AGROTTW 3 XIV 77/04

bei uns veröffentlicht am22.10.2004

Gericht

Amtsgericht Rottweil

Tenor

1. Das AG Rottweil ist gem. § 4 Abs. 1 FreihEntzG örtlich unzuständig, das Verfahren wird an das örtlich zuständige AG Tübingen verwiesen.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 4 Abs. 2, 11 FreihEntzG wird zurückgewiesen.

3. Dem Land Baden-Württemberg hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen, soweit sie durch die Ablehnung der einstweiligen Anordnung entstanden sind, zu tragen.

Gründe

 
I.
Dem Verfahren liegt der aus den Akten ersichtliche Antrag zu Grunde. Der dort enthaltene Antrag ist auch als ein solcher nach § 4 Abs. 2 i. V. m. 11 FreihentzG auszulegen.
II.
Ziffer 1 des Beschlusses:
Die örtliche Zuständigkeit des AG Rottweil ist nicht gegeben, da der Ort der Ergreifung einen Gerichtsstand nur begründet, wenn ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht gegeben ist.
§ 4 Abs. 1 FreihEntzG bestimmt: Örtlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Person, der die Freiheit entzogen werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; hat sie keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder ist der gewöhnliche Aufenthalt nicht feststellbar, so ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung entsteht. Befindet sich die Person bereits in Verwahrung einer Anstalt, so ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Anstalt liegt.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Haftantrag ist hinsichtlich dieser doppelrelevanten Tatsache des gewöhnlichen Aufenthaltsorts schon nicht schlüssig.
Dass der Betroffene am 13.10.2004 nicht in seiner Wohnung angetroffen werden konnte und sich nach Auskunft eines unbenannten Nachbars "öfters" bei seiner Verlobten aufhalte, deren Adresse wiederum nicht bekannt sei, genügt schon für die Begründung des notwendigen Wechsels des Aufenthaltsortes nicht.
Eine allgemeine Anwesenheitspflicht zu jeder Zeit besteht nicht. Mit einem einmaligen Nichtantreffen an diesem Tage kann ein Wechsel des Aufenthaltsorts nicht im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG belegt werden, was schon die Existenz des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AuslG zeigt. Die Abwesenheiten des Betroffenen sind weder in zeitlicher Hinsicht, noch was die Dauer derselben betrifft ausreichend präzise ermittelt. Hier wären Nachermittlungen notwendig gewesen. Zudem war der Bezirksstelle die Adresse der Verlobten wohl schon deutlich vor dem 30.09.2004 bekannt, so dass erhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Betroffene für die Behörde nicht erreichbar gewesen ist. Das OLG Hamm weist in seiner Entscheidung vom 26.02.2002 – 15 W 53/02 – darauf hin, dass die Regelung des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG keinerlei Sanktionscharakter habe, dass ihr Zweck darin bestehe, die Erreichbarkeit des Ausländers für die Durchführung der Abschiebung sicherzustellen und dass deshalb nicht der Aufenthaltswechsel als solcher den Haftgrund begründe, sondern der Umstand, dass die Ausländerbehörde nicht darüber unterrichtet sei, wo sich der Ausländer aufhalte.
Ziffer 2 des Beschlusses:
§ 4 Abs. 2 FreihEntzG bestimmt: Für eilige auf Grund dieses Gesetzes zu treffende Anordnungen ist neben dem nach Absatz 1 zuständigen Gericht auch das Gericht einstweilen zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Anordnung entsteht. Das Gericht hat dem nach Absatz 1 zuständigen Gericht die Anordnung mitzuteilen. Mit dem Eingang der Mitteilung geht die Zuständigkeit auf das nach Absatz 1 zuständige Gericht über.
10 
Ein (einstweilige) Haftantrag nach §§ 4 Abs. 2, 11 FreihentzG war abzulehnen.
1.
11 
Es ist schon zweifelhaft, ob §§ 4 Abs. 2 FreihEntzG hier überhaupt einschlägig ist:
12 
Denn der Ausländerbehörde war der Termin zur familienrichterlichen Anhörung schon seit längerem – nämlich spätestens seit dem 30.09.2004 bekannt, da zu diesem Zeitpunkt RA ... per Fax der Bezirksstelle den Termin zur Anhörung am Familiengericht mitgeteilt hatte.
