Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2020 - 3 StR 288/19

bei uns veröffentlicht am09.01.2020
vorgehend
Landgericht Wuppertal, , 5 Js 23/17
Landgericht Wuppertal, , 5 Ks 15/17
Landgericht Wuppertal, , 2 Ss 80/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 288/19
vom
9. Januar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2020:090120U3STR288.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 14. November 2019 in der Sitzung am 9. Januar 2020, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
die Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Dr. Tiemann, Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - und Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 13. November 2018, soweit es den Angeklagten P. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf des - gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten B. S. begangenen - zweifachen Mordes aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Mitangeklagten hat es wegen Totschlags und Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen den Freispruch des Angeklagten. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Dem Angeklagten ist vorgeworfen worden, aufgrund eines gemeinsamen Tatplans gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten zunächst aus Habgier dessen Großvater und anschließend, ebenfalls aus Habgier sowie heimtückisch und, um eine andere Straftat zu verdecken, dessen Großmutter getötet zu haben.
3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
1. Der zur Tatzeit 25 Jahre alte Mitangeklagte tötete am 19. März 2017 seinen Großvater E. S. und seine Großmutter C. S. in deren Wohnhaus.
5
Die zur Tatzeit 88 Jahre alte C. S. entstammte einer vermögenden Fabrikantenfamilie. Der zur Tatzeit 91 Jahre alte E. S. führte das Familienunternehmen mit großem wirtschaftlichem Erfolg, so dass beide über ein "vielstelliges" Millionenvermögen verfügten. E. S. war ein sehr emotionaler Mensch, der zu aufbrausendem Verhalten neigte und es nicht ertrug, angelogen oder hintergangen zu werden. Er stellte hohe Erwartungen an andere; Beziehungen zu Personen, die ihn enttäuschten, beendete er abrupt und konsequent. So lehnte er seit Mitte der 1990er Jahre jeden persönlichen Kontakt zu seinem Sohn H. S. - dem Vater des Mitangeklagten - ab, nachdem dieser wegen geschäftlicher Misserfolge bei ihm in Ungnade gefallen war. In der Folgezeit setzte E. S. alle seine Hoffnungen in den Mitangeklagten; in ihm sah E. S. seinen rechtmäßigen Nachfolger im Hause S. , seinen "Kronprinzen", den er an die wesentlichen Aufgaben im Wirtschaftsleben heranführen wollte. Er war gewillt , den Lebensunterhalt seines Enkels zu finanzieren, erwartete indes, dass dieser sein Studium im Bereich Maschinenbau zielstrebig beendete und ein sparsames Leben führte, so wie E. S. es sich selbst und anderen ebenfalls abverlangt hatte. E. und C. S. schenkten dem Mitangeklagten im Laufe der Jahre erhebliche Vermögenswerte, unter anderem mehrere Immobilien sowie Geldbeträge im Gesamtwert von etwa 900.000 €. E. S. setzte den Mitangeklagten überdies zu seinem Alleinerben ein.
6
Tatsächlich entsprach die Lebensweise des Mitangeklagten den Erwartungen , die sein Großvater an ihn stellte, in keiner Hinsicht. Sein Studium, für das er sich im September 2013 eingeschrieben hatte, hatte er nie ernsthaft betrieben , so dass er bereits zum September 2014 exmatrikuliert worden war. Mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld finanzierte er im Wesentlichen seinen luxuriösen Lebensstil, insbesondere verschiedene hochwertige Fahrzeuge, sowie seine - erfolglosen - Bemühungen, sich mit einer Firma im Strom- und Gasgeschäft selbständig zu machen. Seinen Großeltern spiegelte er indes vor, zielstrebig zu studieren und ein solides, sparsames Leben zu führen.
7
E. S. erhielt in den Wochen vor der Tat von Dritten Informationen , die seinen seit geraumer Zeit bestehenden Verdacht bekräftigten, dass der Mitangeklagte nicht ordnungsgemäß studiere. Er war darüber erbost und äußerte anderen gegenüber wiederholt, dass sein Enkel beginne, "in die Fußstapfen seines Vaters zu treten" und von ihm "keinen Pfennig mehr erhalten" werde, wenn er ihn belüge. Zudem wurde E. S. immer ungehaltener , weil das Finanzamt ihn im Januar 2017 im Hinblick auf unentgeltliche Zuwendungen an den Mitangeklagten zur Abgabe einer Schenkungssteuererklärung aufgefordert hatte und sein Enkel seiner wiederholten Aufforderung, diese Angelegenheit zu klären, nicht nachgekommen war. Am 16. März 2017 forderte er den Mitangeklagten schließlich per E-Mail dazu auf, die Sache bis zum kommenden Sonntag, den 19. März 2017, endgültig zu erledigen. Für diesen Tag war - wie an Sonntagen üblich - vorgesehen, dass der Mitangeklagte seine Großeltern um 16:00 Uhr zum Kaffeetrinken besuchte.
8
Am späten Vormittag des 19. März 2017 rief der Mitangeklagte den Angeklagten an und verabredete mit ihm, sich am Nachmittag zu treffen. Den Angeklagten hatte der Mitangeklagte Anfang 2015 kennengelernt; der Angeklagte hatte seinerzeit eine Imbissgaststätte betrieben. Zwischen ihnen hatte sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Der Mitangeklagte beschäftigte den Angeklagten schließlich als leitenden Angestellten seiner Firma; unter anderem stellte er ihm einen geleasten Pkw im Wert von mehr als 90.000 € zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Den Großeltern des Mitangeklagten war der Angeklagte unbekannt; er hatte sich nie zuvor in deren Wohnhaus aufgehalten.
9
Als sich der Mitangeklagte am Nachmittag des 19. März 2017 auf dem Weg zu seinen Großeltern befand, versuchte er mehrmals, den Angeklagten telefonisch zu erreichen. Weil ihm dies nicht gelang, rief er um 16:00 Uhr seine Großeltern an und teilte ihnen mit, dass er sich verspäten werde. Anschließend fuhr er verschiedene Orte an, um nach dem Angeklagten zu suchen. Währenddessen versuchte er weitere Male, den Angeklagten telefonisch zu erreichen. Auch diese Versuche blieben erfolglos, weil der Angeklagte das von ihm genutzte Mobiltelefon am Nachmittag des Tattages ausgeschaltet hatte. Der Mitangeklagte traf den Angeklagten schließlich, als er zu seinen Geschäftsräumen gefahren war. Daraufhin begaben sich beide zum Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten. Der Angeklagte befand sich nach 16:30 Uhr in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses der Großeltern des Mitangeklagten auf deren Grundstück.
10
Nachdem sich der Mitangeklagte zunächst mit seinen Großeltern im Obergeschoss des Hauses aufgehalten hatte, begab er sich spätestens gegen 17:00 Uhr mit seinem Großvater in dessen im Erdgeschoss befindliches Schlafzimmer , das E. S. regelmäßig nutzte, wenn er mit seinem Enkel ungestört etwas besprechen wollte. Dort entwickelte sich ein Streitgespräch zwischen beiden, in dessen Verlauf E. S. seinem Enkel deutlich machte, dass er es nicht dulde, von ihm hintergangen zu werden, und ihm einschneidende Konsequenzen in finanzieller Hinsicht ankündigte. Der Mitangeklagte erkannte daraufhin, dass er seinen Großvater "in dessen Reaktionen völlig unterschätzt" hatte. Aus Wut, Enttäuschung und Verzweiflung über das Verhalten seines Großvaters, "das in seinen Konsequenzen seinem bisherigen Leben die Grundlage entzog", erfasste er einen in dem Zimmer befindlichen Gegenstand und schlug damit mehrfach auf den Kopf von E. S. ein. Schließlich strangulierte er ihn mit einem langen, schmalen Gegenstand, bis sein Großvater verstarb.
11
C. S. , die sich nach wie vor im Obergeschoss des Hauses aufhielt, hatte von den Ereignissen im Erdgeschoss nichts mitbekommen. Der Mitangeklagte entschloss sich nunmehr, sie ebenfalls zu töten, um die zum Nachteil seines Großvaters begangene Tat zu verdecken. Er begab sich ins Obergeschoss, trat von hinten an seine arg- und wehrlose Großmutter heran und fügte ihr mit dem Gegenstand, mit dem er auch auf E. S. eingeschlagen hatte, ebenfalls schwere Kopfverletzungen zu; als er einige Zeit später bemerkte, dass C. S. noch lebte, erdrosselte er schließlich auch sie. In der Zwischenzeit hatte er verschiedene Räumlichkeiten des Hauses verwüstet, um das Tatgeschehen als Raubmord erscheinen zu lassen.
12
Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt, nachdem er seinen Großvater getötet hatte, ließ der Mitangeklagte den Angeklagten ins Haus ein. Der Angeklagte zog sich Handschuhe an, um keine Spuren zu hinterlassen, und ging mit dem Mitangeklagten in das Schlafzimmer von E. S. . Gemeinsam lagerten sie dessen Leichnam um, indem sie ihn anhoben, vom Bauch auf den Rücken drehten, vom Bett herunternahmen und längs zum Bett auf den Fußboden legten.
13
Der Mitangeklagte verließ das Haus seiner Großeltern kurz nach 17:30 Uhr. Wann und auf welche Weise der Angeklagte den Tatort verließ, konnte das Landgericht nicht feststellen.
14
2. Davon, dass der Angeklagte an den Taten des Mitangeklagten beteiligt war, hat sich die Strafkammer nicht zu überzeugen vermocht. Dem liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
15
Aufgrund der Spurenlage am Tatort stehe zwar fest, dass sich der Angeklagte Handschuhe angezogen und gemeinsam mit dem Mitangeklagten den Leichnam von dessen Großvater umgelagert habe. Sichere Schlüsse auf die konkrete Art seiner Beteiligung als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) oder als Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) "an dem Tatkerngeschehen" ließen sich daraus aber nicht ziehen.
16
Aus der Anwesenheit des Angeklagten zur Tatzeit am Tatort könne nicht auf seine Tatbeteiligung geschlossen werden. Letztlich habe nicht aufgeklärt werden können, warum sich der Angeklagte dort aufgehalten habe. Es sei nicht auszuschließen, dass er den Mitangeklagten begleitet habe, weil beide den weiteren Abend gemeinsam hätten verbringen wollen oder weil der Mitangeklagte gehofft habe, im Falle eines Streits mit seinem Großvater über die Modalitäten der Schenkungssteuer "gewappnet" zu sein, auf ein eigenes Engagement verweisen und mit dem Angeklagten einen Geschäftspartner präsentieren zu können , der ihn dabei unterstütze, seinem Großvater die Wirtschaftlichkeit seiner Aktivitäten zu erläutern.

II.


