Landgericht München II Beschluss, 09. Juli 2019 - 2 T 2032/19

bei uns veröffentlicht am09.07.2019
vorgehend
Amtsgericht Dachau, 2 C 227/19, 30.04.2019

Gericht

Landgericht München II

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom 30.04.2019, Az. 2 C 227/19, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrte vom Beklagten mit der Klage vom 07.03.2019 die Unterlassung der Äußerung gegenüber Dritten, der Kläger sei Alkoholiker und trinke den ganzen Tag Bier. Daneben verlangte er die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 €, die er aus einem Gegenstandswert von 5.000 € berechnete. Der Beklagte habe am 01.01.2019 diese Äußerung gegenüber S. F. und am 17.01.2019 gegenüber J. F. und L.-M. F. gemacht.

Das Amtsgericht Dachau hat mit Beschluss vom 12.03.2019 den Streitwert des Rechtsstreits vorläufig auf 5.000 € festgesetzt.

Der Beklagte verteidigte sich mit Schreiben vom 09.04.2019 dahin gehend, dass er die Äußerung nicht gemacht habe. Der Kläger sei der neue Lebensgefährte seiner geschiedenen Ehefrau. Er wies darauf hin, dass es sich bei der J.F. und der  L.-M. F. um seine Töchter handle, die eine mittelgradige geistige Behinderung hätten und somit in ihrem Erinnerungsvermögen leicht beeinflussbar seien. Bei S. F. handle es sich um seinen Sohn, ebenfalls geistig behindert. Es dränge sich die Vermutung auf, dass die Anschuldigungen des Klägers lediglich finanziell motiviert seien. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Beklagten Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2019 hat das Amtsgericht einen Vergleich der Parteien protokolliert, wonach der Beklagte sich verpflichtet, die streitige Äußerung zu unterlassen und für den Fall der Zuwiderhandlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, jedoch rechtsverbindlich zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 50 € zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden vom Kläger zu 3/4 und vom Beklagten zu 1/4 getragen. Anschließend setzte das Amtsgericht mit Beschluss den Streitwert des Rechtsstreits auf 1.000 € fest.

Der Klägervertreter legte mit Schriftsatz vom 13.05.2019 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts auf 1.000 € ein. Zur Begründung führte er aus, es sei nicht nachvollziehbar, warum statt des Regelstreitwerts der Unterlassungsangelegenheit (5.000 €) ein niedrigerer Betrag festgesetzt worden sei. Dies sei mit keiner Zeile begründet worden. Im Hinblick auf die Kostenentscheidung des Gerichts, die nicht beschwerdefähig sei, werde die Rechtsauffassung des Unterzeichners mitgeteilt, dass diese kaum gesetzeskonform sein dürfte. Letztlich sei mit dem Vergleich das Rechtsschutzziel des Klägers durchgesetzt worden. Warum er gleichwohl die Hauptkosten des Rechtsstreits tragen soll, erschließe sich nicht. Die Kostenquotelung bei einem Vergleich solle das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen in dem jeweiligen Vergleich widerspiegeln. Das sei hier mitnichten der Fall.

Das Amtsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 27.05.2019 nicht ab. Zur Begründung führte es aus, die Festsetzung des Streitwerts nichtvermögensrechtlicher Ansprüche auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen liege im Ermessen des Gerichts und sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung und des Umfangs der Sache wie auch der Vermögensverhältnisse der Parteien zu treffen. Sämtliche Umstände seien mit den anwesenden Parteien besprochen worden. Der in § 23 III S. 2 RVG genannte „Ausgangswert“ von 5.000 € sei lediglich ein erster Anhalt und je nach den Umständen zu ermäßigen oder zu erhöhen (vgl. LG Saarbrücken, Urt. V. 12.07.2018, 6 O 379/17). Der Streitwert nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten sei gemäß § 48 II GKG zu ermitteln. Vorliegend handle es sich um eine Äußerung, die nach der Behauptung der Klagepartei zweimal gefallen sein soll. Der zeitliche Zusammenhang sei sehr eng, überdies bestehe ein Zusammenhang mit einer problembehafteten familiären Konstellation. Auch nach der Behauptung der Klagepartei sollen die Äußerungen nicht gegenüber fremden Dritten, sondern nur gegenüber den Kindern des Beklagten gefallen sein. Eine Außenwirkung sei damit nicht eingetreten. Unter Berücksichtigung der Aussage selbst, deren Behauptung der Klagepartei nur im engsten Familienkreis gemacht wurde, sowie der in der mündlichen Verhandlung geschilderten finanziellen Verhältnisse der Parteien, erscheine ein höherer Streitwert als 1.000 € nicht angebracht.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Streitwert für nicht vermögensrechtliche Ansprüche auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen ist nach § 48 II S. 1 GKG zu ermitteln. Danach ist in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen.

