Amtsgericht Erding Beschluss, 27. Sept. 2018 - 5 C 2980/17

bei uns veröffentlicht am27.09.2018

Gericht

Amtsgericht Erding

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Europäischen Gerichtshof werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

  • 1.Ist von einem außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/2004 bereits dann auszugehen, wenn ein Flug verspätet durchgeführt wird, weil das Flugunternehmen, ohne dies beeinflussen zu können, für den Flug eine gegenüber der planmäßigen Startzeit verspätete Starterlaubnis durch die Luftverkehrskontrolle erhält?

  • 2.Falls Frage 1) verneint werden sollte: Ist im Fall der Frage 1 von einem außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/2004 auszugehen, wenn die verspätete Startfreigabe mit einem erhöhten Verkehrsaufkommen begründet wird?

Gründe

I.

1. Die Klägerin verfügte über eine bestätigte Buchung für den von der Beklagten am 18.07.2016 durchgeführten Flug ... von München nach Amsterdam mit Anschlussflug ... nach Humberside. Die Klägerin wurde aufgrund dieser Buchung von der Beklagten mit dem Flug ... befördert.

2. Der Flug sollte planmäßig um 07:00 Uhr Ortszeit in München abfliegen und um 08:35 Uhr Ortszeit in Amsterdam landen. Tatsächlich startete der Flug in München mit einer Verspätung von 40 Minuten, so dass die Klägerin ihren Anschlussflug verpasste und das Endziel Humberside mit einer Verspätung von sieben Stunden und 23 Minuten erreichte.

3. Die Klägerin verlangt eine Ausgleichszahlung nach Art. 5, 7 der VO (EG) 261/2004 wegen des mit erheblicher Verspätung durchgeführten Fluges.

II.

4. Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung nicht zur Ausgleichszahlung verpflichtet sei. Die Verspätung sei auf außergewöhnlicher Umstände zurückzuführen, die auch dann nicht hätte verhindert werden können, wenn sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe. Dies sei der Fall, weil der verspätete Start auf einer Anweisung durch Eurocontrol beruhe. Der Grund für die Anweisung von Eurocontrol sei ein erhöhtes Verkehrsaufkommen gewesen. In Amsterdam seien statt der üblichen 64 Flüge über 80 Flüge in Warteposition gewesen.

5. Um diesen Vortrag zu beweisen, hat sich die Beklagte auf die Zeugin S... bezogen, die in der mündlichen Verhandlung vernommen wurde. Diese erklärte die Verspätung mit einer Anweisung der Luftverkehrskontrolle, zu der der Delaycode 82 angegeben war. Über den Delaycode hinaus konnte sie keine Angaben machen. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich ein Delaycode 87, ohne dass weitere Informationen ersichtlich sind. Dieser Code soll für ein erhöhtes Verkehrsaufkommen stehen. Zu den Umständen des erhöhten Verkehrsaufkommens sind keine näheren Feststellungen möglich, auch wenn man davon ausgehen kann, dass die Zeugin S... irrtümlich statt des Codes 82 den Code 87 nannte.

6. Die Starterlaubnis war durch die startbereite Beklagte nicht beeinflussbar.

III.

7. Für das vorlegende Gericht kommt es daher darauf an, ob die Erteilung einer verspäteten Starterlaubnis durch die Luftverkehrskontrolle ohne Hinzutreten weiterer Umstände bereits einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/2004 darstellt.

8. Nach Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/2004 ist eine Entlastung möglich, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

9. Die Verordnung enthält keine Legaldefinition außergewöhnlicher Umstände.

10. Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 3 deutet darauf hin, dass es nicht ausreicht, dass die Umstände für das Luftfahrtunternehmen nicht zu beherrschen sind. Diese müssen vielmehr auch außergewöhnlich (extraordinary, extraordinnaires, buitengewone,...) sein.

11. Außergewöhnliche Umstände sind nach ständiger Rechtsprechung Vorkommnisse, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Tätigkeit des betroffenen Luftfahrunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 22.12.2009, C-549/07, BGH, Urteil vom 12.11.2009, Xa ZR 76/07). Bei Art. 5 Abs. 3 der Verordnung handelt es sich um eine Ausnahme von der Leistungspflicht gemäß Art. 7. Der Ausnahmecharakter entspricht dem angestrebtem hohen Schutzniveau für die Fluggäste nach Erwägungsgrund 1 der Verordnung.

12. Beispielhaft ist in Erwägungsgrund 14 der Verordnung aufgeführt, dass solche Umstände bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des Fluges nicht vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks auftreten können. Erwägungsgrund, 15 betrifft Anordnungen des Flugverkehrsmanagemant. Danach sollte vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug zu einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.

