Landgericht München I Endurteil, 03. Juli 2017 - 4 HK O 19176/16

bei uns veröffentlicht am03.07.2017

Gericht

Landgericht München I

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob so genanntes „Ginger Beer“ in vier konkreten, angegriffenen Ausgestaltungen und Aufmachungen in Deutschland vertrieben werden kann, wenn es sich hierbei nicht um ein durch Gärung auf der Grundlage von Gerstenmalz gewonnenes Getränk handelt.

Die Klägerin vertreibt Getränke, u.a. auch sogenanntes „Ginger Beer“, welches Gerstenmalz enthält.

Die Beklagte vertreibt ebenfalls sogenanntes „Ginger Beer“.

Dem vorliegenden Rechtsstreit ging ein einstweiliges Verfügungsverfahren voraus, mit dem der Beklagten verboten wurde, ein Erfrischungsgetränk unter der Produktbezeichnung „Ginger Beer“ zum Kauf anzubieten oder anbieten zu lassen und/oder zu vertreiben oder vertreiben zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen oder bringen zu lassen, wenn es sich hierbei nicht um ein durch Gärung auf der Grundlage von Gerstenmalz gewonnenes Getränk, gleich ob Gerstenmalz ausschließlich oder zusammen mit Mais oder Reis verwendet wird, handelt, wenn dies geschieht wie in der Aufmachung gemäß Klageantrag I.1..

Der in diesem Verfahren ergangene Beschluss ist rechtskräftig. Die Beklagte hat jedoch keine Abschlusserklärung abgegeben.

Die Klägerin trägt vor, die Bezeichnung „Ginger Beer“ sei irreführend. Wie bereits das Kammergericht mit Urteil vom 12.10.2012 (Az.: 5 U 19/12) bestätigt habe, werde die Bezeichnung „Ginger Beer“ von inländischen Durchschnittsverbrauchern als Hinweis auf Bierbestandteile verstanden. Die Bezeichnung „...“ für ein Getränk, dass kein Bier enthalte, sei deshalb irreführend. Bei dem von der Beklagten vertriebenen Getränk handelt es sich nicht um Bier, sondern vielmehr um Erfrischungsgetränke mit Ingwer.

Hilfsweise liege auch ein Verstoß gegen die Bierverordnung vor. Gemäß § 1 Absatz 1 Bierverordnung dürfe unter der Bezeichnung „Bier“ nur Getränke vertrieben werden, die durch Gärung auf der Grundlage von Gerstenmalz gewonnen sein. Zu einer Erstreckung der Ausnahmeregelung in § 1 Absatz 2 der Bierverordnung über Bier hinaus auf andere „gegorene Getränke“ wäre der nationale deutsche Verordnungsgeber nicht einmal befugt. Auch sei § 1 Absatz 2 Bierverordnung nicht einschlägig, da die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass die angegriffenen Getränke gegoren und in jeweiligen Herkunfsland unter der entsprechenden Bezeichnung verkehrsfähig seien.

Die Beklagte könne sich schließlich auch deswegen nicht auf § 1 Absatz 2 der Bierverordnung berufen, weil den streitgegenständlichen Getränken zulassungsbedürftige Zusatzstoffe zugesetzt worden seien und für diese Zusatzstoffe keine Ausnahmeregelung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch getroffen worden sei.

Die Klägerin stellt folgende Anträge:

I. Die Beklagte hat zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Bundesrepublik Deutschland ein Erfrischungsgetränk unter der Produktbezeichnung „Ginger Beer“ zum Kauf anzubieten oder anbieten zu lassen und/oder zu vertreiben oder vertreiben zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen oder bringen zu lassen

wenn es sich hierbei nicht um ein durch Gärung auf der Grundlage von Gerstenmalz gewonnenes Getränk, gleich ob Gerstenmalz ausschließlich oder zusammen mit Mais oder Reis verwendet wird, handelt, wenn dies geschieht wie folgt:

  • 1....

  • 2....

  • 3....

  • 4....

II. Die Beklagte wird im Wege der Stufenklage verurteilt,

  • 1.der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend in Ziffer I. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen und -zeiten;

  • 2.gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der vorstehend in Ziffer II.1. bezeichneten Auskunft an Eides Statt zu versichern;

  • 3.nach Auskunftserteilung gemäß Ziffer II.1. und gegebenenfalls Ziffer II.2. der Klägerin den Schaden nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. bezeichneten Handlungen entstanden ist.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.336,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 24.04.2017 hat sie klargestellt, dass der mit dem Klageantrag zu I. geltend gemachte Unterlassungsansprüche primär auf § 5 I., Satz 2 Nr. 1, 3, 1, 2 UWG (Irreführung von Verbrauchern) gestützt werde.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Sie hält die Klage wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses für unzulässig und rechtsmißbräuchlich, weil die Klägerin im einstweiligen Verfügungsverfahren einen Titel erwirkt habe und sie ausweislich der im Verfügungsverfahren 4 HKO 11137/16 gestellten Ordnungsmittelanträge davon ausgehe, dass die unter Ziffer 2. bis 4. gerügten Verletzungshandlungen kerngleich seien mit derjenigen im einstweiligen Verfügungsverfahren.

