Oberlandesgericht München Beschluss, 25. Nov. 2014 - 31 Wx 373/14

25.11.2014

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

I.

Der Beschluss der Amtsgerichts Memmingen vom 22.07.2014 wird aufgehoben.

II.

Auf Antrag des Standesamtes ... und des Landratsamtes ... wird angeordnet, den Geburtseintrag G ... des Standesamtes ... wie folgt zu berichtigen:

Der Familienname des Kindes und des Vaters lautet richtig: H., der Familienname der Mutter lautet richtig: H., geborene F.

Gründe

I.

Das Standesamt und die Aufsichtsbehörde haben beantragt, die Berichtigung des Geburtseintrags betreffend die Geburt des Beteiligten zu 1 anzuordnen. Sie sind der Auffassung, der Familienname des Kindes und der Eltern (Beteiligte zu 2 und 3) sei unrichtig eingetragen. Er habe nicht - wie eingetragen - „Freiherr von H.“ bzw. „Freifrau von H.“ gelautet, sondern „H.“. Die Eltern und das Kind seien österreichische Staatsangehörige gewesen. Der Name richte sich deshalb nach österreichischem Recht, nach dem Adelsbezeichnungen nicht zulässig seien. Der Beteiligte zu 1 habe erst durch seine Einbürgerung im November 2013 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Das ändere nichts an der Namensführung. Ein Vertrauenstatbestand sei nicht entstanden, denn in den von der Republik Österreich ausgestellten amtlichen Dokumenten laute der Familienname „H.“

Der Beteiligte zu 1 hat sich gegen die Berichtigung gewandt. Er und seine Ehefrau seien deutsche Staatsbürger. Es bestehe deshalb die Möglichkeit, einen Adelstitel als Bestandteil des Nachnamens zu führen. Anders als zur Zeit seiner Geburt spiele das österreichische Recht keine Rolle mehr. Die langjährige Führung des Familiennamens „von H.“ habe zur Folge, dass er keinerlei Unterlagen besitze, in denen nur der Name „H.“ stehe. Eine Änderung habe erhebliche Nachteile für die berufliche und private Reputation. Bereits das rechtfertige eine Namensänderung in „Freiherr von H.“

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, die Unrichtigkeit des Geburtseintrags stehe nicht fest. Es fehle an einem Nachweis dafür, dass die Eltern oder Großeltern der Beteiligten bei Inkrafttreten des Gesetzes über die Aufhebung des Adels vom 3.4.1919 österreichische Staatsangehörige gewesen seien, ein österreichisches Adelsprädikat geführt und sich im Geltungsbereich des österreichischen Gesetzes aufgehalten hätten. Dass die Beteiligten zu 2 und 3 von 1960 bis 1979 als österreichische Staatsangehörige in Österreich gelebt hätten und dort der Familienname „H.“ beurkundet worden sei, genüge für den Verlust des Adelstitels nicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Standesamtsaufsicht. Wo sich die Vorfahren bei Inkrafttreten des Gesetzes über die Aufhebung des Adels aufhalten hätten, sei nicht maßgeblich. Nachweislich der Heiratsurkunde vom 23.4.1979 der Landeshauptstadt Innsbruck habe der Beteiligte zu 2 zu diesem Zeitpunkt den Familiennamen „H.“ geführt, der kraft Gesetzes gemeinsamer Ehename geworden sei. Der Beteiligte zu 1 habe mit der Geburt diesen Namen erworben. Er habe nicht darauf vertrauen können, dass die Eintragung im Geburtenbuch richtig sei. Sein am 10.6.2008 in Bregenz ausgestellter Reisepass und sein Personalausweis wiesen den Namen „H.“ aus, desgleichen die Geburtseinträge seiner drei Geschwister (geboren 1980 in Österreich, 1983 bzw. 1986 in Deutschland). Durch den Statutenwechsel zum deutschen Recht sei der Name nicht geändert worden.

Der Beteiligte zu 1 ist der Beschwerde entgegengetreten und hat u. a. darauf hingewiesen, dass der

Name „Freiherr von H.“ auch laut der Geburtsurkunde seines Vaters ein deutscher Familienname sei. Die Änderung des Geburtseintrags stelle einen schweren Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte dar.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Geburtseintrag ist § 48 Abs. 1 PStG zu berichtigen, weil er hinsichtlich des Familiennamens der Eltern und des Kindes nach Überzeugung des Senats von Anfang an unrichtig war. Nach dem maßgeblichen österreichischen Recht lautet der Familienname der der Beteiligten zu 1, 2 und 3 richtig „H.“.

1. Nach welchem Recht sich die Namensführung richtet, ist hier nach dem bis zum 1.9.1986 geltenden deutschen Internationalen Privatrecht zu beurteilen (Art. 220 Abs. 1 EGBGB). Danach unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört (ebenso Art.10 EGBGB). Die Beteiligten zu 2 und 3 waren 1981 österreichische Staatsangehörige. Der Beteiligte zu 1 hat mit der Geburt die österreichische Staatsangehörigkeit erworben, weil sein Vater in diesem Zeitpunkt österreichischer Staatsbürger war (§ 7 Abs. 1 des Bundesgesetz über die österreichische Staatsangehörigkeit vom 15.7.1965). Das österreichische Internationale Privatrecht enthält keine Rück- oder Weiterverweisung; es stellt ebenfalls auf die Staatsangehörigkeit ab (Art. 13 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 15.6.1978). Für die Frage, wie der Familienname der Eltern und des Kindes lautet, ist deshalb das österreichische Recht maßgeblich.

2. Bereits aus den Eintragungen im Ehebuch des Standesamtes Innsbruck über die Eheschließung der Beteiligten zu 2 und 3 am 23.4.1979 ergibt sich, dass der Familienname des Beteiligten zu 2 „H.“ lautet und die Ehegatten diesen Namen nach § 93 Abs. 1 ABGB als Familiennamen führen. Dieser Name ist damit auch der Familienname des Beteiligten zu 1, denn nach § 139 Satz 1 ABGB in der damals geltenden Fassung erhielt das eheliche Kind den gemeinsamen Familiennamen der Eltern.

Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Angaben im Ehebuch des Standesamtes Innsbruck unzutreffend sind. Vielmehr entsprechen sie den österreichischen Vorschriften über die Abschaffung der Adelsprädikate: Nach dem Gesetz vom 3. April 1919 sind der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge sowie bloß zur Auszeichnung verliehene Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger aufgehoben (§ 1) und die Führung dieser Adelsbezeichnungen, Titel und Würden untersagt (§ 2). In der nach § 4 dieses Gesetzes ergangenen Vollzugsanweisung vom 18.04.1919 wird angeordnet, dass die Aufhebung des Adels und der damit verbundenen Vorzüge alle österreichischen Staatsbürger trifft und zwar gleich viele, ob es sich im Inland erworbene oder um ausländische Vorzüge handelt (§ 1). Nach § 2 der Verordnung ist das Recht zur Führung des Adelszeichens „von“ (Ziff. 1) ebenso aufgehoben wie das Recht zur Führung der adeligen Standesbezeichnungen wie z. B. Freiherr (Ziff 4). Der Umstand, dass der Adelstitel ursprünglich aus Deutschland stammt, ist deshalb unerheblich.

