Landgericht Traunstein Endurteil, 10. Okt. 2016 - 3 O 709/16

bei uns veröffentlicht am10.10.2016

Gericht

Landgericht Traunstein

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages.

Der Kläger kaufte bei der Beklagten am 20.04.2015 einen Pkw der Marke VW Golf Trendline BlueMotion Technology zum Preis von 15.900,00 €. Der damalige Kilometerstand betrug 31.000 km. Die Modelle mit BlueMotion Technology zeichnen sich durch einen niedrigeren Kraftstoffverbrauch, weniger CO2-Emissionen und eine höhere Effizienzklasse aus. Dieses Auto gehörte zu den VW-Fahrzeugen, die vom hinlänglich bekannten „VW-Skandal“ betroffen sind. Deshalb forderte der Kläger die Beklagte durch Schreiben vom 09.10.2015 (Anlage K5) zur Mängelbeseitigung bis spätestens 23.11.2015 auf. In diesem Zeitraum erfolgte keine Mängelbeseitigung. Der Kläger erklärte daher durch weiteren Schriftsatz vom 11.12.2015 (Anlage K6) den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger trägt vor, er habe ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag und damit einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Der fragliche VW Golf sei mangelhaft. Ihm fehle die vereinbarte Beschaffenheit. Nach der Beschreibung von VW habe der Kläger damit rechnen können, dass sein Auto mit korrekten Zahlen beworben werde und diese Zahlen auch die tatsächlichen Abgaswerte wiedergeben würden. Tatsächlich seien die Abgaswerte jedoch höher. Das Abweichen der tatsächlichen Abgaswerte begründe die Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges. Dieser Mangel sei erheblich. Schließlich sei der Beklagten eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden. Nach alledem habe der Kläger ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger beantragt,

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw VW Golf Trendline BlueMotion Technology 1,6 l TDI 77 kW (105 PS) 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe DSG, Fahrzeug-Ident-Nr.: …15.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr aus 15.900,00 € abzüglich eines Betrages zu zahlen, der sich wie folgt berechnet: 6,3 Cent x km (gemäß Tachostand im Zeitpunkt der Rückgabe des vorbezeichneten Pkw VW Golf an die Beklagte).

I.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Pkw VW Golf in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass zum einen kein Mangel vorliege, jedenfalls kein erheblicher Mangel, und dass sie bzgl. eines etwaigen Mangels kein Verschulden treffe. Der Beklagten sei keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden, die Beklagte sei zur Nachbesserung von Anfang an bereit gewesen. Es sei dem Kläger zumutbar, mit der Nachrüstung abzuwarten, bis diese tatsächlich von der Beklagten durchgeführt werden kann, was bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht der Fall war. Außerdem betreffe das manipulierte Softwareprogramm lediglich den Stickoxidausstoß unter Laborbedingungen, nicht jedoch die CO2-Emissionswerte, wie der Kläger fälschlicherweise vermute. Die gesetzte Frist zur Nacherfüllung sei so kurz gewesen, dass sie als völlig gegenstandslos anzusehen sei und keine angemessene Frist in Lauf gesetzt habe. Im Übrigen beruft sich die Beklagte darauf, dass die Nutzungsentschädigung vom Kläger falsch berechnet worden sei.

Hinsichtlich des gesamten Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 433 Abs. 1 S. 2, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB, weil es jedenfalls an der Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung fehlt.

