Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2005 - II ZR 16/03

bei uns veröffentlicht am21.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 16/03
vom
21. März 2005
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. März 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette,
Kraemer, Dr. Strohn und Caliebe gemäß § 552 a ZPO einstimmig

beschlossen:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Dezember 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


Auf den Hinweisbeschluß des Senats vom 17. Januar 2005 wird Bezug genommen. Die Stellungnahme der Beklagten hierzu gibt zu einer veränderten Beurteilung keinen Anlaß. Entgegen der Ansicht der Beklagten folgert der Senat die Unwirksamkeit der Kündigung gegenüber dem Kläger nicht aus einem Verstoß gegen aktienrechtliche Grundsätze, sondern aus einem Verstoß gegen die ihnen entsprechende Regelung der Kündigungskompetenz in der Satzung der beklagten GmbH. Nach § 11 Abs. 2 lit. k, Abs. 4 der Satzung hatte der (fakultative ) Aufsichtsrat der Beklagten durch Beschluß mit 3/ 4-Mehrheit über die (fristlose ) Kündigung gegenüber dem Kläger zu entscheiden. Er hat aber nach der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Auslegung seines Beschlusses vom 26. Januar 2001 hierüber nicht abschließend entschieden, sondern dem Aufsichtsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter den Versuch einer gütlichen Einigung mit dem Kläger durch Abschluß eines Aufhebungsvertrages (vgl. dazu Sen.Urt. v. 5. Juni 1975 - II ZR 231/73, WM 1975, 793 f. zu 1 a a.E.) und die
endgültige Entscheidung über eine Kündigung je nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers überlassen. Eine derartige Entscheidungsdelegation ist in der Satzung der Beklagten nicht vorgesehen und scheidet deshalb gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 5 AktG aus (zur Unwirksamkeit satzungswidriger Aufsichtsratsbeschlüsse vgl. auch BGHZ 122, 342, 351). § 10 Nr. 8 der Satzung ermächtigt den Aufsichtsratsvorsitzenden oder dessen Stellvertreter nur zur Abgabe der zur Durchführung von Aufsichtsratsbeschlüssen erforderlichen Willenserklärungen, was - entsprechend der seit langem nicht nur im Aktienrecht geläufigen Unterscheidung zwischen Willens- und Erklärungsvertretung (vgl. BGHZ 12, 327, 334 ff.; Hüffer, AktG 6. Aufl. § 112 Rdn. 5) - eine auf eigener Urteilsbildung fußende Entscheidung des Gesamtorgans jedenfalls über das "Ob" der durchzuführenden Maßnahme voraussetzt (vgl. BGHZ 41, 282, 285). Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Notzuständigkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters gemäß § 11 Abs. 3 der Satzung ist nach den von der Revision unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargetan. Für die Zulässigkeit einer Willensvertretung in den verbleibenden Fällen ist aus § 11 Abs. 3 - entgegen der Ansicht der Beklagten - nichts zu entnehmen, wobei dahinstehen kann, ob das qualifizierte Beschlußerfordernis des § 11 Abs. 4 für die dort geregelten Sonderfälle (unter Einschluß der Kündigung) nicht ohnehin eine Spezialregelung gegenüber Abs. 3 darstellt.
Da nach allem der Aufsichtsrat der Beklagten als Gesamtorgan über die fristlose Kündigung weder selbst abschließend entschieden hat noch einzelne Mitglieder hierzu wirksam ermächtigen konnte, fehlt es an einer gemäß § 11 Abs. 2 lit. k der Satzung erforderlichen Entscheidung des zuständigen Organs über die Kündigung, was zu deren Unwirksamkeit führt (vgl. Sen.Urt. v. 21. September 1970 - II ZR 13/69, WM 1970, 1394 f. zu I 3; v. 4. November
1968 - II ZR 63/67, WM 1968, 1350; v. 1. Februar 1968 - II ZR 212/65, WM 1968, 570).
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe

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Referenzen - Gesetze

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Aktiengesetz - AktG | § 111 Aufgaben und Rechte des Aufsichtsrats


(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen. (2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehe

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 52 Aufsichtsrat


(1) Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so sind § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 105, 107 Absatz 3 Satz 2 und 3 und Absat

Referenzen

(1) Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so sind § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 105, 107 Absatz 3 Satz 2 und 3 und Absatz 4, §§ 110 bis 114, 116 des Aktiengesetzes in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 des Aktiengesetzes, § 124 Abs. 3 Satz 2, §§ 170, 171, 394 und 395 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist.

(2) Ist nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt die Gesellschafterversammlung für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest, es sei denn, sie hat dem Aufsichtsrat diese Aufgabe übertragen. Ist nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz ein Aufsichtsrat zu bestellen, so legt der Aufsichtsrat für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und unter den Geschäftsführern Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Wird für den Aufsichtsrat oder unter den Geschäftsführern die Zielgröße Null festgelegt, so ist dieser Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.

(3) Werden die Mitglieder des Aufsichtsrats vor der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister bestellt, gilt § 37 Abs. 4 Nr. 3 und 3a des Aktiengesetzes entsprechend. Die Geschäftsführer haben bei jeder Änderung in den Personen der Aufsichtsratsmitglieder unverzüglich eine Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats, aus welcher Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort der Mitglieder ersichtlich ist, zum Handelsregister einzureichen; das Gericht hat nach § 10 des Handelsgesetzbuchs einen Hinweis darauf bekannt zu machen, dass die Liste zum Handelsregister eingereicht worden ist.

(4) Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats wegen Verletzung ihrer Obliegenheiten verjähren in fünf Jahren.

(1) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.

(2) Der Aufsichtsrat kann die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesellschaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen. Er kann damit auch einzelne Mitglieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachverständige beauftragen. Er erteilt dem Abschlußprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluß gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs. Er kann darüber hinaus eine externe inhaltliche Überprüfung der nichtfinanziellen Erklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Berichts (§ 289b des Handelsgesetzbuchs), der nichtfinanziellen Konzernerklärung oder des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts (§ 315b des Handelsgesetzbuchs) beauftragen.

(3) Der Aufsichtsrat hat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert. Für den Beschluß genügt die einfache Mehrheit.

(4) Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat nicht übertragen werden. Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, daß bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, daß die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluß, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfaßt. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen.

(5) Der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Legt der Aufsichtsrat für den Aufsichtsrat oder den Vorstand die Zielgröße Null fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. Wenn für den Aufsichtsrat bereits das Mindestanteilsgebot nach § 96 Absatz 2 oder 3 gilt, sind die Festlegungen nur für den Vorstand vorzunehmen. Gilt für den Vorstand das Beteiligungsgebot nach § 76 Absatz 3a, entfällt auch die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand.

(6) Die Aufsichtsratsmitglieder können ihre Aufgaben nicht durch andere wahrnehmen lassen.