Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 29. Okt. 2018 - Vf. 20-VII-17

29.10.2018

Gericht

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Tenor

1. Der Antrag wird abgewiesen.

2. Dem Antragsteller wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Gründe

I.

Die Popularklage betrifft die Frage, ob die Verordnung des Landkreises Fürstenfeldbruck über den Schutz von Landschaftsteilen (Landschaftsschutzverordnung) vom 8. Oktober 1979 (Amtsblatt des Landratsamtes Fürstenfeldbruck Nr. 33 vom 6. Dezember 1979 S. 193) gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstößt.

§ 1 der Landschaftsschutzverordnung stellt verschiedene Landschaftsteile des Landkreises Fürstenfeldbruck als Landschaftsschutzgebiet unter Schutz, u. a. das Gebiet „Untere Amper, Graßlfinger Moos und Olchinger See“. Gemäß ihrem § 2 sind in den in § 1 bezeichneten Landschaftsschutzgebieten Maßnahmen verboten, die den Naturhaushalt schädigen, das Landschaftsbild verunstalten oder den Naturgenuss beeinträchtigen; verboten sind auch Maßnahmen, welche die vom Bayerischen Naturschutzgesetz oder von dieser Verordnung missbilligten Folgen mit Sicherheit erwarten lassen. Gemäß § 3 der Landschaftsschutzverordnung bedarf der schriftlichen Erlaubnis des Landratsamts Fürstenfeldbruck (untere Naturschutzbehörde), wer im Landschaftsschutzgebiet Maßnahmen durchführen will, die geeignet sind, die in § 2 genannten Wirkungen hervorzurufen. Von den Verboten des § 2 der Landschaftsschutzverordnung kann gemäß ihrem § 4 in Einzelfällen auf Antrag Befreiung erteilt werden, wenn überwiegende Gründe des allgemeinen Wohls die Befreiung erfordern oder der Vollzug der Bestimmung zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen im Sinn des Bayerischen Naturschutzgesetzes vereinbar ist. Die Landschaftsschutzverordnung ist nach ihrem § 10 am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft getreten.

II.

Mit seiner am 8. Dezember 2017 eingegangenen Popularklage begehrt der Antragsteller festzustellen, dass die Landschaftsschutzverordnung im Bereich des Graßlfinger Mooses, insbesondere im Bereich der B.straße und seiner im Einzelnen bezeichneten Grundstücke, unwirksam (funktionslos) geworden bzw. insgesamt nichtig ist.

Der Landkreis Fürstenfeldbruck gehe selbst von der Unwirksamkeit der Verordnung aus, was sich aus den in der Sitzungsvorlage für die Kreistagssitzung vom 10. November 1997 aufgelisteten Mängeln ergebe. Er habe daher für wesentliche Bereiche der Landschaftsschutzverordnung, nämlich für die Gebiete „Scharwerkholz, Untere Amper, Ampermoos, Eichenbühl, Emmeringer Leiter (gemeint wohl: Leite) und Eichenau“, neue Verordnungen erlassen und die Sammelverordnung von 1997 (richtig wohl: 1979) insoweit aufgehoben. Lediglich für den Bereich „Graßlfinger Moos“ sei ein Neuerlass abgelehnt und auf eine Heilung der Mängel der Landschaftsschutzverordnung verzichtet worden. Auch das Landratsamt Fürstenfeldbruck gehe von der Unwirksamkeit der Landschaftsschutzverordnung aus und habe als untere Naturschutzbehörde gemäß Art. 12 BayNatSchG innerhalb des Schutzbereichs der Landschaftsschutzverordnung „Graßlfinger Moos“ verschiedene Bereiche unter besonderen Schutz gestellt.

