Landgericht München I Zwischenurteil, 19. März 2018 - 14 HK O 18725/17

19.03.2018

Gericht

Landgericht München I

Tenor

Der Antrag der Beklagtenseite vom 01.03.2018, Sicherheitsleistung gemäß § 110 ZPO von der Klägerseite zu erheben, wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Mit der am 19.01.2018 eingereichten Klage begehrt die Klägerin, welche in Kuala Lumpur, Malaysia ansässig ist, von der Beklagtenseite im Wege der Stufenklage Abrechnung von Provisionen, Buchauszug und sich daraus ergebende Provisionen, Ausgleichsanspruch in Höhe von rund mindestens 785.000,- €.

Die Beklagte beantragte - soweit für dieses Zwischenurteil maßgeblich - zuletzt:

Die Klägerin wird verpflichtet, wegen der Prozesskosten des Verfahrens Sicherheit zu leisten, deren Höhe nach freiem Ermessen des Gerichts festzusetzen ist, jedoch einen Betrag in Höhe von 145.000,- € nicht unterschreiten sollte.

Die Klägerin beantragte Zurückweisung dieses Antrags.

Gründe

Der Antrag war gem. § 110 II Nr. 1 ZPO zurückzuweisen, da ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia vorliegt, wonach eine Sicherheit nicht verlangt werden kann.

Ein solcher Vertrag stellt das deutsch/britische Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20.03.1928 dar. Dieses Abkommen wurde geschlossen durch den deutschen Reichspräsidenten einerseits und andererseits durch seine Majestät der König von Großbritannien, Irland und der britischen überseeischen Länder, Kaiser von Indien: Für Großbritannien und Nordirland, alle britischen Kolonien und Protektorate und die unter seiner Oberhoheit stehenden Gebiete, wie auch für alle Mandatsgebiete, die von seiner Regierung in Großbritannien verwaltet werden (so der Vorspann dieses Abkommens). Das heutige Staatsgebiet von Malaysia gehörte damals in Form mehrerer Sultanate zu den britischen Kolonien.

In dessen Artikel 14 vereinbarten die Parteien:

„Die Angehörigen des einen vertragschließenden Teiles sollen in dem Gebiet des anderen Teiles, auf das das Abkommen Anwendung findet, völlig gleiche Behandlung hinsichtlich des Armenrechts und der Schuldhaft genießen und sollen, sofern sie in dem genannten Gebiet ihren Wohnsitz haben, nicht verpflichtet sein, Sicherheit für Kosten irgendwelcher Art in denjenigen Fällen zu leisten, wo ein Angehöriger des anderen vertragsschließenden Teiles davon befreit ist.“

Wie eine telefonische Rücksprache des Vorsitzenden Richters beim Bundesamt für Justiz ergab, ist dieses deutsch/britische Abkommen bisher nicht in einem anderen Staatsvertrag, in welcher Form auch immer, zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Malaysia abgeändert oder aufgehoben worden, soweit die Frage der Prozesssicherheit nach § 110 Abs. 1 tangiert sein könnte.

Das Gericht folgert aus dem Art. 14 dieses Abkommens, dass in Bezug auf Malaysia ansässige Kläger Prozesskostensicherheit gem. § 110 II Nr. 1 ZPO nicht verlangt werden kann.

Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass zunächst der dort nur verwendete Begriff des „Wohnsitzes“ so auszulegen sein könnte, dass damit ein Geschäftssitz und damit juristische Personen nicht vom Abkommen umfasst wären.

Dem steht jedoch entgegen, der Art. 1 in der Vorbemerkung des deutsch/britischen Abkommens, der lautet: „Dieses Abkommen findet nur auf Zivil- und Handelssachen einschließlich nichtstreitiger Sachen Anwendung.“

Zwar wäre denkbar, dass im Jahr 1928, einer Zeit, in der sowohl Aktiengesellschaften wie GmbHs bzw. auf britischer Seite beispielsweise Limiteds juristisch bereits bekannt war, rein vom Wortlaut her diese eben nicht erfasst wären als juristische Person, da das Wort „Geschäftssitz“ nicht verwendet wird.

Andererseits ginge dann der Anwendungsbereich in Bezug auf Handelssachen weitgehend ins Leere, da dann anschließend nur Einzelkaufleute von diesem Abkommen erfasst werden würden.

Da solche Abkommen grundsätzlich den Zweck haben, den wirtschaftlichen Verkehr zwischen zwei Staaten zu erleichtern und durch formale Regelungen zu verbessern, würde daher ein Großteil des Wirtschaftslebens aus dem Anwendungsbereich des Abkommens herausfallen bei der Auslegung der Beklagtenseite. Eine solche Absicht ist dem Abkommen gerade nicht zu entnehmen.

Vor diesem Hintergrund war der Antrag der Beklagtenseite zurückzuweisen.

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Referenzen - Gesetze

Landgericht München I Zwischenurteil, 19. März 2018 - 14 HK O 18725/17 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 110 Prozesskostensicherheit


(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherhe

Referenzen

(1) Kläger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, leisten auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit.

(2) Diese Verpflichtung tritt nicht ein:

1.
wenn auf Grund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann;
2.
wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten auf Grund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde;
3.
wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten hinreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt;
4.
bei Widerklagen;
5.
bei Klagen, die auf Grund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden.