Die Parteien streiten um die Benachteiligung eines Mitglieds des Beteiligten zu 2) im Bezug auf Seminarteilnahmen.
Die Beteiligte zu 3) (künftig Arbeitgeberin) ist ein Großhandelsunternehmen, welches Gastronomie und Hotelleriebetriebe mit Lebensmitteln und allgemeinen Restaurant- und Hotelleriebedarfsartikeln beliefert. Der Beteiligte zu 2) (künftig Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete elfköpfige Betriebsrat. Im Betriebsrat gibt es unstreitig „zwei Fraktionen“, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob eine Fraktion als verdinahes Lager gesehen wird und die andere Fraktion als nichtverdinahes Lager. Der Beteiligte zu 1) jedenfalls ist seit 2010 Mitglied des Betriebsrats, nach eigener Aussage Teil der verdinahen Koalition und selbst Mitglied der Gewerkschaft Verdi. In den Jahren 2010 bis 2014 hat der Beteiligte zu 1) mehrere Grundlagenseminare sowie in seiner Funktion als Mitglied des Wirtschaftsausschusses, BEM-Beauftragter und Mitglied des Wahlvorstandes weitere Seminare besucht. Der Beteiligte zu 1) hat beantragt, seine Teilnahme an mehreren Seminaren auf die Tagesordnung von Betriebsratssitzungen zu setzen. Die Seminare sind
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-Aktuelle Neuerungen im Arbeitsrecht
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-Auffrischung im Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht 2
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-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle im Betrieb
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-Sozialrecht 1
Für sämtliche Seminare wurde durch den Beschluss des Betriebsrats die Teilnahme des Beteiligten zu 1) nicht als erforderlich angesehen.
Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, dass er durch den Betriebsrat wegen seiner interessenpolitischen Ausrichtung benachteiligt wird. Die Benachteiligung ergebe sich daraus, dass dem Beteiligten zu 1) im Gegensatz zu anderen Mitgliedern des Betriebsrats eine Schulung zu den genannten Themen verwehrt worden sei. Die Benachteiligung ergebe sich auch daraus, dass gegen die fünf Mitglieder der „Minderheitenfraktion“ im Betriebsrat bereits insgesamt sechs Beschlussverfahren eingeleitet worden seien, in denen der Ausschluss der Mitglieder der „Minderheitenfraktion“ aus dem Betriebsrat streitgegenständlich war. Gegen ein Mitglied seien bereits zwei Ausschlussverfahren geführt worden. Daraus ergebe sich schon, dass hier die Mitglieder der „Minderheitenfraktion“ auf Grund ihrer interessenpolitischen Ausrichtung benachteiligt würden.
Der Beteiligte zu 1) hat zuletzt beantragt:
Dem Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, anlässlich von Beschlussfassungen, die die Seminarteilnahme des Beteiligten zu 1 betreffen, das ihm eingeräumte Ermessen dahingehend auszuüben, dass der Beteiligte zu 1 in seiner Funktion als Mitglied des Beteiligten zu 2 wegen seiner Zugehörigkeit zur Minderheitenfraktion des Beteiligten zu 2, nämlich der ver.dinahen Liste, bzw. wegen seiner interessenpolitischen Ausrichtung nicht benachteiligt wird.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 2 den Beteiligten zu 1 durch die Beschlussfassungen vom 07.12.2016, 11.01.2017 und 25.01.2017, die die Ablehnung der Teilnahme des Beteiligten zu 1 an den Seminaren „Aktuelle Neuerungen im Arbeitsrecht“ vom 26.02. bis 03.03.2017 in Prags, „Auffrischung im Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht 2“ vom 13, bis 17.03.2017 in Hohenroda, „Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle im Betrieb“ vom 08. bis 13.10.2017 in Grainau und „Sozialrecht 1“ vom 07. bis 12.05.2017 in Kühlungsborn beinhalten, in seiner Funktion als Mitglied des Beteiligten zu 2 benachteiligt.
Hilfshilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse des Beteiligten zu 2 vom 07.12.2016, 11.01.2017 und 25.01.2017, die die Ablehnung der Teilnahme des Beteiligten zu 1 an den Seminaren „Aktuelle Neuerungen im Arbeitsrecht“ vom 26.02. bis 03.03.2017 in Prags, „Auffrischung im Arbeitsrecht und Betriebsverfassungsrecht 2“ vom 13. bis 17.03.2017 in Hohenroda, „Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle im Betrieb“ vom 08. bis 13.10.2017 in Grainau und „Sozialrecht 1“ vom 07, bis 12.05.2017 in Kühlungsborn beinhalten, unwirksam sind.
Der Betriebsrat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass die Anträge unzulässig, jedenfalls aber unbegründet seien. Die Anträge seien bereits deswegen unzulässig, da das von dem Beteiligten zu 1) begehrte Ziel, die Teilnahme an den beantragten Schulungen, nicht durch die streitgegenständlichen Feststellungsanträge erzielt werden könnte. Außerdem seien die Anträge auch unbegründet, da der Betriebsrat nicht aus einem Verdi- und einem Nichtverdilager bestehen würde. Sehr viele Beschlüsse des Betriebsrats seien auch mit Voll- oder Teilzustimmung des „Verdilagers“ erfolgt. Dies ergebe sich auch daraus, dass einige Schulungen von Betriebsratsmitgliedern des „Verdilagers“ genehmigt wurden, dies bedeutet, dass auch Mitglieder des „Nichtverdilagers“ hier zugestimmt hätten. Auch die vom Beteiligten zu 1) selbst angeforderten Schulungen hätten nur teilweise eine Mehrheit beim „Nichtverdilager“ gefunden (vgl. Blatt 46 der Akte). Auch daran ist zu sehen, dass die im Betriebsrat beschlossenen Schulungsmaßnahmen für einzelne Betriebsratsmitglieder querbeet, das heißt also über die behaupteten zwei Fraktionen hinweg genehmigt oder abgelehnt worden seien. Insbesondere werde auch eine Einflussnahme des Betriebsrats auf die Entscheidungsbindung der einzelnen Betriebsratsmitglieder wegen der behaupteten Fraktionsbildung ausdrücklich bestritten. Insbesondere sei auch nicht praktisch denkbar, wie der Betriebsrat wissen soll, weshalb einzelne Betriebsratsmitglieder sich bei Abstimmungen für oder gegen den Beteiligten zu 1) entschieden hätten.
Die Stimmungslage im Betriebsrat kennzeichnet am besten die Ablehnung des Minimalvergleichsangebotes gemäß gerichtlichem Vergleichsvorschlag vom 11.04.2017 (vgl. Blatt 40 der Akte). Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen und verwiesen.
Die Anträge sind zulässig.
Das Arbeitsgericht entscheidet im Beschlussverfahren über Streitigkeiten zwischen dem Betriebsrat und seinen Mitgliedern gemäß § 2 a I Nr. 1, II i.V.m. § 80 ff ArbGG. Voraussetzung dabei ist, dass das Betriebsratsmitglied geltend macht, durch eine Handlung oder ein Unterlassen des Betriebsrats in seinen Rechten als Betriebsratsmitglied verletzt zu sein. In Betracht kommt dabei auch, dass der Betriebsrat nicht die nach § 37 VI erforderlichen Entscheidungen trifft, von denen der Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an einer Schulung abhängt (vgl. Thüsing in Richardi, Betriebsverfassungsgesetz 15. Auflage, § 37 Rn. 209).
