Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2002 - II ZR 239/00

published on 28/01/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Jan. 2002 - II ZR 239/00
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 239/00 Verkündet am:
28. Januar 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Zur Frage der Kündigung einer zweigliedrigen Sozietät aus wichtigem Grund.
BGH, Urt. v. 28. Januar 2002 - II ZR 239/00 - OLG Frankfurt am Main
LG Limburg a.d. Lahn
Der. II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer
und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 10. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten darüber, wer von ihnen aufgrund der gegenseitig erklärten fristlosen Kündigung aus der von ihnen gemeinsam betriebenen Steuerberatungspraxis ausgeschieden ist. Gleichzeitig verlangen sie gegenseitig Schadensersatz; diese Ansprüche verfolgen sie teils mit der Klage, teils mit der Widerklage.
Der Kläger war zum 2. Januar 1994 in die Einzelpraxis des Beklagten eingetreten. Am 13. Oktober 1997 kündigte der Kläger dem Beklagten an, er werde zum 31. Dezember 1997 aus der Sozietät ausscheiden. Es sei für ihn unerheblich, daß diese Ankündigung mit dem gemeinsamen Partnerschaftsvertrag nicht in Einklang stehe. Dieser sah als nächsten ordentlichen Kündigungstermin den 31. Dezember 1999 vor. Ferner kündigte er die Mitnahme von Mandanten mit einem Honorarvolumen von etwa 350.000,00 DM an. Mit Schreiben vom 23. Oktober mahnte der Beklagte den Kläger unter Fristsetzung ab und forderte diesen u.a. auf, seine Erklärung zurückzunehmen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kündigte der Beklagte dem Kläger am 5. November 1997 fristlos. Daraufhin erklärte der Kläger am 7. November 1997 seinerseits die fristlose Kündigung der Sozietät.
Das Landgericht hat entschieden, weder die fristlose Kündigung des Beklagten vom 5. November 1997 noch die fristlose Kündigung des Klägers vom 7. November 1997 sei wirksam. Auf die Anschlußberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht dieses Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, daß die Sozietät durch die fristlose Kündigung des Klägers beendet worden sei. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er seine Anträge weiter-
verfolgt.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Rüge der Revision, das Berufungsurteil verstoûe gegen den Grundsatz der Bindung des Gerichts an die Parteianträge (§ 308 Abs. 1 ZPO), bleibt allerdings ohne Erfolg.
Mit seinem Klageantrag zu 1 hat der Kläger beantragt festzustellen, daû die Sozietät durch die Kündigung vom 7. November 1997 beendet und der Beklagte aus der Partnerschaft ausgeschieden sei. Über diesen Antrag hat das Berufungsgericht entschieden, indem es feststellt, die Sozietät sei durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 7. November 1997 (nicht: 1999) beendet worden. Entgegen der Argumentation der Revision ist ein Unterschied zwischen einer Kündigung der "Sozietät" und einer Kündigung der "Mitgliedschaft" des anderen Partners nicht anzuerkennen. Scheidet aus einer zweigliedrigen Gesellschaft ("Sozietät") einer der beiden Partner dadurch aus, daû ihm berechtigtermaûen aus wichtigem Grund gekündigt worden ist, so ist die Gesellschaft ("Sozietät") damit beendet; das Gesellschaftsvermögen wächst dem allein übrig bleibenden Partner an, der die Kündigung ausgesprochen hat.
II. Mit der Revision bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, ob die von dem Kläger am 7. November 1997 ausgesprochene Kündigung wirksam war.
1. Das Berufungsgericht geht davon aus, der Ankündigung des Klägers,
zum 31. Dezember 1997 aus der Partnerschaft auszuscheiden, lasse sich nicht entnehmen, daû er seine Mitarbeit über diesen Zeitpunkt hinaus ernsthaft und endgültig habe verweigern wollen. Sie genüge nicht den strengen Anforderungen an eine Erfüllungsverweigerung. Diese, dem allgemeinen Schuldrecht entnommene Bewertung ist rechtsfehlerhaft und wird den gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten nicht gerecht.
Ein Personengesellschaftsverhältnis kann gekündigt werden, wenn dem kündigenden Gesellschafter nach Treu und Glauben eine Fortsetzung der Gesellschaft nicht mehr zugemutet werden kann, wobei alle Einzelumstände des Falles - u.a. der Zweck und die Struktur der Gesellschaft, ihre Dauer, die Intensität der persönlichen Zusammenarbeit und der bis zur ordentlichen Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses verbleibende Zeitraum - in eine Gesamtabwägung einzubeziehen sind (Sen.Urt. v. 10. Juni 1996 - II ZR 102/95, WM 1996, 1452 m.w.N.).
2. Demgegenüber betrachtet das Berufungsgericht isoliert die fristlose Kündigung des Beklagten vom 5. November 1997, bezieht die zu dieser Kündigung führenden Gründe jedoch nicht in eine Abwägung der Gesamtumstände ein. Nach dem von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt hat der Kläger die Kündigungserklärung des Beklagten vom 5. November 1997 durch seine vorausgegangene Ankündigung, er werde die Zusammenarbeit mit dem Beklagten ohne Rücksicht auf den bestehenden Partnerschaftsvertrag zum 31. Dezember 1997 beenden, ausgelöst. Die Kündigungserklärung des Beklagten muû deshalb als Reaktion auf das Verhalten des Klägers verstanden werden. Es ist rechtsfehlerhaft, isoliert auf diese Reaktion des Beklagten abzustellen und sie als wichtigen Grund für ein Recht des Klägers zur Kündigung zu
verstehen, ohne dessen vorausgegangenes Verhalten in die Bewertung einzubeziehen.
III. Im Gegensatz zu der Kündigung des Klägers wertet das Berufungsgericht die Kündigung des Beklagten vom 5. November 1997 als nicht wirksam. Das hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Es kommt darauf an, ob der Kläger seine gesellschaftsrechtlichen Pflichten durch sein vorausgegangenes Verhalten so schwerwiegend verletzt hat, daû dem Beklagten infolge des dadurch verursachten Zerwürfnisses eine vertrauensvolle Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht mehr zumutbar war. Nach dem von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt, dessen Richtigkeit im Revisionsverfahren zu unterstellen ist, spricht alles für die Erfüllung dieser Voraussetzung. Die Ankündigung des Klägers, die Gesellschaft auf jeden Fall zum 31. Dezember 1997 verlassen zu wollen, war eindeutig. Mit dem Anwaltsschreiben vom 31. Oktober 1997 bemüht sich der Kläger um "einen Termin zur gütlichen Einigung über die Auseinandersetzung der Sozietät". Die Formulierung "Auseinandersetzung" deutet schon für sich auf einen Willen zur Beendigung der Sozietät. Auûerdem hat der Kläger geäuûert, es interessiere ihn nicht, daû seine Ankündigung, die Sozietät zu verlassen, mit dem Partnerschaftsvertrag nicht in Einklang stehe. Wenn das Berufungsgericht ausführt, der Kläger habe anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen dürfen, es habe auf der Hand gelegen, daû seine Anwälte nicht fristgerecht würden antworten können, ist dies ebenfalls fehlerhaft. Der Beklagte hat in seinem Schreiben vom 23. Oktober 1997 auch eine Entschuldigung für die ihm gegenüber erfolgten persönlichen Entgleisungen durch den Kläger gefordert. Eine solche Entschuldigung wäre auch ohne Mitwirkung der Anwälte möglich gewesen. Zu
Unrecht läût das Berufungsgericht dann bei seiner Entscheidung den vom Beklagten behaupteten, vom Kläger nicht bestrittenen Entzug von Daten und Unterlagen aus der Sozietät auûer Betracht. Es führt hierzu aus, ein solcher Entzug sei erst nach der Kündigung erfolgt. Woher es diese Erkenntnis nimmt, legt es nicht dar. Das tiefgreifende Zerwürfnis zwischen den Parteien ergibt sich endlich aus den vom Kläger verfaûten Rundschreiben an die Mandanten der Sozietät vom 6. November 1997. Hierin teilt der Kläger den Mandanten mit, er verfüge über alle erforderlichen Unterlagen zur Fortsetzung der laufenden Beratung.
2. Dieses Verhalten stellt eine schwere, die für ein Verbleiben des Klägers in der Sozietät erforderliche Vertrauensgrundlage nachhaltig erschütternde Pflichtverletzung dar, falls der Kläger nicht seinerseits über gewichtige, zur Kündigung berechtigende Gründe verfügt.
IV. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die etwa erforderlichen ergänzenden Feststellungen treffen und die Gesamtumstände nunmehr gegeneinander abwägen kann. Dabei hat der Senat von § 565 Abs. 1 Satz 2 a.F. ZPO Gebrauch gemacht.
Röhricht Hesselberger Henze
Kraemer Münke
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