2. Die hiernach zu treffende Ermessensentscheidung hat alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Bedeutung und den Umfang der Sache und auch die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien. In Anlehnung an § 23 III S. 2 RVG kann in Verfahren betreffend Ehrverletzungen zwar grundsätzlich der dort genannte Ausgangswert - aktuell 5.000 € - angesetzt werden (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 31.10.2011 - 5 W 236/11), der Betrag ist indessen lediglich ein erster Anhalt und je nach den Umständen zu ermäßigen oder zu erhöhen (Herget in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 3 Rdn. 16, „Ehre“). Die Angabe des Verfahrenswerts in der Klageschrift ist nicht mehr als ein Indiz für den Wert des Interesses an der Abwehr der Persönlichkeitsrechtsverletzung und unterliegt einer selbstständigen Überprüfung durch das Gericht (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 17.2.2012 - 5 U 313/11; Toussaint in: Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, Kostenrecht, Ed. 23, 2018, § 48 GKG, Rdn. 40; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 05. Dezember 2018 - 5 U 58/18 -, Rn. 26, juris).

3. Die Beschwerde hat keine Ermessensfehler des Amtsgerichts bei der Bestimmung des Streitwerts aufgezeigt.

a. Der Beschwerdeführer gibt nur an, es sei nicht nachvollziehbar, warum statt des Regelstreitwerts der Unterlassungsangelegenheiten von 5.000 € ein niedrigerer Betrag festgesetzt worden ist. Er zeigt mit der Beschwerde keine Umstände auf, die eine höhere als die vom Amtsgericht vorgenommene Bewertung rechtfertigen würden.

b. Das Amtsgericht hat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, insbesondere die Bedeutung und den Umfang der Sache und die in der mündlichen Verhandlung geschilderten Vermögensverhältnisse der Parteien. Die behaupteten Äußerungen des Beklagten sind nach den Angaben des Klägers zweimal in einem engen zeitlichen Zusammenhang und in einer problembehafteten familiären Konstellation gefallen. Dritte waren nicht anwesend. Eine Außenwirkung ist nicht eingetreten. Die bei den behaupteten Äußerungen anwesenden Personen sind die Kinder des Beklagten.

c. Die vom Amtsgericht angestellten Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Insbesondere im Hinblick auf die vereinzelt gebliebenen Äußerungen, die im Rahmen eines problembehafteten Familienkreises gemacht wurden, bleibt der geltend gemachte Unterlassungsanspruch wertmäßig weit hinter dem „Auffangwert“ von 5.000 € zurück.

d. Die eigenen Streitwertangaben in der Klage sind nicht bindend und haben im Streitfall auch keine Indizwirkung, da der Kläger den Wert seines Begehrens von Beginn an weit überhöht eingeschätzt hat.

e. Zu der vom Klägervertreter beanstandeten Kostenregelung im gerichtlichen Vergleich, die nicht Gegenstand der Beschwerde ist, ist noch anzufügen, dass der anwaltlich (in Untervollmacht) vertretene Kläger den Vergleich genehmigt hat.

III.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei (§ 68 III S. 1 GKG). Kosten werden nicht erstattet (§ 68 III S. 2 GKG).

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(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

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(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.