Es kann dahinstehen, ob überhaupt ein Sachmangel vorliegt, ob dieser erheblich ist und ob die Beklagte insoweit ein zurechenbares Verschulden trifft. Vom Beistand der Beklagten wurde in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2016 unbestritten vorgetragen, dass die manipulierte Software lediglich den Stickoxidausstoß unter Laborbedingungen betrifft und dazu führt, dass bei diesem Labortest die vorgeschriebenen Werte erreicht werden, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Für den tatsächlichen Fahrzeuggebrauch hat dies überhaupt keine Auswirkungen, insbesondere nicht auf die CO2-Emissionswerte, mit denen der VW-Konzern seine Fahrzeuge regelmäßig bewirbt. Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ihm wäre es vor allem auf das Vorliegen der BlueMotion Technology angekommen, also einen niedrigeren Kraftstoffverbrauch, eine höhere Effizienzklasse und weniger CO2-Emissionen, muss dem entgegengehalten werden, dass sein Fahrzeug all diese Eigenschaften tatsächlich aufweist und diese Dinge nicht vom sog. „VW-Skandal“ betroffen sind. Dies alles wurde in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2016 von den Parteien unbestritten vorgetragen. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 29.08.2016 der Abschluss eines Vergleiches sehr wahrscheinlich erschien, hat das Gericht davon abgesehen, diese Ausführungen beider Parteien zu protokollieren. Letztlich kommt es auf diese Gesichtspunkte überhaupt nicht an, und zwar aus folgendem Grund:

Es fehlt an der Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung. Der Kläger hat im vorliegenden Fall durch Schriftsatz vom 09.10.2015 eine Frist zur Mängelbeseitigung bis 23.11.2015 gesetzt. Diese Fristsetzung war eindeutig zu kurz. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde dadurch nicht etwa gar keine Frist in Lauf gesetzt, sondern es beginnt, wie üblich, eine angemessene Frist zu laufen. Bei der Frage der Angemessenheit der Frist zur Nachbesserung bzw. Nacherfüllung ist insbesondere auf Art und Umfang des vorliegenden Sachmangels abzustellen. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinem Auto faktisch keinerlei Einschränkungen oder sonstigen Unannehmlichkeiten unterworfen ist. Im Fahrbetrieb sind keine Einschränkungen oder Mängel feststellbar, auch von außen ist dem Gegenstand kein Sachmangel anzusehen oder anzumerken. Der (mögliche) Sachmangel liegt allein darin, dass durch das Softwareprogramm der Stickoxidausstoß bei der Durchführung eines Testprogrammes unter Laborbedingungen beeinflusst wird. Unstreitig wurden die ursprünglich vom Hersteller angegebenen CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen technischen Dienst bestätigt. Weiter muss gesehen werden, dass eine extrem große Anzahl von VW-Fahrzeugen nachgebessert werden muss, dass in jedem Einzelfall eine vorherige Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt erfolgen muss und dass nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagtenvertreter eine Nachbesserung derzeit zwar technisch möglich und durchführbar wäre, es aber für einige Fahrzeuge, zu denen auch das Auto des Klägers gehört, derzeit noch an der erforderlichen Freigabe des Softwareupdates fehlt. Auf der anderen Seite kann der Kläger fest damit rechnen und darauf vertrauen, dass in den nächsten Monaten die kostenlose Nachbesserung an seinem Fahrzeug durchgeführt und der Sachmangel damit beseitigt werden wird. Ein weiteres Zuwarten mit der Mängelbeseitigung ist dem Kläger nach Auffassung des Gerichtes zumindest bis zum Ende des Jahres 2016 zumutbar, da es für ihn mit keinerlei Nachteilen, Unannehmlichkeiten oder Gebrauchseinschränkungen verbunden ist und der Kläger insbesondere an den von ihm hervorgehobenen Vorteilen der BlueMotion Technology keine Abstriche hinnehmen muss. Selbst wenn die Beklagte wollte, könnte sie derzeit die Nachbesserung beim klägerischen Pkw nicht durchführen. Dies muss im vorliegenden Fall zugunsten der Beklagten berücksichtigt werden. Bei Abwägung aller Gesichtspunkte und unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Klägers ist diesem ein weiteres Zuwarten mit der Mängelbeseitigung zumindest bis Ende des Kalenderjahres 2016 zumutbar. Diese Frist zur Nachbesserung ist vorliegend noch nicht abgelaufen. Deshalb war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen. Einer Auseinandersetzung mit der Frage der Höhe der Nutzungsentschädigung bedurfte es nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

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Landgericht Traunstein Endurteil, 10. Okt. 2016 - 3 O 709/16 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 433 Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag


(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. (2) Der

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(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.