Bundesgerichtshof Urteil, 18. Nov. 2003 - LwZR 9/03

bei uns veröffentlicht am18.11.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
LwZR 9/03 Verkündet am:
18. November 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Landwirtschaftssache
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche
Verhandlung vom 18. November 2003 durch den Vizepräsidenten des
Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger und
Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen Richter Gose und Rukwied

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung von 75.240,90 für eine Milchquote von 91.974 kg. Zur näheren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des in dieser Sache ergangenen Senatsurteils vom 26. April 2002 (LwZR 18/01) und auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 2003 (2 BvR 949/02) verwiesen.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt hat, hat die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt.
Der Senat hat mit Urteil vom 26. April 2002 unter Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts und Abänderung des Urteils des Amtsgerichts den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Verfassungsbeschwerde des Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Verurteilung ein Marktwert der Milchquote von 1,60 DM/kg zugrunde gelegt worden ist.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 75.240,90 nebst Zinsen zu verurteilen. Der Beklagte war in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten.

Entscheidungsgründe:


Da das Bundesverfassungsgericht das Senatsurteil nur hinsichtlich der Höhe der Verurteilung des Beklagten aufgehoben hat, bleibt es bei der rechtskräftigen Entscheidung, daß der Beklagte der Klägerin Schadenersatz in Höhe des Wertes der ihm bescheinigten Milchquote von 91.974 kg im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrags zahlen muß und ihm kein aufrechenbarer Gegenanspruch zusteht. Zur Höhe hat die Klägerin in der Klageschrift unter Beweisantritt vorgetragen, sie habe die gesamte Milchreferenzmenge zu einem Preis von 1,60 DM/kg verkaufen können. Der Preis sei üblich und angemessen. In der Berufungsbegründung hat sie dargelegt, daß sie von dem Beklagten die Bezahlung für 91.974 kg Milchquote (à 1,60 DM) fordere. Der Beklagte hat demgegenüber in der Berufungserwiderung vorgetragen, daß die Klägerin die ihr bescheinigte Referenzmenge von 40.303 kg "zum Preis von 1,538 DM pro Kilogramm (nicht 1,60 DM/kg, wie sie behauptet) mit Vertrag vom 26.01.1998
an einen Herrn R. W. -R. in W. verkauft hat". Das Bundesverfassungsgericht hat es unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des rechtlichen Gehörs für erforderlich gehalten, dieses Bestreiten einer nicht aufgestellten und für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblichen, weil nicht die streitige Referenzmenge betreffenden, Behauptung als erheblich gegenüber dem behaupteten Verkehrswert der streitigen Referenzmenge von 91.974 kg anzusehen. Mithin sind zu dieser Behauptung nunmehr die angebotenen Beweise zu erheben.
Wenzel Krüger Lemke

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Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2002 - LwZR 18/01

bei uns veröffentlicht am 26.04.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL LwZR 18/01 Verkündet am: 26. April 2002 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtsc

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
LwZR 18/01 Verkündet am:
26. April 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche
Verhandlung vom 26. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke sowie die ehrenamtlichen
Richter Siebers und Gose

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 10. Zivilsenats - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 7. Juni 2001 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Oldenburg vom 1. Juni 1999 abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 75.240,90 ? nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Januar 1999 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin und ihr 1996 aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben ausgeschiedener Ehemann pachteten mit Vertrag vom 14. Dezember 1972 von dem Beklagten dessen Hof "Sch. ". Nach Vertragsablauf vereinbarten sie mit Vertrag vom 8. August 1985 ein Anschlußpachtverhältnis für die Dauer vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Dezember 1997.