17
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
18
1. Die dem Freispruch des Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
19
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich eine Überzeugung von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatgericht getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag (BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147). Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. November 1983 - 4 StR 375/83, NStZ 1984, 180; Beschluss vom 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16, juris Rn. 11). Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung auch dann, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35 Rn. 7; vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 177/12, NStZ-RR 2013, 117, 118). Das Tatgericht darf bei der Überzeugungsbildung Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (BGH, Urteile vom 24. Januar 1989 - 1 StR 683/88, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 5; vom 29. April 1998 - 2 StR 65/98, NStZ-RR 1998, 275 mwN; vom 29. September 2016 - 4 StR 320/16, NStZ-RR 2016, 380, 381). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02 aaO; vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04 aaO; vom 12. Februar 2015 - 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148; vom 29. September 2016 - 4 StR 320/16 aaO). Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte erbracht sind (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 177/12 aaO).
20
Daran gemessen erweist sich die dem Freispruch des Angeklagten zugrundeliegende Beweiswürdigung als durchgreifend rechtsfehlerhaft.
21
a) Die Strafkammer ist bei ihrer Überzeugungsbildung zugunsten des Angeklagten von Annahmen ausgegangen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis den Urteilsgründen zufolge keine tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben hat.
22
aa) Dies gilt zunächst für die von der Strafkammer in Betracht gezogene Möglichkeit, dass sich der Angeklagte zu dem Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten begab, weil er im Anschluss an dessen Besuch bei den Großeltern gemeinsam mit diesem etwas unternehmen wollte.
23
Hinweise auf eine geplante gemeinsame Unternehmung nach dem Besuch des Mitangeklagten bei seinen Großeltern lassen sich weder den Angaben des Angeklagten noch denjenigen des Mitangeklagten entnehmen. Der Angeklagte hat sich ausweislich der Urteilsgründe lediglich zur Person eingelassen und sich in diesem Zusammenhang auch zu seiner Beziehung zu dem Mitan- geklagten geäußert; im Übrigen hat er keine Angaben zur Sache gemacht. Unabhängig davon, ob aus dem Schweigen des Angeklagten zu den Tatvorwürfen ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen, bedeutet dies nicht, dass zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147, 148).
24
Auch der die Tatvorwürfe bestreitende Mitangeklagte hat nicht angegeben , mit dem Angeklagten verabredet zu haben, im Anschluss an seinen Besuch bei den Großeltern gemeinsam etwas zu unternehmen, geschweige denn, dass der Angeklagte ihn im Hinblick auf die geplante Unternehmung zum Grundstück seiner Großeltern begleitet habe. Er hat sich insoweit vielmehr im Wesentlichen wie folgt eingelassen:
25
Er sei nach dem Besuch bei seinen Großeltern zunächst ungefähr eine Stunde lang "einfach in der Gegend umher" und dann zu einem seiner Halbbrüder gefahren. Mit diesem habe er sich ein Fußballspiel angesehen; außerdem habe er sich mit seiner Schwägerin unterhalten. Während des Gesprächs mit seiner Schwägerin habe ihn der Angeklagte angerufen, um zu erfahren, warum er versucht habe, ihn telefonisch zu erreichen. Im weiteren Verlauf des Telefonats sei es zu einem Disput über die Arbeitseinstellung des Angeklagten gekommen. Gegen 19:30 Uhr habe er die Wohnung seines Halbbruders verlassen. Schließlich hätten ihn Freunde besucht, mit denen er bis 1:00 Uhr nachts geredet habe (UA S. 102).
26
Auch sonst haben sich nach den Urteilsgründen keine Umstände ergeben , die darauf hindeuten, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte verabredet hatten, den Abend des Tattages gemeinsam zu verbringen. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, weshalb es im Hinblick auf eine gemeinsame Unter- nehmung am Abend des Tattages erforderlich gewesen sein sollte, dass der Angeklagte den Mitangeklagten zum Grundstück von dessen Großeltern begleitete.
27
bb) Auch für die von der Strafkammer in Betracht gezogene Möglichkeit, dass sich der Angeklagte auf dem Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten aufhielt, weil dieser ihn gegebenenfalls seinem Großvater als Geschäftspartner präsentieren wollte, lassen sich den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte entnehmen.
28
Der Mitangeklagte hat sich im Gegenteil dahin eingelassen, dass er "niemals auf die Idee gekommen" wäre, seinem Großvater einen Mitarbeiter seiner Firma vorzustellen, "schon gar nicht" im Hause seiner Großeltern (UA S. 99). Das steht in Einklang mit den vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Danach lebten die Großeltern des Mitangeklagten "sehr zurückgezogen" (UA S. 41). Unangemeldete Besuche "fanden bei ihnen nicht statt"; insbesondere E. S. lehnte unangemeldeten Besuch ab (UA S. 41 f.). Dies war auch dem Mitangeklagten bewusst, weshalb er "in den letzten Jahren nie einen Freund oder Bekannten mit ins Haus seiner Großeltern genommen" und ihnen selbst seine Freundin nicht vorgestellt hatte (UA S. 42).
29
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Erwägung der Strafkammer, dass der Mitangeklagte den Angeklagten seinem Großvater möglicherweise gleichwohl als Geschäftspartner vorstellen wollte, weil er sich "mit Rücksicht auf die drohende, von ihm zu begleichende Schenkungssteuer und der Kenntnis über seine finanziell beengte Situation in einer für ihn zugespitzten Lebenslage" befand (UA S. 167), dass er den Angeklagten indes zunächst vor dem Haus warten ließ, "weil es die Großeltern schlicht nicht zuließen, dass eine fremde und zudem noch unangemeldete Person mit in ihre Räumlichkeiten verbracht wurde" (UA S. 121), als bloße denktheoretische Möglichkeit.
30
b) Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht ohne die zugunsten des Angeklagten zugrunde gelegten Annahmen, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort aufhielt, weil er im Anschluss an den Besuch des Mitangeklagten bei dessen Großeltern mit diesem etwas unternehmen oder weil der Mitangeklagte ihn gegebenenfalls seinem Großvater als Geschäftspartner präsentieren wollte, im Hinblick auf die Tatbeteiligung des Angeklagten zu einem anderen Beweisergebnis gelangt wäre. Die Strafkammer hat in der Anwesenheit des Angeklagten am Tatort ein Indiz für seine Tatbeteiligung gesehen (UA S. 165 f.).
31
Den Ausführungen des Landgerichts zufolge "wirkte" der Umstand, dass sich der Angeklagte auf dem Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten aufhielt, vor dem Hintergrund des sich nachfolgend ereignenden Tatgeschehens "in hohem Maße konspirativ" (UA S. 121). Gleichermaßen bewertet hat die Strafkammer den Umstand, dass der Angeklagte das von ihm genutzte Mobiltelefon am Nachmittag des Tattages ausgeschaltet hatte, weil dies Raum für die Annahme lasse, dass er seinen Aufenthaltsort dort habe verheimlichen wollen (UA S. 166). In Anbetracht dessen hätte die Strafkammer ohne die rechtsfehlerhaften Erwägungen möglicherweise angenommen, dass sich der Angeklagte im Hinblick auf eine etwaige Tatbeteiligung - sei es als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) oder als Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) - zum Grundstück der Großeltern des Mitangeklagten begeben hatte.
32
2. Die Sache bedarf deshalb, soweit es die Tatbeteiligung des Angeklagten betrifft, neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 StPO).
33
Das neu zur Entscheidung berufene Landgericht Düsseldorf wird die Sache betreffend den Angeklagten umfassend neu zu verhandeln haben, ohne an die Feststellungen des insoweit rechtskräftigen Urteils gegen den Mitangeklagten gebunden zu sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. November 1992 - 5 StR 508/92, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 19; Beschlüsse vom 3. Juni 1997 - 1 StR 183/97, BGHSt 43, 106, 107 f.; vom 9. März 2010 - 4 StR 640/09, NStZ 2010, 529; LR/Kühne/Gössel/Lüderssen, StPO, 27. Aufl., Einl. Abschn. K Rn. 94; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 262 Rn. 37; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 62. Aufl., Einl. Rn. 170).
34
Die in der Revisionsinstanz vorgetragenen Rechtsauffassungen geben im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung Anlass zu folgendem Hinweis:
35
Falls das neue Tatgericht eine Tatbeteiligung des Angeklagten wiederum für möglich, aber nicht als erwiesen erachtet und lediglich festzustellen vermag, dass der Angeklagte dem Mitangeklagten beim Umlagern des Leichnams von E. S. half, kommt eine Strafbarkeit des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der (versuchten oder vollendeten) Strafvereitelung (§ 258 StGB) nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht. Die Hilfeleistung des Angeklagten beim Umlagern des Leichnams von E. S. könnte zwar zumindest dazu gedient haben, den Mitangeklagten dabei zu unterstützen, die Taten als Raubmord erscheinen zu lassen und dadurch dessen Strafverfolgung zu vereiteln. Einer Postpendenzfeststellung steht aber die mögliche Beteiligung des Angeklagten an der Vortat entgegen. Im Hinblick darauf stellt sich sein Verhalten zugleich als Selbstbegünstigung dar, so dass ihm der persönliche Strafaufhebungsgrund des § 258 Abs. 5 StGB zugutekommt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1988 - 1 StR 564/88, BGHR StGB § 1 Vergleichbarkeit 1; Urteil vom 9. November 2010 - 5 StR 297/10, juris Rn. 25); anderes soll nur dann gelten, falls § 258 Abs. 5 StGB aus besonderen Gründen nicht eingreift, etwa weil die Vortat und die Vereitelungshandlung im Verhältnis von vorheriger Zusage eines falschen Alibis zu deren späterer Einlösung nach der Tat stehen (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1997 - 2 StR 505/97, BGHSt 43, 356, 358). Eine Verurteilung des Angeklagten auf alternativer Grundlage scheidet ebenfalls aus. Für eine Wahlfeststellung zwischen einer Beteiligung an einem Tötungsdelikt und einer Strafvereitelung zugunsten möglicher anderer Täter fehlt es an der erforderlichen rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - 2 StR 46/10, juris Rn. 26).
Schäfer Gericke Tiemann
Berg Hoch
Vorinstanz:
Wuppertal, LG, 13.11.2018 - 45 Js 23/17 25 Ks 15/17 2 Ss 80/19

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2020 - 3 StR 288/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2020 - 3 StR 288/19

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2020 - 3 StR 288/19 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 258 Strafvereitelung


(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ode

Strafgesetzbuch - StGB | § 1 Keine Strafe ohne Gesetz


Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2020 - 3 StR 288/19 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2020 - 3 StR 288/19 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2012 - 4 StR 177/12

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 177/12 vom 13. Dezember 2012 in der Strafsache gegen wegen Verdachts des Totschlags Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember 2012, an der teilgenommen haben:

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Nov. 2010 - 5 StR 297/10

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

5 StR 297/10 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 9. November 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Mordes u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. November 2010, an der teilgenommen haben: Vorsit

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Jan. 2005 - 1 StR 478/04

bei uns veröffentlicht am 11.01.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 478/04 vom 11. Januar 2005 in dem Strafverfahren gegen wegen Mordes Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Januar 2005, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richt

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Mai 2010 - 2 StR 46/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 46/10 vom 12. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der Beihilfe zum Mord Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Mai 2010, an der teilgenommen haben: Richt

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2016 - 4 StR 320/16

bei uns veröffentlicht am 29.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 320/16 vom 29. September 2016 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. ECLI:DE:BGH:2016:290916U4STR320.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundes

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Mai 2016 - 3 StR 86/16

bei uns veröffentlicht am 31.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 86/16 vom 31. Mai 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung u.a. hier: Revisionen der Angeklagten M. und G. ECLI:DE:BGH:2016:310516B3STR86.16.0 Der 3. Strafsena

Referenzen

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 478/04
vom
11. Januar 2005
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, am 28./29. September 2001 die 51 Jahrealte H. Habgier aus ermordet zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg; die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. 1. Am frühen Abend des 28. September 2001 suchte Frau H. am Grenzübergang Hegyeshalom - Nickelsdorf eine Mitfahrgelegenheit; sie hatte
ihre Reisegruppe verlassen, da sie wegen ihres abgelaufenen Passes nicht von Österreich nach Ungarn einreisen durfte. Sie konnte im Pkw des Angeklagten mitfahren, der auf dem Weg in seinen Wohnort Sch. (Kreis Hof) war. Unterwegs tankte er an der Tankstelle Suben (Österreich) und kaufte dort auch Coca-Cola und drei Isolierbänder der (verbreiteten) Marke "Coroplast" : er bezahlte mit Karte. 2. Am 6. Oktober 2001 wurde die Leiche von Frau H. mit durchschnittener Kehle und anderen massiven Schnittverletzungen etwa 40 Kilometer von Sch. entfernt bei T. (Kreis Kulmbach) im Gebüsch gefunden. Sie war vollständig bekleidet, Spermaspuren gab es nicht. Es fehlten 300 bis 400 DM Bargeld, ein Koffer und einige andere Gegenstände. Im weiteren Verlauf ergab sich anhand des Madenbefalls der Leiche, daß sie spätestens seit dem Nachmittag des 29. Septembers 2001 (Tag nach ihrer Fahrt mit dem Angeklagten) am Fundort gelegen hatte. Wesentlich genauer ließ sich auch der Todeszeitpunkt nicht bestimmen. Im weiteren Verlauf wurde an der Leiche eine kleine Schnittwunde "an der Kleinfingerseite des rechten Unterarms in Höhe des Handgelenks" festgestellt, in der Partikel von "Coroplast"Isolierband waren. 3. Der Angeklagte wurde am 23. November 2001 durch Videoaufnahmen von der Grenze ermittelt und machte am 23. und 30. November 2001 nähere Angaben zur Sache. Er legte auch Unterlagen vor (z. B. sein Notizbuch, Kontounterlagen und Nachweise über Telefongespräche), gab einen Hinweis zu einem Ermittlungsansatz und schickte der Polizei bis zum 1. Dezember 2001 insgesamt dreimal ein Fax mit ergänzenden Ausführungen. Danach machte er keine Angaben mehr. Bereits am 23. November 2001 berichtete er von sich aus
- der Polizei konnte dies noch nicht bekannt sein - er habe in Suben getankt, dort auch Getränke gekauft und möglicherweise mit Karte bezahlt. Vom Kauf von Isolierbändern sagte er dabei nichts. Solange er Angaben machte, wurde er zu dem erst später in den Blickpunkt der Ermittlungen geratenen Thema Isolierbänder auch nicht befragt.
4. Die Strafkammer hält die "Isolierband-Erkenntnisse" zwar für gewichtig , gleichwohl könnten diese letztlich weder für sich noch in einer Gesamtschau mit allen sonstigen Erkenntnissen einen Zusammenhang des Angeklagten mit der Tat hinreichend belegen. Sie hat dazu unter anderem erwogen: Das Verschweigen des Kaufs sei bedeutungslos, weil es "möglich (sei), daß sich der Angeklagte am 23. November 2001 nicht ... erinnerte, diese Bänder gekauft zu haben, gegebenenfalls weil dies für ihn ein alltäglicher ... Vorgang war. Immerhin hat der Angeklagte durch seine Aussage die Beamten erst darauf gebracht ... nachzuprüfen ... (und) ... zu entdecken, daß ... Isolierband gekauft wurde". Es sei auch "nicht ausgeschlossen, daß Frau H. von dem Angeklagten eines oder mehrere der in Suben erworbenen Bänder überlassen erhielt , eventuell um etwas zu reparieren". Es fiele zwar auf, daß er bei der Polizei davon nichts gesagt habe; Isolierband habe bei seinen Vernehmungen aber noch keine Rolle gespielt.

