Bundesgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2003 - II ZR 7/01

bei uns veröffentlicht am20.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 7/01 Verkündet am:
20. Oktober 2003
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 20. Oktober 2003 durch die Richter Prof. Dr. Goette,
Dr. Kurzwelly, Kraemer, Münke und Dr. Gehrlein

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. November 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt den Beklagten auf Auszahlung eines Abfindungsguthabens in Anspruch.
Der Beklagte ist mit Wirkung vom 27. Januar 1993 in die seit 1977 bestehende und von dem Kläger mit aufgebaute urologische Gemeinschaftspraxis eingetreten und hat seitdem seinen Beruf gemeinsam mit dem Kläger ausgeübt. Dieser erlitt am 28. August 1995 einen Bandscheibenvorfall und war seit dieser
Zeit dienstunfähig. Von der in § 9 des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Möglichkeit, einen Vertreter einzustellen, machte der Beklagte keinen Gebrauch , sondern vertrat den Kläger in der Folgezeit selbst. Nach § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages hat im Falle einer länger als sechs Monate dauernden Erkrankung eines Partners der andere Teil das Recht, eine Änderung der Gewinnverteilung zu verlangen. Entsprechend dieser Bestimmung einigten sich die Parteien im Februar 1996 darauf, daß ab 1. März 1996 der gesamte Praxisgewinn dem Beklagten zustehen sollte. Zur gleichen Zeit war dem Kläger auf seinen Antrag von der Bayerischen Ärzteversorgung wegen vorübergehender Berufsunfähigkeit ab 28. Februar 1996 Ruhegeld bewilligt worden. Da sich aus der Sicht der bewilligenden Stelle eine dauernde Berufsunfähigkeit im Februar 1996 noch nicht feststellen ließ, wurde die Ruhegeldzahlung auf ein Jahr befristet und dem Kläger anheimgestellt, zu gegebener Zeit seine fortdauernde Berufsunfähigkeit durch Vorlage ärztlicher Gutachten nachzuweisen. Dieser Aufforderung kam der Kläger im darauffolgenden Jahr nach, woraufhin ihm die Bayerische Ärzteversorgung mit Schreiben vom 23. Mai 1997 die Zahlung eines nicht mehr befristeten Ruhegeldes wegen dauernder Berufsunfähigkeit unter der Bedingung bewilligte, daß er seine gesamte berufliche Tätigkeit aufgebe und abmelde. Im Anschluß an ein vorangegangenes Telefonat teilte der Kläger dem Beklagten unter dem 22. Juli 1997 mit, er beabsichtige aus der Gemeinschaftspraxis auszuscheiden, sein Vertragsarztsitz werde ausgeschrieben und nach den entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen biete er ihm an, ihm diese Kassenarztzulassung zur Verfügung zu stellen. Seine kassenärztliche Zulassung wurde dem Kläger am 28. Februar 1998 entzogen.
Der Kläger, der meint, zum 1. März 1996 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden zu sein, fordert das ihm zu diesem Stichtag zustehende Abfindungsguthaben , welches er auf 300.000,00 DM beziffert. Nach Ansicht des Be-
klagten ist der Kläger dagegen erst am 28. Februar 1998 mit der Entziehung der Kassenarztzulassung aus der Gesellschaft ausgeschieden. Bezogen auf diesen Tag sei jedenfalls ein ausgleichspflichtiger Goodwill der Praxis nicht mehr vorhanden gewesen.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 185.200,00 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 1. März 1997 stattgegeben, wobei es von einem Ausscheiden des Klägers zum Ende des Monats Juli 1997 (Zugang des Schreibens des Klägers vom 22. Juli 1997) ausgegangen ist. Das Oberlandesgericht hat dem Kläger 156.171,50 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 1. März 1997 zuerkannt und den 1. März 1996 als maßgeblichen Stichtag angesehen.
Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
I. Das Berufungsgericht meint, die Parteien hätten sich hinsichtlich des Zeitpunkts des Ausscheidens des Klägers aus der Gesellschaft auf den 1. März 1996 geeinigt. Das ergebe sich daraus, daß dem Kläger ab diesem Zeitpunkt vereinbarungsgemäß keine Beteiligung am Ergebnis der Praxis mehr habe zustehen sollen. Von einem Ausscheiden des Klägers zum 1. März 1996 sei hiervon unabhängig aber auch aufgrund von § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages auszugehen, weil die Zahlung eines Ruhegeldes wegen Berufsunfä-
higkeit als sonstiger Ausscheidensgrund im Sinne dieser Regelung zu werten sei.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sie auf der Außerachtlassung wesentlichen Auslegungsstoffs und Verstößen gegen den Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung beruht.
II. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß für die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters grundsätzlich der Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft maßgebend ist, soweit sich nicht aus Gesetz oder Gesellschaftsvertrag etwas Abweichendes ergibt (Sen.Urt. v. 25. März 1965 - II ZR 148/62, BB 1965, 844, 845). Eine abweichende Regelung ergibt sich hier weder aus dem Gesetz noch aus dem Gesellschaftsvertrag , der in § 11 Abs. 3 Satz 2 für die einjährige Frist zur Auszahlung des Abfindungsguthabens ausdrücklich an den Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters anknüpft.
2. Eine ausdrückliche Vereinbarung über ein Ausscheiden des Klägers zu einem bestimmten Zeitpunkt haben die Parteien unstreitig nicht getroffen.
Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht aus der Vereinbarung der Parteien über die Gewinnbeteiligung ab 1. März 1996 zugleich auf eine stillschweigende Einigung über das Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt geschlossen hat. Zwar obliegt die Auslegung des schlüssigen Verhaltens der Parteien - ebenso wie die ausdrücklicher Willenserklärungen - dem Tatrichter (vgl. etwa BGH, Urt. v. 29. März 1990 - IX ZR 134/89, ZIP 1990, 796, 797). Das Revisionsgericht prüft jedoch nach,
ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln (einschließlich des Grundsatzes einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung), Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (ständ. Rspr., vgl. zuletzt Senat, Urt. v. 4. November 2002 - II ZR 287/01, DStR 2003, 563 f. m.w.N.). Danach erweist sich die Auslegung des Berufungsgerichts als fehlerhaft.
Das Berufungsgericht hat wesentlichen Auslegungsstoff außer acht gelassen. Es hat im Zusammenhang mit der Frage einer konkludenten Ausscheidensvereinbarung das Schreiben des Klägers vom 22. Juli 1997 nicht berücksichtigt. Aus dem Schreiben ergibt sich, daß der Kläger trotz Wegfalls seiner Ergebnisbeteiligung und trotz seiner inzwischen als dauerhaft anerkannten Berufsunfähigkeit von seiner nach wie vor bestehenden Gesellschaftsbeteiligung ausging. Sein in diesem Schreiben zum Ausdruck kommender Wille, erst künftig aus der Gesellschaft auszuscheiden, steht in durch das Berufungsgericht nicht aufgelöstem Widerspruch zur Annahme eines auf ein Ausscheiden zum 1. März 1996 zielenden konkludenten Verhaltens des Klägers. Ferner hat das Berufungsgericht die Regelung des § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages nicht in seine Erwägungen einbezogen, wonach im Falle einer länger als sechs Monate andauernden Erkrankung eines Partners der andere Partner berechtigt ist, eine Änderung der Gewinnverteilung zu verlangen, ohne daß damit ein Ausscheiden eines Gesellschafters oder die Auflösung der Gesellschaft verbunden wäre. Mehr als eine solche Änderung der Gewinnverteilung, die den zu diesem Zeitpunkt geleisteten Tätigkeitsbeiträgen der Gesellschafter entsprach, ist dem Inhalt der von den Parteien genau sechs Monate nach der Erkrankung des Klägers ausdrücklich getroffenen Vereinbarung nicht zu entnehmen. Hieraus kann daher auch nicht auf einen weitergehenden Willen der Parteien geschlossen werden.