Die Funktionslosigkeit der Landschaftsschutzverordnung im Bereich der B.straße zeige sich anhand der Genehmigungspraxis des Landratsamts, bei der die Landschaftsschutzverordnung angesichts der ständig im noch verbliebenen Bereich erteilten Genehmigungen für privilegierte und nicht privilegierte Außenbereichsvorhaben (faktisch) nicht mehr zur Anwendung komme. Aus dem Verhalten des Landratsamts dem Antragsteller gegenüber sei ebenfalls zu schließen, dass dieses davon ausgehe, dass eine Landschaftsschutzverordnung im fraglichen Bereich nicht mehr existiere. So sei ihm gegenüber zunächst die Beseitigung einer Fichtenhecke im Bereich der B.straße angeordnet und gerichtlich durchgefochten worden; nach Beendigung des Verfahrens sei das Landratsamt aber zum Ergebnis gekommen, dass die Fichtenreihe akzeptiert werden könne, wenn in einem anderen Bereich seiner Grundstücke Laubbäume freigestellt würden. Ein ähnlich willkürliches Verhalten habe das Landratsamt bei verschiedenen anderen Gelegenheiten, u. a. bei gegen ihn erlassenen Bescheiden und bei Gerichtsverfahren, gezeigt; so sei etwa die Genehmigung für einen Reitplatz zunächst abgelehnt, später aber doch erteilt worden. Aufgrund der dargelegten Genehmigungspraxis und der darauf beruhenden fortgesetzten Realisierung von Vorhaben hätten die Verhältnisse im Graßlfinger Moos im Bereich der B.straße in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht, der eine Verwirklichung des Schutzkonzepts der Landschaftsschutzverordnung auf unabsehbare Zeit ausschließe. Die Landschaftsschutzverordnung sei demnach für das Graßlfinger Moos im Bereich der B.straße funktionslos geworden. Das Gericht werde durch einen Augenschein feststellen können, dass rund um die Grundstücke des Antragstellers eine derart intensive bauliche Nutzung vorliege, dass der (ohnehin nicht genau geregelte) Zweck der Landschaftsschutzverordnung nicht eingehalten werden könne.

Die Landschaftsschutzverordnung sei auch aus anderen Gründen nichtig. So sei die Originalurkunde nicht mehr auffindbar. Es stehe fest, dass die im Amtsblatt vom 6. Dezember 1979 bekannt gemachte und nicht unterschriebene Landschaftsschutzverordnung das Datum „8.10.1979“ trage, also ein Datum zehn Tage vor der Verabschiedung der Landschaftsschutzverordnung durch den Kreistag am „18.10.1979“. In diesem Zusammenhang sei auch zu prüfen, ob die Verordnung wirksam bekannt gemacht worden sei. Diese sei offensichtlich bereits am 8. Oktober 1979 ausgefertigt worden, also vor der am 2. November 1979 erteilten Genehmigung der Regierung von Oberbayern. Zudem gelte für den Inhalt einer Rechtsverordnung die grundsätzliche Vorgabe des Art. 80 GG analog, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssten. Derartige Grundsätze fänden sich auch in Art. 55 Nr. 2 BV und im Gesetz Nr. 122 über den Erlass von Rechtsverordnungen aufgrund vormaligen Reichsrechts, das am 1. April 1948 in Kraft getreten sei. Auch das Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Dezember 1976 schreibe in seinem § 12 Abs. 2 vor, dass der Schutzzweck in der Verordnung anzugeben sei. Gleiches gelte nach dem derzeit geltenden § 22 Abs. 2 BNatSchG. Die Aufnahme des Schutzzwecks in die Verordnung sei auch deshalb notwendig, weil sowohl § 15 BNatSchG a. F. als auch Art. 10 BayNatSchG a. F. hierfür alternativ verschiedene Schutzformulierungen enthalten hätten. Der Schutzzweck sei nicht aus den Ge- und Verboten der Landschaftsschutzverordnung herauszulesen. Die vorgesehenen Maßnahmen hätten sich vielmehr umgekehrt am Schutzzweck zu orientieren. Gerade anhand der Geschichte des Graßlfinger Mooses werde deutlich, dass ein Schutzzweck sorgfältig festgelegt werden müsse. Es handle sich um eine Landschaft, die über 100 Jahre vom Menschen mit staatlicher Unterstützung total verändert worden sei. Das Graßlfinger Moos habe ca. 600 Einwohner und sei das am dichtesten besiedelte Landschaftsschutzgebiet Bayerns.

III.