3. Die vom Beteiligten zu 2 vorgelegten Urkunden belegen nicht, dass sein Familienname zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem 10.11.1981, „Freiherr von H.“ gelautet hat.

a) Durch den am 14.01.1933 ausgestellten Geburts- und Taufschein betreffend den Vater des Beteiligten zu 2 wird „aus dem Geburts- und Taufbuche“ bezeugt, dass dieser am 04.01.1908 in Klagenfurt geboren und am 22.03.1908 getauft worden ist und dass zu diesem Zeitpunkt der Vater den Namen „Freiherr von H.“ geführt hat. Diese Urkunde sagt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nichts darüber aus, ob das Adelsprädikat auch nach 1919 noch berechtigt geführt werden konnte. Denn nach § 6 der Vollzugsanweisung zum Gesetz über die Aufhebung des Adels werden die bereits vor Inkrafttreten der Vollzugsanweisung erfolgten Eintragungen im Geburts-, Ehe- und Sterbematriken nicht von Amts wegen abgeändert; vielmehr bleiben für die Erteilung von Abschriften und Auszügen die ursprünglichen Eintragungen maßgebend.

b) In der von der Gemeinde C./Italien ausgestellten Geburtsurkunde des Beteiligten zu 2 ist sein Familienname mit „Freiherr von H.“ angegeben, mit dem Zusatz „cittadino tedesco“ (deutscher Staatsangehöriger). Daraus kann nicht hergeleitet werden, dass sich sein Familienname nach deutschem Recht richtet, das Adelsprädikate als Bestandteil des Namens zulässt. Der 1943 bei der Beurkundung der Geburt angebrachte Vermerk zur Staatsangehörigkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass in Folge des 1938 erfolgten „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich österreichische Staatsangehörige - mithin auch der 1908 in Klagenfurt geborene Vater des Beteiligten zu 2 - die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatten. Die so erworbene deutsche Staatsangehörigkeit ist aber mit Ablauf des 26.04.1945 entfallen, während die österreichische Staatsangehörigkeit auch während der Zeit des „Anschlusses“ fortbestanden hat (vgl. § 1 Satz 2 des Zweiten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 17.05.1956; Renner/Maaßen Staatsangehörigkeitsrecht 5. Aufl. 2010, 2.StAngRegG Rn. 1).

4. Der Berichtigung steht weder der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht entgegen. Der Beteiligte zu 1 war bis zur seiner

Einbürgerung am 09.10.2013 ausschließlich österreichischer Staatsangehöriger. Sowohl der im Juni 2008 ausgestellte Reisepass, gültig bis 09.06.2018, als auch der Personalausweis der Republik Österreich mit demselben Gültigkeitszeitraum weist als Familiennamen „H.“ aus. Das widerlegt die Behauptung des Beteiligten zu 1, er besitze „keinerlei Unterlagen“ in denen nur der Name H. stehe. Wenn er abweichend von seinen amtlichen Personalpapieren regelmäßig als Familiennamen „Freiherr von H.“ gebraucht hat, begründet das keinen Vertrauenstatbestand. Hinzu kommt, dass in den Geburtseinträgen seiner drei Geschwister der Familienname mit „H.“ angegeben ist, und zwar sowohl für den 1980 in Österreich geborenen älteren Bruder, als auch für die beiden 1983 bzw.1986 in Deutschland geborenen jüngeren Geschwister.

5. Ob die Voraussetzungen für einen Namensänderung nach dem Namensänderungsgesetz vorliegen, ist nicht Gegenstand des Berichtigungsverfahrens nach § 48 PStG.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten für die erfolgreiche Beschwerde werden nicht erhoben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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Personenstandsgesetz - PStG | § 48 Berichtigung auf Anordnung des Gerichts


(1) Außer in den Fällen des § 47 darf ein abgeschlossener Registereintrag nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Die Anordnung kann auch Fälle des § 47 umfassen. (2) Den Antrag auf Anordnung der Berichtigung können alle Beteiligten, das S

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(1) Außer in den Fällen des § 47 darf ein abgeschlossener Registereintrag nur auf Anordnung des Gerichts berichtigt werden. Die Anordnung kann auch Fälle des § 47 umfassen.

(2) Den Antrag auf Anordnung der Berichtigung können alle Beteiligten, das Standesamt und die Aufsichtsbehörde stellen. Sie sind vor der Entscheidung zu hören.