II.

Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewißheit gewinnen und spricht den Angeklagten daher frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag. Es gibt im Strafprozeß keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewißheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung nicht gezogen ist, ohne daß konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 111/03 = NStZ-RR 2003, 371 ; BGH NStZ 2004, 35, 36 m. w. N.)

III.

An alledem gemessen, sind die genannten Erwägungen der Strafkammer insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.
1. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, daß das Aussageverhalten des Angeklagten hinsichtlich der Isolierbänder einer Beweiswürdigung zugänglich ist. Zwar dürfen aus unterschiedlichem Einlassungsverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensabschnitten als solchem keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden (st. Rspr. vgl. BGH NStZ 1999, 47 m. w. N.). Soweit sich der Angeklagte aber grundsätzlich zur Sache geäußert hat und nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben gemacht hat, kann dies zu seinem Nachteil berücksichtigt werden (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 41 jew. m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fragen nicht beantwortet wurden oder ob der Vernommene, wie hier, von sich aus einen Vorgang schildert und dabei einen wesentlichen Punkt eines einheitlichen Geschehens nicht nennt (Schoreit aaO m. w. N.; vgl. auch BVerfG - Beschluß vom 29. November 2004 - 2 BvR 1034/02). 2. Die Frage, ob der Angeklagte den Kauf der Isolierbänder vergessen oder bewußt verschwiegen hat, betrifft eine "innere Tatsache", so daß im wesentlichen nur Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Hiervon geht auch die Strafkammer aus, ihre Erwägungen sind aber unvollständig , weil sie möglicherweise bedeutsame Gesichtspunkte nicht erkennbar einbezieht:
a) Die Strafkammer stellt auf die Alltäglichkeit des Einkaufs von Isolierband in Verbindung mit dem Zeitablauf ab. Wenn ein Autofahrer auf einer längeren Fahrt beim Tanken auch Getränke kauft, ist dies aber nicht weniger alltäglich , als wenn er bei dieser Gelegenheit drei Rollen Isolierband kauft. Hinzu kommt, daß auch die übrigen Aussagen des Angeklagten sehr präzise und detailreich sind. So hat er etwa genau geschildert, wie ihm Frau H. berichtet
habe, daß sie sich an ihrem Koffer leicht verletzt ("geratscht") habe. Allerdings habe er selbst nicht bemerkt, daß sie geblutet habe, auch nicht als sie "Brot oder Brötchen" und "ein Stück Obst" aß und den Abfall in Papiertaschentücher wickelte. Ähnlich genau hat er am 23. November 2001 die Frage nach Körperkontakten mit FrauH. beantwortet. Sie habe ihm beim Aussteigen Geld für die Fahrt hingehalten, er habe dies aber abgelehnt und ihren Arm zurückgeschoben. In einem Fax an die Polizei vom 25. November 2001 hat er einen weiteren Körperkontakt - nicht ganz leicht verständlich - so geschildert: Er habe beim Aussteigen die Reisetasche von FrauH. mit aus dem Auto herausgereicht. Da die Tasche "verklemmt" gewesen sei, sei seine Hand abgerutscht und er habe sich deshalb an der Hand von Frau H. gekratzt. Die Strafkammer hätte daher das Schweigen hinsichtlich des Kaufs der Isolierbänder nicht mit Vergessen eines alltäglichen Vorgangs erklären dürfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, daß der Angeklagte sowohl speziell zum Einkauf an der Tankstelle als auch sonst zur Fahrt eine Reihe - teilweise sehr alltäglicher - Details genau geschildert hat.
b) Unabhängig vom Aussageverhalten ist objektivierbar, ob für jemanden der Einkauf mehrerer Isolierbänder auf der Heimreise alltäglich ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß der Angeklagte häufig Isolierbänder brauchen oder kaufen würde. Der Hinweis, "gegebenenfalls" sei dies für ihn alltäglich, spricht vielmehr dagegen, daß sich diese Bewertung auf konkrete Anhaltspunkte stützt. Im übrigen bedeutet Schweigen des Angeklagten - unabhängig davon, ob daraus ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen (III 1) - nicht, daß zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt (vgl. Schoreit aaO Rdn. 40 m. w. N.).

c) Wieso Hypothesen zu Gang und Ergebnissen der Ermittlungen für den Fall, daß der Angeklagte seinen Aufenthalt in Suben nicht erwähnt hätte, den Schluß ermöglichen sollen, er hätte sich an den Kauf von Isolierband nicht erinnert, ist weder ausdrücklich dargelegt noch sonst klar erkennbar. Der Senat geht dem aber deshalb nicht näher nach, weil schon die Annahme, ohne den Angeklagten wäre der Kauf von Isolierband unbekannt geblieben, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Der Angeklagte hatte als letzter das Opfer eines Kapitalverbrechens lebend gesehen und war mit ihm über Stunden Auto gefahren. Ermittlungen bei den Tankstellen an der Strecke liegen daher nicht fern. Sind bereits mehrere Wochen vergangen, ist die Überprüfung von Kartenzahlungen eine der wenigen Möglichkeiten, Hinweise dafür zu gewinnen, wer an der Tankstelle war. Es versteht sich nicht von selbst, daß die Polizei diese Ermittlungsansätze nicht ohnehin erkannt hätte. Daher hätte sich die Strafkammer mit beiden Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, ehe sie von der ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegten Auffassung ausgeht.
d) Auch für die Annahme, der Angeklagte, habe Frau H. möglicherweise Isolierband geschenkt, sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Dies zeigt schon die Annahme, der Angeklagte habe ihr "eventuell" deshalb Isolierband geschenkt, damit sie "etwas" reparieren kann. Die Überlegungen der Strafkammer zu dem Grund, warum der Angeklagte davon nichts erzählt haben könnte, sind unvollständig. Ausführungen zu einer etwaigen Übergabe von Isolierband wären zwar nicht im Zusammenhang mit dem bis dahin nicht angesprochenen Thema "Isolierband" zu erwarten gewesen, wohl aber im Zusammenhang mit der Frage nach "Körperkontakten". Der Angeklagte hat sehr genaue Angaben zu - flüchtigen - Körperkontakten mit Frau H. gemacht , die er sogar noch mit einem Fax ergänzt hat (vgl. oben III 2 a). Einen
entsprechenden Körperkontakt bei der Übergabe von Isolierband hat er dagegen nicht erwähnt.
3. Im Kern sieht die Strafkammer nach alledem unter zum Teil auch lükkenhafter Würdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten nicht unerhebliche konkrete Verdachtsmomente wegen nur denktheoretischer Möglichkeiten als entkräftet an. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es auf weiteres noch ankäme.

IV.

Der Senat sieht jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte gegen Mitternacht zu Hause war, weil er vorher kaum Zeit gehabt hätte, Frau H. zu töten und nach T. zu bringen. Die Möglichkeit, daß er gegen Mitternacht zu Hause war, und dies erst anschließend getan hätte, sei praktisch ausgeschlossen. Es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er sie "über ... Regensburg hinaus transportierte". Es gibt jedoch außer den Angaben des Angeklagten auch keine Anhaltspunkte für ein Ende der Fahrt am Autohof Regensburg. Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, können den Feststellungen nicht ohne weiteres als unwiderlegt zu Grunde gelegt werden, sondern ihre Richtigkeit muß erst anhand des übrigen Beweisergebnisses überprüft werden (vgl. Schoreit aaO Rdn. 28 m. w. N.).
2. Die danach bisher nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossene Möglichkeit, daß der Angeklagte der Täter war, obwohl er um gegen Mitternacht in Sch. wirkt war, sich auf die mögliche Bedeutung weiter Teile des Beweisergebnisses aus: Die Familie des Angeklagten - Frau und Kinder - war in dieser Nacht bei seiner Schwiegermutter in München. Hätte er dies zuvor gewußt, käme es weder darauf an, ob er um Mitternacht in Sch. war, noch darauf, ob die Ehefrau gegen Mitternacht in Sch. angerufen und mit ihm gesprochen hat (a). Hätte er vom Aufenthalt in München nichts gewußt, könnte es etwas bedeutsamer sein, ob er in der fraglichen Zeit zu Hause war. Hätte er nämlich erwartet, daß seine Frau zu Hause wäre, wäre es aus seiner Sicht möglicherweise schwieriger gewesen, sich wieder zu entfernen. Daher könnte es ihn mittelbar entlasten, wenn er gegen Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Nur dann könnte das genannte Telefongespräch als Beleg für seine Anwesenheit in Sch. überhaupt Bedeutung gewinnen (b).
a) Die Strafkammer folgt ohne weiteres den Angaben der Schwiegermutter , der Angeklagte hätte nicht gewußt, daß seine Familie in München war. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer andere Angaben der Schwiegermutter für unstimmig und daher unglaubhaft hält. Wird einem Zeugen nur teilweise geglaubt, bedarf dies einer eingehenden Begründung (BGH NStZ-RR 2003, 332 f. m. w. N.), die bisher fehlt. Sonstige Erkenntnisse, die ohne nähere Begründung klar belegten, daß der Angeklagte von der Abwesenheit seiner Familie überrascht wurde, liegen ebenfalls nicht vor:
Bei seiner ersten Vernehmung hat er angegeben, er wisse nicht, ob seine Frau da war, als er nach Hause kam. Das spricht nicht dafür, daß ihre Abwesenheit für ihn überraschend (und daher einprägsam) war. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang seinen Notizkalender vorgelegt, in dem unter dem 28. September 2001 "Ki-Mün" steht, ist, was "Kinder" oder "Kirsten" - Vorname der Ehefrau - "in München" heißen soll. Wäre der Eintrag vor dem 28. September 2001 erfolgt, belegte er, daß der Angeklagte an diesem Tag wußte, daß sie nicht zu Hause war. Ein nachträglicher Eintrag belegte zwar nicht, daß der Angeklagte am 28. September 2001 nicht Bescheid wußte, der Eintrag wäre mit dieser Annahme aber immerhin vereinbar. Ein Anruf der Ehefrau - über dessen Inhalt außer den Aussagen der Schwiegermutter nichts bekannt ist - würde über Kenntnis oder Unkenntnis des Angeklagten nichts aussagen. So überrascht von der Abwesenheit seiner Familie , daß er selbst auf dem Handy der Ehefrau angerufen hätte, war der Angeklagte jedenfalls nicht.
b) Es gibt nur folgende, vom Angeklagten am 1. Dezember 2001 vorgelegte objektive Belege für möglicherweise relevante Anrufe aus München: vom Festnetzanschluß der Schwiegermutter bestand zunächst um 23.24 Uhr für 28 Sekunden eine Verbindung mit dem Festnetzanschluß in Sch. , die zweite Verbindung bestand von dort 2 Minuten später für 8 Sekunden mit dem Handy des Angeklagten. Die Behauptung der Schwiegermutter, die Tochter habe vom Festnetz ein kurzes und kurz darauf von ihrem Handy aus ein langes Gespräch mit dem in Sch. aufenthältlichen Angeklagten geführt , ist damit unvereinbar. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte zwar keine zwei Gespräche geführt, von einem Gespräch sei zu seinen
Gunsten aber auszugehen, hat jedenfalls in der Aussage der Schwiegermutter keine tragfähige Grundlage. Möglicherweise hängt diese Annahme auch mit einem polizeilichen Versäumnis zusammen, das die Strafkammer bei ohnehin schwieriger Beweislage noch in ihre Überlegungen einzubeziehen hatte: Der Angeklagte hatte in einem Fax vom 23. November 2001 eine Telefonnummer der Telefongesellschaft mitgeteilt, unter der das Telefongespräch vom Handy seiner Frau mit Sch. bestätigt werden könnte. Eine Bestätigung war jedoch nicht möglich. Unter der Nummer erhielt die Polizei die Auskunft, eine solche Verbindung könne weder bestätigt noch verneint werden; da die Ehefrau ein Handy mit einer prepaid Karte hätte, gäbe es keine Unterlagen. Damit hat sich die Polizei begnügt. Damals hätte aber vielleicht noch die - inzwischen wegen Zeitablaufs ausgeschlossene - Möglichkeit bestanden, die Behauptung über dieses Gespräch zu überprüfen, z. B. durch die "Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen". Dieses polizeiliche Versäumnis ändert jedoch nichts daran, daß der Zweifelssatz nicht isoliert auf ein einzelnes Indiz angewendet werden kann (vgl. BGHSt 35, 308, 316; Schoreit aaO Rdn. 65 jew. m. w. N.). Sollte es auf dieses Telefongespräch ankommen, wird jedoch zu erwägen sein, daß sich der Angeklagte mit dieser Angabe der Gefahr ausgesetzt haben kann, einer falschen Aussage überführt zu werden. Dies setzte aber voraus, daß er der Polizei eine Nummer gefaxt hätte, ohne zuvor zu überprüfen, was man dort für Auskünfte bekommt (die dort erteilte Auskunft hat seine Behauptung nicht widerlegt) und er außerdem die Möglichkeiten sonstiger polizeilicher Ermittlungen klarer als die Polizei selbst beurteilt hätte. Es kann auch eine Rolle spielen, daß der Angeklagte zwar zunächst am 23. November 2001 sich auf ein Gespräch vom Handy seiner Frau aus berufen hat, er am 1. Dezember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher
zember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher eher verwirrend Belege für Anrufe vom Festnetz aus vorgelegt hat. 3. Im Pkw des Angeklagten wurden eine Reihe von DNA-Spuren sichergestellt , mehrere stammen von Frau H. . So war etwa eine Spur, von der anzunehmen sei, daß es sich um ihr Blut handele, an der Innenseite der Fahrertür. Die Strafkammer erwägt, daß Frau H. , vom Angeklagten unbemerkt , (vgl. oben III 2 a), aus der Nase geblutet haben könnte, und dieses Blut dann mit einem feuchten Tuch an die Fahrertür gewischt worden sein kann. Es ist (auch hier) zumindest nicht klar erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte. Im übrigen gehen zwar die jeweils sehr geringen Mengen von Blut von Frau H. die , dieser und den übrigen im Innenraum und an der Beifahrertür gesicherten Spuren zugrunde liegen und die darüber hinaus in Papiertaschentüchern in der Handtasche von Frau H. festgestellt worden sind, nicht auf die Tötung von Frau H. zurück, weil dabei sehr viel mehr Blut geflossen sein muß. Sie könnten aber immerhin darauf hinweisen, daß es in dem Pkw zu Geschehen gekommen ist, das mit der Schilderung des Angeklagten von einem insgesamt völlig harmlosen Vorgang - FrauH. ist eingestiegen, mitgefahren und wieder ausgestiegen - schwerlich vereinbar erscheint. 4. Weil Bargeld und einige sonstige Gegenstände von Frau H. - fehlten, geht die Strafkammer, ersichtlich am Anklagevorwurf orientiert, von Raubmord aus. Auch dies spräche angesichts der deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten (er hatte zeitweise ein Jahreseinkommen von über 500.000 DM und betrieb zuletzt ein Call-Center in Ungarn ) gegen seine Täterschaft. Es sei angesichts der Gesamtumstände ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sie nicht sehr viel Geld oder besondere
Wertgegenstände bei sich gehabt hätte. Auch gegen diese Erwägung bestehen Bedenken. Unabhängig davon, ob die kleine Schnittwunde im Bereich des Handgelenks, in der sich Isolierbandpartikel befanden, Rückschlüsse auf die Person des Täters zuläßt, spricht sie jedenfalls dagegen, daß es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte.