1. Der Bayerische Landtag hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

2. Die Bayerische Staatsregierung hat von einer Äußerung abgesehen.

3. Der Landkreis Fürstenfeldbruck hält die Popularklage für unzulässig.

Der Antragsteller habe schon in einer Vielzahl von Gerichtsverfahren die Unwirksamkeit bzw. die Funktionslosigkeit der angegriffenen Landschaftsschutzverordnung geltend gemacht. Zu diesem Zweck seien von ihm im Wesentlichen immer wieder die gleichen Argumente vorgebracht worden. Es werde in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. November 2005 Az. 9 ZB 04.1834 verwiesen. In diesem Beschluss habe sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich mit der Gültigkeit der Landschaftsschutzverordnung befasst. Parallel zur Popularklage habe der Antragsteller aktuell mit Schreiben vom 10. Januar 2018 eine Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Ziel der Feststellung der Funktionslosigkeit der Landschaftsschutzverordnung im Bereich seiner Grundstücke erhoben. Wegen des langen Zeitraums seit dem Erlass der ursprünglichen Landschaftsschutzverordnung seien die Unterlagen zum damaligen Inschutznahmeverfahren nur noch zum Teil vorhanden.

IV.

Die Popularklage ist unzulässig.

1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts; dazu zählt auch die angegriffene Verordnung des Landkreises Fürstenfeldbruck über den Schutz von Landschaftsteilen (Landschaftsschutzverordnung) vom 8. Oktober 1979, die im vom Antragsteller angegriffenen Bereich nicht aufgehoben ist.

Allerdings unterliegen Rechtsvorschriften der Normenkontrolle nur, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie noch von Bedeutung sind, wenn also ein objektives -nicht nur theoretisches - Interesse an der Feststellung ihrer Vereinbarkeit mit der Verfassung besteht (VerfGH vom 7.8.2012 VerfGHE 65, 143/149). Daran könnten Zweifel bestehen, weil der Antragsteller selbst von der Funktionslosigkeit der angegriffenen Landschaftsschutzverordnung im maßgeblichen Bereich des Graßlfinger Mooses, d. h. also von ihrem Außerkrafttreten (vgl. VerfGH vom 13.7.1988 VerfGHE 41, 69/76 m. w. N.), ausgeht. Vorliegend ergibt sich aber aus der Stellungnahme des Landkreises Fürstenfeldbruck sowie aus zahlreichen vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen aus neuerer Zeit, dass der Landkreis bzw. das Landratsamt Fürstenfeldbruck weiter von der Gültigkeit der Landschaftsschutzverordnung ausgeht und sie seinen Entscheidungen zugrunde legt, diese also noch rechtlich relevant ist.

2. Zu den prozessualen Voraussetzungen der Popularklage gehört, dass der Antragsteller die angefochtenen Rechtsvorschriften bezeichnen und angeben muss, inwiefern sie nach seiner Meinung zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung in Widerspruch stehen (Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG). Greift er mehrere Rechtsvorschriften an, so muss dies für jede einzelne von ihnen ersichtlich sein. Summarische, nicht präzisierte Grundrechtsrügen sind unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 19.4.1985 VerfGHE 38, 43/45 m. w. N.). Diese Voraussetzung hat der Antragsteller nicht erfüllt.

Der Antragsteller bezeichnet bereits nicht die einzelnen von ihm angegriffenen Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung. Es kann hier offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen es ausreichen mag, dass mit der Popularklage ausnahmsweise nicht genau bezeichnete Einzelregelungen, sondern etwa eine Rechtsverordnung oder Teile von ihr insgesamt angefochten werden können (vgl. dazu z. B. VerfGH vom 23.12.1971 VerfGHE 24, 199/215; vom 29.4.1976 VerfGHE 29, 53/56). Denn die Zulässigkeit der Popularklage scheitert im vorliegenden Fall auch daran, dass es an der Rüge einer Grundrechtsverletzung fehlt.

Der Antragsteller rügt nur, die Landschaftsschutzverordnung sei aufgrund der tatsächlichen Entwicklung im Bereich seiner Grundstücke funktionslos geworden bzw. insgesamt nichtig, weil es an einer wirksamen Ausfertigung oder Bekanntgabe bzw. Genehmigung der Regierung von Oberbayern fehle und zudem der Schutzzweck in der Verordnung nicht angegeben sei. Damit macht er keine Verletzung von Grundrechtsnormen geltend, sondern allenfalls Verstöße gegen objektives Verfassungsrecht (vgl. VerfGH vom 9.8.2011 VerfGHE 64, 136/142), insbesondere die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV). Mangels einer zulässigen Grundrechtsrüge ist dem Verfassungsgerichtshof der Weg zu der Überprüfung versperrt, ob die angefochtene Landschaftsschutzverordnung aus Gründen objektiven Verfassungsrechts nichtig ist.

V.

Es ist angemessen, dem Antragsteller eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).