4 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

(1) Ist die Gesellschaft nicht für eine bestimmte Zeit eingegangen, so kann jeder Gesellschafter sie jederzeit kündigen. Ist eine Zeitdauer bestimmt, so ist die Kündigung vor dem Ablauf der Zeit zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichti
2 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 22/05/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 3/11 Verkündet am: 22. Mai 2012 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
published on 22/05/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 2/11 Verkündet am: 22. Mai 2012 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Ist die Gesellschaft nicht für eine bestimmte Zeit eingegangen, so kann jeder Gesellschafter sie jederzeit kündigen. Ist eine Zeitdauer bestimmt, so ist die Kündigung vor dem Ablauf der Zeit zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor,

1.
wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit verletzt hat oder wenn die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird,
2.
wenn der Gesellschafter das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Der volljährig Gewordene kann die Kündigung nach Nummer 2 nur binnen drei Monaten von dem Zeitpunkt an erklären, in welchem er von seiner Gesellschafterstellung Kenntnis hatte oder haben musste. Das Kündigungsrecht besteht nicht, wenn der Gesellschafter bezüglich des Gegenstands der Gesellschaft zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts gemäß § 112 ermächtigt war oder der Zweck der Gesellschaft allein der Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse diente. Unter den gleichen Voraussetzungen ist, wenn eine Kündigungsfrist bestimmt ist, die Kündigung ohne Einhaltung der Frist zulässig.

(2) Die Kündigung darf nicht zur Unzeit geschehen, es sei denn, dass ein wichtiger Grund für die unzeitige Kündigung vorliegt. Kündigt ein Gesellschafter ohne solchen Grund zur Unzeit, so hat er den übrigen Gesellschaftern den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(3) Eine Vereinbarung, durch welche das Kündigungsrecht ausgeschlossen oder diesen Vorschriften zuwider beschränkt wird, ist nichtig.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.