V.

Der Senat hat entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, 2. Alternative). Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf
11
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich darauf zu beschränken, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 3 StR 462/15, juris). Daran gemessen erweist sich die Beweiswürdigung, die der Annahme des Landgerichts zugrunde liegt, dass die Zweckrichtung der AN GP auch die Begehung von Straftaten nach dem Versammlungsgesetz sowie Beleidigungs- und Körperverletzungsdelikten umfasst habe, als lückenhaft.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 478/04
vom
11. Januar 2005
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, am 28./29. September 2001 die 51 Jahrealte H. Habgier aus ermordet zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg; die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. 1. Am frühen Abend des 28. September 2001 suchte Frau H. am Grenzübergang Hegyeshalom - Nickelsdorf eine Mitfahrgelegenheit; sie hatte
ihre Reisegruppe verlassen, da sie wegen ihres abgelaufenen Passes nicht von Österreich nach Ungarn einreisen durfte. Sie konnte im Pkw des Angeklagten mitfahren, der auf dem Weg in seinen Wohnort Sch. (Kreis Hof) war. Unterwegs tankte er an der Tankstelle Suben (Österreich) und kaufte dort auch Coca-Cola und drei Isolierbänder der (verbreiteten) Marke "Coroplast" : er bezahlte mit Karte. 2. Am 6. Oktober 2001 wurde die Leiche von Frau H. mit durchschnittener Kehle und anderen massiven Schnittverletzungen etwa 40 Kilometer von Sch. entfernt bei T. (Kreis Kulmbach) im Gebüsch gefunden. Sie war vollständig bekleidet, Spermaspuren gab es nicht. Es fehlten 300 bis 400 DM Bargeld, ein Koffer und einige andere Gegenstände. Im weiteren Verlauf ergab sich anhand des Madenbefalls der Leiche, daß sie spätestens seit dem Nachmittag des 29. Septembers 2001 (Tag nach ihrer Fahrt mit dem Angeklagten) am Fundort gelegen hatte. Wesentlich genauer ließ sich auch der Todeszeitpunkt nicht bestimmen. Im weiteren Verlauf wurde an der Leiche eine kleine Schnittwunde "an der Kleinfingerseite des rechten Unterarms in Höhe des Handgelenks" festgestellt, in der Partikel von "Coroplast"Isolierband waren. 3. Der Angeklagte wurde am 23. November 2001 durch Videoaufnahmen von der Grenze ermittelt und machte am 23. und 30. November 2001 nähere Angaben zur Sache. Er legte auch Unterlagen vor (z. B. sein Notizbuch, Kontounterlagen und Nachweise über Telefongespräche), gab einen Hinweis zu einem Ermittlungsansatz und schickte der Polizei bis zum 1. Dezember 2001 insgesamt dreimal ein Fax mit ergänzenden Ausführungen. Danach machte er keine Angaben mehr. Bereits am 23. November 2001 berichtete er von sich aus
- der Polizei konnte dies noch nicht bekannt sein - er habe in Suben getankt, dort auch Getränke gekauft und möglicherweise mit Karte bezahlt. Vom Kauf von Isolierbändern sagte er dabei nichts. Solange er Angaben machte, wurde er zu dem erst später in den Blickpunkt der Ermittlungen geratenen Thema Isolierbänder auch nicht befragt.
4. Die Strafkammer hält die "Isolierband-Erkenntnisse" zwar für gewichtig , gleichwohl könnten diese letztlich weder für sich noch in einer Gesamtschau mit allen sonstigen Erkenntnissen einen Zusammenhang des Angeklagten mit der Tat hinreichend belegen. Sie hat dazu unter anderem erwogen: Das Verschweigen des Kaufs sei bedeutungslos, weil es "möglich (sei), daß sich der Angeklagte am 23. November 2001 nicht ... erinnerte, diese Bänder gekauft zu haben, gegebenenfalls weil dies für ihn ein alltäglicher ... Vorgang war. Immerhin hat der Angeklagte durch seine Aussage die Beamten erst darauf gebracht ... nachzuprüfen ... (und) ... zu entdecken, daß ... Isolierband gekauft wurde". Es sei auch "nicht ausgeschlossen, daß Frau H. von dem Angeklagten eines oder mehrere der in Suben erworbenen Bänder überlassen erhielt , eventuell um etwas zu reparieren". Es fiele zwar auf, daß er bei der Polizei davon nichts gesagt habe; Isolierband habe bei seinen Vernehmungen aber noch keine Rolle gespielt.

II.

Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewißheit gewinnen und spricht den Angeklagten daher frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag. Es gibt im Strafprozeß keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewißheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung nicht gezogen ist, ohne daß konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 111/03 = NStZ-RR 2003, 371 ; BGH NStZ 2004, 35, 36 m. w. N.)

III.

An alledem gemessen, sind die genannten Erwägungen der Strafkammer insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.
1. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, daß das Aussageverhalten des Angeklagten hinsichtlich der Isolierbänder einer Beweiswürdigung zugänglich ist. Zwar dürfen aus unterschiedlichem Einlassungsverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensabschnitten als solchem keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden (st. Rspr. vgl. BGH NStZ 1999, 47 m. w. N.). Soweit sich der Angeklagte aber grundsätzlich zur Sache geäußert hat und nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben gemacht hat, kann dies zu seinem Nachteil berücksichtigt werden (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 41 jew. m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fragen nicht beantwortet wurden oder ob der Vernommene, wie hier, von sich aus einen Vorgang schildert und dabei einen wesentlichen Punkt eines einheitlichen Geschehens nicht nennt (Schoreit aaO m. w. N.; vgl. auch BVerfG - Beschluß vom 29. November 2004 - 2 BvR 1034/02). 2. Die Frage, ob der Angeklagte den Kauf der Isolierbänder vergessen oder bewußt verschwiegen hat, betrifft eine "innere Tatsache", so daß im wesentlichen nur Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Hiervon geht auch die Strafkammer aus, ihre Erwägungen sind aber unvollständig , weil sie möglicherweise bedeutsame Gesichtspunkte nicht erkennbar einbezieht:
a) Die Strafkammer stellt auf die Alltäglichkeit des Einkaufs von Isolierband in Verbindung mit dem Zeitablauf ab. Wenn ein Autofahrer auf einer längeren Fahrt beim Tanken auch Getränke kauft, ist dies aber nicht weniger alltäglich , als wenn er bei dieser Gelegenheit drei Rollen Isolierband kauft. Hinzu kommt, daß auch die übrigen Aussagen des Angeklagten sehr präzise und detailreich sind. So hat er etwa genau geschildert, wie ihm Frau H. berichtet
habe, daß sie sich an ihrem Koffer leicht verletzt ("geratscht") habe. Allerdings habe er selbst nicht bemerkt, daß sie geblutet habe, auch nicht als sie "Brot oder Brötchen" und "ein Stück Obst" aß und den Abfall in Papiertaschentücher wickelte. Ähnlich genau hat er am 23. November 2001 die Frage nach Körperkontakten mit FrauH. beantwortet. Sie habe ihm beim Aussteigen Geld für die Fahrt hingehalten, er habe dies aber abgelehnt und ihren Arm zurückgeschoben. In einem Fax an die Polizei vom 25. November 2001 hat er einen weiteren Körperkontakt - nicht ganz leicht verständlich - so geschildert: Er habe beim Aussteigen die Reisetasche von FrauH. mit aus dem Auto herausgereicht. Da die Tasche "verklemmt" gewesen sei, sei seine Hand abgerutscht und er habe sich deshalb an der Hand von Frau H. gekratzt. Die Strafkammer hätte daher das Schweigen hinsichtlich des Kaufs der Isolierbänder nicht mit Vergessen eines alltäglichen Vorgangs erklären dürfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, daß der Angeklagte sowohl speziell zum Einkauf an der Tankstelle als auch sonst zur Fahrt eine Reihe - teilweise sehr alltäglicher - Details genau geschildert hat.
b) Unabhängig vom Aussageverhalten ist objektivierbar, ob für jemanden der Einkauf mehrerer Isolierbänder auf der Heimreise alltäglich ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß der Angeklagte häufig Isolierbänder brauchen oder kaufen würde. Der Hinweis, "gegebenenfalls" sei dies für ihn alltäglich, spricht vielmehr dagegen, daß sich diese Bewertung auf konkrete Anhaltspunkte stützt. Im übrigen bedeutet Schweigen des Angeklagten - unabhängig davon, ob daraus ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen (III 1) - nicht, daß zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt (vgl. Schoreit aaO Rdn. 40 m. w. N.).

c) Wieso Hypothesen zu Gang und Ergebnissen der Ermittlungen für den Fall, daß der Angeklagte seinen Aufenthalt in Suben nicht erwähnt hätte, den Schluß ermöglichen sollen, er hätte sich an den Kauf von Isolierband nicht erinnert, ist weder ausdrücklich dargelegt noch sonst klar erkennbar. Der Senat geht dem aber deshalb nicht näher nach, weil schon die Annahme, ohne den Angeklagten wäre der Kauf von Isolierband unbekannt geblieben, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Der Angeklagte hatte als letzter das Opfer eines Kapitalverbrechens lebend gesehen und war mit ihm über Stunden Auto gefahren. Ermittlungen bei den Tankstellen an der Strecke liegen daher nicht fern. Sind bereits mehrere Wochen vergangen, ist die Überprüfung von Kartenzahlungen eine der wenigen Möglichkeiten, Hinweise dafür zu gewinnen, wer an der Tankstelle war. Es versteht sich nicht von selbst, daß die Polizei diese Ermittlungsansätze nicht ohnehin erkannt hätte. Daher hätte sich die Strafkammer mit beiden Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, ehe sie von der ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegten Auffassung ausgeht.
d) Auch für die Annahme, der Angeklagte, habe Frau H. möglicherweise Isolierband geschenkt, sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Dies zeigt schon die Annahme, der Angeklagte habe ihr "eventuell" deshalb Isolierband geschenkt, damit sie "etwas" reparieren kann. Die Überlegungen der Strafkammer zu dem Grund, warum der Angeklagte davon nichts erzählt haben könnte, sind unvollständig. Ausführungen zu einer etwaigen Übergabe von Isolierband wären zwar nicht im Zusammenhang mit dem bis dahin nicht angesprochenen Thema "Isolierband" zu erwarten gewesen, wohl aber im Zusammenhang mit der Frage nach "Körperkontakten". Der Angeklagte hat sehr genaue Angaben zu - flüchtigen - Körperkontakten mit Frau H. gemacht , die er sogar noch mit einem Fax ergänzt hat (vgl. oben III 2 a). Einen
entsprechenden Körperkontakt bei der Übergabe von Isolierband hat er dagegen nicht erwähnt.
3. Im Kern sieht die Strafkammer nach alledem unter zum Teil auch lükkenhafter Würdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten nicht unerhebliche konkrete Verdachtsmomente wegen nur denktheoretischer Möglichkeiten als entkräftet an. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es auf weiteres noch ankäme.