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Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 29. Okt. 2018 - Vf. 20-VII-17 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 80


(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrund

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 15 Verursacherpflichten, Unzulässigkeit von Eingriffen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen


(1) Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne

Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG 2009 | § 22 Erklärung zum geschützten Teil von Natur und Landschaft


(1) Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft erfolgt durch Erklärung. Die Erklärung bestimmt den Schutzgegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote, und, soweit erforderlich, die P

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(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft erfolgt durch Erklärung. Die Erklärung bestimmt den Schutzgegenstand, den Schutzzweck, die zur Erreichung des Schutzzwecks notwendigen Gebote und Verbote, und, soweit erforderlich, die Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen oder enthält die erforderlichen Ermächtigungen hierzu. Schutzgebiete können in Zonen mit einem entsprechend dem jeweiligen Schutzzweck abgestuften Schutz gegliedert werden; hierbei kann auch die für den Schutz notwendige Umgebung einbezogen werden.

(2) Soweit in den Absätzen 2a und 2b nichts Näheres bestimmt ist, richten sich Form und Verfahren der Unterschutzstellung, die Beachtlichkeit von Form- und Verfahrensfehlern und die Möglichkeit ihrer Behebung sowie die Fortgeltung bestehender Erklärungen zum geschützten Teil von Natur und Landschaft nach Landesrecht. Die Unterschutzstellung kann auch länderübergreifend erfolgen.

(2a) Erklärungen zur Unterschutzstellung nach Absatz 1, die

1.
durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung erfolgt sind und
2.
mit Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 vom 21.7.2001, S. 30) unvereinbar sind, weil eine danach erforderliche Strategische Umweltprüfung nicht durchgeführt wurde,
gelten fort, wenn sich die Unvereinbarkeit mit diesen Vorgaben aus einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ergibt und soweit und solange nach der Entscheidung eine Fortgeltung zulässig ist. Die zur Beseitigung der Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG erforderlichen Handlungen müssen im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens unverzüglich nachgeholt werden. Die Erklärung zur Unterschutzstellung muss, sofern sich infolge der nachgeholten Handlungen eine Erforderlichkeit dafür ergibt, angepasst werden. Für die Nachholung der erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes sowie des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder entsprechender landesrechtlicher Vorschriften entsprechend. Der Zeitraum, innerhalb dessen die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 nachgeholt werden müssen, richtet sich nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union und hat nur den Zeitraum zu umfassen, der zwingend notwendig ist, um Maßnahmen zu treffen, die die Beseitigung der Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG ermöglichen. Sind die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 innerhalb der Frist nach Satz 5 nachgeholt, ist die Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG geheilt. Sind die erforderlichen Handlungen nach Satz 2 und Anpassungen nach Satz 3 bei Ablauf der Frist nach Satz 5 nicht nachgeholt worden, tritt die Erklärung zur Unterschutzstellung außer Kraft.

(2b) Absatz 2a findet auch Anwendung auf Erklärungen zur Unterschutzstellung nach der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 22 Absatz 1 und 2 des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden Fassung sowie nach ausfüllendem Landesrecht. Pläne zur Durchführung von Pflege-, Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 bleiben gültig.

(3) Teile von Natur und Landschaft, deren Schutz beabsichtigt ist, können für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren einstweilig sichergestellt werden, wenn zu befürchten ist, dass durch Veränderungen oder Störungen der beabsichtigte Schutzzweck gefährdet wird. Die einstweilige Sicherstellung kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 einmalig bis zu weiteren zwei Jahren verlängert werden. In dem einstweilig sichergestellten Teil von Natur und Landschaft sind Handlungen und Maßnahmen nach Maßgabe der Sicherstellungserklärung verboten, die geeignet sind, den Schutzgegenstand nachteilig zu verändern. Die einstweilige Sicherstellung ist ganz oder teilweise aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang gegeben sind. Absatz 2 gilt entsprechend.

(4) Geschützte Teile von Natur und Landschaft sind zu registrieren und zu kennzeichnen. Das Nähere richtet sich nach Landesrecht.

(5) Die Erklärung zum Nationalpark oder Nationalen Naturmonument einschließlich ihrer Änderung ergeht im Benehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.

(1) Der Verursacher eines Eingriffs ist verpflichtet, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen. Beeinträchtigungen sind vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind. Soweit Beeinträchtigungen nicht vermieden werden können, ist dies zu begründen.