Die Anträge sind jedoch insgesamt unbegründet. Im Einzelnen ist dazu folgendes festzustellen:
1. Der Beteiligte zu 1) macht geltend, dass er auf Grund der Beschlussfassungen des Betriebsrats (Ablehnung der Schulungen) wegen seiner Zugehörigkeit zur verdinahen Liste, bzw. wegen seiner interessenpolitischen Ausrichtung benachteiligt worden sei. Eine solche Benachteiligung ergebe sich laut Beteiligtem zu 1) aus einem Verstoß gegen § 75 BetrVG. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Nach Auffassung der Kammer ist jedoch § 75 im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zwar können Streitigkeiten, ob § 75 BetrVG verletzt ist, durch das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren entschieden werden. Antragsberechtigt sind in diesem Fall aber nur der Arbeitgeber oder der Betriebsrat als Gremium selbst. Der von einer Verletzung der hier genannten Grundsätze betroffene Arbeitnehmer oder im vorliegenden Fall auch Mitglied des Betriebsrats kann gegen den Betriebsrat als Gremium eine Durchsetzung der Grundsätze des § 75 nicht verlangen.
Dies ergibt sich bereits auch schon aus rein praktischen Erwägungen. Wie der Vertreter des Betriebsrats zu Recht ausgeführt hat, kann das Gremium keinen Einfluss auf die einzelnen Betriebsratsmitglieder nehmen, ob und in welchem Umfang die Mitglieder für eine Schulungsmaßnahme eines einzelnen Betriebsratsmitglieds stimmen. Deswegen ist der Antrag, dem Betriebsrat aufzugeben, den Beteiligten zu 1) nicht wegen seiner interessenpolitischen Ausrichtung zu benachteiligen, nicht vollziehbar, da der Betriebsrat als Gremium nur geschlossen für die Einhaltung von § 75 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber wachen kann, nicht jedoch intern einzelne Mitglieder dazu anhalten kann.
2. Darüber hinaus wäre nach Auffassung der Kammer – selbst wenn man nicht der Rechtsauffassung in 1. folgt – auch eine Verletzung von § 75 BetrVG nicht ausreichend dargelegt. Selbst nach eigenem Vortrag des Beteiligten zu 1) gibt es Schulungen, die sowohl von Mitgliedern des „verdinahen Lagers“ als auch des „nichtverdinahen Lagers“ abgelehnt oder denen zugestimmt worden ist. Eine Tendenz dahingehend, dass sämtlichen Mitgliedern der „verdinahen Liste“ Seminare abgelehnt worden seien, ist nicht ersichtlich.
3. Auch die hilfsweise gestellten Anträge können nicht durchdringen. Der hilfsweise gestellte Antrag, dass der Beteiligte zu 2) durch die Beschlussfassungen des Betriebsrats in seiner Funktion als Mitglied des Betriebsrats benachteiligt worden sei, kann als rechtliche Grundlage auch nur eine Verletzung des § 75 BetrVG zur Grundlage haben. Bezüglich der hier geltenden Grundsätze wird auf die Ausführungen in Ziffer 1 verwiesen. Eine weitere Benachteiligungsnorm, auf die sich der Beteiligte zu 1) stützen könnte, ist für die Kammer hier nicht ersichtlich. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Seminare für das Mitglied des Betriebsrats erforderlich sind oder nicht. Die Durchsetzung von Seminaransprüchen des Betriebsrats sind auf anderem Wege geltend zu machen.
Theoretisch ist natürlich der Antragstellerseite Recht zu geben, dass eine Möglichkeit, einzelnen Betriebsratsmitgliedern Schulungen zu gewähren, die vom Gremium abgelehnt worden sind, rechtlich nicht realisierbar sind. Dies ist jedoch ein Problem des Betriebsratsgremiums.
Auch der hilfshilfsweise gestellte Antrag, dass die Beschlüsse des Betriebsrats zu den Schulungsteilnahmen des Beteiligten zu 1 unwirksam sind, sind nicht begründet. Eine Unwirksamkeit kann sich hier nach Auffassung der Kammer nur aus formellen Gründen ergeben, formelle Mängel in den Beschlüssen des Betriebsrats sind jedoch nicht vorgetragen.
Die Anträge waren daher vollumfänglich zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gemäß § 2 II GKG kostenfrei.
Gegen diesen Beschluss kann der Beteiligte zu 1) Beschwerde zum Landesarbeitsgericht München gemäß nachfolgender Rechtsbehelfsbelehrung einlegen.