IV.

Der Senat sieht jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte gegen Mitternacht zu Hause war, weil er vorher kaum Zeit gehabt hätte, Frau H. zu töten und nach T. zu bringen. Die Möglichkeit, daß er gegen Mitternacht zu Hause war, und dies erst anschließend getan hätte, sei praktisch ausgeschlossen. Es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er sie "über ... Regensburg hinaus transportierte". Es gibt jedoch außer den Angaben des Angeklagten auch keine Anhaltspunkte für ein Ende der Fahrt am Autohof Regensburg. Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, können den Feststellungen nicht ohne weiteres als unwiderlegt zu Grunde gelegt werden, sondern ihre Richtigkeit muß erst anhand des übrigen Beweisergebnisses überprüft werden (vgl. Schoreit aaO Rdn. 28 m. w. N.).
2. Die danach bisher nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossene Möglichkeit, daß der Angeklagte der Täter war, obwohl er um gegen Mitternacht in Sch. wirkt war, sich auf die mögliche Bedeutung weiter Teile des Beweisergebnisses aus: Die Familie des Angeklagten - Frau und Kinder - war in dieser Nacht bei seiner Schwiegermutter in München. Hätte er dies zuvor gewußt, käme es weder darauf an, ob er um Mitternacht in Sch. war, noch darauf, ob die Ehefrau gegen Mitternacht in Sch. angerufen und mit ihm gesprochen hat (a). Hätte er vom Aufenthalt in München nichts gewußt, könnte es etwas bedeutsamer sein, ob er in der fraglichen Zeit zu Hause war. Hätte er nämlich erwartet, daß seine Frau zu Hause wäre, wäre es aus seiner Sicht möglicherweise schwieriger gewesen, sich wieder zu entfernen. Daher könnte es ihn mittelbar entlasten, wenn er gegen Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Nur dann könnte das genannte Telefongespräch als Beleg für seine Anwesenheit in Sch. überhaupt Bedeutung gewinnen (b).
a) Die Strafkammer folgt ohne weiteres den Angaben der Schwiegermutter , der Angeklagte hätte nicht gewußt, daß seine Familie in München war. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer andere Angaben der Schwiegermutter für unstimmig und daher unglaubhaft hält. Wird einem Zeugen nur teilweise geglaubt, bedarf dies einer eingehenden Begründung (BGH NStZ-RR 2003, 332 f. m. w. N.), die bisher fehlt. Sonstige Erkenntnisse, die ohne nähere Begründung klar belegten, daß der Angeklagte von der Abwesenheit seiner Familie überrascht wurde, liegen ebenfalls nicht vor:
Bei seiner ersten Vernehmung hat er angegeben, er wisse nicht, ob seine Frau da war, als er nach Hause kam. Das spricht nicht dafür, daß ihre Abwesenheit für ihn überraschend (und daher einprägsam) war. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang seinen Notizkalender vorgelegt, in dem unter dem 28. September 2001 "Ki-Mün" steht, ist, was "Kinder" oder "Kirsten" - Vorname der Ehefrau - "in München" heißen soll. Wäre der Eintrag vor dem 28. September 2001 erfolgt, belegte er, daß der Angeklagte an diesem Tag wußte, daß sie nicht zu Hause war. Ein nachträglicher Eintrag belegte zwar nicht, daß der Angeklagte am 28. September 2001 nicht Bescheid wußte, der Eintrag wäre mit dieser Annahme aber immerhin vereinbar. Ein Anruf der Ehefrau - über dessen Inhalt außer den Aussagen der Schwiegermutter nichts bekannt ist - würde über Kenntnis oder Unkenntnis des Angeklagten nichts aussagen. So überrascht von der Abwesenheit seiner Familie , daß er selbst auf dem Handy der Ehefrau angerufen hätte, war der Angeklagte jedenfalls nicht.
b) Es gibt nur folgende, vom Angeklagten am 1. Dezember 2001 vorgelegte objektive Belege für möglicherweise relevante Anrufe aus München: vom Festnetzanschluß der Schwiegermutter bestand zunächst um 23.24 Uhr für 28 Sekunden eine Verbindung mit dem Festnetzanschluß in Sch. , die zweite Verbindung bestand von dort 2 Minuten später für 8 Sekunden mit dem Handy des Angeklagten. Die Behauptung der Schwiegermutter, die Tochter habe vom Festnetz ein kurzes und kurz darauf von ihrem Handy aus ein langes Gespräch mit dem in Sch. aufenthältlichen Angeklagten geführt , ist damit unvereinbar. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte zwar keine zwei Gespräche geführt, von einem Gespräch sei zu seinen
Gunsten aber auszugehen, hat jedenfalls in der Aussage der Schwiegermutter keine tragfähige Grundlage. Möglicherweise hängt diese Annahme auch mit einem polizeilichen Versäumnis zusammen, das die Strafkammer bei ohnehin schwieriger Beweislage noch in ihre Überlegungen einzubeziehen hatte: Der Angeklagte hatte in einem Fax vom 23. November 2001 eine Telefonnummer der Telefongesellschaft mitgeteilt, unter der das Telefongespräch vom Handy seiner Frau mit Sch. bestätigt werden könnte. Eine Bestätigung war jedoch nicht möglich. Unter der Nummer erhielt die Polizei die Auskunft, eine solche Verbindung könne weder bestätigt noch verneint werden; da die Ehefrau ein Handy mit einer prepaid Karte hätte, gäbe es keine Unterlagen. Damit hat sich die Polizei begnügt. Damals hätte aber vielleicht noch die - inzwischen wegen Zeitablaufs ausgeschlossene - Möglichkeit bestanden, die Behauptung über dieses Gespräch zu überprüfen, z. B. durch die "Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen". Dieses polizeiliche Versäumnis ändert jedoch nichts daran, daß der Zweifelssatz nicht isoliert auf ein einzelnes Indiz angewendet werden kann (vgl. BGHSt 35, 308, 316; Schoreit aaO Rdn. 65 jew. m. w. N.). Sollte es auf dieses Telefongespräch ankommen, wird jedoch zu erwägen sein, daß sich der Angeklagte mit dieser Angabe der Gefahr ausgesetzt haben kann, einer falschen Aussage überführt zu werden. Dies setzte aber voraus, daß er der Polizei eine Nummer gefaxt hätte, ohne zuvor zu überprüfen, was man dort für Auskünfte bekommt (die dort erteilte Auskunft hat seine Behauptung nicht widerlegt) und er außerdem die Möglichkeiten sonstiger polizeilicher Ermittlungen klarer als die Polizei selbst beurteilt hätte. Es kann auch eine Rolle spielen, daß der Angeklagte zwar zunächst am 23. November 2001 sich auf ein Gespräch vom Handy seiner Frau aus berufen hat, er am 1. Dezember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher
zember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher eher verwirrend Belege für Anrufe vom Festnetz aus vorgelegt hat. 3. Im Pkw des Angeklagten wurden eine Reihe von DNA-Spuren sichergestellt , mehrere stammen von Frau H. . So war etwa eine Spur, von der anzunehmen sei, daß es sich um ihr Blut handele, an der Innenseite der Fahrertür. Die Strafkammer erwägt, daß Frau H. , vom Angeklagten unbemerkt , (vgl. oben III 2 a), aus der Nase geblutet haben könnte, und dieses Blut dann mit einem feuchten Tuch an die Fahrertür gewischt worden sein kann. Es ist (auch hier) zumindest nicht klar erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte. Im übrigen gehen zwar die jeweils sehr geringen Mengen von Blut von Frau H. die , dieser und den übrigen im Innenraum und an der Beifahrertür gesicherten Spuren zugrunde liegen und die darüber hinaus in Papiertaschentüchern in der Handtasche von Frau H. festgestellt worden sind, nicht auf die Tötung von Frau H. zurück, weil dabei sehr viel mehr Blut geflossen sein muß. Sie könnten aber immerhin darauf hinweisen, daß es in dem Pkw zu Geschehen gekommen ist, das mit der Schilderung des Angeklagten von einem insgesamt völlig harmlosen Vorgang - FrauH. ist eingestiegen, mitgefahren und wieder ausgestiegen - schwerlich vereinbar erscheint. 4. Weil Bargeld und einige sonstige Gegenstände von Frau H. - fehlten, geht die Strafkammer, ersichtlich am Anklagevorwurf orientiert, von Raubmord aus. Auch dies spräche angesichts der deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten (er hatte zeitweise ein Jahreseinkommen von über 500.000 DM und betrieb zuletzt ein Call-Center in Ungarn ) gegen seine Täterschaft. Es sei angesichts der Gesamtumstände ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sie nicht sehr viel Geld oder besondere
Wertgegenstände bei sich gehabt hätte. Auch gegen diese Erwägung bestehen Bedenken. Unabhängig davon, ob die kleine Schnittwunde im Bereich des Handgelenks, in der sich Isolierbandpartikel befanden, Rückschlüsse auf die Person des Täters zuläßt, spricht sie jedenfalls dagegen, daß es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte.

V.

