientierungsstufe mit Unterricht im Klassenverband vorgesehen ist (vgl. § 9 Abs. 6 SchulG). Ab Klassenstufe 7 werden abschlussbezogene Klassen in der Realschule plus lediglich in der Schulform der Kooperativen Realschule zwingend gebildet (vgl. § 10a Abs. 3 SchulG), während bei der Integrativen Realschule Fachleistungsdifferenzierung in Kursen oder in klasseninternen Lerngruppen stattfindet; ab Klassenstufe 8 können - fakultativ - abschlussbezogene Klassen gebildet werde (vgl. § 10a Abs. 2 SchulG). Die Klassenbildung der Realschule plus entspricht daher in den Klassenstufen 5 und 6 generell sowie ab Klassenstufe 7 jedenfalls bei einem Teil der Schüler weitgehend dem der Integrierten Gesamtschule, bei der der Unterricht im Klassenverband mit der Möglichkeit der inneren Differenzierung oder in Kursen mit einer Differenzierung nach Leistung oder in klasseninternen Lerngruppen erfolgt (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 4 SchulG).

64

(3) Eine der Realschule plus vergleichbare Funktion der „Grundversorgung“ zur Erfüllung der Schulpflicht lässt sich der Integrierten Gesamtschule auch nicht im Hinblick auf ihre tatsächliche Stellung absprechen. Zwar besteht auf Seiten der Realschule plus ein deutliches Übergewicht bei der genannten Versorgungsfunktion, da nach Angaben der Landesregierung im Schuljahr 2009/10 rund 85 v.H. der Schüler, die den Mindestabschluss der Berufsreife erwerben, diesen an einer - bereits bestehenden oder künftigen - Realschule plus erlangen. Dies belegt aber nur die relative Bedeutung der Realschulen plus bei der schulischen „Grundversorgung“ im Bereich der Sekundarstufe I. Es stellt indes nicht in Frage, dass hierbei auch den Integrierten Gesamtschulen eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zukommt. Hinzu kommt, dass nach den bisherigen Erfahrungen auch an den Realschulen plus der Schwerpunkt nicht in der Vermittlung des Mindestabschlusses der Berufsreife liegt. Vielmehr erwirbt die große Mehrheit der Absolventen der Realschule plus nicht den Mindestabschluss (nur 37 v.H.), sondern den qualifizierten Sekundarabschluss I (63 v.H.).

65

dd) Nach alledem bestehen keine hinreichenden sachlichen Gründe für die Ungleichbehandlung der Schüler der Realschulen plus insbesondere gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen bei der Eigenbeteiligung an den Beförderungskosten in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG. Dies lässt auch die darin zugleich getroffene Regelung über die Eigenbeteiligung der Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien nicht unberührt. Vielmehr fehlt es damit für die Regelung zur Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten insgesamt an einer tragfähigen Grundlage. Der festgestellte Gleichheitsverstoß erlaubt es nicht, allein die Eigenbeteiligung der Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien aufrechtzuerhalten. Das vom Gesetzgeber zur Begründung seiner Eigenbeteiligungsregelung zugrunde gelegte Konzept, eine kostenlose Beförderung zu der Schulart zu gewähren, die den Mindestabschluss (Berufsreife) verleiht, könnte eine alleinige Eigenbeteiligung dieser Schüler der Gymnasien sachlich nicht begründen: Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, diese Schüler gegenüber denen der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen bei der Eigenbeteiligung schlechter zu stellen. Die Integrierte Gesamtschule führt nämlich - wie oben dargelegt - nicht nur zur Qualifikation der Berufsreife und zum qualifizierten Sekundarabschluss I, sondern auch zur Berechtigung zum Übergang in die gymnasiale Oberstufe, die eine Integrierte Gesamtschule in der Regel umfasst, und damit zur allgemeinen Hochschulreife (vgl. nochmals § 10 Abs. 6 Satz 1 und 2 SchulG). Jedenfalls für den Teil der Schüler der Sekundarstufe I der Integrierten Gesamtschulen, die dort anschließend zur allgemeinen Hochschulreife geführt werden, wäre kein sachlicher Grund ersichtlich für eine Besserstellung gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien, die ebenfalls zur allgemeinen Hochschulreife geführt werden. Die dargelegten Gemeinsamkeiten zwischen den Schülern der Realschulen plus und der Integrierten Gesamtschulen einerseits und einem nicht unbeträchtlichen Teil der Schüler der Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien im Bereich der Sekundarstufe I andererseits führen demnach dazu, dass eine schulartbezogene Abgrenzung der Begünstigten bzw. zu einer Eigenbeteiligung Verpflichteten sich als sachwidrig erweist.