13. Die Erwägungsgründe sind bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung zu berücksichtigen.

14. In der Rechtsprechung der nationalstaatlichen Gerichte wird die Frage, ob eine Verschiebung der Start- oder Landezeit einen außergewöhnlichen Umstand darstellt, unterschiedlich bewertet.

15. In einem Fall, den das Handelsgericht Wien zu entscheiden hatte, berief sich das Luftfahrtunternehmen auf eine Slotverschiebung wegen Luftraumüberlastung. Das HG Wien hat dazu mit Urteil vom 06.10.2017, 60 R 62/17y, entschieden, dass es nicht ausreicht, dass das Luftfahrtunternehmen einen verspäteten Slot erhält und es darauf keinen Einfluss hatte. Wenn sich das Luftfahrtunternehmen auf Maßnahmen der Flugsicherung beruft, müsse es auch behaupten und nachweisen, dass mit dieser Maßnahme aufgrund ihrer Unüblichkeit nicht gerechnet werden konnte. Dazu gehöre auch die Behauptung, inwiefern der Grund für die Beschränkung des Luftverkehrs außergewöhnlich sei.

16. In einem Fall, den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, berief sich das Luftfahrtunternehmen darauf, dass ein Flug nach pünktlichem Start mit einer Verspätung landete, weil die Landeerlaubnis verspätet erteilt worden sei. Der BGH entschied mit Urteil vom 13.11.2013, X ZR 115/12, dass in einer verspäteten Landeerlaubnis ein außergewöhnlicher Umstand liege. Das Luftfahrtunternehmen müsse von den in seinem Flugplan vorgesehenen Start- und Landezeiten ausgehen. Es habe keinen Einfluss auf Entscheidungen der Luftverkehrsbehörden oder eines Flughafenbetreibers. Da diese wie Wetterbedingungen von außen in den Flugverlauf eingriffen, handele es sich um außergewöhnliche Umstände. Der Bundesgerichtshof begründete dies auch mit Erwägungsgrund 15 der VO (EG) 261/2004.

17. Das vorlegende Gericht hält eine enge Auslegung des Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 für geboten. Danach erscheint es zweifelhaft, ob die Anweisung, später abzufliegen, ohne Weiteres als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung anzusehen ist.

18. Die Durchführung von Flügen ist typischerweise Gegenstand weitgehender Regulierungen. Insbesondere Start und Landung sind von einer Genehmigung abhängig. Bei der Durchführung eines Fluges und der Benutzung eines Flughafens können Fluggesellschaften Adressat vielfältiger Anweisungen sein. Diese können sich insbesondere daraus ergeben, dass viele Bedingungen und Akteure auf den Luftverkehr einwirken. Es ist davon auszugehen, dass ein Luftfahrtunternehmen dabei Anweisungen erhält, die sie im Einzelfall nicht beeinflussen kann. Es ist aber kaum festzustellen, dass dies völlig außerhalb der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens liegt. Dass eine Abfluggenehmigung oder ein Slot zugeteilt wird, der außerhalb der im Flugplan vorgesehenen Zeiten liegt, erscheint daher nicht ohne Weiteres außergewöhnlich.

19. Es stellt sich die Frage wie im Rahmen der Auslegung Erwägungsgrund 1 und Erwägungsgrund 15 der Verordnung zu berücksichtigen sind. Erwägunsgrund 1 erklärt als Ziel der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste sicherzustellen. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung stellt eine Ausnahme dar und ist daher eng auszulegen.

20. Erwägungsgrund 15 ist in diesen Zusammenhang einzuordnen. Er ist - wie Erwägungsgrund 14 - bewusst nicht als bindende Begriffsbestimmung in Art. 2 der Verordnung aufgenommen worden. Ihm kommt daher kein stärkeres Gewicht zu, als dem Ziel des hohen Schutzniveaus und dem Verbraucherschutz. Das System von Erwägungsgrund 14 und Erwägungsgrund 15 lässt auch eine enge Auslegung zu. Danach würde Erwägungsgrund 14 sich - nicht abschließend - darauf beziehen, was außergewöhnliche Umstände sind, während Erwägungsgrund 15 sich darauf bezieht, in welchem zeitlichen und organisatorischem Umfang ein Luftfahrtunternehmen sich entlasten kann. Dafür spricht der Wortlaut, nach dem es um eine „Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug“ (impact of an „airtraffic management decision in relation to a particular aircraft“), nicht um eine Entscheidung zu einem bestimmten Flug, geht. Dies deutet dahin, Erwägungsgrund 15 insbesondere auf Fälle anzuwenden, in denen es durch näher aufzuklärende außergewöhnliche Umstände zu einer Umlaufverspätung bei weiteren Flügen des vorgesehenen Fluggeräts kommt.

21. Demgegenüber entspricht eine Entlastung des Luftfahrtunternehmens durch jede Anweisung, die nicht im Einfluss der Fluggesellschaft steht, nicht dem Ziel, ein hohes Schutzniveau zu schaffen.

IV.

22. Soweit es darauf ankommen sollte, auf welchem Grund die Anordnung der Luftverkehrskontrolle beruht, ist es nach Ansicht des vorlegenden Gerichts entscheidend, ob es ausreicht, dass diese mit erhöhtem Verkehrsaufkommen begründet ist. Bei einer engen Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) 261/2004 ist dies kein Umstand, der außerhalb der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens liegt.

V.

23. Da die vorliegende Frage durch eine Auslegung des Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 zu beantworten ist, hat das Gericht den Rechtsstreit ausgesetzt und die Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2013 - X ZR 115/12

bei uns veröffentlicht am 13.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 115/12 Verkündet am: 13. November 2013 Beširović Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 115/12 Verkündet am:
13. November 2013
Beširović
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FluggastrechteVO Art. 5 Abs. 3, Art. 7

a) Kehrt der Fluggast, der wegen eines verspäteten Flugs einen gebuchten Anschlussflug
verpasst hat und mit einem ihm angebotenen Ersatzflug sein Endziel
nicht früher als drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit erreichen kann,
zum ersten Abflugort zurück, steht ihm gleichwohl ein Ausgleichsanspruch wegen
erheblicher Verspätung zu.