Der Senat hat entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, 2. Alternative). Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 177/12
vom
13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 1. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das von dem Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. In der unverändert zugelassenen Anklage ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am frühen Morgen des 27. Juli 2011 den Geschädigten E. P. bei einer tätlichen Auseinandersetzung in der Wohnung der Zeugin S. absichtlich durch einen Messerstich in die Brust getötet und sich dadurch des Totschlags schuldig gemacht zu haben.
3
2. Nach den Feststellungen hielten sich der Geschädigte P. , die Zeugin S. und der Angeklagte am frühen Morgen des Tattages gemein- sam in der Wohnung der Zeugin S. auf. Ab 3.30 Uhr kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten zu einem Streit, an dem sich möglicherweise auch die Zeugin S. beteiligte. Noch vor 4.40 Uhr schlug dieser Streit in eine tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und P. um. Möglicherweise mischte sich die Zeugin S. auch hier wieder in das Geschehen ein. Auf wessen Seite und wie weit ihre Beteiligung dabei ging, blieb „unklar“ (UA 7).Im Verlauf dieser Auseinandersetzung wurden dem Geschädigten neben einer Verletzung des Kehlkopfes und einer Schnittwunde am Kinn zwei Stiche mit einem Küchenmesser beigebracht. Ein Stich erfolgte in den Rücken und war für sich allein nicht tödlich. Der andere traf ihn von vorne ins Herz.
4
Wer welchen Stich setzte und in welcher Reihenfolge die Stiche und die übrigen Verletzungen beigebracht wurden, konnte nicht geklärt werden. Es steht jedoch fest, dass der Angeklagte einen von beiden Stichen gesetzt hat. Dabei ist das Landgericht in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes davon ausgegangen , dass es sich hierbei um den für sich allein nicht tödlichen Stich in den Rücken gehandelt hat. Dieser wurde durch den Angeklagten „wohl in liegender Position unter P. gesetzt“, nachdem er in dieser Lage das Küchenmesser erstmals zu fassen bekam (UA 8). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte in diesem Moment „begründeten Anlass für dieAnnahme hatte“, P. wolle ihn töten und sich ausweglos in die Enge gedrängt sah.
5
Nach der Rückenverletzung gelang es dem Angeklagten zumindest kurzfristig , die Oberhand zu gewinnen und P. im Flur auf dem Rücken liegend am Boden zu fixieren. Um 4.40 Uhr verließ der schwer verletzte Geschädigte die Wohnung. Nach einer Wegstrecke von ca. 70 Metern brach er zusammen und verstarb noch vor 5.00 Uhr an den Folgen des Herzstichs.
6
3. Das Landgericht hat sich aufgrund der Spurenlage und der Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen davon überzeugt, dass dem Geschädigten beide Messerstiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden (UA 13). Seine Überzeugung, dass zumindest einer dieser Stiche von dem in der Hauptverhandlung jede Tatbeteiligung abstreitenden Angeklagten gesetzt worden ist, hat es aus einer Einlassung des Angeklagten vom 27. Juli 2011 gegenüber dem Polizeibeamten A. hergeleitet. Dort hatte der Angeklagte über eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten berichtet und angegeben, er habe in der Küche ein Messer zu fassen bekommen und damit einmal auf den Geschädigten eingestochen (UA 21). Die in diesem Zusammenhang von dem Angeklagten demonstrierte und von dem Polizeibeamten A. in der Hauptverhandlung nachgestellte Stichbewegung sei mit einem Stich in den Rücken eines direkt gegenüberstehenden Kontrahenten vereinbar (UA 22). Dass der Angeklagte ein zweites Mal zugestochen hat, vermochte das Landgericht nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, weil der Angeklagte gegenüber dem Polizeibeamten A. nur einen Stich geschildert habe und das übrige Beweisergebnis einen zweiten Stich des Angeklagten nicht belege (UA 29). Die Zeugin S. habe keine verlässlichen Angaben zum Tatgeschehen gemacht und sei bemüht gewesen, ihr Wissen zu verbergen (UA 37). Das Spurenbild lasse keine sicheren Schlüsse zur zeitlichen Reihenfolge der Stiche und zur Körperposition der Beteiligten zu. Aus der Lage der Stichverletzungen (Brustvorderseite und Brustrückseite) sei zu schließen, dass die ursächlichen Stiche „nicht aus der zeitlich punktuell selben Kampfsituation heraus“ beigebracht wurden. Wären sie von derselben Person gesetzt worden, „hätte diese Person zwischen den Stichen wohl ihre relative Position zu seinem Gegenüber eher verändert. Gleichermaßen könnte allerdings auch ein Dritter, sei es die Zeugin S. , sei es der Angeklagte zu dem Geschehen nach dem ersten Stich durch den jeweils anderen hinzugetreten sein“ (UA 39). Ein gewis- ser Hinweis darauf, dass beide Stiche von derselben Person stammen könnten, ergebe sich allerdings daraus, dass ein aufgefundenes Küchenmesser mit Blutanhaftungen zu beiden Einstichen von der Größe her passe und ein weiteres Messer mit Blutanhaftungen nicht gefunden worden sei (UA 40).
7
Hinsichtlich des festgestellten Stichs in den Rücken hat das Landgericht eine durch einen rechtswidrigen Angriff des Geschädigten eingetretene und die Stichführung unter dem Gesichtspunkt der Notwehr „rechtfertigende Bedrängnis“ des Angeklagten nicht auszuschließen vermocht. Der Angeklagte habe ge- genüber der Polizei am Tattag in mehreren Varianten über einen Angriff des Geschädigten berichtet (UA 52 ff.). Dem wegen eines Tötungsdelikts vorbestraften P. seien derartige Angriffe nicht wesensfremd gewesen. Der Umstand , dass der Angeklagte von sich aus die Polizei verständigen wollte, spreche dafür, dass er sich im Recht fühlte (UA 55). Aus der Tatsache, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht mehr auf eine Notwehrlage berufen habe, könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, weil es der Fall sein könne, dass er sich von einem völligen Bestreiten der Tat eine bessere Verteidigungsposition erhofft habe (UA 56). Dass der Stich in den Rücken erfolgt ist, schließe die Annahme einer Notwehrsituation nicht aus, da ein solcher Stich nicht notwendig auch „hinterrücks“ und damit ohne Androhung erfolgt sein müsse (UA 58).

II.


8
Diese Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Seiner Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn der Tatrichter die von ihm festgestellten Tatsachen nicht unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat oder über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggegangen ist (BGH, Urteil vom 29. September 1998 – 1 StR 416/98, NStZ 1999, 153). Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt es auch, ob überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 191/11; Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 Rn. 11; Urteil vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303). Hieran gemessen unterliegt die landgerichtliche Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Zurechnung des zweiten Stichs für nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar gehalten hat, lassen besorgen, dass es bei der richterlichen Überzeugungsbildung von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Auch wurde das vorhandene Beweismaterial nicht erschöpfend gewürdigt.
11
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer theoretischen Möglichkeit gründen (BGH, Urteil vom 1. September 1993 – 2 StR 361/93, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 22; vgl. Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243). Es ist daher rechtsfehlerhaft, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte erbracht sind und sie deshalb nach den gesamten Umständen als möglich in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243; Beschluss vom 8. September 1989 – 2 StR 392/89, BGHR StGB § 213 Beweiswürdigung 1).
12
Vor dem Hintergrund der durch objektive Beweismittel abgesicherten Feststellung, dass dem Geschädigten beide Stiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden, dort zur Tatzeit neben dem Angeklagten und dem Geschädigten nur noch die Zeugin S. anwesend war, und angesichts der weiteren gegen den Angeklagten sprechenden Verdachtsmomente (tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten, im Ermittlungsverfahren eingeräumter Messereinsatz) konnte eine Zurechnung auch des zweiten Stichs nur noch dann zweifelhaft sein, wenn eine Stichbeibringung durch die Zeugin S. als alternativer Geschehensverlauf nach den Umständen in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Das Landgericht hat es dafür ausreichen lassen, dass die Stichverletzungen auch von zwei Tätern gesetzt worden sein können, die Zeugin S. unglaubhafte Angaben gemacht und der Angeklagte keinen eigenen zweiten Stich geschildert hat. Damit werden jedoch noch keine konkreten Umstände aufgezeigt, die für einen gegen den Geschädigten gerichteten Messerangriff der Zeugin S. sprechen könnten.
13
Hinzu kommt, dass sich das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht mit den Einlassungen des Angeklagten auseinandergesetzt hat, die dieser im Ermittlungsverfahren zur Rolle der Zeugin S. bei der Auseinandersetzung mit dem Geschädigten gemacht hat. So hat der Angeklagte noch am Tattag gegenüber dem Zeugen A. angegeben, die Zeugin habe versucht, ihn von dem Geschädigten wegzuziehen und sei deshalb von ihm geschlagen worden (UA 21). Gegenüber dem Polizeibeamten E. hat der Angeklagte ebenfalls noch am Tattag erklärt, dass die Zeugin S. gerufen habe, was sie da machen würden; sie habe an ihm gezerrt und er habe versucht, sie wegzustoßen. Dabei habe der Geschädigte weiter auf ihn eingeschlagen (UA 22). In diesem Zusammenhang berichtete der Angeklagte auch über eigene Wahrnehmungen zu der Herzstichverletzung, ohne einen Bezug zu dem Verhalten der Zeugin S. herzustellen. Stattdessen gab er auf Nachfrage an, dass es sein könne , „dass er das gewesen sei“ (UA 23). Beide Einlassungen enthalten keinen Hinweis auf einen Messerstich der Zeugin S. zum Nachteil des Geschädigten. Stattdessen legen sie nahe, dass die Zeugin lediglich schlichtend in die Auseinandersetzung eingegriffen hat. Hiermit stimmt überein, dass auch die (unbeteiligten) Zeugen Sa. und D. nur über einen lauten Streit zwischen zwei Männern berichtet haben.
14
Vor diesem Hintergrund ist zu besorgen, dass die Strafkammer verkannt hat, dass sie eine Einlassung des Angeklagten, für die es keine Anhaltspunkte gibt, nicht zu dessen Gunsten unterstellen muss, zumal der Angeklagte erst in der Hauptverhandlung von einer über Schlichtungsversuche hinausgehenden Beteiligung der Zeugin S. an dem Streit berichtet hat.
15
Die Sache bedarf daher schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung.
16
3. Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass der an seinem bisherigen Verteidigungsverhalten festhaltende Angeklagte für einen oder beide Messerstiche verantwortlich ist, wird er zu beachten haben, dass dem Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen darf, dass er die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, zum Vorliegen einer Notwehrsituation vorzutragen. Sollten insoweit keine sicheren Feststellungen getroffen werden können , sind allerdings auch hier Unterstellungen zugunsten des Angeklagten nur gerechtfertigt, wenn es dafür reale Anknüpfungspunkte gibt (BGH, Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Quentin Reiter

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 320/16
vom
29. September 2016
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:290916U4STR320.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. September 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 5. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Nach der zugelassenen Anklage liegt dem Angeklagten sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in fünf Fällen, sexueller Missbrauch von Kindern und schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zur Last. Der zur Tatzeit an einer Schule für Körperbehinderte als Lehrer tätige Angeklagte soll an dem am 6. August 1998 geborenen Nebenkläger, einem seiner Schüler, im Sommer 2009 während einer Unterrichtspause in seinem in Schulnähe geparkten Reisemobil den Oralverkehr ausgeübt (Fall 1) und vor ihm in der Dusche des Schulschwimmbads onaniert haben (Fall 2). Außerdem soll es bei Besuchen des Nebenklägers in der Wohnung des Angeklagten in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum Ende des Schuljahrs 2010/2011 zu sexuellen Handlungen des Angeklagten vor und an dem Nebenkläger und zu sexuellen Handlungen des Nebenklägers an dem Angeklagten gekommen sein. Dabei soll der Angeklagte nach der Vorführung von mehreren kurzen Pornofilmen sein erigiertes Geschlechtsteil an dem Nebenklä- ger gerieben und diesen an seinem Geschlechtsteil berührt (Fall 3) sowie bei einer anderen Gelegenheit sein erigiertes Geschlechtsteil zwischen dessen Beine geschoben haben (Fall 4). Außerdem soll der Nebenkläger von dem Angeklagten dazu veranlasst worden sein, ihm bei der Selbstbefriedigung zuzusehen und das zu diesem Zweck gezuckerte Sperma von seinem Penis abzulecken (Fall 5), in den Mund des Angeklagten zu urinieren (Fall 6) sowie an dem Angeklagten den Oralverkehr auszuüben (Fall 7). Schließlich soll der Angeklagte zur eigenen sexuellen Stimulation vor dem Nebenkläger einen Löffelstiel in die Harnröhre seines erigierten Penis eingeführt und ihn dazu veranlasst haben, an dem Penis zu fühlen, wie weit der Löffelstiel bereits eingeführt sei (Fall 8). Das Landgericht hat den Angeklagten von allen Vorwürfen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der nicht vorbestrafte Angeklagte war in den Schuljahren 2005/2006 bis 2010/2011 Lehrer des Nebenklägers an einer Schule für Körperbehinderte. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis war gut. Der Angeklagte war der Lieblingslehrer des Nebenklägers. Zu im Einzelnen nicht näher feststellbaren Zeitpunkten zwischen dem 1. Januar 2009 und dem Ende des Schuljahrs 2010/2011 kam es zu mindestens zwei Übernachtungen des Nebenklägers im Haus des Angeklagten, die jeweils mit dessen Mutter abgesprochen waren. Zum Schuljahr 2011/2012 wechselte der Nebenkläger – auch auf Empfehlung des Angeklagten – auf eine andere Schule.
4
Der Angeklagte ist Eigentümer eines selbst ausgebauten geländegängigen Reisemobils, mit dem er regelmäßig auch zur Schule fuhr. Das auffällige Fahrzeug stieß bei dem Nebenkläger und seinen Mitschülern auf großes Interesse und wurde ihnen seitens des Angeklagten auch von innen gezeigt.
5
Die Schule verfügt über ein eigenes Schwimmbad. Der Angeklagte duschte nach dem von ihm betreuten Schwimmen nackt mit den Jungen in der Gemeinschaftsdusche. Kurz vor Weihnachten des Jahres 2009 oder 2010 fasste der Angeklagte beim gemeinsamen Duschen nach dem Schwimmunterricht einem seiner Schüler an den Penis und schob die Vorhaut zurück. Danach begab er sich sogleich zum Schulleiter, berichtete von dem Vorfall und gab zur Erklärung an, er habe dem Schüler aus hygienischen Gründen zeigen wollen, wie man die Vorhaut zurückschiebt.
6
Jedenfalls seit dem Jahr 2013 konsumierte der Angeklagte zumindest gelegentlich pornografische Bild- und Videodateien, die er sich in großem Umfang aus dem Internet herunterlud und auf verschiedenen Datenträgern vorrätig hielt. Dabei interessierten ihn insbesondere transsexuelle Inhalte, daneben aber auch weniger verbreitete bis ausgesprochen selten vorkommende Sexualpraktiken wie Urinspiele oder das – selbst im Internet nur schwierig aufzufindende – Einführen von schmalen Gegenständen in die Harnröhre des Penis. Auf einem USB-Stick des Angeklagten waren unter anderem vier Bilder abgespeichert, bei denen sich Männer schmale längliche Gegenstände in die Harnröhre einführen. Weiterhin finden sich auf dem USB-Stick drei Bilder, die „Urinspiele“ zum Gegenstand haben. Auf einem Bild uriniert eine Frau unmittelbar in den Mund eines Mannes. Bilder oder Videos mit pädophilem Inhalt waren auf den Datenträgern des Angeklagten nicht gespeichert.
7
2. Der Angeklagte hat alle Vorwürfe von sich gewiesen. Die Strafkammer hat sich – in Abweichung von der Einschätzung der aussagepsychologischen Sachverständigen – von der Glaubhaftigkeit der den Angeklagten belastenden Angaben des Nebenklägers „nicht vollständig“ zu überzeugen vermocht. Zwar habe die Beweisaufnahme eine Reihe von Indizien erbracht, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprächen. Dies betreffe insbesondere die Angaben des Nebenklägers zu zum Teil nur sehr selten vorkommenden Sexualpraktiken, die sich mit Bilddateien gedeckt hätten, die der Angeklagte aus dem Internet heruntergeladen habe. Doch seien insoweit auch andere Erklärungsmöglichkeiten aufgezeigt worden, die zu erwägen gewesen seien. Auch habe die Aussage des Nebenklägers in den Bereichen Aussageentstehung, Aussageentwicklung und Aussageinhalt zahlreiche Schwächen aufgewiesen, die jeweils für sich ge- nommen „zwar keinen überragenden Erkenntniswert“ gehabt hätten. Diese hät- ten es aber doch in der Summe unmöglich gemacht, sich von der uneingeschränkten Glaubwürdigkeit des Nebenklägers und der Richtigkeit seiner Angaben zu überzeugen.