Darüberhinaus liege keine Irreführung der Verbraucher vor. Wie sich auch aus dem Eintrag bei Wikipedia ergebe, sei „Ginger Beer“ gerade kein Bier sondern ein kohlensäurehaltiges, alkoholfreies Erfrischungsgetränk mit kräftigem Ingwergeschmack. Die Feststellung des Kammergerichts könnten schon deshalb nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden, weil ... in Deutschland erst in den vergangenen ein bis zwei Jahren eine immer stärkere Bekanntheit erlangt und sich deshalb auch im deutschen Sprachgebrauch etabliert habe.

Auch das klägerseits vertriebene „Ginger Beer“ stelle kein Bier im Sinne eines herkömmlichen Bieres da. Während der Herstellung des „Ginger Beer“ von ... werde nach eigenen Angaben der Klägerin lediglich 0,24 Gramm Gerstenmalzextrakt hinzugefügt. Von einem auf der „Grundlage von Gerstenmalz gewonnenen Getränk“ könne somit keine Rede sein. Vielmehr ergebe sich aus dem als Anlage LHR 18 bis LHR 26 vorgelegten Anlagen, dass es sich bei Ginger Beer um ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk handele was z.B. für Mixgetränke verwendet werde.

Das vom Kammergericht im Eilverfahren zugrunde gelegte Verkehrsverständnis sei falsch und berücksichtige insbesondere die aktuellen Entwicklungen des Marktes.

Ein Verstoß gegen § 1 Bierverordnung liege nicht vor, da diesbezüglich die Ausnahmevorschrift des § 1 II. Bierverordnung Anwendung finde.

Sämtliche streitgegenständlichen Getränke seien gegoren und im Herstellungsland ... bzw. „Ginger Beer“ unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ verkehrsfähig (Beweisangebot: Sachverständigengutachten).

Auf die Zusatzstoffe gemäß § 1 II der Bierverordnung komme es ebenfalls nicht an, da das „Ginger Beer“ gerade keine Bier im Sinne des § 1 I Bierverordnung sei.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2017 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage war als unbegründet abzuweisen, da weder eine Irreführung noch ein Verstoß gegen die Bierverordnung vorliegt, im einzelnen gilt folgendes:

1. Die Klage ist zulässig und nicht rechtsmißbräuchlich.

Dass die Klägerin hinsichtlich des unter I.1. angegriffenen Produkts bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, ändert hieran nichts. Hierbei handelt es sich um eine einstweilige Regelung, die - solange keine Abschlusserklärung abgegeben wurde - eine Hauptsacheklage nicht das Rechtsschutzbedürfnis nimmt,

Auch dass die Klägerin mit der Hauptsacheklage nicht nur gegen das Produkt von Bundaberg vorgeht sondern weitere Produkte, die sie als kerngleich ansieht, in den Tenor mit einbezogen hat, ist nicht rechtsmißbräuchlich sondern gängige Übung im gewerblichen Rechtsschutz. Die Bezugnahme auf die konkret angegriffenen Verletzungsformen im Tenor ist notwendig, um klarzustellen, welche Produktausgestaltungen von dem Umfang des Verbotstenors umfasst seien sollen.

2. Die Kammer kann der Auffassung des Kammergerichts, wonach die Bezeichnung „Ginger Beer“ für ein Getränk, dass kein Bier enthält, irreführend sein kann, weil und soweit dies vom inländischen Durchschnittsverbraucher als Hinweis auf Bierbestandteile verstanden wird, im vorliegenden Fall nicht folgen.

Die Mitglieder der Kammer, die zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, kennen „Ginger Beer“ aus eigener Wahrnehmung. Es ist ihnen bekannt, dass es sich hierbei nicht um ein Bier sondern um ein zunächst einmal alkoholfreies Erfrischungsgetränk handelt, dass in englischsprachigen Ausland unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ (ähnlich wie „Ginger Ale“) bereits seit Jahrzehnten vertrieben und konsumiert wird.

Dieses eigene Verkehrsverständnis wird untermauert durch die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen. Aus dem vorgelegten Wikipediaauszug (auf Anlage LHR 18) ergibt sich, dass es sich bei Ginger Beer ähnlich wie Ginger Ale um einen Softdrink handelt. Dieses Verständnis ist inzwischen auch bei den angesprochenen Verkehrskreisen angekommen. Aus den als Anlage LHR 21 bis LHR 26 vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Limonade Ginger Beer in großem Umfang zur Herstellung von Mixgetränken verwendet wird.