b) Die Verspätung eines Flugs geht regelmäßig auf außergewöhnliche Umstände
zurück, wenn sie darauf beruht, dass das pünktlich gestartete Flugzeug am Ankunftsflughafen
keine Landeerlaubnis erhält.
BGH, Urteil vom 13. November 2013 - X ZR 115/12 - LG Hamburg
AG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den
Richter Gröning, die Richterin Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin
Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 29. August 2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 18 des Landgerichts Hamburg wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger buchte bei der Beklagten eine Flugreise von Hamburg über Paris
1
nach Atlanta. Der Zubringerflug nach Paris startete am 27. April 2006 pünktlich um 13.35 Uhr, landete jedoch mit einer Verspätung von 25 Minuten um 15.35 Uhr, weil zunächst keine Landeerlaubnis erteilt wurde. Der Kläger verpasste infolgedessen den für 15.55 Uhr vorgesehenen, pünktlich abgehenden Anschlussflug nach Atlanta. Da ein Weiterflug nach Atlanta erst wieder am nächsten Tag möglich war, bemühte sich der Kläger um eine entsprechende Verschiebung seines ursprünglich für den 27. April 2006 in Atlanta geplanten Geschäftstermins. Der Termin konnte jedoch erst mehrere Tage später stattfinden. Der Kläger ließ daher den Flug nach Atlanta entsprechend umbuchen und reiste zunächst nach Hause zurück.
2
Der Kläger verlangt, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. EU L 46 vom 17. Februar 2004, S. 1 ff.; im Folgenden: Fluggastrechteverordnung) sowie Ersatz außergerichtlicher Kosten.
3
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Ausgleichsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
4
begründet: Die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Flug5 gastrechteVO wegen Verspätung lägen nicht vor. Verspätete Flüge im Sinne der Fluggastrechteverordnung seien nur solche, bei denen sich der Abflug um eine in Art. 6 FluggastrechteVO genannte Zeitdauer verzögere. Im Streitfall habe sich lediglich die Ankunft des Klägers am Zwischenziel verzögert. Es fehle daher bereits am Tatbestand einer Verzögerung beim Abflug. Unabhängig hiervon liege die Verspätung unterhalb der nach der Fluggastrechteverordnung maßgeblichen Schwelle, die im Streitfall vier Stunden betrage, da für die Berechnung der Verspätung nicht isoliert auf die Verspätung des ersten Flugs von Hamburg nach Paris, sondern auf den Flug von Hamburg nach Atlanta als Einheit abzustellen sei. Da der Flug von Paris nach Atlanta ohne Verspätung gestartet sei, liege, auch wenn man vom Erfordernis einer Abflugverspätung absähe und eine reine Ankunftsverspätung genügen ließe , allenfalls eine Verspätung von 25 Minuten vor. II. Dies hält zwar der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Ent6 scheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen im Ergebnis gleichwohl als richtig dar (§ 561 ZPO). 1. Die Fluggastrechteverordnung ist anwendbar, da der Kläger auf einem
7
Flughafen auf dem Gebiet der Europäischen Union einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von Hamburg nach Paris, angetreten hat (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO).
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2. Die verspätete Ankunft dieses Flugs hat dazu geführt, dass der Kläger sein Endziel Atlanta nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunft erreichen konnte. Damit sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die tatbestandlichen Voraussetzungen für den mit der Klage geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO grundsätzlich erfüllt (BGH, Urteil vom 7. Mai 2013 - X ZR 127/11, NJW-RR 2013, 1065). 3. Der Ausgleichsanspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der
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Kläger den ihm für den verpassten Anschlussflug angebotenen Flug nach Atlanta am Folgetag aufgrund der nicht möglichen Verschiebung seines Geschäftstermins auf den 28. April 2006 nicht angetreten hat. Dass nicht nur den Fluggästen annullierter Flüge, sondern auch den Fluggästen verspäteter Flüge der in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehene Anspruch auf Ausgleich zugebilligt wird, beruht im Wesentlichen auf der Erwägung, dass die Fluggastrechteverordnung darauf abzielt, die Nachteile standardisiert auszugleichen, die sich - nicht anders als bei der Annullierung - aus dem hierdurch verursachten Zeitverlust der betroffenen Fluggäste ergeben und als solche irreversibel sind (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, NJW 2010, 43 Rn. 51-53 = RRa 2009, 282 - Sturgeon/Condor). Ein solcher Zeitverlust ist auch beim Kläger eingetreten. Er hat zwar den Weiterflug nicht angetreten. Gleichwohl hat er einen Zeitverlust insofern erlitten, als er sein Endziel Atlanta nicht früher als drei und auch nicht früher als vier Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit erreichen konnte, weshalb es ihm nicht möglich war, den dort vorgesehenen Geschäftstermin wahrzunehmen. Dass deswegen die Weiterreise nach Atlanta am Folgetag nutzlos gewesen
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wäre und der Kläger folglich die Reise in Paris abgebrochen hat, ändert hieran nichts. Dies wäre auch unerheblich, wenn der Umstand, dass der Kläger Atlanta nicht früher als vier Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit erreichen konnte, nicht auf einer Verspätung, sondern auf einer Annullierung beruht hätte. Auch dann hätte es dem Kläger freigestanden, eine ihm angebotene anderweitige Beförderung in Anspruch zu nehmen oder sich für eine Erstattung des Flugpreises und einen Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Art. 8 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO ) zu entscheiden. Die Verpflichtung der Beklagten zur Ausgleichsleistung nach Art. 7 FluggastrechteVO wäre hiervon unberührt geblieben. Die Beklagte hätte lediglich, wenn sie dem Kläger eine anderweitige Beförderung mit einem Flug hätte anbieten können, dessen Ankunftszeit nicht später als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Flugs gelegen hätte, die Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. c FluggastrechteVO um die Hälfte kürzen können. Im Verspätungsfall kann nichts anderes gelten. 4. Die Beklagte ist jedoch nach Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO von der Ver11 pflichtung zur Ausgleichszahlung befreit, weil die verspätete Ankunft in Paris auf außergewöhnlichen Umständen beruht und mit zumutbaren Maßnahmen von der Beklagten nicht zu vermeiden war.