II.


8
Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, weil der Freispruch des Angeklagten auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht.
9
1. Spricht der Tatrichter den Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 9; weitere Nachweise bei Brause, NStZ-RR 2010, 329, 330 f.). Der Tatrichter ist gehalten , die Gründe für den Freispruch so vollständig und genau zu erörtern, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, anhand der Urteilsgründe zu prüfen, ob der Freispruch auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, Rn. 10; Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15, Rn. 2; Urteil vom 20. November 2013 – 2 StR 460/13, NStZ-RR 2014, 56).
10
2. Daran gemessen hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsrechtlicher Überprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
11
a) Die Ausführungen zum Beweiswert der Angaben des Nebenklägers in Bezug auf Fall 8 der Anklage (Befühlen des erigierten Penis des Angeklagten beim Einführen eines Gegenstands in die Harnröhre) lassen besorgen, dass die Strafkammer überhöhte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat.
12
aa) Der Tatrichter darf bei der Überzeugungsbildung Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1998 – 2 StR 65/98, NStZ-RR 1998, 275 mwN).
Auch ist es rechtsfehlerhaft, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen , für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 402; Urteil vom 17. März 2005 – 4 StR 581/04, StV 2005, 421; Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35; Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188, 2189 [insoweit in BGHSt 47, 243 nicht abgedruckt]; weitere Nachweise bei Miebach in MüKoStPO § 261 Rn. 88 und 129).
13
bb) Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht verstoßen.
14
Nach den Urteilsgründen hat der Nebenkläger in der Hauptverhandlung, bei seiner polizeilichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren und im Rahmen des Explorationsgespräches mit der aussagepsychologischen Sachverständigen konstant geschildert, dass der Angeklagte einen Gegenstand in die Harnröhre seines erigierten Penis eingeführt und er auf seine Aufforderung hin immer wieder gefühlt habe, wie tief dieser eingedrungen sei. Lediglich zu der Beschaffenheit des Gegenstandes machte er unterschiedliche Angaben. Die Strafkammer hat in dem Umstand, dass sich auf einem USB-Stick des Angeklagten Bilddateien befanden, die das Einführen von Gegenständen in die Harnröhre und damit eine sehr seltene Sexualpraktik zeigen, ein Indiz für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers gesehen. Dessen Gewicht hat sie dann aber mit der Erwägung relativiert, dass kaum zuverlässig ausgeschlossen werden könne, dass der Nebenkläger im Internet auf solche Inhalte gestoßen sei. Denn die Beweisaufnahme habe auch ergeben, dass die betreffenden Inhalte im Internet frei zugänglich gewesen seien und der Nebenkläger sowohl im Elternhaus als auch in seiner Wohngruppe Zugang zum Internet gehabt habe. Schließlich sei es auch „keinesfalls fernliegend“, dass der Nebenkläger dievon ihm beschriebenen Sexualpraktiken gekannt habe, weil er sich zusammen mit dem Angeklagten entsprechende Bilder angesehen habe. Weder für die erste noch für die zweite als mögliche Erklärung für die Kenntnis des Nebenklägers von derartigen Sexualpraktiken herangezogene Variante hat das mitgeteilte Beweisergebnis konkrete Anhaltspunkte erbracht. Sowohl die Mutter des Nebenklägers als auch sein Betreuer in der Wohngruppe haben angegeben, dass der Nebenkläger nie über längere Zeit im Internet unbeaufsichtigt habe „surfen“ können. Zudem seien jeweils Jugendschutzfilter installiert gewesen. Dass der Nebenkläger von selbst im Internet auf – wie die Strafkammer an anderer Stelle festgestellt hat – dort nur schwierig aufzufindende Bilder über das Einführen von schmalen Gegenständen in die Harnröhre des Penis gestoßen sein könnte, ist unter diesen Umständen eine lediglich abstrakt-theoretische Möglichkeit. Gleiches gilt für die Annahme, der Nebenkläger könnte sich derartige Bilddateien zusammen mit dem Angeklagten angesehen haben. In diese Richtung weisende Angaben des Nebenklägers sind in den Urteilsgründen nicht aufgeführt. Der Angeklagte hat behauptet, die einschlägigen Bilddateien nicht gekannt zu haben und damit auch ein Betrachten dieser Dateien zusammen mit dem Nebenkläger in Abrede gestellt.
15
Das Urteil beruht auch auf diesem Beweiswürdigungsmangel. Denn der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Bewertung dieses Gesichtspunktes die Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers insgesamt anders beurteilt hätte.
16
b) Soweit die Strafkammer bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Nebenklägers von der Einschätzung der aussagepsychologischen Sachverständigen abgewichen ist, lassen die schriftlichen Urteilsgründe eine revisionsgerichtliche Überprüfung nicht zu.
17
aa) Weicht der Tatrichter von der Einschätzung eines Sachverständigen ab, nachdem er zuvor glaubte, einer Beratung durch diesen Sachverständigen zu bedürfen, muss er sich erschöpfend mit dessen Ausführungen auseinandersetzen und diese im Einzelnen darlegen. Dazu gehört auch eine Wiedergabe der Stellungnahme des Sachverständigen zu den Gesichtspunkten, auf die der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 5 StR 181/12, NStZ 2013, 55, 56; Urteil vom 20. Juni 2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550). Andernfalls ist dem Revisionsgericht eine Prüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat sowie woher sich sein besseres Fachwissen oder seine fortbestehenden Zweifel ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 4 StR 435/09, NStZ-RR 2010, 105, 106; Urteil vom 12. Juni 2001 – 1 StR 190/01; Beschluss vom 25. April 2006 – 1 StR 579/05, NStZ-RR 2006, 242, 243).
18
bb) Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
19
Die Strafkammer hat zwar mitgeteilt, dass sie sich eingehend mit dem zu einem anderen Ergebnis gelangenden aussagepsychologischen Sachverständigengutachten auseinandergesetzt habe. Sie hat es aber verabsäumt, den wesentlichen Inhalt des Gutachtens mitzuteilen und im Zusammenhang darzulegen , warum sie der Einschätzung der Sachverständigen im Ergebnis nicht zu folgen vermocht hat. Auch wird nicht nachvollziehbar dargestellt, wie sich die Sachverständige zu den Gesichtspunkten verhalten hat, auf die das Landgericht seine abweichende Auffassung stützt. Das Revisionsgericht kann daher nicht prüfen, ob die in den Urteilsgründen an verschiedenen Stellen angeführten Defizite des Gutachtens (unzureichende Auseinandersetzung mit den „recht dürftigen Angaben“ des Nebenklägers zu dem jeweiligen Randgeschehen und seinen ausweichenden Reaktionen auf Vorhalte, keine erschöpfende Thematisierung möglicher suggestiver Beeinflussung durch betreuende Personen, mangelnde Erörterung von Abweichungen und Widersprüchen, Beschränkung der Konstanzanalyse auf die Angaben vor der Polizei, gegenüber der Sachverständigen und in der Hauptverhandlung) und die Zurückweisung von einzelnen Bewertungen der Sachverständigen (etwa zum fehlenden Interesse des Nebenklägers an sexualbezogenen Handlungen und der Beurteilung seiner Persönlichkeitsstruktur ) auf einer zutreffenden Würdigung des Gutachtens beruhen.
20
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Fall StPO Gebrauch und verweist die Sache an ein anderes Gericht gleicher Ordnung zurück.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 177/12
vom
13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts des Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 1. Februar 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das von dem Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. In der unverändert zugelassenen Anklage ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am frühen Morgen des 27. Juli 2011 den Geschädigten E. P. bei einer tätlichen Auseinandersetzung in der Wohnung der Zeugin S. absichtlich durch einen Messerstich in die Brust getötet und sich dadurch des Totschlags schuldig gemacht zu haben.
3
2. Nach den Feststellungen hielten sich der Geschädigte P. , die Zeugin S. und der Angeklagte am frühen Morgen des Tattages gemein- sam in der Wohnung der Zeugin S. auf. Ab 3.30 Uhr kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten zu einem Streit, an dem sich möglicherweise auch die Zeugin S. beteiligte. Noch vor 4.40 Uhr schlug dieser Streit in eine tätliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und P. um. Möglicherweise mischte sich die Zeugin S. auch hier wieder in das Geschehen ein. Auf wessen Seite und wie weit ihre Beteiligung dabei ging, blieb „unklar“ (UA 7).Im Verlauf dieser Auseinandersetzung wurden dem Geschädigten neben einer Verletzung des Kehlkopfes und einer Schnittwunde am Kinn zwei Stiche mit einem Küchenmesser beigebracht. Ein Stich erfolgte in den Rücken und war für sich allein nicht tödlich. Der andere traf ihn von vorne ins Herz.
4
Wer welchen Stich setzte und in welcher Reihenfolge die Stiche und die übrigen Verletzungen beigebracht wurden, konnte nicht geklärt werden. Es steht jedoch fest, dass der Angeklagte einen von beiden Stichen gesetzt hat. Dabei ist das Landgericht in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes davon ausgegangen , dass es sich hierbei um den für sich allein nicht tödlichen Stich in den Rücken gehandelt hat. Dieser wurde durch den Angeklagten „wohl in liegender Position unter P. gesetzt“, nachdem er in dieser Lage das Küchenmesser erstmals zu fassen bekam (UA 8). Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte in diesem Moment „begründeten Anlass für dieAnnahme hatte“, P. wolle ihn töten und sich ausweglos in die Enge gedrängt sah.
5
Nach der Rückenverletzung gelang es dem Angeklagten zumindest kurzfristig , die Oberhand zu gewinnen und P. im Flur auf dem Rücken liegend am Boden zu fixieren. Um 4.40 Uhr verließ der schwer verletzte Geschädigte die Wohnung. Nach einer Wegstrecke von ca. 70 Metern brach er zusammen und verstarb noch vor 5.00 Uhr an den Folgen des Herzstichs.
6
3. Das Landgericht hat sich aufgrund der Spurenlage und der Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen davon überzeugt, dass dem Geschädigten beide Messerstiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden (UA 13). Seine Überzeugung, dass zumindest einer dieser Stiche von dem in der Hauptverhandlung jede Tatbeteiligung abstreitenden Angeklagten gesetzt worden ist, hat es aus einer Einlassung des Angeklagten vom 27. Juli 2011 gegenüber dem Polizeibeamten A. hergeleitet. Dort hatte der Angeklagte über eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten berichtet und angegeben, er habe in der Küche ein Messer zu fassen bekommen und damit einmal auf den Geschädigten eingestochen (UA 21). Die in diesem Zusammenhang von dem Angeklagten demonstrierte und von dem Polizeibeamten A. in der Hauptverhandlung nachgestellte Stichbewegung sei mit einem Stich in den Rücken eines direkt gegenüberstehenden Kontrahenten vereinbar (UA 22). Dass der Angeklagte ein zweites Mal zugestochen hat, vermochte das Landgericht nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, weil der Angeklagte gegenüber dem Polizeibeamten A. nur einen Stich geschildert habe und das übrige Beweisergebnis einen zweiten Stich des Angeklagten nicht belege (UA 29). Die Zeugin S. habe keine verlässlichen Angaben zum Tatgeschehen gemacht und sei bemüht gewesen, ihr Wissen zu verbergen (UA 37). Das Spurenbild lasse keine sicheren Schlüsse zur zeitlichen Reihenfolge der Stiche und zur Körperposition der Beteiligten zu. Aus der Lage der Stichverletzungen (Brustvorderseite und Brustrückseite) sei zu schließen, dass die ursächlichen Stiche „nicht aus der zeitlich punktuell selben Kampfsituation heraus“ beigebracht wurden. Wären sie von derselben Person gesetzt worden, „hätte diese Person zwischen den Stichen wohl ihre relative Position zu seinem Gegenüber eher verändert. Gleichermaßen könnte allerdings auch ein Dritter, sei es die Zeugin S. , sei es der Angeklagte zu dem Geschehen nach dem ersten Stich durch den jeweils anderen hinzugetreten sein“ (UA 39). Ein gewis- ser Hinweis darauf, dass beide Stiche von derselben Person stammen könnten, ergebe sich allerdings daraus, dass ein aufgefundenes Küchenmesser mit Blutanhaftungen zu beiden Einstichen von der Größe her passe und ein weiteres Messer mit Blutanhaftungen nicht gefunden worden sei (UA 40).
7
Hinsichtlich des festgestellten Stichs in den Rücken hat das Landgericht eine durch einen rechtswidrigen Angriff des Geschädigten eingetretene und die Stichführung unter dem Gesichtspunkt der Notwehr „rechtfertigende Bedrängnis“ des Angeklagten nicht auszuschließen vermocht. Der Angeklagte habe ge- genüber der Polizei am Tattag in mehreren Varianten über einen Angriff des Geschädigten berichtet (UA 52 ff.). Dem wegen eines Tötungsdelikts vorbestraften P. seien derartige Angriffe nicht wesensfremd gewesen. Der Umstand , dass der Angeklagte von sich aus die Polizei verständigen wollte, spreche dafür, dass er sich im Recht fühlte (UA 55). Aus der Tatsache, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht mehr auf eine Notwehrlage berufen habe, könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, weil es der Fall sein könne, dass er sich von einem völligen Bestreiten der Tat eine bessere Verteidigungsposition erhofft habe (UA 56). Dass der Stich in den Rücken erfolgt ist, schließe die Annahme einer Notwehrsituation nicht aus, da ein solcher Stich nicht notwendig auch „hinterrücks“ und damit ohne Androhung erfolgt sein müsse (UA 58).