(2) Der Verursacher ist verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Ersetzt ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in dem betroffenen Naturraum in gleichwertiger Weise hergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht neu gestaltet ist. Festlegungen von Entwicklungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen für Gebiete im Sinne des § 20 Absatz 2 Nummer 1 bis 4 und in Bewirtschaftungsplänen nach § 32 Absatz 5, von Maßnahmen nach § 34 Absatz 5 und § 44 Absatz 5 Satz 3 dieses Gesetzes sowie von Maßnahmen in Maßnahmenprogrammen im Sinne des § 82 des Wasserhaushaltsgesetzes stehen der Anerkennung solcher Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht entgegen. Bei der Festsetzung von Art und Umfang der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind die Programme und Pläne nach den §§ 10 und 11 zu berücksichtigen.

(3) Bei der Inanspruchnahme von land- oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen, insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen. Es ist vorrangig zu prüfen, ob der Ausgleich oder Ersatz auch durch Maßnahmen zur Entsiegelung, durch Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen oder durch Bewirtschaftungs- oder Pflegemaßnahmen, die der dauerhaften Aufwertung des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes dienen, erbracht werden kann, um möglichst zu vermeiden, dass Flächen aus der Nutzung genommen werden.

(4) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind in dem jeweils erforderlichen Zeitraum zu unterhalten und rechtlich zu sichern. Der Unterhaltungszeitraum ist durch die zuständige Behörde im Zulassungsbescheid festzusetzen. Verantwortlich für Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist der Verursacher oder dessen Rechtsnachfolger.

(5) Ein Eingriff darf nicht zugelassen oder durchgeführt werden, wenn die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bei der Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft anderen Belangen im Range vorgehen.

(6) Wird ein Eingriff nach Absatz 5 zugelassen oder durchgeführt, obwohl die Beeinträchtigungen nicht zu vermeiden oder nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen sind, hat der Verursacher Ersatz in Geld zu leisten. Die Ersatzzahlung bemisst sich nach den durchschnittlichen Kosten der nicht durchführbaren Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich der erforderlichen durchschnittlichen Kosten für deren Planung und Unterhaltung sowie die Flächenbereitstellung unter Einbeziehung der Personal- und sonstigen Verwaltungskosten. Sind diese nicht feststellbar, bemisst sich die Ersatzzahlung nach Dauer und Schwere des Eingriffs unter Berücksichtigung der dem Verursacher daraus erwachsenden Vorteile. Die Ersatzzahlung ist von der zuständigen Behörde im Zulassungsbescheid oder, wenn der Eingriff von einer Behörde durchgeführt wird, vor der Durchführung des Eingriffs festzusetzen. Die Zahlung ist vor der Durchführung des Eingriffs zu leisten. Es kann ein anderer Zeitpunkt für die Zahlung festgelegt werden; in diesem Fall soll eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Ersatzzahlung ist zweckgebunden für Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglichst in dem betroffenen Naturraum zu verwenden, für die nicht bereits nach anderen Vorschriften eine rechtliche Verpflichtung besteht.

(7) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Kompensation von Eingriffen zu regeln, insbesondere

1.
zu Inhalt, Art und Umfang von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen einschließlich Maßnahmen zur Entsiegelung, zur Wiedervernetzung von Lebensräumen und zur Bewirtschaftung und Pflege sowie zur Festlegung diesbezüglicher Standards, insbesondere für vergleichbare Eingriffsarten,
2.
die Höhe der Ersatzzahlung und das Verfahren zu ihrer Erhebung.
Solange und soweit das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit von seiner Ermächtigung keinen Gebrauch macht, richtet sich das Nähere zur Kompensation von Eingriffen nach Landesrecht, soweit dieses den vorstehenden Absätzen nicht widerspricht.

(8) Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 sowie zur Kompensation von Eingriffen im Sinne von Absatz 7 Satz 1 zu regeln, soweit die Verordnung und Vorschriften dieses Kapitels ausschließlich durch die Bundesverwaltung, insbesondere bundeseigene Verwaltung oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, ausgeführt werden. Die Rechtsverordnung ist bis zum 1. März 2020 dem Bundestag zuzuleiten. Sie kann durch Beschluss des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluss des Bundestages wird dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zugeleitet. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ist bei der Verkündung der Rechtsverordnung an den Beschluss gebunden. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang einer Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zur Verkündung zugeleitet. Absatz 7 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.