Amtsgericht Nürnberg Endurteil, 22. Aug. 2017 - 239 C 7131/16

bei uns veröffentlicht am22.08.2017

Gericht

Amtsgericht Nürnberg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld von der Beklagten, der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft.

Der Kläger wollte am 06.06.2016 gegen 17.10 Uhr in einen U-Bahn-Zug an der U-Bahn-Haltestelle Plärrer in Nürnberg einsteigen.

Er wurde dabei zwischen den Türen der U-Bahn eingeklemmt.

Der Kläger behauptet, dass er sich vollkommen ordnungsgemäß verhalten habe und dass der U-Bahn-Fahrer den Schließvorgang erst vorgenommen habe, als er auf dem Weg zum Einstieg war. Er habe einen Rippenbruch erlitten und leide seitdem unter Atembeschwerden und Brustschmerzen.

Der U-Bahn-Fahrer hätte darauf achten müssen, dass die Türen nicht geschlossen werden oder es hätte eine Lichtschranke so eingestellt werden müssen, dass das Einklemmen eines Fahrgasts nicht möglich ist.

Der Kläger meint, dass ein Schmerzensgeld von mindestens 1.500,00 € angemessen sei.

Darüber hinaus sei Schadensersatz in Höhe von 35,00 € zu leisten. Ihm stehe eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 € zu, außerdem seien ihm Attestkosten in Höhe von 10,00 € entstanden.

Der Kläger beantragt,

  • 1.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger anlässlich des Unfalls vom 06.06.2016 ein Schmerzensgeld zu bezahlen, dessen Höhe in das ausdrückliche Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilte, an den Kläger 35,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet, dass der Kläger sich noch weit vor der Türe insbesondere vor dem Sicherheitsstreifen befunden habe, als der Türschließvorgang eingeleitet worden sei. Der Kläger habe optische und akustische Warnsignale (rotes Blinklicht und Piepton) missachtet und sei eingestiegen, obwohl sich die Türen bereits schlossen. Dies ergebe sich aus einer Videoaufzeichnung, die die Beklagte auch als Beweismittel vorlegt. Darauf sei der Ton zwar nicht zu hören, das akustische Warnsignal habe es aber gegeben.

Die Türen entsprächen den geltenden Sicherheitsvorschriften, sie verfügten über einen Einklemmschutz, sie seien auch im vorliegenden Fall wieder ein Stück weit aufgegangen, so dass der Kläger in das Innere des Wagens gelangen konnte. Die Beklagte ist daher der Auffassung, dass der Kläger den Unfall allein verursacht habe. Eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten sei nicht ersichtlich.

Das Gericht hat Beweis erhoben und das von der Beklagten übergebene Video im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2017 mit den Parteien angeschaut. Zuvor bereits hat das Gericht selbst im Vorfeld der mündlichen Verhandlung mehrere Male angeschaut, insbesondere vor Erlass des Beschlusses vom 18.01.2017, in dem die vom Kläger beantragte Prozesskostenhilfe versagt wurde.

Auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und insbesondere auf die von der Beklagten übergebene Video-Aufzeichnung wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage war abzuweisen, da der Beklagten eine etwaige Verletzung des Klägers, die streitig ist, aber dahinstehen kann, nicht zurechenbar ist.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Das Gericht bezieht sich dabei insbesondere auf die Videoaufzeichnung, die den Vortrag der Beklagten ganz eindeutig bestätigt.

Auf dieser Videoaufzeichnung ist zu sehen, dass längere Zeit Fahrgäste ein- und aussteigen, dass letztlich am U-Bahn-Zug Lichter blinken und dass eine Frau eilig in den Zug rennt. Ein Mann folgt ihr ebenfalls eilig, er wird jedoch eingeklemmt. Er bleibt jedoch nur kurz in der „Klemme“ und gelangt unmittelbar anschließend ins Wageninnere.

Dieser Mann ist unstreitig der Kläger.

Ein Ton ist zwar nicht zu hören, dass Gericht glaubt der Beklagten aber, dass es neben dem optischen Warnsignal, das eindeutig auf der Videoaufzeichnung zu erkennen ist, auch das akustische Warnsignal gab.

Der unterzeichnende Richter ist selbst unzählige Male mit der U-Bahn in Nürnberg gefahren und weiß aus eigener Erfahrung, dass vor jedem Schließvorgang die von der Beklagten beschriebenen optischen und akustischen Warnsignale gegeben werden.

Im übrigen zeigt die Eile der Frau und des ihr folgenden Mannes, dass beiden sicherlich bewusst war, dass die Türe gleich schließt. Beide haben offensichtlich die Warnsignale erkannt und wollten gleichwohl noch in diese U-Bahn gelangen. Insbesondere der Kläger hätte angesichts der Signale unproblematisch zurückbleiben können, er war noch ein gewisses Stück vor der Türe.

Das Gericht glaubt der Beklagten auch, dass die Türen den Sicherheitsvorschriften entsprechen und dass der „Einklemmschutz“ funktioniert hat. Der Kläger blieb nicht eingeklemmt zwischen den Türen hängen, sondern gelangte unmittelbar danach in das Wageninnere.

Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht kann nicht erkannt werden. Der bedauerliche Unfall ist der Beklagten objektiv nicht zurechenbar und beruht allein auf dem Eigenverschulden des Klägers, der auf „Biegen und Brechen“ unbedingt noch in diese U-Bahn gelangen wollte.

Der Beklagten ist nichts vorzuwerfen, die Tatsache, dass optische und akustische Warnsignale gegeben werden, reicht aus, um Fahrgäste davon abzuhalten, in die U-Bahn einzusteigen. Die Beklagte kann und darf sich auch darauf verlassen, dass die Fahrgäste die Signale beachten.

Andernfalls wäre ein sinnvoller und reibungsloser Ablauf des öffentlichen Personennahverkehrs überhaupt nicht möglich.

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