Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss, 23. Mai 2014 - VGH A 26/14

ECLI:ECLI:DE:VERFGRP:2014:0523.VGHA26.14.0A
bei uns veröffentlicht am23.05.2014

Gericht


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

A.

1

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betrifft das Landesgesetz über die Eingliederung der Antragstellerin, der Verbandsgemeinde Manderscheid, in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land.

I.

2

Im Zuge der Kommunal- und Verwaltungsreform beschloss der Landtag Rheinland-Pfalz mit Gesetz vom 20. Dezember 2013 (Landesgesetz über die Eingliederung der Verbandsgemeinde Manderscheid in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land, GVBl. S. 545, im Folgenden: ManderscheidEinglG), die Antragstellerin am 1. Juli 2014 in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land einzugliedern (§ 1 ManderscheidEinglG). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes werden der Verbandsgemeinderat und die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister der umgebildeten Verbandsgemeinde Wittlich-Land am Tage der allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2014 neu gewählt. Für die Vorbereitung und Durchführung der Wahlen ist das gemeinsame Gebiet der Antragstellerin und der Verbandsgemeinde Wittlich-Land maßgeblich (§ 3 Abs. 1 Satz 3 ManderscheidEinglG). Die Wahlzeit des neuen Verbandsgemeinderates Wittlich-Land beginnt am 1. Juli 2014. Die Wahlzeiten der bisherigen Verbandsgemeinderäte der Verbandsgemeinde Wittlich-Land und der Antragstellerin sowie die Amtszeiten ihrer jeweils am 30. Juni 2014 amtierenden Bürgermeister enden mit Ablauf des 30. Juni 2014 (§ 3 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ManderscheidEinglG).

3

Die Landesregierung hat gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 Kommunalwahlgesetz – KWG – den Tag der Kommunalwahlen auf den 25. Mai 2014 festgesetzt.

II.

4

Gegen das Landesgesetz über die Eingliederung der Verbandsgemeinde Manderscheid in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gemäß Art. 130 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung für Rheinland-Pfalz – LV – erhoben. Sie macht geltend, durch das Gesetz in ihrem gemäß Art. 49 Abs. 1 bis Abs. 3 LV garantierten Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt zu werden. Ihre Eingliederung in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land werde nicht durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Zudem sei sie im Gesetzgebungsverfahren nur unzureichend angehört worden.

III.

5

Die Antragstellerin beantragt den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie ist der Ansicht, als sachgerecht erweise sich die Anordnung einer allgemeinen Wohlverhaltenspflicht. Sie regt an, die neu gebildete Verbandsgemeinde Wittlich-Land zu verpflichten, „bis zu einer Entscheidung über die kommunale Verfassungsbeschwerde der Antragstellerin keine aufschiebbaren Entscheidungen oder Maßnahmen wie etwa Verfügungen über ihr gehörendes Grundvermögen oder solches ihrer Eigengesellschaften zu treffen, die ihr, der Antragstellerin, im Fall ihres Obsiegens die Wiederherstellung ihrer Selbständigkeit unzumutbar erschweren oder ihr nicht wiedergutzumachende Nachteile zufügen würden, sowie keine verfahrensbeendenden Erklärungen in anhängigen gerichtlichen Verfahren abzugeben, sofern diese nicht im wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin liegen, wobei zur Bestimmung des wohlverstandenen Interesses die vor ihrer Auflösung in den betreffenden Angelegenheiten ergangenen Beschlüsse der Antragstellerin heranzuziehen sind und der derzeitige Verbandsbürgermeister der Antragstellerin zuvor zu befragen ist.“

6

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, es bestehe die hinreichend wahrscheinliche Gefahr, dass die umgebildete Verbandsgemeinde Wittlich-Land Maßnahmen ergreifen werde, die auch im Falle einer späteren Feststellung der Nichtigkeit des Eingliederungsgesetzes nicht mehr oder allenfalls unter erheblichen Schwierigkeiten reversible Folgen für sie, die Antragstellerin, herbeiführten. Dies gelte insbesondere für finanzielle oder personelle Entscheidungen. Mit dauerhaft nachteiligen Veränderungen sei auch im Hinblick auf die bevorstehende Kommunalwahl zu rechnen. § 3 Abs. 1 Satz 3 ManderscheidEinglG stehe im Widerspruch zu § 54 Abs. 2 Satz 1 KWG. Es bestünden außerdem Bedenken an der Vereinbarkeit des § 3 Abs. 1 Satz 3 ManderscheidEinglG mit den verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätzen. So führe das Ungleichgewicht der Einwohnerzahlen zu einer erheblich schlechteren Positionierung der Kandidaten aus ihrem Verbandsgemeindegebiet. Auch eine Aufteilung in Wahlbereiche gemäß § 9 Abs. 2 KWG, die eine ausgewogene Vertretung örtlicher Interessen ermögliche, könne noch nicht vorgenommen werden. Schließlich wäre durch die Eingliederung die die Identität stiftende Zugehörigkeit der örtlichen Gemeinschaft zu ihr, der Antragstellerin, nachteilig betroffen. Die Antragstellerin regt zudem an, einstweilen anzuordnen, dass die beiden Verwaltungssitze unverändert bestehen bleiben, Haushalte und Kasse getrennt voneinander geführt werden, Verbandsumlagen, Steuersätze und verbandsgemeindliche Pläne unverändert bleiben und die Einwohnerdaten der bisherigen Verbandsgemeinden so zusammengeführt werden, dass eine spätere Rückgängigmachung durch Trennung technisch möglich bleibt.