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Ein Haftantrag hätte daher ohne Verzögerungen und damit unter Einhaltung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebotes ( BayObLG , NVwZ-Beil. 1995, 39 L = Wollenschläger/Weickhardt/Renner (Hrsg.), Entscheidungssammlung zum Ausländer- und AsylR (EZAR) 048, Nr. 14) schon deutlich früher erfolgen können und zudem wegen des bei Freiheitsentziehungen geltenden Grundsatzes der richterlichen Präventivkontrolle auch erfolgen müssen.
14 
Bei der Maßnahme handelt es zweifelsohne um eine geplante Haft, bei der zwingend vor der Festnahme eine richterliche Entscheidung herbeizuführen ist ( OLG Oldenburg , Beschl. v. 3.5.2004 – 13 W 18/04; OLG Celle , NdsRpfl 2004, 129; OLG Braunschweig , InfAuslR 2004, 165; OLG Schleswig , NVwZ 2003, 1412; OLG Hamburg , Beschl. v. 2.4.2003 – 2 Wx 67/02; OLG Frankfurt a. M. , InfAuslR 1995, 361; NVwZ 1998, 213 = InfAuslR 1997, 313; KG , NVwZ-Beil. I 2002, 109 = InfAuslR 2002, 315; LG Osnabrück , Beschl. v. 9.2.2004 – 2 T 212/03).
15 
Beantragt die Behörde die Haft jedoch erst so kurz vor dem Anhörungstermin, dass eine weitere notwendige Sachaufklärung erst nach der ersten Anhörung möglich ist, kann dies – in der Regel – nicht dadurch kompensiert werden, dass der Betroffene bis dahin Haft zu erdulden hat. Denn es handelt sich dann um einen selbst geschaffenen Eilfall, der ohne sachlichen Grund die Regelzuständigkeit und die vorherige richterliche Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich macht.
2.
16 
Weiterhin liegen die materiellen Voraussetzungen nicht vor:
a.)
17 
Das Verfahren nach dem maßgeblichen Freiheitsentziehungsgesetz und dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist nicht als genuines Eilverfahren ausgestaltet, der Richter darf sich gleichfalls nicht mit einer Plausibilitätskontrolle begnügen ( BVerfGE 83, 24 (33) = NJW 1991, 1283; KG , NVwZ 1997, 516 L = InfAuslR 1997, 34 (36); OLG Frankfurt a. M. , NVwZ-Beil. 1998, 24 L = InfAuslR 1998, 114 (115). Das verbietet schon der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG. Er hat in eigener Verantwortlichkeit die Tatsachen festzustellen, auf die die Haft gestützt werden soll. Dabei müssen nicht nur diejenigen Umstände geprüft werden, die von der Behörde selbst für relevant gehalten werden. Das Gericht hat vielmehr selbst die Akten durchzusehen, zumal die Praxis zeigt, dass Betroffene häufig Umstände vortragen, die nur anhand der vollständigen Akte beurteilt werden können. Ohne Kenntnis der Akte lässt sich darauf nicht adäquat reagieren. Die mündliche Anhörung des Betroffenen ist nicht bloße Formalie, sie dient vielmehr dazu, dass dieser zu dem Antrag und den Tatsachen Stellung nehmen und gegebenenfalls Beweisanträge stellen (vgl. Beichel-Benedetti/Gutmann , NJW 2004, 3015 ff.).
18 
Angesichts der einschneidenden Maßnahme der Freiheitsentziehung ist zu den vom Abschiebungshaftrichter zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen eine besonders sorgfältige Überprüfung zu verlangen (BVerfGE 74, 358 (370) = NJW 1987, 2427). Bestehen insoweit Zweifel, die nicht unverzüglich aufzuklären sind, hat schon eine einstweilige Haftanordnung zu unterbleiben ( GK-AuslR , § 57 AuslG Rn. 34).
19 
So liegt der Fall hier:
20 
Zwar ist im vorliegenden Fall – aufgrund der vorgelegten Unterlagen der Behörde – zunächst vom bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht und der notwendigen Ausreisepflicht des Betroffenen auszugehen.
21 
Nach der Anhörung des Betroffenen am heutigen Tage sind jedoch dringende Gründe für die Annahme, dass sich der Betroffene der Abschiebung zu entziehen sucht, nicht gegeben.
b.)
22 
Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG ist Sicherungshaft anzuordnen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist.
23 
Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 13.07.1994 (InfAuslR 1994, 342 ff.) festgestellt:
24 
"Die Regelung des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG stieße indes auf verfassungsrechtliche Bedenken, sofern nach ihr Abschiebungshaft auch dann zwingend angeordnet werden müsste, wenn dies – ausnahmsweise – zur Sicherung der Abschiebung nichts beitragen kann. § 57 Abs. 2 AuslG sieht in allen tatbestandlichen Alternativen der Nr. 1 – 5 die Abschiebungshaftanordnung als Mittel "zur Sicherung der Abschiebung" vor. Will sich der Ausländer im Einzelfall offensichtlich nicht der Abschiebung entziehen, erscheint allein die Erfüllung der tatbestandlichen Merkmale der Nr. 1 – 5 des § 57 Abs. 2 AuslG nach dem – hier in der Benennung des Haftzwecks zum Ausdruck gebrachten – verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend, um zwingend die Rechtsfolge der Anordnung der Sicherungshaft auszulösen."
