Landgericht Memmingen Endurteil, 24. Feb. 2015 - 21 O 1336/13

24.02.2015

Gericht

Landgericht Memmingen

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt aus einer von der Beklagten durchgeführten zahnärztlicher Behandlung ein Schmerzensgeld und macht Nebenforderungen geltend.

Der Kläger befand sich zwischen dem 26.01.2006 und dem 11.04.2011 in zahnärztlicher Behandlung der Beklagten, wobei er allerdings zwischen Februar 2007 und April 2010 die Beklagte nicht aufgesucht hatte. Für die genauen Behandlungsdaten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 22.10.2013 (Bl. 22/23 der Akten) Bezug genommen.

Im Rahmen seiner Behandlung bei der Beklagten wurden dem Kläger von dieser insgesamt 7 Zähne entfernt.

Nach der teilweisen Aufgabe eines ursprünglich weitergehenden Antrags behauptet der Kläger nunmehr noch, die Entfernung der Zähne 1.7 und 4.8 sei nicht sachgerecht gewesen. Für die Entfernung des Zahnes 1.7 habe allenfalls eine relative Indikation bestanden, für die Entfernung des Zahnes 4.8 überhaupt keine.

Der Kläger trägt insoweit vor,

er sei einmal nicht gehörig darüber aufgeklärt worden, dass die beiden Zähne überhaupt entfernt werden müssten.

Weiterhin sei unzutreffend, dass die Entfernung des Zahnes 1.7 zwingend gewesen sei. Bei dem Zahn 1.7 wäre prinzipiell eine Wurzelkanalbehandlung möglich und zur Erhaltung des Zahnes geeignet gewesen.

Der Zahn 4.8 schließlich habe keine Schäden aufgewiesen, die eine Entfernung überhaupt gerechtfertigt hätten.

Weiter bringt der Kläger vor, die Beklagte habe es unterlassen, entsprechend den allgemeinen Regeln der Zahnmedizin vor einer Extraktion der beiden Zähne Röntgenbilder anzufertigen. Schließlich bestreitet der Kläger die von der Beklagten vorgebrachten Hinweise auf seine mangelnde Mundhygiene und auf die Notwendigkeit, den Zahn 4.8 jedenfalls deshalb zu entfernen, weil andernfalls eine prothetische Versorgung im Seitenbereich überhaupt nicht möglich gewesen sei.

Der Kläger stellt sich für die unnötige Entfernung der Zähne 1.7 und 4.8 insgesamt ein Schmerzensgeld von 4.000,- EUR (1.000,- EUR für den Zahn 1.7 und 3.000,- EUR für den Zahn 4.8) vor.

Der Kläger hatte ursprünglich folgenden Antrag angekündigt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 5.025,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2013 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe 546,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Nachdem der Kläger einen Schmerzensgeldanspruch wegen der Entfernung auch der Zähne 1.4 und 1.5 im Verlaufe des Verfahrens nicht weiter verfolgt hatte, hat er schließlich folgenden Antrag gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 4.025,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.04.2013 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe 492,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, sie habe dem Kläger bereits ab Behandlungsbeginn im Jahr 2006 Hinweise auf die notwendige Mundhygiene und auf den grundsätzlich bestehenden Sanierungsbedarf für sein Gebiss gegeben. Allerdings sei die entsprechende Behandlung dann erst ab Oktober 2010 eingeleitet worden.

Eine Anfertigung von Röntgenbildern unmittelbar vor der Extraktion der genannten Zähne sei nicht notwendig gewesen, da sie über ausreichendes anderes Material verfügt habe.

Über die ergriffenen Maßnahmen sei der Kläger stets hinreichend aufgeklärt worden. Er habe insoweit auch das Notwendige verstanden.

Bei dem Zahn 1.7 sei eine Füllung versucht worden. Nachdem jedoch eine Pulpaöffnung festzustellen gewesen sei, habe nach den Kassenrichtlinien - der Kläger ist unstreitig Kassenpatient - keine Erhaltungswürdigkeit mehr bestanden. Der Zahn 4.8 habe wegen einer starken mesialen Neigung entfernt werden müssen, da andernfalls die nach Maßgabe der gesetzlichen Krankenversicherung - es sei zugunsten des Klägers ein Härtefallantrag gestellt gewesen - notwendige und allein mögliche Versorgung des Seitenbereiches mit einem herausnehmbaren Zahnersatz nicht möglich gewesen wäre.