IV.

7

Der Verfassungsgerichtshof hat dem Landtag und der Landesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

8

1. Der Landtag hält den Antrag für unbegründet. Für die Antragstellerin träten mit dem Vollzug des Landesgesetzes keine Nachteile ein, die irreversibel seien oder ein solches Gewicht erreichten, dass sie die Außervollzugsetzung des Gesetzes rechtfertigen könnten. Ein schwerer Nachteil drohe auch nicht mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen. Insbesondere sei die Gefahr eines eventuellen Wiederholens oder Nachholens der Wahlen unvermeidlich. Denn bei der begehrten Außervollzugsetzung des Eingliederungsgesetzes seien zwar die Kommunalwahlen in den bisherigen Strukturen durchzuführen. Die auf dieser Grundlage durchgeführten Wahlen wären allerdings gleichermaßen hinfällig, wenn die Antragstellerin in der Hauptsache unterliegen würde. Auch bestehe kein berechtigtes Interesse an der begehrten Wohlverhaltensanordnung. Dieses setze voraus, dass es sich bei den befürchteten Nachteilen nicht lediglich um die abstrakten Vollzugsfolgen eines Neugliederungsgesetzes oder bloße Mutmaßungen über zukünftige Sachverhalte handele. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass das Vollzugsinteresse des Gesetzgebers auf dem Weg der Wohlverhaltensanordnung konterkariert werde. Im Übrigen könne im Rahmen der Kommunalaufsicht auf einen angemessenen Interessenausgleich hingewirkt werden.

9

2. Die Landesregierung hält den Antrag jedenfalls für unbegründet. Mit dem Inkrafttreten des Eingliederungsgesetzes entstehe weder ein endgültiger und nicht wiedergutzumachender Schaden, noch würden nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten wieder ausräumbare vollendete Tatsachen geschaffen. Bei der gebotenen Folgenabwägung müssten allgemeine Vollzugsfolgen außer Betracht bleiben. Gründe, die den Erlass einer Wohlverhaltensanordnung erfordern würden, seien ebenfalls nicht dargelegt worden. Die nach dem Vortrag der Antragstellerin drohenden Maßnahmen seien nicht von einer Relevanz, die den Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung erforderten. Im Übrigen stelle, anders als die Antragstellerin meine, § 3 ManderscheidEinglG keine Bestimmung über die Rechtsgrundlagen der Kommunalwahl dar, deren Verfassungswidrigkeit den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könne. Zweifel ergäben sich alleine als Folge des primären Angriffs auf eine Maßnahme der kommunalen Neugliederung.

B.

10

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

I.

11

Gemäß § 19a des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof – VerfGHG – kann der Verfassungsgerichtshof im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss der Verfassungsgerichtshof die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antrag in der Hauptsache aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antrag in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. für das Verfassungsbeschwerdeverfahren VerfGH RP, Beschluss vom 22. Februar 2006 - VGH A 5/06 -, AS 33, 118 [119]; Beschluss vom 11. Februar 2008 - VGH A 32/07 u.a. -, AS 35, 439 [440]).

12

Für die Aussetzung des Inkrafttretens eines förmlichen Gesetzes ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 19a VerfGHG ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Die Achtung vor der demokratisch gefundenen Entscheidung des Landtags gebietet es nämlich, eine Rechtsnorm grundsätzlich so lange als rechtsgültig zu beachten, bis in dem dafür vorgesehenen Verfahren ihre Verfassungswidrigkeit mit Gesetzeskraft festgestellt worden ist (§ 26 Abs. 1 und 2 VerfGHG). Die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn sie aus schwerwiegenden Gründen dringend geboten ist (VerfGH RP, Beschluss vom 11. Februar 2008 - VGH A 32/07 u.a. -, AS 35, 439 [440]; Beschluss vom 4. April 2014 - VGH A 15/14, 17/14 -, juris). Die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs darf nicht zu einem Mittel werden, mit dem im Gesetzgebungsverfahren „unterlegene Beteiligte“ das Inkrafttreten des Gesetzes verzögern können (vgl. LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. August 2010 - LVG 32/10 -; ferner BVerfG, Urteil vom 11. Juli 2001 - 1 BvQ 23/01 -, BVerfGE 104, 51 [55 f.]).

II.

13

Dies vorausgeschickt liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.