66

Darüber hinaus liegt für die Ungleichbehandlung der Schüler der Realschulen plus gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien auch auf der Grundlage eines unmittelbaren Vergleichs kein hinreichender sachlicher Grund vor. Zwar besteht insofern zwischen diesen beiden Schularten ein erheblicher Unterschied, als das Gymnasium - wie dargelegt - den Mindestabschluss der Berufsreife und damit eine schulische „Grundversorgung“ zur Erfüllung der Schulpflicht nicht anbietet. Es vermittelt aber zum einen ebenso wie die Realschule plus den qualifizierten Sekundarabschluss I. Zum anderen können Schüler der Realschule plus mit dem qualifizierten Sekundarabschluss I, der einem Teil der Schüler in abschlussbezogenen Klassen verliehen wird, die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe erwerben, wenn sie im Abschlusszeugnis der Klassenstufe 10 bestimmte Leistungen aufweisen (vgl. nochmals § 30 Abs. 1 und 2 der Übergreifenden Schulordnung). Jedenfalls für diesen Teil der Schüler der Realschule plus ist kein sachlicher Grund für ihre Besserstellung gegenüber den Schülern der Sekundarstufe I der Gymnasien ersichtlich. Die generelle Besserstellung der Schüler der Realschulen plus, d.h. auch desjenigen Teils, der sich nicht mit der schulischen „Grundversorgung“ durch Verleihung des Mindestabschlusses begnügt, erscheint daher sachlich nicht gerechtfertigt.

67

Verstößt demnach die gesetzliche Regelung über die Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten in § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG insgesamt mangels hinreichender sachlicher Rechtfertigung gegen Art. 17 Abs. 1 und 2 LV, so wird der Beschwerdeführer, dessen Kinder ein Gymnasium in der Sekundarstufe I besuchen, in seinen Rechten hieraus verletzt.

68

c) Die Verfassungswidrigkeit des gesetzgeberischen Verstoßes gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot führt dazu, die angegriffene Regelung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG für unvereinbar mit Art. 17 Abs. 1 und 2 LV zu erklären.

69

aa) Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit ist nicht ausnahmslos die Nichtigkeit der Norm, es kommt auch eine bloße Unvereinbarkeitserklärung in Betracht (vgl. VerfGH RP, AS 33, 66 [75]. Diese ist unter anderem dann angezeigt, wenn der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten hat, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 87, 153 [178] m.w.N.).

70

Das ist hier der Fall. Der Gesetzgeber ist nicht darauf beschränkt, den verfassungswidrigen Zustand dadurch zu beseitigen, dass er die angegriffene Eigenbeteiligungsregelung für Schüler der Sekundarstufe I der Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen ersatzlos streicht und damit auch diese Gruppe von Schülern in die Begünstigung einer kostenlosen Schülerbeförderung einbezieht. Er kann vielmehr auch unter Berücksichtigung der begrenzten Mittel der öffentlichen Hand das Fördersystem der Schülerbeförderung vollständig neu ausrichten und beispielsweise generell für alle Schüler der Sekundarstufe I unabhängig von der Schulart - gegebenenfalls unter Berücksichtigung der sozialen Belastbarkeit der Betroffenen - eine Eigenbeteiligung vorsehen.

71

bb) Die Erfordernisse verlässlicher Finanzplanung rechtfertigen es, dass die angegriffene Regelung des § 69 Abs. 4 Satz 4 SchulG weiter angewendet werden kann, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat, längstens bis zum 31. Juli 2012. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. August 2012 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

72

3. Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei (§ 21 Abs. 1 VerfGHG). Der Ausspruch über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 21 a Abs. 1 VerfGHG.

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