Soweit das Berufungsgericht unter Berufung auf den von ihm angehörten , vom Landgericht mit der Ermittlung des Praxiswertes beauftragten Sachverständigen meint, es sei "äußerst ungewöhnlich", wenn die Parteien trotz fehlender Ergebnisbeteiligung einen Verbleib des Klägers in der Gesellschaft gewollt hätten, ist diese Einschätzung nicht auf tatsächliche Feststellungen gegründet und mit dem Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung nicht zu vereinbaren. Nicht der (vorläufige) Verbleib, sondern im Gegenteil die Annahme einer im Februar/März 1996 konkludent getroffenen, auf das endgültige Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft zielenden Vereinbarung ist als äußerst ungewöhnlich und lebensfremd anzusehen. Dem Interesse des Klägers entsprach es nämlich nicht, sich im Februar/März 1996 mit dem Beklagten auf ein endgültiges Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis zu verständigen. Der Kläger wäre vielmehr ohne nachvollziehbaren Grund ein für ihn zu dieser Zeit unüberschaubares Risiko eingegangen, wenn er vor dem Hintergrund seiner unsicheren Versorgungslage - nach dem Bescheid der Bayerischen Ärzteversorgung vom 29. Februar 1996 war seine Berufsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt als lediglich vorübergehend eingestuft und die Zahlung des Ruhegeldes auf ein Jahr befristet worden - zum 1. März 1996 aus der Gesellschaft hätte ausscheiden wollen. Bei einer Besserung seines Gesundheitszustandes, die jedenfalls nach den bisher getroffenen Feststellungen zu diesem Zeitpunkt nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, hätte er seine Tätigkeit in der Praxis - evtl. eingeschränkt - wieder aufnehmen können mit der Folge, daß eine Weiterzahlung von Ruhegeld ganz oder in der bisherigen Höhe ausschied. Bei interessengerechter Auslegung ist anzunehmen, daß der Kläger korrespondierend mit dem vorläufigen und befristeten Bezug des Ruhegeldes zunächst auch nur vorläufig und befristet seine Tätigkeit in der Praxis einstellen wollte und dementspre-
chend lediglich auf seine Ergebnisbeteiligung im Einklang mit der Regelung des § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages verzichtet hat.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht daraus, daß der Beklagte in der seit Anfang 1996 an die Patienten verteilten "Sprechzeitenkarte" den Namen des Klägers weggelassen und den Kläger gegenüber der Versicherung als "seit Februar 96" ausgeschieden gemeldet hat. Das Berufungsgericht hat diese seiner Ansicht nach für ein Ausscheiden des Klägers zum 1. März 1996 sprechenden Indizien einseitig gewürdigt und ihnen ein - nach ihrer Ambivalenz - unangemessen hohes Gewicht beigemessen, dabei aber gegenteilige Anzeichen - dazu gehört etwa das auf die Gemeinschaftspraxis hinweisende Schild und der Umstand, daß der Kläger sogar über den 28. Februar 1998 hinaus Partei des Mietvertrages über die Praxisräume war - nicht berücksichtigt. Das Berufungsgericht hat schon nicht beachtet , daß es sich bei den von ihm zu Lasten des Klägers gewürdigten Umständen um einseitige Akte des Beklagten gehandelt hat, die keinen Rückschluß darauf zulassen, daß der Kläger mit ihnen einverstanden war und damit seinen Willen hat zum Ausdruck bringen wollen, bereits zum 1. März 1996 aus der Gemeinschaftspraxis auszuscheiden. Verfehlt ist die Würdigung aber auch deswegen, weil die Maßnahmen des Beklagten nicht endgültiger Natur waren, vielmehr jederzeit - sobald der Kläger seine ärztliche Tätigkeit in der Praxis wieder aufnahm - rückgängig zu machen waren.