14

1. Der Normenkontrollantrag der Antragstellerin, der sich bei verständiger Würdigung ihres Begehrens gegen § 1 ManderscheidEinglG richtet, ist bei summarischer Prüfung weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Er wirft gewichtige und schwierige verfassungsrechtliche Fragen im Spannungsfeld der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie einerseits und der Organisationsgewalt des Staates andererseits auf.

15

2. Die gebotene Folgenabwägung führt allerdings weder zu einer einstweiligen Außervollzugsetzung von § 1 ManderscheidEinglG (a), noch zum Erlass der von der Antragstellerin angeregten Wohlverhaltensanordnungen (b).

16

a) Eine Aussetzung von § 1 ManderscheidEinglG ist nicht geboten. Die für die Aussetzung des Vollzugs eines förmlichen Gesetzes erforderlichen gewichtigen Gründe liegen hier nicht vor.

17

aa) Erginge eine derartige Anordnung, erwiese sich aber der Normenkontrollantrag der Antragstellerin später als unbegründet, würde für die Dauer des Hauptsacheverfahrens die Eingliederung der Antragstellerin in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land verzögert. Damit würde der demokratisch legitimierte Gesetzgeber vorübergehend an der Verwirklichung seines Konzepts einer kommunalen Gebietsreform gehindert, die er unter Hinweis auf die Gründe des Wohles der Allgemeinheit für geboten erachtet.

18

bb) Ergeht hingegen die einstweilige Anordnung nicht, stellt sich aber später die Verfassungswidrigkeit von § 1 ManderscheidEinglG heraus, so sind die damit verbundenen Nachteile angesichts der dargelegten strengen Anforderungen an die Vollzugsaussetzung eines förmlichen Gesetzes weniger gewichtig.

19

In diesem Falle wird das Eingliederungsgesetz zunächst wie vom Gesetzgeber vorgesehen vollzogen. Dies hat zwar zur Folge, dass die Antragstellerin die Entscheidungen der zuständigen Gremien der umgebildeten Verbandsgemeinde gegen sich gelten lassen muss. Zudem käme es zu Personal- und Verwaltungsverlagerungen (vgl. §§ 2, 4 Abs. 1 ManderscheidEinglG). Im Falle einer stattgebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs wäre die Antragstellerin allerdings als eigenständige Gebietskörperschaft wiederherzustellen. Dass sie in der Zwischenzeit nicht mehr über einen eigenen Verbandsgemeinderat und Bürgermeister verfügt hätte und an einer eigenverantwortlichen Wahrnehmung der kommunalen Selbstverwaltung gehindert gewesen wäre, ist gemessen daran, dass bei einem Unterliegen der Antragstellerin in der Hauptsache das Gemeindegebietsreformgesetz eine Zeitlang „leergelaufen“ wäre und in dem betreffenden Gebiet keine Kommunalwahlen in den gesetzlich festgelegten Strukturen stattgefunden hätten, ein zwar gewichtiger, aber kein auf Dauer irreversibler Nachteil. Er würde durch einen Erfolg in der Hauptsache weitgehend wiedergutgemacht (vgl. LVerfG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2003 - 7/03 EA -, juris). Insbesondere stehen die von der Antragstellerin befürchteten Kosten, die mit der Eingliederung einhergehen, einer etwaigen Rückgängigmachung der Gebietsänderung nicht entgegen. Entsprechendes gilt für die Verlegung der Verbandsgemeindeverwaltung der Antragstellerin an den Sitz der umgebildeten Verbandsgemeinde Wittlich-Land. Hierbei handelt es sich nicht um eine irreversible Entscheidung. Würde der Verfassungsgerichtshof schon alleine wegen eines möglichen Erfolges des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, d.h. einer möglichen Aufhebung der kommunalen Neugliederung, diese als einen für die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung schweren Nachteil klassifizieren, so würde dem Antrag auf einstweilige Anordnung eine Art Suspensiveffekt zukommen, den § 19a VerfGHG so gerade nicht vorsieht (vgl. auch LVerfG Brandenburg, Urteil vom 30. November 1993 - 3/93 EA -, juris).

20

Schließlich besteht auch kein Anlass dafür daran zu zweifeln, dass im Fall einer Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung und der Rückgängigmachung der Eingliederung die ursprüngliche Verbandsgemeinde, für deren Bestand die Antragstellerin vor Gericht gezogen ist, von der Bevölkerung wieder angenommen werden wird, zumal sich das identitätsstiftende Gefühl der Zugehörigkeit zur örtlichen Gemeinschaft regelmäßig in erster Linie auf die Ortsgemeinde bezieht (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 [78 f.]).

21

cc) Der Verfassungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass die Wahl des Verbandsgemeinderats und des Bürgermeisters der umgebildeten Verbandsgemeinde am 25. Mai 2014, dem Tag der allgemeinen Kommunalwahl, gemessen an den oben dargestellten Grundsätzen, schwere Nachteile mit sich bringt.