Die Beklagte ist der Auffassung, es lägen keine Behandlungsfehler vor, die die Zahlung eines Schmerzensgeldes rechtfertigen würden.

Das Gericht hat die von den Parteien vorgelegten Unterlagen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht (vgl. 89 d. A.).

Weiter hat das Gericht im Termin vom 03.02.2015 die Zeuginnen ... und ... jeweils uneidlich einvernommen.

Für den Inhalt ihrer Zeugenaussagen wird auf das genannte Terminsprotokoll (Bl. 87/95 der Akten) Bezug genommen.

Schließlich hat das Gericht ein Gutachten des Sachverständigen ... erholt.

Für den Inhalt des schriftlichen Gutachtens vom 22.09.2014 wird auf Bl. 54/64 d. A. Bezug genommen.

Für die mündliche Erörterung des Gutachtens im Rahmen des Termins vom 03.02.2015 wird auf Bl. 92/94 d. A. Bezug genommen.

Für das Vorbringen der Parteien wird im Übrigen Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Ausführungen im mündlichen Verhandlungstermin vom 03.02.2015.

Gründe

A.

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet, da dem Kläger weder auf Basis der §§ 630 a ff., 280 Abs. 1 BGB noch auf sonstiger Basis Schadensersatzansprüche zustehen. Der Kläger ist zum einen hinreichend aufgeklärt worden und hat wirksam in die durchgeführten Maßnahmen (Extraktion der Zähne 1.7 und 4.8) eingewilligt; darüber hinaus ist die ihm zuteil gewordene Behandlung auch sachgerecht gewesen.

Im Einzelnen ist auszuführen:

I.

Der Kläger hat aufgrund ausreichender Aufklärung wirksam in die Extraktion der beiden Zähne 1.7 und 4.8 eingewilligt:

1. Zur Überzeugung der Kammer hat der Kläger zunächst Art und Umfang der durchgeführten Maßnahmen hinreichend verstanden.

Dies ist, weil der Kläger als albanischer Staatsangehöriger nur mäßige Deutschkenntnisse hatte und sich in der Verhandlung eines Dolmetschers bedienen musste, nicht selbstverständlich.

Die Kammer hat jedoch aus der Einvernahme der Zeugen ... und ... die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger Umfang und Bedeutung der bei ihm vorgenommenen Maßnahmen trotz der Sprachschwierigkeiten hinreichend verstanden hat. Sowohl die Zeugin ... als auch die Zeugin ... haben bestätigt, dass allgemein und auch im Falle des Klägers, an den sich insbesondere die Zeugin ... noch gut zu erinnern vermochte, aufgeklärt worden ist. Beide Zeuginnen haben auch bestätigt, dass der Kläger verstanden habe, was man gesagt habe und die Zeugin ... hat nachvollziehbar und für die Kammer überzeugend dargestellt, dass in der Praxis der Beklagten bei ausländischen Patienten, die die deutsche Sprache überhaupt nicht verstehen würden, als Dolmetscher regelmäßig ein Angehöriger beigezogen würde.

Die Aussagen beider Zeuginnen sind aus Sicht der Kammer uneingeschränkt glaubwürdig.

Beide haben ruhig und sachlich ausgesagt. Ihre Aussagen sind miteinander vereinbar und nach Ansicht der Kammer in sich schlüssig. Die Kammer ist damit von der Richtigkeit dieser Angaben überzeugt. Zusätzlich wird diese Überzeugung noch dadurch bestärkt, dass seitens des Klägers keinerlei Vortrag über die Beiziehung eines Angehörigen oder Vertrauten zum Dolmetschen erfolgt ist. Denn dies spricht aus Sicht der Kammer ebenfalls dafür, dass der Kläger selbst hinreichend verstanden hat, worum es gegangen ist.

2. Weiterhin ist der Kläger auch hinreichend über die beim Zahn 1.7 gegebene Möglichkeit einer anderweitigen Behandlung im Rahmen einer privatärztlichen Behandlung informiert worden:

Die Zeugin ... hat insoweit - sie ist, wie ausgeführt, für die Kammer uneingeschränkt glaubwürdig - ausgeführt, bezüglich des Zahnes 1.7 sei ursprünglich eine Füllung geplant gewesen. Nach dem Öffnen des Zahnes sei dann festgestellt worden, dass der Nerv offen lag, so dass nur noch die Alternativen Wurzelkanalbehandlung oder Ziehen des Zahnes bestanden hätten. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass die Wurzelkanalbehandlung von seiner (gesetzlichen) Krankenversicherung nicht bezahlt würde und dass es sich um eine Privatleistung handle. Ihm seien auch die zu erwartenden Kosten zwischen 500,- und 600,- EUR genannt worden. Er habe sich dann für das Ziehen des Zahnes entschieden.

