Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2012 - 5 StR 17/12

bei uns veröffentlicht am25.04.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 17/12

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen falscher Verdächtigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. April
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Kr. ,
Rechtsanwalt C.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. August 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und hat deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Überprüfung der Strafaussetzung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt erfolglos.
2
Das Tatgericht hat dem Angeklagten anders als den beiden Mitangeklagten , die ihre Taten während laufender Bewährung begangen haben, ungeachtet seiner Vorstrafen eine günstige Kriminalprognose zugebilligt. Diese Entscheidung, die auf den derzeitigen Lebensumständen des Angeklagten und maßgeblich auf dem von ihm in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck beruht, hat das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (vgl. BGH, Urteile vom 14. Mai 2002 – 1 StR 48/02, insoweit in StV 2003, 81 nicht abgedruckt; 10. Juni 2010 – 4 StR 474/09, Rn. 34; 22. Juli 2010 – 5 StR 204/10, NStZ-RR 2010, 306, 307; 10. November 2010 – 5 StR 424/10). Diese Grenze ist gewahrt. Wesentliche Lücken oder Widersprüche im Zusammenhang mit der Strafaussetzungsfrage lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen.
Basdorf Schaal Schneider König Bellay

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2012 - 5 StR 17/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2012 - 5 StR 17/12

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2012 - 5 StR 17/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2012 - 5 StR 17/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2002 - 1 StR 48/02

bei uns veröffentlicht am 14.05.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 48/02 vom 14. Mai 2002 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. M

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 48/02
vom
14. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Mai 2002,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 7. August 2001 wird verworfen. Die Kosten dieses Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und ihn im übrigen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie macht geltend, das Landgericht habe gewerbsmäßiges Handeln im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG zu Unrecht verneint mit der Folge, daß die Gesamtfreiheitsstrafe zu niedrig sei; außerdem ist sie der Auffassung, daß die Voraussetzungen einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 2 StGB nicht vorgelegen hätten. Das - vom Generalbundesanwalt nicht vertretene - Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

Die Revision ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Beschwerdeführerin hat zwar einen unbeschränkten Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Dieser steht aber im Widerspruch zu dem Angriffsziel des Rechtsmittels, wie es sich aus der Revisionsrechtfertigungsschrift ergibt. Deren Auslegung läût einen auf den Rechtsfolgenausspruch bezogenen Beschränkungswillen der Beschwerdeführerin erkennen (vgl. zur Auslegung in solchen Fällen BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; Kukkein in KK-StPO 4. Aufl. § 344 Rdn. 5 m.w.Nachw.). Die Beschwerdeführerin erstrebt eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe als zwei Jahre oder zumindest den Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung. Soweit die Beschwerdeführerin die Verneinung des Regelbeispiels des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG beanstandet, macht sie erkennbar nur einen Wertungsfehler geltend, so daû der Senat ausschlieûen kann, daû auch der Schuldspruch berührt ist.

II.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen veräuûerte der Angeklagte an den anderweitig verfolgten Zeugen H. in zehn Fällen jeweils mindestens 10 g und in weiteren vier Fällen jeweils 7 g Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 3 % zu einem Preis von 125 DM pro Gramm. Das Landgericht hat der Strafbemessung den Normalstrafrahmen des Tatbestandes des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zugrundegelegt und für die Fälle mit 7 g Heroin eine Freiheitsstrafe von jeweils sieben Monaten sowie für die Fälle mit 10 g Heroin eine Freiheitsstrafe von jeweils zehn Monaten festgesetzt.

III.

Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs deckt keinen Rechtsfehler zu Gunsten - oder, was gemäû § 301 StPO ebenfalls zu beachten ist, zum Nachteil - des Angeklagten auf. 1. Die Verneinung des Regelbeispiels des gewerbsmäûigen Handelns (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Strafkammer hat nicht die Überzeugung gewinnen können, daû der Angeklagte vor oder bei der Abwicklung der einzelnen Rauschgiftgeschäfte die Absicht hatte, sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Diese Bewertung wird insbesondere durch die Feststellung gestützt , daû der Angeklagte zu jedem einzelnen Rauschgiftgeschäft "gedrängt und überredet" werden muûte. Hinzu kommt, daû der nicht einschlägig vorbestrafte Angeklagte in familiär und sozial geordneten Verhältnissen lebt und Umstände, die ein Motiv für die Schaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle durch Rauschgifthandel, sei es auch nur als Nebenerwerb, darstellen könnten, nicht erkennbar sind. Demgegenüber ist die - allerdings nicht geringe - Zahl der Taten, aus denen der Angeklagte jeweils Gewinn zog, kein hinreichendes Beweisanzeichen für einen solchen Willen des Angeklagten. Dies hat das Landgericht zwar denkbar knapp, aber ohne Rechtsfehler dargelegt. 2. Der Revision muû der Erfolg auch versagt bleiben, soweit sie sich gegen die Aussetzung der Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung wendet. Die von der Strafkammer getroffene Entscheidung liegt innerhalb des ihr eingeräumten Ermessensspielraums und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen, auch wenn eine zum umgekehrten Ergebnis führende Würdigung ebenfalls rechtlich möglich gewesen wäre (BGHR StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 4; Umstände, besondere 3). Die positive Kriminalprognose
wie auch die Annahme besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StPO sind - wie der Generalbundesanwalt bereits in der Antragsschrift vom 8. Februar 2002 zutreffend dargelegt hat - aufgrund einer hinreichenden Gesamtwürdigung erfolgt, bei der die Kammer auch die gegen eine Strafaussetzung sprechenden Gesichtspunkte der Tat und der Täterpersönlichkeit offensichtlich nicht aus den Augen verloren hat. Die Beschwerdeführerin zeigt keine tatsächlichen Umstände auf, die die tatrichterliche Würdigung in Frage stellen. Einer ausdrücklichen Erörterung, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Strafvollstreckung gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB) bedurfte es hier nicht. Veranlassung dazu besteht nur, wenn konkrete Umstände vorliegen, welche die Anwendung dieser Vorschrift nahelegen (BGH, Urt. vom 14. März 1995 - 1 StR 856/94 -; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9). Das ist hier nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen nicht der Fall. Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Kolz