22

Zwar stellt es in der Regel einen schweren Nachteil für das Gemeinwohl dar, wenn Wahlen in einer Situation der Rechtsunsicherheit durchgeführt werden müssten, weil ihre Rechtsgrundlagen umstritten und ihr Ergebnis möglicherweise alsbald gegenstandslos würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Oktober 1960 - 2 BvR 536/60 -, BVerfGE 11, 306 [309]; VerfGH RP, Beschluss vom 4. April 2014 - VGH A 15/14, 17/14 -, juris). Dies gilt aber grundsätzlich nur dann, wenn die Rechtsgrundlage der Wahl als solche, d.h. das Wahlgesetz in seiner Verfassungsmäßigkeit, in Frage gestellt wird. Hiervon zu trennen ist der Fall, in dem lediglich um die Abgrenzung der kommunalen Gebietskörperschaften gestritten, im Übrigen jedoch aufgrund eines unstrittigen Kommunalwahlgesetzes gewählt wird (BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 [80]; BayVerfGH, Entscheidung vom 28. Februar 1978 - Vf. 6-VII-78 -, juris).

23

Soweit die Antragstellerin geltend macht, § 3 ManderscheidEinglG führe aufgrund des Ungleichgewichts der Einwohnerzahlen zu einer schlechteren Positionierung der Kandidatinnen und Kandidaten aus der Verbandsgemeinde Manderscheid und damit zu einer Verletzung von Wahlrechtsgrundsätzen, macht sie jedenfalls keine Betroffenheit in eigenen Rechten geltend, sondern eine Verletzung der Rechte der Wahlberechtigten. Hierzu ist sie nicht befugt (vgl. hierzu auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 31. August 2011 - LVG 43/10 -; ferner BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Dezember 2011 - 2 BvR 1470/11 -, juris). Ob ungeachtet dessen bei der hier vorzunehmenden Abwägung nicht nur die Folgen der mit der Eingliederung in engem Zusammenhang stehenden Wahl für die Antragstellerin, sondern darüber hinaus für die Allgemeinheit zu berücksichtigen sind (vgl. zur Berücksichtigung der Folgen für alle von der Norm Betroffenen BVerfG, Beschluss vom 15. März 1961 - 2 BvQ 3/60 -, BVerfGE 12, 276 [280]), bedarf ebenso wenig der Entscheidung, wie die Frage, ob hier Rechtsgrundlagen der Wahl im oben genannten Sinne in Zweifel gezogen werden. Selbst wenn beides der Fall sein sollte, ist hier eine vorläufige Aussetzung eines Vollzugs von § 1 ManderscheidEinglG, die in der Folge auch zu einer Suspendierung des - dann seiner Grundlage beraubten - § 3 Abs. 1 ManderscheidEinglG führen würde (vgl. hierzu auch ThürVerfGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 24/96 u.a. -, juris), nicht geboten.

24

Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Grundsätzlich besteht im Falle einer kommunalen Neugliederung die Gefahr einer Wahlwiederholung ohnehin. Wenn die einstweilige Anordnung ergeht, der Hauptsache aber der Erfolg versagt bleibt, als auch dann, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, das angegriffene Gesetz aber für verfassungswidrig erklärt wird, müssen auf der Grundlage des endgültig bestätigten Zuschnitts der Gebietskörperschaften die Wahlen wiederholt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 [81]; LVerfG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2003 - 7/03 EA -, juris; Beschluss vom 16. Oktober 2003 - 215/03 EA -, LKV 2004, 124 [125]). Dementsprechend treten in beiden Fällen die mit einer Wiederholung der Wahl verbundenen Folgen, wie etwa finanzielle Mehrbelastungen oder die Rückgängigmachung von Ämtern und Mandaten, ein. In einer derartigen Situation fordert das gemeine Wohl den Erlass einer einstweiligen Anordnung somit nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 [81] m.w.N.).

25

Vorliegend ist zudem Folgendes zu berücksichtigen: Würde es zu einer vorläufigen Vollzugsaussetzung von § 1 und damit in der Folge von § 3 ManderscheidEinglG kommen, so wären die für den 25. Mai 2014 anberaumten Kommunalwahlen an sich in den bisherigen Strukturen, d.h. auf der Grundlage der jetzigen Verbandsgemeindegrenzen durchzuführen (vgl. § 9 KWG; ferner LVerfG Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2003 - 7/03 EA -, juris). Hierfür sind allerdings keinerlei Vorkehrungen getroffen worden und können auch nicht mehr getroffen werden. Eine Aussetzung von § 1 und somit von § 3 ManderscheidEinglG hätte daher zur Folge, dass die Wahl faktisch nicht durchgeführt werden könnte. Damit würde jedoch ein Rechtszustand geschaffen, der schlechterdings nicht hinnehmbar wäre (vgl. auch VerfGH RP, Beschluss vom 4. April 2014 – VGH A 15/14, 17/14 -, juris).

26

dd) Auch eine von der Antragstellerin nicht explizit beantragte Verschiebung des Wahltermins - und damit notwendigerweise verbunden eine Vollzugsaussetzung von § 1 ManderscheidEinglG - bis zur Entscheidung über die Hauptsache kommt nach der hier vorzunehmenden Folgenabwägung nicht in Betracht.