Insbesondere in der konkreten, angegriffenen Ausführungsform wird deshalb der verständige Verbraucher nicht davon ausgehen, dass ein Produkt, dass eben nicht als „Bier“ oder „Beer“ sondern unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ vertrieben wird, bierhaltig ist. Die konkreten Ausführungsformen zeichnen sich dadurch aus, dass die Bezeichnung „Ginger Beer“ in einem Schriftzug verwendet wird, bei dem die Bestandteile „Ginger“ und „Beer“ gleich groß sind und bei denen die angsprochenen Verkehrskreise den Bestandteil „Beer“ deshalb immer in einem Atemzug mit „Ginger“ lesen werden. Sie können daher unschwer erkennen, dass es sich bei den Produkten eben gerade nicht um Bier handelt sondern um Ginger Beer.

Zur Einhaltung des Reinheitgebots und der Bierverordnung zu fordern, dass einem aus dem Ausland importierten „Ginger Beer“ in mehr oder weniger großen Umfang auch Gerstenmalz zugesetzt wird, wie dies offensihcgtlich bei dem Ginger Beer der Klägerin der Fall ist, würde weder eine von der Klägerin behauptete Irreführung der Verbraucher beseitigen noch etwas daran ändern, dass zu unterscheiden ist, ob ein Produkt als „Bier“ oder „Beer“ oder aber als „Ginger Beer“ vertrieben wird.

Die Kammer kann daher bei den angegriffenen Produkten eine Irreführung der Verbraucher genau so wenig erkennen wie bei dem „Ginger Beer“ der Klägerin, das offensichtlich zu geringen Anteilen auf der Gärung von Gerstenmalz beruht. Auch hierbei handelt es sich nicht um Bier, dass dem Reinheitsgebot entspricht.

3. Ein Verstoß gegen die Bierverordnung scheitert bereits daran, dass die angegriffenen Produkte nicht darunter fallen. Gemäß § 1 Absatz 1 der Verordnung gilt sie nur für Getränke, die unter der Bezeichnung „Bier“ in den Verkehr gebracht werden. Wie gerade ausgeführt wurde, werden die angegriffenen Produkte - wie das Produkte der Klägerin - aber gerade nicht unter der Bezeichnung Bier sondern unter der Bezeichnung „Ginger Beer“ vertrieben. Darauf, ob die Ausnahmevorschrift des § 1 Absatz 2 Bierverordnung eingreift, kommt es deshalb nicht an.

4. Gleiches gilt für die Frage, ob § 1 Absatz 2 Bierverordnung deshalb nicht eingreift, weil den angegriffenen Getränken zulassungsbedürftige Zusatzstoffe zugesetzt wurden, für die keine Ausnahmeregelung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetz getroffen wurde. Die Vorschrift des § 1 Absatz 2 Bierverordnung ist nur anwendbar auf Produkte, die unter der Bezeichnung „Bier“ gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden. Dies ist jedoch hier gerade nicht der Fall.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 I ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1.

Verkündet am 03.07.2017

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Referenzen - Gesetze

Landgericht München I Endurteil, 03. Juli 2017 - 4 HK O 19176/16 zitiert 5 §§.

Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch


Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB

Bierverordnung - BierV | § 1 Schutz der Bezeichnung Bier


(1) Unter der Bezeichnung Bier - allein oder in Zusammensetzung - oder unter Bezeichnungen oder bildlichen Darstellungen, die den Anschein erwecken, als ob es sich um Bier handelt, dürfen gewerbsmäßig nur Getränke in den Verkehr gebracht werden, die

Referenzen

(1) Unter der Bezeichnung Bier - allein oder in Zusammensetzung - oder unter Bezeichnungen oder bildlichen Darstellungen, die den Anschein erwecken, als ob es sich um Bier handelt, dürfen gewerbsmäßig nur Getränke in den Verkehr gebracht werden, die gegoren sind und den Vorschriften des § 9 Abs. 1, 2 und 4 bis 6 des Vorläufigen Biergesetzes und den §§ 16 bis 19, § 20 Abs. 1 Satz 2 und §§ 21 und 22 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Vorläufigen Biergesetzes entsprechen.

(2) Abweichend von Absatz 1 dürfen im Ausland hergestellte gegorene Getränke, die nicht den in Absatz 1 genannten Vorschriften entsprechen, unter der Bezeichnung "Bier" gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden, wenn sie im jeweiligen Herstellungsland unter der Bezeichnung "Bier" oder einer dieser Bezeichnung entsprechenden Bezeichnung des Lebensmittels verkehrsfähig sind. Sind diesen Getränken zulassungsbedürftige Zusatzstoffe zugesetzt worden, so gilt dies jedoch nur, wenn für diese Zusatzstoffe eine Ausnahmeregelung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch getroffen worden ist.

(3) Ein Getränk, bei dem die Gärung unterbrochen ist, gilt ebenfalls als gegoren.