Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 213/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9. Juli 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 12. Dezember 2012 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit diesen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe wegen überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt erkannt. Die auf den Strafausspruch beschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts transportierte der unbestrafte , mittlerweile herzkranke und infolge der Aufdeckung der Straftaten insolvent gewordene Angeklagte mit seinem Taxi von August 2008 bis Ende des Jahres 2009 in fünf Fällen Betäubungsmittel (zweimal je 150 g Crystal und dreimal Marihuana von 3,5 kg bis 7 kg mit geringem Wirkstoffgehalt) von Tschechien für den gewinnbringenden Weiterverkauf nach Deutschland, wo- für er jeweils einen Kurierlohn in Höhe der üblichen Taxitarife erhielt. Er wurde bei einer Drogenauslieferungsfahrt im Januar 2010 festgenommen und arbeitete anschließend mit den Ermittlungsbehörden zusammen. Dabei traf er „umfangreiche Aussagen zu etwaigen Tatbeteiligten und zu dem bis dahin noch nicht aufgefundenen Drogenlager“ (UA S. 4) in einer Kleingartenanlage; außerdem gab er von sich aus über die aufgedeckte Kurierfahrt hinaus weitere Fahrten zu (UA S. 8).
3
2. Das Landgericht hat unter Verbrauch vom Angeklagten geleisteter Aufklärungshilfe nach § 31 Nr. 1 BtMG minder schwere Fälle angenommen und bei der Strafzumessung den Sonderstrafrahmen des § 30 Abs. 2 BtMG zugrunde gelegt. Dies ist in Anbetracht der strafmildernden Umstände (Zeitablauf , Sicherstellung, Unbestraftheit, Geständnis, Alter und Gesundheitszustand des Angeklagten, besondere Belastung durch das Strafverfahren) nach revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht zu beanstanden. Auch die Annahme des Strafmilderungsgrundes des § 31 Nr. 1 BtMG begegnet trotz der kargen Angaben des Landgerichts im Urteil keinen durchgreifenden Bedenken. Hierfür kann auch – wie hier die Entdeckung des Drogenlagers – die Ermöglichung eines Fahndungserfolgs genügen, wenn es durch Mitwirkung eines Angeklagten gelingt, weitere, den Ermittlungsbehörden bislang nicht bekannte oder an einem unbekannten Ort versteckte Betäubungsmittel sicherzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 – 1 StR 187/05, NStZ 2006,

177).


4
3. Eine Beachtung der gegen intensiver verstrickte Tatbeteiligte verhängten Strafen bei der am individuellen Maß der Schuld orientierten Strafzumessung ist ersichtlich nicht rechtsfehlerhaft.
5
Schließlich ist aufgrund der Gesamtumstände nicht zu erkennen, dass die Bestrafung für die Einfuhr der verschiedenen Betäubungsmittel aus den von der Generalstaatsanwaltschaft angeführten generalpräventiven Gründen unvertretbar milde wäre. Nichts anderes gilt für die Strafaussetzung zur Bewährung.
Basdorf Sander Schneider Berger Bellay

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2013 - 5 StR 213/13 zitiert 2 §§.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Juni 2005 - 1 StR 187/05

bei uns veröffentlicht am 28.06.2005

Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja BGHR: ja __________________ BtMG § 31 Nr. 1, Nr. 2 Die Kooperation eines Beschuldigten mit den Ermittlungsbehörden, wodurch bislang nicht bekannte oder an unbekanntem Ort gelagerte Betäubungsmit