Die Pächter betrieben auf dem Hof sowie auf eigenen und anderweit hinzugepachteten Flächen Milchwirtschaft. Für den Gesamtbetrieb war seit April 1987 eine Quote von 132.309 kg zugeteilt. Mit schriftlichem Zusatzvertrag vom 14. August 1985 trafen die Pächter mit dem Beklagten u.a. folgende Regelung :
"Auf diesem Hof und den weiter dazugepachteten Flächen erwirtschaftete der Pächter die ihm zugeteilte Milchquote von ... kg. Sollte sich bis zum Ablauf des Pachtvertrages im Jahre 1997 die MGVO BGBl I 1984 S. 1434 dahingehend ändern, daß das Bewirtschafterprinzip angewendet werden kann, so bin ich, H. M. , bereit, Herrn E. B. beim Abzug vom Hof die Mitnahme von 100.000 kg ohne irgendwelche Auflagen zu bewilligen." Dazu behauptet die Klägerin, man sei sich darüber einig gewesen, daß ihr und ihrem Mann als Pächtern der wirtschaftliche Vorteil aus dem Aufbau der Milchquote zustehen sollte. Der Quotenübergang sei in der Zusatzvereinbarung vereinbart worden, weil die Vertragsparteien davon ausgegangen seien, daß in naher Zukunft die Flächenbindung der Quote zugunsten des Bewirtschafterprinzips aufgegeben werde.
Nach Beendigung des Pachtvertrages wurde der Klägerin entsprechend der Flächenaufteilung eine Milchquote von 40.303 kg bescheinigt, die sie wegen Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit verkaufte. Dem Beklagten wurde mit Bescheid vom 12. November 1997 ein Referenzmengenübergang von 91.974 kg bestätigt. Hieraus leitet die Klägerin einen Schadenersatzanspruch von 1,60 DM/kg ab, den sie mit der Klage verfolgt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin als Beschwerde behandelt und in der Sache zum Nachteil der Klägerin entschieden, weil der geltend gemachte Anspruch gemäû § 551b BGB verjährt sei. Der Senat hat durch Urteil vom 22. November 2000 (LwZR 12/00, RdL 2001, 81) den Rechtsstreit in das streitige Verfahren zurückgeführt , die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt ist.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre erneute Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.

Entscheidungsgründe:

I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts soll der Beklagte aus der Vereinbarung vom 14. August 1985 zur Übertragung der Milchquote nicht nur dann verpflichtet gewesen sein, wenn in Umkehrung der bis dahin bestehenden Rechtslage das Bewirtschafterprinzip eingeführt wurde, sondern auch bereits dann, wenn bei Pachtende eine flächenungebundene Übertragung rechtlich möglich war. Letzteres sei nach § 7 Abs. 2a Milch-GarantiemengenVerordnung (MGV) vom 25. März 1994 (BGBl. I S. 587) grundsätzlich der Fall gewesen. Gleichwohl sei der Übertragungsanspruch nicht entstanden, weil die Klägerin mit dem Ablauf des Pachtverhältnisses ihre Tätigkeit in der Landwirtschaft aufgegeben und keine Milchwirtschaft mehr betrieben habe. Durch die
am 1. April 2000 in Kraft getretene Zusatzabgabenverordnung vom 12. Januar 2000 (BGBl. I S. 27) sei die Übertragbarkeit der Milchquote insgesamt entfallen. Wertersatz könne die Klägerin nicht verlangen.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Allerdings legt das Berufungsgericht die Vereinbarung vom 14. August 1985 zutreffend dahin aus, daû der Anspruch auf Übertragung der Milchquote grundsätzlich bereits dann begründet war, wenn ihre flächenungebundene Übertragung bei Beendigung des Pachtverhältnisses zulässig war. Richtig ist auch, daû diese Voraussetzung der Übertragungspflicht vorlag (§ 7 Abs. 2a MGV).
2. Ebenfalls zu Recht bejaht das Berufungsgericht die Aktivlegitimation der Klägerin. Seine dahingehende Auslegung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
3. Rechtlich nicht haltbar ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts , die Klägerin könne die Übertragung der Milchquote nicht verlangen, weil sie mit Beendigung des Pachtverhältnisses die Milchwirtschaft aufgegeben habe. Wenn auch die tatrichterliche Auslegung einer Individualvereinbarung vom Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang überprüft werden kann (vgl. nur BGH, Urt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, WM 2002, 598, 599), erstreckt sich die Nachprüfung jedenfalls darauf, ob alle Auslegungsmöglichkeiten in
Betracht gezogen worden sind (BGH, Urt. v. 19. September 1995, VI ZR 226/94, VersR 1996, 380). Insoweit rügt die Revision mit Erfolg, daû das Berufungsgericht eine naheliegende Auslegung der Vereinbarung nicht bedacht hat. Es hat nämlich ausschlieûlich die Frage der Übertragbarkeit der Milchquote auf die Klägerin geprüft und dabei zutreffend erkannt, daû die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2a Satz 3 Nr. 1 und 2 MGV nicht vorlagen; aber es hat nicht die Möglichkeit der Auslegung der Vereinbarung dahin erkannt, daû die Klägerin die Übertragung der Milchquote auf einen anderen Milcherzeuger verlangen konnte. Diese Auslegung kann der Senat jetzt nachholen, denn weitere tatsächliche Feststellungen sind dafür nicht zu erwarten und auch nicht erforderlich.
Der Beklagte hat sich in der Vereinbarung vom 14. August 1985 verpflichtet , "beim Abzug vom Hof" die Mitnahme einer Milchquote von 100.000 kg zu bewilligen. Nun war aber bereits bei Abschluû dieser Vereinbarung aufgrund des Alters der Klägerin und ihres Ehemannes absehbar, daû beide spätestens nach Beendigung des Pachtverhältnisses die Landwirtschaft aufgeben würden. Damit kam eine "Mitnahme" der Milchquote in dem Sinne, daû die Klägerin und ihr Ehemann weiter Milch erzeugen würden, ohnehin nicht in Betracht. Das gilt unabhängig davon, ob das Entstehen des Übertragungsanspruchs von der Einführung eines "Bewirtschafterprinzips", wie es die Vertragsparteien erwartet hatten, oder von der Möglichkeit einer flächenungebundenen Übertragung abhängig sein sollte. Unter Beachtung des Gebots der interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urt. v. 1. Oktober 1999, V ZR 168/98, WM 1999, 2513, 2514; Senatsurt. v. 16. Juni 2000, LwZR 13/99, WM 2000, 1764) kann der wirtschaftliche Sinn der Vereinbarung deswegen nur darin liegen, daû der Klägerin und ihrem Ehemann die Möglichkeit eröffnet
werden sollte, die von ihnen erarbeitete Milchquote durch Übertragung an Dritte zu verwerten. Demgegenüber führt die Auffassung des Berufungsgerichts dazu, daû der Beklagte, der keine Landwirtschaft betreibt, die Milchquote verwerten kann, obwohl er sie nicht erwirtschaftet hat. Das läût das Interesse der Klägerin und ihres Ehemannes, wie es in der Vereinbarung zum Ausdruck gekommen ist, in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise auûer acht.
Nach alledem ergibt die Auslegung der Vereinbarung, daû die Klägerin die von dem Beklagten zu übertragende Milchquote verkaufen und von ihm deren Übertragung unmittelbar an den Käufer verlangen konnte.
4. Da die Möglichkeit der flächenungebundenen Übertragung der Milchquote seit dem 1. April 2000 nicht mehr besteht (§ 30 ZusatzabgabenVO), hat der Beklagte der Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB a.F. Schadenersatz zu leisten. Dessen Höhe bemiût sich nach dem Preis, den die Klägerin für den Verkauf der Quote erzielt hätte.