3. Soweit das Berufungsgericht im Beginn der Ruhegeldzahlung einen sonstigen Grund für ein automatisches Ausscheiden des Klägers i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages sieht und hiermit seine Entscheidung hinsichtlich des Ausscheidens zum 1. März 1996 ergänzend begründet, erweist sich seine Auslegung der gesellschaftsvertraglichen Regelung bei Anlegung
des oben dargestellten revisionsrechtlich relevanten Prüfungsmaßstabes ebenfalls als fehlerhaft. Um den Interessen der Parteien des Gesellschaftsvertrages gerecht zu werden, kann als sonstiger, zum unmittelbaren Ausscheiden eines Gesellschafters führender Grund nur eine dauernde, vom Versorgungsträger als solche anerkannte, die künftige Mitarbeit des Klägers in der Gemeinschaftspraxis schlechthin ausschließende Berufsunfähigkeit, nicht hingegen die vorläufige Zahlung eines Ruhegeldes für einen befristeten Zeitraum angesehen werden. Schon aus der Aufzählung in § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages ("Kündigung, Tod oder aus sonstigen Gründen") folgt, daß ein automatisches Ausscheiden aus der Gesellschaft mitsamt seinen weitreichenden und schwerwiegenden Konsequenzen für den ausscheidenden, wie auch den die Praxis fortführenden Partner - außer auf einer bewußten Willensentscheidung (Kündigung) des Ausscheidenden - nur auf dem Eintritt eines endgültigen Ereignisses beruhen kann, welches eine weitere Tätigkeit als Gesellschafter in der Praxis definitiv ausschließt. Hierunter fällt eine die Berufsausübung nur vorübergehend unmöglich machende Erkrankung nicht.
4. Ein Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft aus sonstigem Grund i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages ist jedoch für den Zeitpunkt anzunehmen, zu dem die Parteien Kenntnis davon erlangten, daß der Kläger nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft berufsunfähig ist. Dauernde Berufsunfähigkeit, wie sie dem Kläger durch den Bescheid der Bayerischen Ärzteversorgung vom 23. Mai 1997 attestiert wurde, ist ein Ereignis, das aus der Sicht beider Parteien eine Tätigkeit des Klägers in der gemeinsamen Praxis endgültig ausschloß. Wann die Parteien Kenntnis von der dauernden Berufsunfähigkeit des Klägers erhielten, ist nicht festgestellt, so daß dem Senat eine Entscheidung in der Sache nicht möglich ist.
III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die notwendigen Feststellungen zu dem nach den oben dargestellten Grundsätzen zu ermittelnden Abfindungsstichtag sowie dem Praxiswert zu diesem Tag treffen kann. Das Berufungsgericht erhält damit zugleich Gelegenheit, seine Zinsschätzung sowie seine Ausführungen zur Berücksichtigung des von der Gesellschaft geleasten Ultraschallgeräts bei der Ermittlung des Praxiswerts zu überprüfen und ggf. die von dem Sachverständigen insoweit im Berufungstermin vorgelegte "Neuberechnung Ultraschallgerät" in seine Entscheidung einzubeziehen.
Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, daß bezüglich der Höhe des zu ermittelnden Abfindungsbetrages von der Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages auszugehen ist. Danach stellt sich das Abfindungsguthaben als Anteil an der von einem anerkannten Gutachter ermittelten Summe aus dem materiellen Praxiswert (Praxisgegenstände ) und dem Goodwill der Praxis dar. Die Ansicht der Revision, dem Kläger stehe ein Anteil am Goodwill der Praxis nicht zu, weil sich ein auf seiner Tätigkeit beruhender Praxiswert nach den Ausführungen des Sachverständigen schon zum 1. März 1996 und erst recht ab 1997 weitgehend "verflüchtigt" habe, findet in den genannten Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages keine Stütze. Danach kommt es - entgegen der Ansicht der Revision, die zu Unrecht dem Wort "übernehmen" maßgebliche Bedeutung beimessen will - nicht darauf an, ob einer der Partner mehr zu diesem Wert beigetragen hat als der andere; vielmehr bestimmt § 11 Abs. 3 Satz 2 zweifelsfrei, daß der verbleibende Partner dem ausscheidenden Gesellschafter, bezogen auf den maßgebenden Stichtag,
den anteiligen, hier also hälftigen Betrag des Gesamtwertes der bis zum Ausscheiden bestehenden Gemeinschaftspraxis auszuzahlen hat.