27

In diesem Fall wäre zwar eine Wiederholung der Wahlen nicht notwendig. Allerdings haben die Vorbereitungen der Wahlen bereits jetzt ein Stadium erreicht und einen finanziellen Aufwand erfordert, der selbst durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht mehr gemindert oder rückgängig gemacht werden könnte (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1960 - 2 BvQ 1/60 -, BVerfGE 11, 102 [104 f.]; BayVerfGH, Entscheidung vom 28. Februar 1978 - Vf. 6-VII-78 -, juris). Auch das Argument, wonach eine Wiederholung der Wahl nicht die gleiche Legitimität erreichen kann wie die ursprüngliche Wahl, da sie zu einem späteren Zeitpunkt und in Kenntnis der ersten Wahlergebnisse stattfindet, verfängt hier nicht. Denn es fände vorliegend gerade keine Wiederholung der gleichen Wahl, sondern eine erstmalige Wahl in den umgebildeten kommunalen Strukturen statt.

28

In Rechnung zu stellen ist außerdem, dass eine Verschiebung des Wahltermins der gesetzlichen Vorgabe in § 71 Abs. 1 Satz 1 KWG zuwiderlaufen würde, nach der die Wahlen in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni jedes fünften auf das Jahr 1974 folgenden Jahres stattfinden. Die amtierenden Gemeinderäte sind zudem gemäß § 29 Abs. 1 Gemeindeordnung nur auf die Dauer von fünf Jahren gewählt. In der Verschiebung des Wahltermins und Verlängerung der Wahlzeit und Mandatszeit im Wege der einstweiligen Anordnung läge daher ein Eingriff in demokratische Rechte von erheblicher Tragweite (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 4. April 2014 - VGH A 15/14, 17/14 -, juris; vgl. hierzu auch BayVerfGH, Entscheidung vom 28. Februar 1978 - Vf. 6 VII-78 -, juris). Würde die Wahl verschoben und die Eingliederung der Antragstellerin in die Verbandsgemeinde Wittlich-Land zunächst nicht vollzogen, später aber die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestätigt, müssten zudem innerhalb kürzester Zeit Wahlen anberaumt werden, um die neugebildete Verbandsgemeinde mit demokratisch legitimierten Organen auszustatten und ihr somit Handlungsfähigkeit zu verleihen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 [77]). Diese Situation würde sich allerdings sowohl für die Antragstellerin als auch für sämtliche Bewerber, Parteien und Wählergruppen weitaus nachteiliger auswirken als die hier angegriffene gesetzliche Regelung, die für die Wahlvorbereitung zumindest vier Monate gewährt.

29

Auch die Einschätzung der Antragstellerin, § 3 Abs. 1 ManderscheidEinglG sei gesetzes- und verfassungswidrig, vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. § 3 Abs. 1 ManderscheidEinglG geht der Regelung des § 54 Abs. 2 Satz 1 KWG nach den Grundsätzen „spezielleres Recht bricht allgemeines Recht und „späteres Recht bricht früheres Recht“ ersichtlich vor. Aber auch soweit die Antragstellerin eine Verletzung von Wahlrechtsgrundsätzen in Folge der Benachteiligung der Kandidatinnen und Kandidaten der Verbandsgemeinde Manderscheid rügt, kann keine Rede davon sein, dass die Rechtsunsicherheit insoweit einen beachtlichen Grad erreicht habe (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Entscheidung vom 5. Oktober 1960 - 2 BvR 536/60 -, BVerfGE 11, 306 [309]). Die Durchführung der Kommunalwahlen schafft im Übrigen keine vollendeten Tatsachen, die in ihrem politischen und rechtlichen Gewicht nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1960 - 2 BvQ 1/60 -, BVerfGE 11, 102 [105]). Zudem beschränken sich mögliche nachträgliche Auswirkungen auf das Gebiet der betroffenen Verbandsgemeinden. Insofern unterscheidet sich die hier vorliegende Konstellation von den Fällen, in denen die Verfassungsmäßigkeit des Wahlgesetzes selbst und damit die Gültigkeit der Kommunalwahlen insgesamt aus gewichtigen Gründen in Zweifel gezogen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 1964 - 2 BvR 230/64 -, BVerfGE 18, 151 [155]).

30

Vor diesem Hintergrund müssen gewisse Erschwernisse, die sich bei einem Erfolg der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren aufgrund der Ernennung des gewählten Verbandsbürgermeisters und der Wahl der Verbandsgemeinderäte ergäben, mit Rücksicht auf die strengen Voraussetzungen, unter denen der Erlass einer einstweiligen Anordnung ergehen kann, hingenommen werden (vgl. auch ThürVerfGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 24/96 u.a. -, juris).

31

b) Ebenfalls nicht geboten ist der Erlass einer von der Antragstellerin angeregten, unterhalb der Schwelle der generellen Vollzugsaussetzung liegenden allgemeinen Wohlverhaltensanordnung.

