Bundesgerichtshof Urteil, 10. Sept. 2014 - 5 StR 261/14
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin durch seine Revision entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer sexu1 eller Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung – bei Freispruch im Übrigen – zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts suchte der an einer emoti2 onal instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus in Verbindung mit einer Impulskontrollstörung leidende, psychisch stark angespannte Angeklagte seine ehemalige Lebensgefährtin, die Nebenklägerin, in ihrer Wohnung auf. Als die Nebenklägerin seine Annäherungsversuche ablehnte, riss er ihr die Klei-
dung vom Körper, stieß sie auf das Bett und äußerte, er werde sie jetzt „ficken“. Der Angeklagte setzte sich rittlings auf die Nebenklägerin, fixierte sie und spannte eine Decke über ihr Gesicht, wodurch sie Atemnot erlitt und in Todesangst geriet. Dabei lüftete er mehrfach kurz die Decke und sagte ihr, er bringe sie jetzt um. Als die Nebenklägerin seiner Aufforderung zum Oralverkehr nicht nachkam, versuchte er mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen. Dabei hielt er ihr den Mund zu und drückte abwechselnd ein Shirt auf ihren Hals und ihr Gesicht. Mangels Erektion kam es jedoch nicht zum Geschlechtsverkehr. Nunmehr ließ der Angeklagte von der Nebenklägerin ab und hielt sich selbst ein Messer vor den Körper. Die Nebenklägerin, die die krankheitsbedingten Impulsausbrüche des Angeklagten kannte, nahm ihm das Messer ab. Beide gingen ins Badezimmer, wo die Nebenklägerin versuchte, den Angeklagten durch Zureden und Zuhören zu beruhigen. Aus Angst vor „weiteren Übergriffen und weil sie die Flucht aus der Wohnung wegen der von ihr bei dem Angeklagten bemerkten Anspannung für zu riskant hielt“ (UA S. 20), folgte die Nebenklägerin dem Angeklagten wieder ins Bett zurück. Als die innere Anspannung des Angeklagten wieder anstieg – seit dem Ablassen des Angeklagten von der Nebenklägerin waren etwa zwanzig Minuten vergangen –, „wollte er jetzt sein Ziel verwirklichen und mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr ausüben“. Aus Angst vor neuen Übergriffen ließ diese ihn gewähren. Dem Angeklagten war klar, dass die Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr nur deshalb duldete, „weil sie noch unter dem Eindruck der vorangegangenen massiven Gewalt und der Todesdrohungen stand“, was er sich bewusst zunutze machte (UA S. 20, 57 f.).
2. Die Revision des Angeklagten ist offensichtlich unbegründet.
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- Die Annahme des Landgerichts, wonach der Geschlechtsverkehr „nach dem Intermezzo im Badezimmer“ (UA S. 59) im Rahmen eines in natürlicher Handlungseinheit stehenden Gesamtgeschehens (vgl. LK-Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 183) als Vergewaltigung zu werten ist, hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kommt es hier – anders als etwa im Falle des Ausnutzens eines „Klimas der Gewalt“ (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2004 – 3 StR 256/04, NStZ 2005, 268, 269, vom 20. März 2012 – 4 StR 561/11, StV 2012, 534, 536, und vom 27. Februar 2013 – 4 StR 544/12, NStZ-RR 2013, 207) – nicht darauf an, ob der Angeklagte bei Vornahme des Geschlechtsverkehrs durch schlüssiges Verhalten nochmals auf den gewaltsamen Übergriff und die Todesdrohungen Bezug genommen hat. Denn die durch die Todesdrohungen geschaffene Zwangslage dauerte noch an, als der Angeklagte sein „Ziel“ (UA S. 20), den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin, seinem ursprünglichen Ansinnen entsprechend verwirklichte (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. August 1991 – 2 StR 274/91, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 7). Die gerade für die Aus- übung des Geschlechtsverkehrs geschaffene Bedrohungssituation ist durch die allein der Beruhigung und der Deeskalation dienenden Gespräche nicht beendet worden. Der Angeklagte stand weiter unter Anspannung (vgl. UA S. 19 f., 56) und hatte sein Vorhaben, mit der Nebenklägerin sexuell zu verkehren, noch nicht aufgegeben. Die Todesdrohungen begründeten aufgrund des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs für die Nebenklägerin weiterhin eine Gefahr und waren noch wirkungsvoll und gegenwärtig. Der Geschlechtsverkehr wurde ohne wesentliche zeitliche Zäsur im Anschluss an die massive Gewalt und die ausgesprochenen Drohungen in deren bewusster Ausnutzung erzwun- gen und stellt sich als Teil eines einheitlichen Geschehens dar (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 1991 – 2 StR 274/91 aaO).
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- Eine Tenorkorrektur aufgrund der allein vom Angeklagten geführten Revision ist nicht angezeigt.
Berger Bellay
Annotations
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.