Goette Kurzwelly Kraemer
Münke Gehrlein

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. Nov. 2002 - II ZR 287/01

bei uns veröffentlicht am 04.11.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 287/01 Verkündet am: 4. November 2002 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshof

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 287/01 Verkündet am:
4. November 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 28. September 2001 und der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 18. Januar 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte erwarb an der G. H. GmbH & Co. Produktions KG sowie an deren Komplementär-GmbH mit Vertrag vom 6. Februar 1992 Unterbeteiligungen von je 8,218 %.
Der Unterbeteiligungsvertrag verweist in § 5 bezüglich des Abfindungsanspruchs im Falle des Ausscheidens auf die entsprechenden Regelungen in § 19 des KG- bzw. § 14 des GmbH-Vertrages, welche jeweils in Ziffer 1 und 3 - nahezu wortgleich - bestimmen, daß zur Ermittlung des Abfindungsguthabens (bzw. der Abfindungsschuld) eine Abschichtungsbilanz aufzustellen ist und in diese sämtliche Vermögenswerte und -schulden mit den vermögensteuerrechtlichen Ansätzen nach dem Bewertungsgesetz einzustellen sind.
Mit Vertrag vom 2. Januar 1992 hatte die Beklagte der Klägerin eine dort als "atypische Unterbeteiligung" bezeichnete hälftige Beteiligung an ihren zukünftigen (Unter-)Anteilen an den eingangs genannten Gesellschaften eingeräumt. Die Abfindungsregelung in diesem Vertragswerk findet sich in § 8 und lautet:
"(1) Bei Beendigung der Unterbeteiligung steht der Unterbeteiligten ein Abfindungsguthaben zu, das dem Buchwert des Anteils der Unterbeteiligten (Summe sämtlicher für ihn im Rahmen der Unterbeteiligung geführter Konten) zuzüglich seines (richtig: ihres) Anteils an den stillen Reserven der Innengesellschaft entspricht. Die stillen Reserven der Innengesellschaft entsprechen dem Anteil an den stillen Reserven der Hauptgesellschaft , auf die die Hauptunterbeteiligte bei ihrem Ausscheiden aus der Hauptgesellschaft im Zeitpunkt der Beendigung der Unterbeteiligung Anspruch hätte. Ergibt sich ein negativer Saldo, so ist dieser nur insoweit auszugleichen, als er auf einem negativen Saldo des Privatkontos beruht.
(2) Zur Ermittlung der stillen Reserven der Innengesellschaft ist zum Zeitpunkt der Beendigung der Unterbeteiligung eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, in der die stillen Reserven der Innengesellschaft nach den gleichen Kriterien zu ermitteln sind, wie sie im Gesellschaftsvertrag der Hauptgesell- schaft für das Ausscheiden des Hauptgesellschafters zu ermitteln sind. (...)."
Ferner ist in § 12 Abs. 3 des Vertrages vom 2. Januar 1992 bestimmt:
"Sollte zwischen den Rechten und Pflichten der Hauptunterbeteiligten aus ihrer Beteiligung an der Hauptgesellschaft und den Bestimmungen des Unterbeteiligungsvertrages ein Widerspruch bestehen oder entstehen, so ist der Unterbeteiligungsvertrag so anzupassen , daß er mit den für die Hauptgesellschaft geltenden Bestimmungen übereinstimmt."
Mit Schreiben vom 26. Juni 1995 kündigte die Beklagte den Vertrag vom 2. Januar 1992 zum 31. Dezember 1995. Sie ermittelte die der Klägerin zustehende Abfindung zunächst mit 102.247,00 DM und zahlte hierauf 57.273,44 DM. Weitere Zahlungen erfolgten nicht, da die Beklagte später unter Berücksichtigung eines durch buchmäßige Überbewertungen entstandenen Abschichtungsminderwertes eine Abfindung von nur noch 53.751,68 DM errechnete.