25 
So hat die Haft – nach der obergerichtlichen Rechtsprechung – zu unterbleiben,
26 
- wenn sich der Schluss aufdrängt, dass der Ausländer sich trotz der Verletzung seiner Anzeigepflicht in Wahrheit nicht der Abschiebung entziehen wollte (OLG Düsseldorf in FGPrax 2000, 167 f),
27 
- wenn der Ausländer den Umständen nach nicht damit rechnet oder rechnen musste, dass die Ausländerbehörde gegen ihn ein Abschiebungsverfahren eingeleitet hat oder einleiten wird (BayObLGZ 1997, 260 ff), was z. B. bei einer Duldung der Fall sein kann, nicht aber nach Ablauf des Duldungszeitraums (vgl. BayObLG vom 17.01.2001 – 3Z BR 389/00 –),
28 
- wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Haftantragstellung für die Ausländerbehörde tatsächlich erreichbar ist (OLG Frankfurt in InfAuslR 1998, 461, 462),
29 
- wenn der Aufenthaltswechsel nicht in der Absicht vorgenommen wurde, unterzutauchen (OLG Frankfurt in InfAuslR 1998, 461, 462),
30 
- wenn der Betroffene sich freiwillig bei der Ausländerbehörde meldet und seine Bereitschaft zur Ausreise in sein Heimatland bekundet (OLG Frankfurt in InfAuslR 1998, 461, 462).
31 
Der Abschiebungshaftantrag lässt bislang nicht erkennen, dass Umstände vorliegen könnten, nach denen der Schluss wahrscheinlich ist, dass sich der Betroffene der Abschiebung in einer Weise zu entziehen sucht, die nicht durch Anwendung einfachen Zwangs überwunden werden könnte (BGH, B. v. 12.6.1986 – V ZB 9/86 –, NJW 1986, 3024 = InfAuslR 1987, 8; GK-AuslR § 57 AuslG, Rn. 257, 259).
32 
Dass der Betroffene am 13.10.2004 nicht in seiner Wohnung angetroffen werden konnte und sich nach Auskunft eines unbenannten Nachbars "öfters" bei seiner Verlobten aufhalte, deren Adresse wiederum nicht bekannt sei, genügt schon für die Begründung des notwendigen Wechsels des Aufenthaltsortes nicht.
33 
Eine allgemeine Anwesenheitspflicht zu jeder Zeit besteht nicht. Mit einem einmaligen Nichtantreffen an diesem Tage kann ein Wechsel des Aufenthaltsorts im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht belegt werden, was schon die Existenz des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AuslG zeigt. Die Abwesenheiten des Betroffenen sind weder in zeitlicher Hinsicht, noch was die Dauer derselben betrifft ausreichend präzise ermittelt. Angesichts der einschneidenden Maßnahme der Freiheitsentziehung ist zu den vom Abschiebungshaftrichter zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen eine besonders sorgfältige Überprüfung zu verlangen (BVerfGE 74, 358 (370) = NJW 1987, 2427).
34 
Bestehen insoweit Zweifel, die nicht unverzüglich aufzuklären sind, hat schon eine einstweilige Haftanordnung zu unterbleiben ( GK-AuslR , § 57 AuslG Rn. 34).
c.)
35 
Nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG ist Sicherungshaft anzuordnen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will.
36 
Allgemeine Vermutungen für die Annahme des Haftgrundes reichen nicht aus, vielmehr ist die Feststellung konkreter Umstände erforderlich, die den Verdacht der Entziehungsabsicht rechtfertigen ( BGH , FGPrax 2000, 130).
37 
Der begründete Verdacht im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG ist nicht schon dann gegeben, wenn es möglich erscheint, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen will, sondern erst dann, wenn konkrete Umstände hierauf mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hindeuten, insbesondere Äußerungen oder Verhaltensweisen des Betroffenen eine solche Absicht nahe legen ( BayObLG , InfAuslR 1999, 83, 84).
38 
Aus der Tatsache, dass der Betroffene nicht freiwillig ausreist, lässt sich ein Untertauchen ebenso wenig ableiten (OLG Naumburg, FGPrax 2000, 211 f.) wie aus dem Unterlassen gebotener Mitwirkungshandlungen im Abschiebungs- oder Asylverfahren ( Pfälz. OLG Zweibrücken , InfAuslR 2001, 341 f.).
39 
Nach einem Erlass des Innenministeriums NRW vom 08.05.2001 (I B 1/VI. 4.1.1) ist das Unterlassen notwendiger Mitwirkungshandlungen für die Ausstellung von Passersatzpapieren für sich allein weder beim Erstantrag noch beim Verlängerungsantrag ein Haftgrund nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG (vgl. auch OLG Düsseldorf in InfAuslR 1997, 407)