Insoweit war der Kläger zur Überzeugung der Kammer ausreichend über die von ihm in Betracht kommenden Alternativen unterrichtet und konnte seine Entscheidung auf sachgerechter Grundlage treffen.

3. Die Aufklärung war schließlich auch in zeitlicher Hinsicht rechtzeitig:

Es ist von der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass bei ambulanten zahnärztlichen Eingriffen auch umfänglicherer Art - im nachstehend zitierten Urteilssachverhalt ging es um die Tätigkeit eines Kieferchirurgen - eine Aufklärung auch noch am Tag des Eingriffs rechtzeitig ist (OLGR Hamburg 1999, 275).

Damit ist für eine fehlende Rechtzeitigkeit in Richtung auf den Zahn 4.8 nichts festzustellen.

Bei der Extraktion des Zahnes 1.7 besteht hingegen die Besonderheit, dass hier der Entschluss zur Extraktion erst im Rahmen der schon begonnenen Behandlung gefallen ist und auch erst fallen konnte. Denn erst nach Behandlungsbeginn wurde ja ersichtlich, dass dieser Zahn nicht mehr - wie geplant - mit einer normalen Füllung versehen werden konnte, sondern entweder der Wurzelkanalbehandlung bedurfte oder eben extrahiert werden musste. Erst nach dieser Feststellung wurde der Kläger - wie schon ausgeführt - hierüber informiert. Für diese Zeit der Information und Entscheidungsfindung war die Behandlung dann unterbrochen.

Nach Auffassung der Kammer genügt es jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein Patient allgemein über die Problematik seines Gebisszustandes informiert ist, wenn die Aufklärung während einer Unterbrechung der Behandlung erfolgt:

Denn Ziel der Aufklärung ist es, dass ein Patient einmal einen hinreichenden Wissensstand für seine Entscheidung hat, und zum anderen, dass er sich frei von Druck entscheiden kann.

Der hinreichende Wissensstand ist hier gegeben. Denn über die grundlegende Situation seines Gebisses war der Kläger schon längere Zeit informiert. Der Zahn 1.7 war auch nicht der erste Zahn, der ihm gezogen wurde (vgl. Klageschrift und MDK-Gutachten in Anl. K 1). Dies hat nach Auffassung der Kammer dazu geführt, dass dem Kläger bewusst war, dass sich im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung unter Umständen auch die Notwendigkeit zum Ziehen eines Zahnes ergeben konnte.

Weiterhin konnte der Kläger zur Überzeugung der Kammer auch frei von Druck entscheiden. Denn er war, was die Kammer aus dem Aufzeigen der Alternativen schließt, sachgerecht informiert worden, so dass die Kammer davon überzeugt ist, dass ihm auch weitere Bedenkzeit gewährt worden wäre, wenn er darum gebeten hätte. Aus der Tatsache, dass er dies nicht getan hat, schließt die Kammer, dass er die ihm angebotene Lösung der Extraktion des Zahnes als richtig akzeptiert hat.

Als dritte Voraussetzung dafür, dass eine so kurzfristige Aufklärung - wie hier - als in zeitlicher Hinsicht noch ausreichend angesehen werden kann, kommt nach Ansicht der Kammer hinzu, dass es sich objektiv um einen Eingriff von geringer Bedeutung und geringem Risiko handeln muss. Diese Voraussetzung ist hier, insbesondere deshalb, weil der Zahn 1.7 ja objektiv gesehen stark vorgeschädigt war, aus Sicht der Kammer gegeben.

4. Wie die Zeuginnen ... und ... bekundet haben, hat der Kläger schließlich jeweils in das Ziehen der Zähne eingewilligt.

II.

Der Kläger ist weiterhin auch sachgerecht behandelt worden.

1. Die Behandlung eines Patienten hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, wobei die Pflicht zur Einhaltung dieser Facharzt-Standards auch gegenüber gesetzlich versicherten Patienten besteht. Auch das sozialrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot oder Probleme der Budgetierung stellen keinen Grund dar, von diesem Maßstab abzuweichen (vgl. hierzu Palandt-Weidenkaff, BGB, 74. Auflage, § 630 a Rn. 10 sowie Laufs- Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage, § 97 Rn. 4,5).