32

Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass derartige Anordnungen in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum Teil Anerkennung gefunden haben (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 1994 - 2 BvR 2760/93 u.a. -, BVerfGE 91, 70 [81 f.]; LVerfG Brandenburg, Beschluss vom 1. Juni 2003 - 7/03 EA -, juris; ThürVerfGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - 24/96 u.a. -, juris). Er erachtet jedoch allein die abstrakte Gefahr solcher Maßnahmen und hypothetische Annahmen über zukünftige Sachverhalte für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, auch in Form einer Wohlverhaltensanordnung, nicht als ausreichend (in diese Richtung wohl auch LVerfG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. August 2010 - LVG 34/10 -; Beschluss vom 20. Januar 2011 - LVG 80/10 -). Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass eine solche Anordnung als eine Aussetzung des Gesetzesvollzuges, wenn auch nur in Teilen, zu werten ist. Hinzu kommt, dass Anordnungen ohne jede Dringlichkeit dem System vorläufigen Rechtsschutzes fremd sind.

33

Dies zugrunde gelegt ist hier weder vorgetragen, noch bestehen bereits zum jetzigen Zeitpunkt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die umgebildete Verbandsgemeinde vor Abschluss des Hauptsachverfahrens ungeachtet der noch nicht abschließend geklärten kommunalen Strukturen aufschiebbare Maßnahmen treffen wird, die der Antragstellerin im Falle ihres Obsiegens die Wiederherstellung ihrer Selbstständigkeit unzumutbar erschweren oder ihr nicht wiedergutzumachende Nachteile einbringen würden.

34

Dies gilt etwa für die Annahme, dass es vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu Verfügungen über Grundvermögen bzw. Eigengesellschaften oder verfahrensbeendenden Erklärungen in anhängigen gerichtlichen Verfahren kommen könnte. In Bezug auf letzteres hat die Antragstellerin schon nicht dargelegt, dass sie Beteiligte in einem anhängigen gerichtlichen Verfahren ist. Der Verfassungsgerichtshof sieht nicht die Gefahr, dass es zu einer Antragsrücknahme im vorliegenden Verfahren durch die neu gewählten Organe der umgebildeten Verbandsgemeinde kommen könnte, zumal eine Antragsrücknahme im Normenkontrollverfahren nach Art. 130 LV grundsätzlich ohne Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts ist (vgl. VerfGH RP, Beschluss vom 28. September 1953 - VGH 3/53 -, AS 2, 245 [253 f.]). Auch bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren über den gesetzlich angeordneten Personalübergang nach § 4 ManderscheidEinglG hinaus zu grundsätzlich irreversiblen beamtenrechtlichen Ernennungen und Beförderungen kommen könnte.

35

Abgesehen davon geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass aufschiebbare Maßnahmen, die zu nicht mehr rückgängig zu machenden schwerwiegenden Folgen für die Antragstellerin im Falle ihres Obsiegens führen würden, mit Rücksicht auf das Normenkontrollverfahren und seinen offenen Ausgang unterbleiben. Ergeben sich gleichwohl zukünftig konkrete Anhaltspunkte dafür, dass derartige Maßnahmen drohen, hat die Antragstellerin die Möglichkeit, erneut beim Verfassungsgerichtshof um Rechtsschutz nachzusuchen.

36

Für den Erlass einer präzisierten Wohlverhaltensanordnung, wie sie die Antragstellerin anregt, sieht der Verfassungsgerichtshof ebenfalls keinen Bedarf. Die Verlegung des Verwaltungssitzes der Antragstellerin kann, wie bereits dargelegt, rückgängig gemacht werden. Entsprechendes gilt für die Änderung von Verbandsumlagen und Steuersätzen. Auch eine einstweilige Anordnung mit dem Inhalt, Haushalte und Kassen der beiden Verbandsgemeinden getrennt voneinander zu führen, ist derzeit nicht erforderlich. Diesem Anliegen wird jedenfalls bis zum 31. Dezember 2014 schon dadurch Rechnung getragen, dass bis zu diesem Zeitpunkt nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 ManderscheidEinglG die Haushaltssatzungen mit den Haushaltsplänen sowie die Kassen der bisherigen Verbandsgemeinden fortgeführt werden sowie Aufwendungen und Erträge, Einzahlungen und Auszahlungen aufgeteilt gebucht werden (§ 8 Satz 1 ManderscheidEinglG). Im Übrigen wäre die Dauer einer einstweiligen Anordnung gemäß § 19a Abs. 5 Satz 1 VerfGHG ohnehin auf drei Monate begrenzt. Die Antragstellerin hat schließlich nicht dargelegt, weshalb zu befürchten ist, dass bei einem Vollzug des Eingliederungsgesetzes eine Trennung ihrer Einwohnerdaten und der Verbandsgemeinde Wittlich-Land später technisch nicht mehr möglich sein soll.

C.

37

Das Verfahren ist gemäß § 21 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Von dem Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine eigenen Auslagen selbst trägt, gemäß § 21a Abs. 3 VerfGHG abzuweichen, besteht kein Anlass.