40 
Das OLG Naumburg (FGPrax 2000, 211 f.) hat eine Reihe von Umständen zusammengestellt, von denen nicht oder nicht ohne weiteres auf eine Entziehungsabsicht geschlossen werden dürfe. Es sind dies:
41 
- Illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet.
42 
- Unerlaubte Einreise vor Durchführung des Asylverfahrens.
43 
- Ablehnung des Asylantrages.
44 
- Erlöschen der Aufenthaltsgestattung.
45 
- Fehlen eines festen Wohnsitzes.
46 
- Mittellosigkeit.
47 
- Unwahrscheinlichkeit einer freiwilligen Ausreise, weil Betroffener keinen Reisepass besitzt und angibt, in der Heimat verfolgt zu werden.
48 
- Nichtverlassen der Bundesrepublik.
49 
- Erforderlichkeit der Abschiebung.
50 
Hingegen ist der Umstand, dass der Betroffene selbständig und freiwillig bei der Ausländerbehörde erschienen ist – obwohl er nach dem Verstreichen der Frist für eine freiwillige Ausreise mit Maßnahmen der Ausländerbehörde rechnen konnte – und musste, als entscheidendes Indiz gegen die Annahme einer Fluchtgefahr zu werten ( OLG Celle , InfAuslR 2002, 320).
51 
Hier ist der Betroffene zum Anhörungstermin bei dem Familienrichter und dem Abschiebungshaftrichter am AG Rottweil erschienen, obwohl er von der Absicht der Behörde, an diesem Tag einen Haftantrag stellen zu wollen, informiert war, nachdem das Regierungspräsidium den Rechtsanwalt des Betroffen darüber in Kenntnis gesetzt hatte. Dies spricht – nach persönlicher Anhörung des Betroffenen – zumindest im Eilverfahren und nach summarischer Prüfung der vorhandenen Unterlagen und Angaben gegen eine Gefahr des Untertauchens. Zumal für den Betroffenen durch eine für ihn günstige Entscheidung des Familiengerichts Rottweil die Möglichkeit einer Legalisierung seines Aufenthaltes sehr wahrscheinlich ist. Es hat also derzeit keinen vernünftigen Grund unterzutauchen. Der Betroffene hat deutlich gemacht, dass er im Falle einer für ihn ungünstigen Entscheidung sofort freiwillig ausreisen wird. Diese Angabe war glaubhaft, zumal die Verlobte als Vertrauensperson ebenfalls anwesend war und dies gleichfalls bestätigte.
d.)
52 
Die Abschiebungshaft kann keinesfalls darauf gestützt werden, dass dem Betroffenen damit ein "Abwarten über die Entscheidung des Gerichts (des Familiengerichts des AG Rottweil) über seine Eheschließungsabsicht ermöglicht werden" soll. Sofern die Ausländerbehörde ohnehin die Entscheidung des Familiengerichts Rottweil abwarten will, das am heutigen Tage den Anhörungstermin durchgeführt hatte und – nach Auskunft von RiAG ... – zu Beginn der nächsten Woche entscheiden wird, ist schon fraglich, ob der Haftantrag nicht gegen den Grundsatz des widerspruchsfreien Verhaltens verstößt, da die Behörde – nach Auskunft des Rechtsanwalts – eine Abschiebung vor dieser Entscheidung tatsächlich nicht durchführen will und selbige im Falle einer für den Betroffenen günstigen Entscheidung ebenfalls nicht plant, da diesem sodann die Heirat gestattet werden soll. Einzig auf die Einhaltung des Visumsverfahren solle dann bestanden werden. Eine solche "prophylaktische" Freiheitsentziehung, die letztlich nicht eine konkrete Gefahr des Untertauchens verhindern, sondern eine hypothetisch entstehende Gefahr des Untertauchens (nämlich nach negativer Entscheidung des Familiengerichts) vorab ausschließen soll, wird vom Gesetzeszweck der Abschiebungshaft jedenfalls nicht gedeckt.
53 
Ziffer 3 des Beschlusses
54 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 16 FreihentzG.
III.
55 
Bei der im Eilverfahren durchzuführenden Prüfung haben sich daher keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine dringende Gefahr im Sinne des § 11 FreihentzG hinsichtlich eines Untertauchens ergeben. Eine weitergehende Aufklärung des Sachverhaltes ohne vorherige Einsichtnahme in die Akte erscheint auch nicht durchführbar. Da das Regierungspräsidium derzeit selbst nicht über die Akte verfügt wäre eine konkrete telefonische Rückfrage nicht sinnvoll möglich. Dementsprechend war die Sache an das zuständige AG Tübingen zu verweisen und der Antrag auf Anordnung der einstweiligen Haft abzulehnen.

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