Oberlandesgericht München Hinweisbeschluss, 02. Mai 2017 - 25 U 279/17

02.05.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 13.01.2017, Az. 10 O 3458/16 Ver, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Einwendungen der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass es sich bei dem Vorfall vom 07.11.2015 um einen Unfall im Sinne von Ziffer A.2.3.2 der zugrundeliegenden Bedingungen (AKB) handelte und die Beklagte daher eintrittspflichtig ist.

1. Die Beklagte rügt zunächst ohne Erfolg die gemäß § 529 Abs. 1 ZPO nur eingeschränkt überprüfbare Beweiswürdigung des Landgerichts. Ein Verstoß gegen § 286 ZPO liegt nicht vor. Zu den Erkenntnisquellen der sog. freien Beweiswürdigung gehören auch der Sachvortrag und das Prozessverhalten der Parteien. Nach § 286 ZPO bezieht sich die Beweiswürdigung auf den gesamten Inhalt der Verhandlung. Verwertbar ist daher der Inhalt der Schriftsätze und ihrer Anlagen, erst recht die Äußerung einer Partei bei ihrer Anhörung gemäß § 141 ZPO (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 286 Rn. 14). Die vom Landgericht als glaubhaft und nachvollziehbar erachteten Angaben des Klägers zum Hergang des Vorfalls in der mündlichen Verhandlung entsprachen ersichtlich dessen schon vorgerichtlicher Einlassung und den (beidseits) zu den Akten gereichten Lichtbildern. Die Beklagte hat die Angaben auch nicht substantiiert, sondern lediglich mit Nichtwissen bestritten (vgl. Greger, aaO, § 141 Rn. 1a), konkrete Anhaltspunkte, dass die Darstellung des Klägers unzutreffend gewesen sein sollte, sind auch sonst nicht ersichtlich.

2. Der Unfallbegriff der Ziffer A.2.3.2 AKB ist grundsätzlich erfüllt, es liegt nach den konkreten Umständen des Einzelfalls kein Schaden „aufgrund eines Betriebsvorgangs“ im Sinne dieser Klausel vor.

Nicht versicherte Schäden aufgrund eines Betriebsvorgangs (bzw. nach früheren Fassungen der Klausel „Betriebsschäden“) sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs solche, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen, ferner Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kraftfahrzeugs gehören (BGH, Urteil vom 19.12.2012, VersR 2013, 354, Rn. 12). Ob ein Ereignis, das im Übrigen die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist, hängt entscheidend von der Verwendung des Fahrzeugs ab. Wird ein Fahrzeug nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb bestimmten Risiken ausgesetzt, so handelt es sich bei den daraus entstehenden Fahrzeugschäden im Zweifel um Betriebsschäden. So sind beispielsweise auf Baustellen eingesetzte Fahrzeuge wegen der dort üblichen Unebenheiten besonderen Belastungen ausgesetzt, was zur Folge hat, dass hierdurch hervorgerufene Fahrzeugschäden in das Betriebsrisiko eingeschlossen sind (BGH VersR 1969, 32, 33, Rn. 7 bei juris). Die Klausel ist nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers dahingehend auszulegen, dass der Versicherungsschutz in solchen Fällen ausgeschlossen ist, in denen sich Gefahren verwirklicht haben, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, so dass es sich um eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos handelt, das in Kauf genommen wird und deshalb vorausschauend in die Betriebskostenkalkulation aufgenommen wird (Stadler in Stiefel/ Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB A.2.3 Rn. 35). Bei Schäden aufgrund des Straßenzustandes, z.B. durch Schlaglöcher, wird von Rechtsprechung und Literatur für die Abgrenzung maßgeblich darauf abgestellt, ob die Unebenheit nach dem allgemeinen Zustand der befahrenen Straße erwartet werden konnte oder ob dies ungewöhnlich und unerwartet war (Stadler aaO Rn. 39 m.w.N.). Ähnlich hat der BGH in dem zitierten Urteil vom 19.12.2012 Spurrillen in der Fahrbahn, durch die ein Wohnanhänger ins Schleudern geriet, als äußere, mechanische Einwirkung auf das Fahrzeug gewertet und den Fokus darauf gelegt, dass es sich um „unerwartet starke Spurrillen“ handelte (BGH aaO Rn. 14).

Ausgehend davon kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Bodenwellen bzw. Fahrbahnschwellen ähnlich wie die streitgegenständliche in Ortschaften Italiens grundsätzlich üblich sein mögen. Spurrillen auf deutschen Autobahnen oder auch Schlaglöcher in Fahrbahnen kommen schließlich ebenfalls häufig und üblicherweise vor. Entscheidend ist, ob der Fahrer in der konkreten Situation angesichts der Straßenbeschaffenheit und sonstiger Umstände - wie beispielsweise Warnschildern - mit einer solchen Bodenwelle gerechnet hat oder - auch das dürfte ausreichen - zumindest hätte rechnen müssen. Davon kann nach den beanstandungsfreien Feststellungen des Landgerichts vorliegend nicht ausgegangen werden. Insbesondere hält es auch der Senat angesichts der als Anlage zu Protokoll genommenen Lichtbilder für unschwer nachvollziehbar, dass der Kläger angesichts der Straßenführung, der Randbebauung bzw. des Randbewuchses, einer fehlenden Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. fehlender Warnschilder, der stark verblassten Markierung der Schwelle und zusätzlich eines entgegenkommenden, leicht mittig orientierten Fahrzeugs vom Vorhandensein einer derartigen Bodenwelle an dieser Stelle überrascht worden ist. Damit ist von einem Unfall, nicht von einem Schaden aufgrund eines Betriebsvorgangs auszugehen.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht München Hinweisbeschluss, 02. Mai 2017 - 25 U 279/17 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:1.die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 141 Anordnung des persönlichen Erscheinens


(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins

Referenzen

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.