Die Klägerin, die mit ihrer Klage neben verschiedenen Auskünften eine weitergehende Zahlung der Beklagten begehrt, geht dagegen von einem Abfin-
dungsanspruch von mindestens 161.595,35 DM (ohne Berücksichtigung etwai- ger stiller Reserven) aus.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil zur Zahlung von 107.370,13 DM nebst Zinsen verurteilt und sich die übrigen Entscheidungen vorbehalten. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und überdies im Tenor festgestellt, daß die Klägerin nach dem Buchwert ihrer Unterbeteiligung zuzüglich des auf sie entfallenden Anteils an etwaigen stillen Reserven abzufinden ist.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Soweit das Berufungsgericht die Bestimmungen des zwischen den Parteien geschlossenen atypischen Unterbeteiligungsvertrages vom 2. Januar 1992 dahingehend ausgelegt hat, daß ein eventueller Abschichtungsminderwert bei der Berechnung der klägerischen Abfindung keine Berücksichtigung finden könne, hält dies revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat dabei zunächst die die Abfindung der ausscheidenden Klägerin betreffende Regelung in § 8 Abs. 1 des Vertrages vom 2. Januar 1992 so verstanden, daß der sich aus dem anteiligen Buchwert ergebende Anspruch durch etwa vorhandene stille Reserven - die ihrer Definition nach stets eine positive Differenz zwischen dem wahren und dem in der Bilanz
angesetzten (Buch-)Wert darstellten - ausschließlich erhöht werden könne. Dementsprechend sei im Vertrag auch von einem Anspruch auf stille Reserven die Rede.
Lediglich hinsichtlich der Ermittlung der Höhe der stillen Reserven werde in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag auf § 19 des KG-Vertrages Bezug genommen.
Diese Auslegung ist - wie die Revision mit Recht rügt - nicht frei von Rechtsfehlern.

b) Allerdings ist die Auslegung eines Individualvertrages wie des vorliegenden grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsgericht prüft nur nach, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen wurde (st. Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 3. April 2000 - II ZR 194/98, WM 2000, 1195, 1196 m.w.N.).
Dabei hat die Auslegung in erster Linie von dem von den Parteien gewählten Wortlaut und dem diesem zu entnehmenden objektiven Parteiwillen auszugehen und diesen gegebenenfalls nach dem zu den allgemeinen Auslegungsregeln zählenden Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung auf einen vertretbaren Sinn zurückzuführen. Der Tatrichter hat in diesem Zusammenhang alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend zu würdigen und seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darzulegen. Zumindest die wichtigsten für und gegen eine bestimmte Auslegung sprechenden Umstände sind in ihrer Bedeutung für das Auslegungsergebnis zu erörtern und gegeneinander abzuwägen (st. Rspr., vgl.
BGH, Urt. v. 16. Oktober 1991 - VIII ZR 140/90, NJW 1992, 170; Sen.Urt. aaO, je m.w.N.).

c) Bereits aus Wortlaut und Aufbau des § 8 des atypischen (Unter-) Unterbeteiligungsvertrages folgt, daß die Parteien hinsichtlich der Abfindungsregelung eine enge Anlehnung an den (Haupt-)Unterbeteiligungsvertrag der Beklagten bzw. an die Gesellschaftsverträge beabsichtigten. So stellt § 8 Abs. 1 Satz 2 hinsichtlich der in Ergänzung zum reinen Buchwert zu berücksichtigenden stillen Reserven die Parallele zum entsprechenden Anspruch der Beklagten im Falle ihres Ausscheidens her. Nach § 5 des (Haupt-)Unterbeteiligungsvertrages in Verbindung mit §§ 19 bzw. 14 des KG- bzw. GmbH-Vertrages muß dies jedoch gerade nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung des Abfindungsanspruchs führen, sondern kann diesen auch mindern, wenn nämlich die bilanzmäßig erfaßten Buchwerte die tatsächlichen Verkehrswerte einzelner Positionen des Gesellschaftsvermögens übersteigen. Der Wille der Beteiligten, die Ermittlung dieser Position des Abfindungsanspruchs der Klägerin nach den Regeln der Gesellschaftsverträge vorzunehmen, tritt zudem besonders deutlich in § 8 Abs. 2 hervor. Soweit dort stets von "stillen Reserven" die Rede ist und diese grundsätzlich als positive Differenz zwischen Buchwert und tatsächlichem Wert zu verstehen sind, vermag dies nichts daran zu ändern, daß sich nach den in Bezug genommenen, sprachlich und inhaltlich eindeutigen Bestimmungen der Gesellschaftsverträge, die den Parteien bei Unterzeichnung des Vertrages bekannt waren (vgl. Abs. 2 der Präambel des Vertrages vom 2. Januar 1992), auch ein Abschichtungsminderwert ergeben kann.