a) Der Beklagte muûte eine Quote von 91.974 kg übertragen. Sein Einwand , nach der Vereinbarung habe die Klägerin lediglich einen Anspruch auf eine Gesamtquote von 100.000 kg, von der sie 40.303 kg bereits erhalten habe , ist nicht begründet. Die Übertragungspflicht des Beklagten kann sich nur auf die Referenzmenge beziehen, die bei Beendigung des Pachtverhältnisses auf ihn übergegangen ist. Die auf das Eigenland der Klägerin und ihres Ehemannes entfallende Menge konnte gar nicht auf den Beklagten übergehen, sondern verblieb bei ihnen. Diesen Anteil konnte der Beklagte somit von vornherein nicht auf die Klägerin übertragen. Er ist deswegen nicht von der Quote abzuziehen.


b) Die Menge wird auch nicht etwa dadurch reduziert, daû die Klägerin in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19. März 1999 vorgetragen hat, daû "restliche 32.500 kg" dem Beklagten verbleiben sollten. Mag es sich dabei auch um ein gerichtliches Geständnis handeln, an das die Klägerin nach § 532 ZPO a.F. gebunden wäre. Entscheidend ist jedoch, daû der Beklagte nicht behauptet hat, daû ihm von der Quote, die auf seine an die Klägerin und ihren Ehemann verpachteten Flächen entfiel, auf jeden Fall ein Teil von 32.500 kg verbleiben sollte; vielmehr sollte das nur dann gelten, wenn diese Quote 132.500 kg betrug. Allenfalls das hat die Klägerin zugestanden. Da die auf die Flächen des Beklagten entfallende Quote bei Beendigung des Pachtverhältnisses jedoch nur 91.974 kg betrug, gibt es gar keine "restlichen 32.500 kg", die bei dem Beklagten verbleiben könnten.

c) Als von der Klägerin zu erzielender Verkaufspreis sind 1,60 DM/kg anzusetzen. Diesen Betrag hat der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten. Da er die erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung mit einem Betrag von 64.484,80 DM in der Berufungsinstanz auch nicht aufrechterhalten hat, ist die Klageforderung in voller Höhe begründet.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Lemke