Festzuhalten ist damit aber auch, dass ein Patient ohne besondere Vereinbarung keinen Anspruch auf eine optimale Versorgung, sondern eben nur auf diejenige hat, die allgemeinem Facharzt-Standard entspricht.

Ein ärztlicher Behandlungsfehler liegt also erst vor, wenn dieser Standard unterschritten wird, und eine Verpflichtung des Arztes zum Schadensersatz besteht erst dann, wenn diese Unterschreitung schuldhaft erfolgt.

2. Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen ... ist die Kammer davon überzeugt, dass die von der Beklagten vorgenommene Behandlung den notwendigen zahnärztlichen „Facharzt-Standard“ eingehalten hat:

a) Der Sachverständige hat zunächst ausgeführt (vgl. Bl. 58 d. A.), es habe vorliegend keine Veranlassung bestanden, zeitnahe Röntgenaufnahmen zu fertigen. Die Beklagte habe über Röntgenaufnahmen - allerdings bereits älteren Datums - des betroffenen Bereichs verfügt, so dass ihre notwendigen Grundkenntnisse über die Gebissverhältnisse des Klägers gegeben gewesen seien. Im Fall des Zahnes 1.7 sei die Indikation zur Extraktion dann aufgrund einer objektivierbaren Diagnose, nämlich der Öffnung des Pulpakavums, gestellt worden. Zu dieser Feststellung habe es ohnehin keiner Röntgenaufnahme bedurft.

Bezüglich des Zahnes 4.8 sei die prinzipielle Problematik dieses Zahnes, nämlich die starke mesiale Kippung (Bl. 59 d. A.), aus den früheren Aufnahmen erkennbar gewesen und richtig erkannt worden.

b) Bezüglich des Zahnes 1.7 hat der Sachverständige bestätigt (Bl. 59 f. d. A.), dass der Zahn mittels einer Wurzelkanalbehandlung zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit erhaltungsfähig gewesen wäre. Er hat jedoch weiter dargestellt, dass keine der Voraussetzungen, um diese Behandlung als Kassenleistung abzurechnen, gegeben war und dass außerdem die Behandlung aufgrund des deutlich gekrümmten Wurzelverlaufes schwierig gewesen wäre.

c) Bezüglich des Zahnes 4.8 hat der Sachverständige ausgeführt, dieser sei zu entfernen gewesen, weil er einer Versorgung des betroffenen Kieferbereiches im Wege gestanden habe. Diese sei wegen einer ansonsten bestehenden, erheblichen Beeinträchtigung der Kaufunktion notwendig gewesen (Bl. 94 d. A.) und als Kassenleistung seien weder Implantate noch eine Brückenversorgung möglich gewesen (Bl. 93 f. d. A.). Ein herausnehmbarer Zahnersatz aber wäre bei einer Belassung des Zahnes 4.8 technisch nicht ausführbar gewesen. Daher sei die Entfernung dieses Zahnes notwendig gewesen.

d) Die Kammer ist von der Richtigkeit der Ausführung dieses Sachverständigen überzeugt und macht sie sich nach Prüfung zu eigen:

Der Sachverständige ... hat seine Ergebnisse aus einer ausführlichen Verwertung der Krankenunterlagen sowie aus einer persönlichen Untersuchung des Klägers gezogen. Seine Ausführungen basieren auf gesicherten Erkenntnissen, etwa der Auswertung von Röntgenaufnahmen. Neben der Tatsache, dass dieser Sachverständige der Kammer aus zahlreichen anderen Verfahren als sachkundig und kompetent bekannt ist, bleibt festzuhalten, dass die Ausführungen des Gutachtens aus Sicht der Kammer in sich widerspruchsfrei und jederzeit nachvollziehbar sind. Auch hat der Sachverständige im Rahmen der mündlichen Erörterung die Ergebnisse seines schriftlichen Gutachtens als zutreffend darstellen können; er war darüber hinaus in der Lage, Fragen jederzeit sachgerecht zu beantworten. All dies überzeugt die Kammer von der Sachkunde des Sachverständigen und von der Richtigkeit seiner Ausführungen, die sie sich deshalb wie ausgeführt - zu eigen macht.