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Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
BGHR: ja
__________________
Die Kooperation eines Beschuldigten mit den Ermittlungsbehörden, wodurch bislang
nicht bekannte oder an unbekanntem Ort gelagerte Betäubungsmittelmengen sichergestellt
werden, kann die Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 und Nr. 2 BtMG erfüllen.
BGH, Beschl. vom 28. Juni 2005 - 1 StR 187/05 - LG Memmingen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
1 StR 187/05
vom
28. Juni 2005
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juni 2005 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21. Dezember 2004 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Kammer hat die Strafe dem Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen; das Vorliegen eines minder schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG hat sie verneint. Das Landgericht erörtert jedoch nicht, ob die Voraussetzungen des "vertypten" Strafmilderungsgrundes des § 31 BtMG vorliegen, obwohl - worauf auch der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nach den Ausführungen
im Urteil eine solche Prüfung zumindest nicht fernlag (s. UA S. 9) und die Strafkammer selbst die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei festgestellt hat (UA S. 13). Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten der Angeklagte und der gesondert verfolgte B. Anfang 2004 bei dem ebenfalls anderweit verfolgten Ö. 3.000 Ecstasy-Tabletten zum Preis von 1,75 Euro pro Stück bestellt und von ihm geliefert erhalten. Davon verkauften sie mehrere Hundert Tabletten zum Preis von 3,50 Euro je Stück an den gesondert verfolgten P. Nachdem . P. in der Folgezeit festgenommen worden war, erklärte er sich zu einem Scheingeschäft bereit, bei welchen dann der Angeklagte festgenommen werden konnte. Nunmehr erklärte sich auch der Angeklagte bereit, ein von der Staatsanwaltschaft genehmigtes Scheingeschäft durchzuführen. Dadurch konnte er vonB. die restlichen 1601 Ecstasy-Tabletten aus der gemeinsamen Bestellung übernehmen, welche B. nach der Verhaftung des Angeklagten aus dem ursprünglichen Versteck entfernt und an anderer Stelle deponiert hatte. Dieses neue Versteck war weder dem Angeklagten noch der Polizei bekannt. Durch die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei konnten somit diese 1.601 Tabletten sichergestellt und zugleich verhindert werden, daß sie weiterveräußert wurden. Das Landgericht hat bei seinen Erwägungen zur Strafzumessung zwar ausdrücklich festgestellt, daß der Angeklagte durch seine Zusammenarbeit mit der Polizei zur Sicherstellung von 1.601 Ecstasy-Tabletten beigetragen hat (UA S. 13). Nach den Feststellungen bleibt jedoch unklar, ob und wie weit durch die Angaben der Angeklagten ein wesentlicher Aufklärungserfolg i.S.v. § 31 BtMG nicht nur durch die Sicherstellung der versteckten Ecstasy-Tabletten sondern
möglicherweise auch durch die Festnahme des anderweit verfolgten B. eingetreten ist. Jedoch lassen die Formulierungen in den Urteilsgründen es zumindest als naheliegend erscheinen, daß die Voraussetzungen des § 31 BtMG gegeben sind. Daher war eine ausdrückliche Erörterung dieser Frage hier geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die Vo raussetzungen des § 31 BtMG auch bei einem Angeklagten erfüllt sein, der über seinen eigenen – bereits bekannten - Tatbeitrag hinaus Tataufklärung betreibt (BGH NStZ-RR 2002, 251; BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 29).
Vorliegend war zwar der Tatbeitrag des Angeklagten de n Ermittlungsbehörden bereits bekannt und auch das Rauschgift teilweise sichergestellt worden , mehr als die Hälfte der Gesamtlieferung der Ecstasy-Tabletten befand sich jedoch nach der Festnahme des Angeklagten an einem sowohl dem Angeklagten als auch der Polizei unbekannten Ort und hätte daher auch in den freien Verkehr gelangen können. Diese Tabletten konnten ersichtlich erst aufgrund der Bereitschaft des Angeklagten zu einem Scheingeschäft sichergestellt werden.
Allerdings verlangt § 31 Nr. 1 BtMG nicht notwendig e inen Fahndungserfolg (BGH StV 1994, 544 m.w.Nachw.). Umgekehrt genügt aber die Ermöglichung eines Fahndungserfolgs, auch wenn das Verhalten des Tatbeteiligten den Ermittlungsbehörden bereits bekannt ist: Die Auslegung von § 31 BtMG hat sich an der Zielsetzung dieser Bestimmung zu orientieren (BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 29). § 31 Nr. 1 BtMG soll die Möglichkeit der Verfolgung begangener Straftaten verbessern (BGHSt 31, 163, 167; 33, 80, 81; BGH StV 1994, 543, 544). Diese Voraussetzungen können aber auch vorliegen, wenn es
durch die Mitwirkung eines Angeklagten gelingt, weitere – den Ermittlungsbehörden bislang nicht bekannte oder an unbekanntem Ort versteckte - Betäubungsmittel sicherzustellen. In solchen Fällen kann sowohl eine im Ergebnis besonders wirksame Form der Aufklärungshilfe entsprechend § 31 Nr. 1 BtMG (vgl. auch BGHR aaO) wie auch eine besonders wirksame Form der Verhinderung geplanter Straftaten im Sinne des § 31 Nr. 2 BtMG gegeben sein.
Auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch auch. Zwar hat das Landgericht bei seinen Erwägungen zur Strafzumessung die Zusammenarbeit des Angeklagten mit der Polizei berücksichtigt. Dennoch kann nicht sicher ausgeschlossen werden, daß die Einzelstrafen milder ausgefallen wären, wenn die Kammer die Voraussetzungen des § 31 BtMG geprüft hätte. Die Aufhebung dieser Strafen führt zugleich zur Aufhebung der Gesamtstrafe einschließlich der dazu getroffenen Feststellungen.
Nack Wahl Kolz Elf Graf