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Gesetz über das Kreditwesen


Kreditwesengesetz - KWG

Kreditwesengesetz - KredWG | § 9 Verschwiegenheitspflicht


(1) Die bei der Bundesanstalt beschäftigten und die nach § 4 Absatz 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen, die nach § 45c bestellten Sonderbeauftragten, die nach § 37 Absatz 1 Satz 2 und § 38 Absatz 2 Satz 2 und 3 bestell

Kreditwesengesetz - KredWG | § 54 Verbotene Geschäfte, Handeln ohne Erlaubnis


(1) Wer1.Geschäfte betreibt, die nach § 3, auch in Verbindung mit § 53b Abs. 3 Satz 1 oder 2, verboten sind, oder2.ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt,wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf

Referenzen

(1) Wer

1.
Geschäfte betreibt, die nach § 3, auch in Verbindung mit § 53b Abs. 3 Satz 1 oder 2, verboten sind, oder
2.
ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer ohne Zulassung nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1) eine Clearingdienstleistung erbringt.

(1b) Ebenso wird bestraft, wer ohne die erforderliche Zulassung nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 eine Zentralverwahrertätigkeit ausübt.

(1c) Ebenso wird bestraft, wer ohne Zulassung nach Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937 (ABl. L 347 vom 20.10.2020, S. 1) eine Schwarmfinanzierungsdienstleistung erbringt.

(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Die bei der Bundesanstalt beschäftigten und die nach § 4 Absatz 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen, die nach § 45c bestellten Sonderbeauftragten, die nach § 37 Absatz 1 Satz 2 und § 38 Absatz 2 Satz 2 und 3 bestellten Abwickler, die gerichtlich bestellten Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 sowie die im Dienst der Deutschen Bundesbank stehenden Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts, der zuständigen Behörden oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für die in Satz 1 genannten Personen, sofern ihnen Tatsachen im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung anvertraut werden. Die von den beaufsichtigten Instituten und Unternehmen zu beachtenden allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an

1.
Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte,
2.
kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Instituten, Wertpapierinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, extern verwalteten Investmentgesellschaften, EU-Verwaltungsgesellschaften oder ausländischen AIF-Verwaltungsgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte oder des Zahlungsverkehrs betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen,
3.
mit der Liquidation, oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Instituts befaßte Stellen,
4.
mit der gesetzlichen Prüfung der Rechnungslegung von Instituten oder Finanzunternehmen betraute Personen sowie Stellen, welche die vorgenannten Personen beaufsichtigen,
5.
eine Einlagensicherungseinrichtung oder Anlegerentschädigungseinrichtung,
6.
Wertpapier- oder Terminbörsen,
7.
Zentralnotenbanken,
8.
Betreiber von Systemen nach § 1 Abs. 16,
9.
die zuständigen Stellen in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums sowie in Drittstaaten, mit denen die Bundesanstalt im Rahmen von Aufsichtskollegien nach § 8e zusammenarbeitet,
10.
die Europäische Zentralbank, das Europäische System der Zentralbanken, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission,
11.
Behörden, die für die Aufsicht über Zahlungs- und Abwicklungssysteme zuständig sind,
12.
Parlamentarische Untersuchungsausschüsse nach § 1 des Untersuchungsausschussgesetzes auf Grund einer Entscheidung über ein Ersuchen nach § 18 Absatz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
13.
das Bundesverfassungsgericht,
14.
den Bundesrechnungshof, sofern sich sein Untersuchungsauftrag auf die Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten der Bundesanstalt nach diesem Gesetz oder der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bezieht,
15.
Verwaltungsgerichte in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Bundesanstalt Beklagte ist, mit Ausnahme von Klagen nach dem Informationsfreiheitsgesetz,
16.
die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für die Zwecke quantitativer Folgenabschätzungen sowie an den Rat für Finanzstabilität für die Zwecke seiner Überwachungsaufgaben,
17.
den Internationalen Währungsfonds oder die Weltbank für die Zwecke der Bewertungen im Rahmen des Programms zur Bewertung des Finanzsektors,
18.
den Ausschuss für Finanzstabilität oder den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken,
19.
die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, das Gremium zum Finanzmarktstabilisierungsfonds im Sinne des § 10a Absatz 1 des Stabilisierungsfondsgesetzes oder den Lenkungsausschuss im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des Stabilisierungsfondsgesetzes,
20.
Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 und 18 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014,
21.
Behörden, die für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 1 und 2 der Richtlinie aufgeführten Verpflichteten zuständig sind, und zentrale Meldestellen oder andere Behörden, die kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Bekämpfung, Aufklärung und Verhinderung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung betraut sind,
22.
zuständige Behörden oder Stellen, die für die Anwendung der Regelungen zur strukturellen Trennung innerhalb einer Bankengruppe verantwortlich sind,
23.
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik,
24.
zuständige Behörden im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe r der Verordnung (EU) 2020/1503 oder
25.
natürliche oder juristische Personen, die als Sonderbeauftragte nach § 45c, als Abwickler nach § 37 Absatz 1 Satz 2 oder § 38 Absatz 2 Satz 2 oder 3 oder als Treuhänder nach § 2c Absatz 2 Satz 2 oder in einem vergleichbaren Verhältnis tätig werden; das Gleiche gilt für die Informationsweitergabe an diesen Personenkreis, die im Rahmen der Anbahnung einer Beauftragung oder Bestellung notwendig ist,
soweit diese Stellen oder Personen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben oder zur Prüfung, ob sie eine der in Nummer 25 genannten Aufgaben ausüben können, benötigen. Für die bei den in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 13 bis 19, 21, 23 und 25 genannten Stellen oder Personen beschäftigten Personen und die von diesen Stellen oder Personen beauftragten Personen sowie für die Mitglieder der in Satz 5 Nummer 12 und 19 genannten Ausschüsse gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. Befindet sich eine in Satz 5 Nummer 1 bis 11, 16 bis 18, 21 und 22 genannte Stelle in einem anderen Staat, so dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn die bei dieser Stelle beschäftigten und die von dieser Stelle beauftragten Personen einer dem Satz 1 weitgehend entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Die ausländische Stelle ist darauf hinzuweisen, daß sie Informationen nur zu dem Zweck verarbeiten darf, zu deren Erfüllung sie ihr übermittelt werden. Eine Weitergabe an die in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen darf nur erfolgen, wenn
1.
die Anfrage unter Berücksichtigung der übertragenen spezifischen Aufgaben hinreichend begründet und hinreichend genau in Bezug auf Art, Umfang und Format der angeforderten Informationen und in Bezug auf die Mittel für deren Übermittlung ist,
2.
die angeforderten Informationen
a)
unbedingt erforderlich sind, damit die anfragende Stelle ihre spezifischen Aufgaben wahrnehmen kann, und
b)
nicht über die der anfragenden Stelle übertragenen gesetzlichen Aufgaben hinausgehen und
3.
die Informationen ausschließlich den Personen übermittelt werden, die bei der anfragenden Stelle unmittelbar mit der Wahrnehmung der spezifischen Aufgabe befasst sind, für deren Erfüllung die angeforderten Informationen unbedingt erforderlich sind.
Andere Informationen als aggregierte und anonymisierte Informationen dürfen mit den in Satz 5 Nummer 16 und 17 genannten Stellen nur in den Räumlichkeiten der Aufsichtsbehörde und der Deutschen Bundesbank ausgetauscht werden. Informationen, die aus einem anderen Staat stammen, dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Stellen, die diese Informationen mitgeteilt haben, und nur für solche Zwecke weitergegeben werden, denen diese Stellen zugestimmt haben.