a) Die verzögerte Erteilung einer Landeerlaubnis am Ankunftsflughafen
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begründet grundsätzlich außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO. (1) Der Begriff der außergewöhnlichen Umstände, der weder in Art. 2 noch in
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sonstigen Vorschriften der Verordnung definiert ist, bedeutet nach seinem Wortlaut, dass die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichspflicht führenden Umstände außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann. Es sollen Ereignisse erfasst werden, die nicht zum Betrieb des Luftverkehrsunternehmens gehören , sondern als - jedenfalls in der Regel von außen kommende - besondere Umstände dessen ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können. Dementsprechend führen außergewöhnliche Ereignisse nicht per se zum Wegfall der Ausgleichspflicht. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn sich ihre Folgen für die planmäßige Durchführung des Flugplans des Luftverkehrsunternehmens auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn von diesem alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Dies macht zugleich deutlich, dass ein bestimmtes außergewöhnliches Ereignis wie beispielsweise ein Erdbeben oder ein Orkan nicht schon für sich genommen zur Entlastung des Luftverkehrsunternehmens führt, sondern nur dann, wenn die hierdurch hervorgerufenen Bedingungen für die Durchführung eines geplanten Flugs auch bei Aufbietung aller möglichen und zumutbaren Mittel nicht in der Weise verändert oder sonst beeinflusst werden können , dass ein hiervon betroffener Flug planmäßig durchgeführt werden kann (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008, C-549/07, NJW 2009, 347 Rn. 22 = RRa 2009, 35 - Wallentin-Hermann/Alitalia; BGH, Urteil vom 21. August 2012 - X ZR 138/11, BGHZ 194, 258 Rn. 11; Urteil vom 24. September 2013 - X ZR 160/12, juris). (2) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe begründet die Verweigerung oder
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die verzögerte Erteilung einer Landeerlaubnis grundsätzlich außergewöhnliche Umstände. Das Luftverkehrsunternehmen muss bei seiner Planung von den im Flugplan vorgesehenen Start- und Landezeiten ausgehen und selbst alles ihm Mögliche und Zumutbare tun, damit von seiner Seite die Voraussetzungen für die Einhaltung des Flugplans geschaffen und aufrechterhalten werden. Das Luftverkehrsunternehmen, dem für einen bestimmten Flug eine Startzeit am Abflugort und eine Landezeit am Ankunftsort zugewiesen sind, hat jedoch keinen Einfluss darauf, ob ihm, auch wenn es selbst alle hierfür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, tatsächlich auch der Abflug zur vorgesehenen Zeit und die Landung zur vorgesehenen Zeit gestattet werden. Nicht anders als Wetterbedingungen, die der planmäßigen Durchführung eines Flugs entgegenstehen, können Entscheidungen der Luftverkehrsbehörden oder eines Flughafenbetreibers "von außen" in den vorgesehenen Flugverlauf eingreifen. Erwägungsgrund 15 der Fluggastrechteverordnung zählt demgemäß "Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements" (air traffic management decision; décision relative à la gestion du trafic aérien) zu einem einzelnen Flugzeug, die unvermeidbare Verspätungen oder Annullierungen von mit diesem zu absolvierenden Flügen zur Folge haben, zu den außergewöhnlichen Umständen.
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b) Im Streitfall begründet die verzögerte Erteilung der Landeerlaubnis außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO.
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Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt steht - insoweit von der Revision unbeanstandet - fest, dass der Beklagten in Paris die Landeerlaubnis verzögert erteilt worden ist. Der Flug von Hamburg nach Paris ist nach den - ebenfalls unbeanstandeten - Feststellungen des Berufungsgerichts pünktlich gestartet. Damit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte nicht alles ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um von ihrer Seite die Voraussetzungen für die Einhaltung des Flugplans und eine pünktliche Ankunft in Paris zu schaffen. Wenn ihr unter diesen Bedingungen die Landung nicht zur vorgesehenen Zeit gestattet wird, liegt dies nicht im Einflussbereich der Beklagten. Sie hat auch dann den Anordnungen des Flugverkehrsmanagements Folge zu leisten, ohne diese hinterfragen zu können. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe übergangen, dass der Klä17 ger jeglichen Zusammenhang zwischen der Verzögerung der Landeerlaubnis und der Situation im Luftraum bestritten habe, und damit auch offen geblieben sei, ob die Verzögerung auf ein Verhalten der Beklagten, etwa auf Sicherheitsbedenken gegen das von ihr eingesetzte Flugzeug beruht habe, ist demnach nicht geeignet, die Annahme außergewöhnlicher Umstände im Streitfall in Frage zu stellen. Die Revision zeigt nicht auf, dass der Kläger vorgetragen hat, die Verzögerung der Landeerlaubnis sei von der Beklagten verursacht worden.
c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte die Verspätung hätte
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vermeiden können. Soweit die Revision meint, es sei nicht festgestellt, dass die Überfüllung des Luftraums der Beklagten nicht bekannt gewesen sei und sie die Verspätung nicht durch eine Erhöhung der Fluggeschwindigkeit hätte vermeiden können , zeigt sie damit nicht auf, dass die Beklagten die verspätete Landung mit zumutbaren Maßnahmen hätte abwenden können. Selbst wenn die Beklagte, wovon nicht ausgegangen werden kann, in der Lage gewesen wäre, beim Abflug von Hamburg die Verhältnisse im Pariser Luftraum zum Zeitpunkt der vorgesehenen Landung hinreichend genau zu prognostizieren, hätte sie, auch wenn sie den Versuch unternommen hätte (und dieser technisch möglich gewesen wäre), den Pariser Luftraum etwas früher zu erreichen, nicht sicher damit rechnen können, deswegen auch eine frühere Landeerlaubnis zu erhalten.
5. Die Verfahrensrüge der Revision hat der Senat geprüft und für nicht
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durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Schuster
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 02.02.2011 - 6 C 218/08 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 29.08.2012 - 318 S 56/11 -