3. In rechtlicher Hinsicht liegt der Beklagten damit zur Überzeugung der Kammer weder ein Verstoß noch gar ein schuldhafter Verstoß gegen die notwendige Einhaltung des Facharzt-Standards zur Last:

a) Werden bestimmte, in der Regel weitergehende, Behandlungsleistungen von einer gesetzlichen Kasse nicht vergütet, sondern sind nur im Rahmen einer privatärztlichen Liquidation erhältlich, so hat ein Arzt oder Zahnarzt nach Auffassung der Kammer die Pflicht, einen Patienten hierauf vor Durchführung der entsprechenden Behandlung hinzuweisen. Dies gebietet das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, der gerade aus diesem Grund über die nach der ärztlichen Wissenschaft in Betracht kommenden Behandlungsalternativen zu unterrichten ist. Diese Verpflichtung hat die Beklagte jedoch erfüllt.

b) Die Vornahme ärztlicher Leistungen „nur“ auf dem Niveau kassenärztlicher Versorgung hat jedoch im vorliegenden Fall zur Überzeugung der Kammer die gebotene Einhaltung des Facharztstandards nicht verletzt. Denn dieser Standard gibt dem Kläger - wie ausgeführt - keinen Anspruch auf eine möglichst optimale Behandlung, sondern nur darauf, dass die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen mit einer als sachgerecht anerkannten Art der zahnärztlichen Behandlung beseitigt werden.

Für den Bereich des Zahnes 4.8 bedeutet das für die Kammer - sachverständig beraten -, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, durch geeignete zahnärztliche Maßnahmen einen Erhalt bzw. eine Wiederherstellung der notwendigen Kaufunktion zu bekommen. Wie der Sachverständige, für die Kammer überzeugend, ausgeführt hat, war die Entfernung des stark mesial gekippten Zahnes 4.8 dazu ein gangbarer, sachlich richtiger und anerkannter Weg.

Bezüglich des Zahnes 1.7 war die Gesundheitsstörung in erster Linie in der durch die Schäden dieses Zahnes verursachten Schmerzempfindung zu sehen. Dieser regelwidrige Körperzustand konnte aber (auch) dadurch beseitigt werden, dass der entsprechende Zahn extrahiert wurde. Diese Extraktion war aus fachlicher Sicht auch nicht unverhältnismäßig, denn aufgrund des Schadensumfangs war der weniger wedit gehende Eingriff (nur) einer Füllung nicht mehr gangbar. Die - durchaus komplizierte - Wurzelkanalbehandlung und die Extraktion des Zahnes standen dann, wie der Sachverständige bejaht hat, auf der konkret bereits vorliegenden Schadensstufe beide als fachlich anerkannte Alternativen zur Verfügung.

Damit ist der Anspruch des Klägers auf sachgerechte Versorgung durch die Extraktion des Zahnes durchaus erfüllt worden.

c) Im Übrigen würde nach Auffassung der Kammer jedenfalls ein Verschulden der Beklagten fehlen. Denn ein Arzt oder Zahnarzt bietet seine Leistungen gegen Entgelt an, und nach dem gesetzlichen Maßstab des § 630 a Abs. 1 BGB sind der Patient und ein Dritter (in der Regel die gesetzliche Krankenversicherung) dem Arzt zur Bezahlung der Behandlung verpflichtet. Verweigert - wie hier - der Zahlungspflichtige Dritte in Form einer gesetzlichen Krankenversicherung durch bestimmte Richtlinien die Bezahlung einer bestimmten Form der zahnärztlichen Behandlung, so kann nach Auffassung der Kammer dem ärztlichen oder zahnärztlichen Behandler die Nichtvornahme einer solchen Behandlung jedenfalls dann, wenn wie hier die Nichtzahlung durch den Patienten abzusehen ist, nicht zum Verschulden gereichen. Denn es ist zu bedenken, dass ein Arzt abgesehen von Notfällen - im Rahmen der Vertragsfreiheit die Behandlung auch eines Kassenpatienten grundsätzlich ablehnen kann (vgl. hierzu Laufs- Kern, Handbuch des Arztrechtes, 4. Auflage, § 40 Rn. 3-11 sowie § 7 Abs. 2 der Berufsordnung der Bundesärztekammer - Stand 2011).

B.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 ZPO.

C.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht aus § 709 Sätze 1,2 ZPO.

D.

Der Streitwert wird für den Zeitraum von Verfahrensbeginn bis zum 07.02.2014 auf 5.025,- EUR und für den nachfolgenden Zeitraum auf 4.025,- EUR festgesetzt.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

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(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

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