(2) Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 liegt nicht vor, wenn die Ergebnisse von im Einklang mit Artikel 100 der Richtlinie 2013/36/EU oder Artikel 32 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 in der jeweils geltenden Fassung durchgeführten Stresstests veröffentlicht oder der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zur Veröffentlichung EU-weiter Stresstestergebnisse übermittelt werden.

(3) Betrifft die Weitergabe von Tatsachen nach Absatz 1 personenbezogene Daten, sind die allgemeinen datenschutzrechtlichen Vorschriften anzuwenden.

(4) Tritt eine Krisensituation ein, so kann die Bundesanstalt zu Aufsichtszwecken Tatsachen auch an die zuständigen Stellen in anderen Staaten weitergeben.

(5) Die §§ 93, 97 und 105 Absatz 1, § 111 Absatz 5 in Verbindung mit § 105 Absatz 1 sowie § 116 Absatz 1 der Abgabenordnung gelten für die in Absatz 1 bezeichneten Personen nur, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen. Die in Satz 1 genannten Vorschriften sind jedoch nicht anzuwenden, soweit Tatsachen betroffen sind,

1.
die den in Absatz 1 Satz 1 oder Satz 3 bezeichneten Personen durch die zuständige Aufsichtsstelle eines anderen Staates oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind oder
2.
von denen bei der Bundesanstalt beschäftigte Personen dadurch Kenntnis erlangen, dass sie an der Aufsicht über direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigte Institute mitwirken, insbesondere in gemeinsamen Aufsichtsteams nach Artikel 2 Nummer 6 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank, und die nach den Regeln der Europäischen Zentralbank geheim sind.

(1) Wer

1.
Geschäfte betreibt, die nach § 3, auch in Verbindung mit § 53b Abs. 3 Satz 1 oder 2, verboten sind, oder
2.
ohne Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer ohne Zulassung nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1) eine Clearingdienstleistung erbringt.

(1b) Ebenso wird bestraft, wer ohne die erforderliche Zulassung nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 eine Zentralverwahrertätigkeit ausübt.

(1c) Ebenso wird bestraft, wer ohne Zulassung nach Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937 (ABl. L 347 vom 20.10.2020, S. 1) eine Schwarmfinanzierungsdienstleistung erbringt.

(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.