Dies gilt um so mehr als auch die in § 12 Abs. 3 getroffene Vereinbarung herangezogen werden muß, die das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat. Daraus erschließt sich endgültig der Wille der Parteien, die Rechte und Pflich-
ten der Klägerin aus dem (Unter-)Unterbeteiligungsvertrag ebenso auszugestalten , wie diejenigen der Beklagten aus dem (Haupt-)Unterbeteiligungsvertrag. Es erscheint nicht zuletzt lebensfremd anzunehmen, die Beklagte habe in dem (Unter-)Unterbeteiligungsvertrag in Kenntnis sämtlicher Verträge, also sehenden Auges, die Klägerin im Falle ihres Ausscheidens besser stellen wollen , als sie selbst bei Beendigung ihres Unterbeteiligungsverhältnisses stünde.
2. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat trotzdem nicht möglich. Vielmehr ist die Sache unmittelbar an das Landgericht zurückzuverweisen. Es fehlt schon an vollständigen Feststellungen zu den im Rahmen der Berechnung der klägerischen Abfindung zu berücksichtigenden Einzelpositionen , insbesondere den fraglichen stillen Reserven bzw. Bilanzüberbewertungen.
Da die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, wonach ein eventueller Abschichtungsminderwert bei der Ermittlung des klägerischen Abfindungsanspruchs nicht zu berücksichtigen sei, nicht haltbar ist, ist die im Berufungsurteil tenorierte Zwischenfeststellung unzutreffend. Damit stellt die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung ein unzulässiges Teilurteil dar.
Ein Teilurteil kann nach § 301 ZPO u.a. dann erlassen werden, wenn die Sache nur hinsichtlich eines von mehreren gehäuften Ansprüchen zur Entscheidung reif ist und eine Unabhängigkeit von der Entscheidung über den Rest besteht, d.h. die Gefahr widersprechender Entscheidungen, auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, ausgeschlossen ist (st. Rspr., vgl. BGHZ 120, 376, 38 m.w.N.). Ein Teilurteil ist daher schon dann unzulässig, wenn sich durch die bloße Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug die Gefahr widersprechender Entscheidungen er-
geben kann (BGH, Urt. v. 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035). Das ist hier der Fall, weil bei einer abschließenden Entscheidung über die der Klägerin zustehende Abfindung die Berechnungsgrundlagen zu klären gewesen wären und bei abweichender Beurteilung die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bestanden hätte.
Der von der Revision gerügte Erlaß des unzulässigen Teilurteils durch das Landgericht stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 539 ZPO a.F. dar, aufgrund dessen das Berufungsgericht bei zutreffender Auslegung der Abfindungsklausel gehalten gewesen wäre, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Diese gebotene Zurückverweisung ist nunmehr durch das Revisionsgericht nachzuholen (st. Rspr., vgl. Sen.Urt. v. 13. April 1992 - II ZR 105/91, WM 1992, 985; BGH, Urt. v. 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379, 380 f.; Urt. v. 12. April 2000 - I ZR 220/97, NJW 2000, 3716, 3717, je m.w.N.). Zwar können Gründe der Prozeßwirtschaftlichkeit im Einzelfall dafür sprechen, daß der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird und dieses ausnahmsweise den noch im ersten Rechtszug anhängigen Teil an sich zieht (BGH, Urt. v. 12. Januar 1994 aaO). Solche prozeßökonomischen Gründe sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich und ein Einverständnis der Parteien mit einer Entscheidung des gesamten Streitgegenstandes durch das Berufungsgericht liegt ebenfalls nicht vor.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittel war dem Landgericht vorzubehalten.
Röhricht Hesselberger Goette
Kurzwelly Kraemer