II.


8
Diese Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Seiner Beurteilung unterliegt nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn der Tatrichter die von ihm festgestellten Tatsachen nicht unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten gewürdigt hat oder über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggegangen ist (BGH, Urteil vom 29. September 1998 – 1 StR 416/98, NStZ 1999, 153). Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt es auch, ob überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 191/11; Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 Rn. 11; Urteil vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303). Hieran gemessen unterliegt die landgerichtliche Beweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Zurechnung des zweiten Stichs für nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar gehalten hat, lassen besorgen, dass es bei der richterlichen Überzeugungsbildung von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist. Auch wurde das vorhandene Beweismaterial nicht erschöpfend gewürdigt.
11
Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Dabei haben solche Zweifel außer Betracht zu bleiben, die realer Anknüpfungspunkte entbehren und sich lediglich auf die Annahme einer theoretischen Möglichkeit gründen (BGH, Urteil vom 1. September 1993 – 2 StR 361/93, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 22; vgl. Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243). Es ist daher rechtsfehlerhaft, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte erbracht sind und sie deshalb nach den gesamten Umständen als möglich in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147; Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243; Beschluss vom 8. September 1989 – 2 StR 392/89, BGHR StGB § 213 Beweiswürdigung 1).
12
Vor dem Hintergrund der durch objektive Beweismittel abgesicherten Feststellung, dass dem Geschädigten beide Stiche in der Wohnung der Zeugin S. beigebracht wurden, dort zur Tatzeit neben dem Angeklagten und dem Geschädigten nur noch die Zeugin S. anwesend war, und angesichts der weiteren gegen den Angeklagten sprechenden Verdachtsmomente (tätliche Auseinandersetzung mit dem Geschädigten, im Ermittlungsverfahren eingeräumter Messereinsatz) konnte eine Zurechnung auch des zweiten Stichs nur noch dann zweifelhaft sein, wenn eine Stichbeibringung durch die Zeugin S. als alternativer Geschehensverlauf nach den Umständen in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Das Landgericht hat es dafür ausreichen lassen, dass die Stichverletzungen auch von zwei Tätern gesetzt worden sein können, die Zeugin S. unglaubhafte Angaben gemacht und der Angeklagte keinen eigenen zweiten Stich geschildert hat. Damit werden jedoch noch keine konkreten Umstände aufgezeigt, die für einen gegen den Geschädigten gerichteten Messerangriff der Zeugin S. sprechen könnten.
13
Hinzu kommt, dass sich das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht mit den Einlassungen des Angeklagten auseinandergesetzt hat, die dieser im Ermittlungsverfahren zur Rolle der Zeugin S. bei der Auseinandersetzung mit dem Geschädigten gemacht hat. So hat der Angeklagte noch am Tattag gegenüber dem Zeugen A. angegeben, die Zeugin habe versucht, ihn von dem Geschädigten wegzuziehen und sei deshalb von ihm geschlagen worden (UA 21). Gegenüber dem Polizeibeamten E. hat der Angeklagte ebenfalls noch am Tattag erklärt, dass die Zeugin S. gerufen habe, was sie da machen würden; sie habe an ihm gezerrt und er habe versucht, sie wegzustoßen. Dabei habe der Geschädigte weiter auf ihn eingeschlagen (UA 22). In diesem Zusammenhang berichtete der Angeklagte auch über eigene Wahrnehmungen zu der Herzstichverletzung, ohne einen Bezug zu dem Verhalten der Zeugin S. herzustellen. Stattdessen gab er auf Nachfrage an, dass es sein könne , „dass er das gewesen sei“ (UA 23). Beide Einlassungen enthalten keinen Hinweis auf einen Messerstich der Zeugin S. zum Nachteil des Geschädigten. Stattdessen legen sie nahe, dass die Zeugin lediglich schlichtend in die Auseinandersetzung eingegriffen hat. Hiermit stimmt überein, dass auch die (unbeteiligten) Zeugen Sa. und D. nur über einen lauten Streit zwischen zwei Männern berichtet haben.
14
Vor diesem Hintergrund ist zu besorgen, dass die Strafkammer verkannt hat, dass sie eine Einlassung des Angeklagten, für die es keine Anhaltspunkte gibt, nicht zu dessen Gunsten unterstellen muss, zumal der Angeklagte erst in der Hauptverhandlung von einer über Schlichtungsversuche hinausgehenden Beteiligung der Zeugin S. an dem Streit berichtet hat.
15
Die Sache bedarf daher schon aus diesem Grund neuer Verhandlung und Entscheidung.
16
3. Sollte der neue Tatrichter zu der Überzeugung gelangen, dass der an seinem bisherigen Verteidigungsverhalten festhaltende Angeklagte für einen oder beide Messerstiche verantwortlich ist, wird er zu beachten haben, dass dem Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen darf, dass er die Tat bestreitet und deshalb nicht in der Lage ist, zum Vorliegen einer Notwehrsituation vorzutragen. Sollten insoweit keine sicheren Feststellungen getroffen werden können , sind allerdings auch hier Unterstellungen zugunsten des Angeklagten nur gerechtfertigt, wenn es dafür reale Anknüpfungspunkte gibt (BGH, Urteil vom 11. April 2002 – 4 StR 585/01, NStZ 2002, 243).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 478/04
vom
11. Januar 2005
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. Januar 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 21. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Würzburg zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.

Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, am 28./29. September 2001 die 51 Jahrealte H. Habgier aus ermordet zu haben. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg; die Beweiswürdigung ist nicht rechtsfehlerfrei. 1. Am frühen Abend des 28. September 2001 suchte Frau H. am Grenzübergang Hegyeshalom - Nickelsdorf eine Mitfahrgelegenheit; sie hatte
ihre Reisegruppe verlassen, da sie wegen ihres abgelaufenen Passes nicht von Österreich nach Ungarn einreisen durfte. Sie konnte im Pkw des Angeklagten mitfahren, der auf dem Weg in seinen Wohnort Sch. (Kreis Hof) war. Unterwegs tankte er an der Tankstelle Suben (Österreich) und kaufte dort auch Coca-Cola und drei Isolierbänder der (verbreiteten) Marke "Coroplast" : er bezahlte mit Karte. 2. Am 6. Oktober 2001 wurde die Leiche von Frau H. mit durchschnittener Kehle und anderen massiven Schnittverletzungen etwa 40 Kilometer von Sch. entfernt bei T. (Kreis Kulmbach) im Gebüsch gefunden. Sie war vollständig bekleidet, Spermaspuren gab es nicht. Es fehlten 300 bis 400 DM Bargeld, ein Koffer und einige andere Gegenstände. Im weiteren Verlauf ergab sich anhand des Madenbefalls der Leiche, daß sie spätestens seit dem Nachmittag des 29. Septembers 2001 (Tag nach ihrer Fahrt mit dem Angeklagten) am Fundort gelegen hatte. Wesentlich genauer ließ sich auch der Todeszeitpunkt nicht bestimmen. Im weiteren Verlauf wurde an der Leiche eine kleine Schnittwunde "an der Kleinfingerseite des rechten Unterarms in Höhe des Handgelenks" festgestellt, in der Partikel von "Coroplast"Isolierband waren. 3. Der Angeklagte wurde am 23. November 2001 durch Videoaufnahmen von der Grenze ermittelt und machte am 23. und 30. November 2001 nähere Angaben zur Sache. Er legte auch Unterlagen vor (z. B. sein Notizbuch, Kontounterlagen und Nachweise über Telefongespräche), gab einen Hinweis zu einem Ermittlungsansatz und schickte der Polizei bis zum 1. Dezember 2001 insgesamt dreimal ein Fax mit ergänzenden Ausführungen. Danach machte er keine Angaben mehr. Bereits am 23. November 2001 berichtete er von sich aus
- der Polizei konnte dies noch nicht bekannt sein - er habe in Suben getankt, dort auch Getränke gekauft und möglicherweise mit Karte bezahlt. Vom Kauf von Isolierbändern sagte er dabei nichts. Solange er Angaben machte, wurde er zu dem erst später in den Blickpunkt der Ermittlungen geratenen Thema Isolierbänder auch nicht befragt.
4. Die Strafkammer hält die "Isolierband-Erkenntnisse" zwar für gewichtig , gleichwohl könnten diese letztlich weder für sich noch in einer Gesamtschau mit allen sonstigen Erkenntnissen einen Zusammenhang des Angeklagten mit der Tat hinreichend belegen. Sie hat dazu unter anderem erwogen: Das Verschweigen des Kaufs sei bedeutungslos, weil es "möglich (sei), daß sich der Angeklagte am 23. November 2001 nicht ... erinnerte, diese Bänder gekauft zu haben, gegebenenfalls weil dies für ihn ein alltäglicher ... Vorgang war. Immerhin hat der Angeklagte durch seine Aussage die Beamten erst darauf gebracht ... nachzuprüfen ... (und) ... zu entdecken, daß ... Isolierband gekauft wurde". Es sei auch "nicht ausgeschlossen, daß Frau H. von dem Angeklagten eines oder mehrere der in Suben erworbenen Bänder überlassen erhielt , eventuell um etwas zu reparieren". Es fiele zwar auf, daß er bei der Polizei davon nichts gesagt habe; Isolierband habe bei seinen Vernehmungen aber noch keine Rolle gespielt.

II.

Kann der Tatrichter nicht die erforderliche Gewißheit gewinnen und spricht den Angeklagten daher frei, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt
nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd erscheinen" mag. Es gibt im Strafprozeß keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewißheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht. Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z. B. hinsichtlich der generellen Bewertung von Aussageverhalten oder hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert oder nur eine von mehreren gleich nahe liegenden Möglichkeiten erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung nicht gezogen ist, ohne daß konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. August 2003 - 1 StR 111/03 = NStZ-RR 2003, 371 ; BGH NStZ 2004, 35, 36 m. w. N.)

III.

An alledem gemessen, sind die genannten Erwägungen der Strafkammer insgesamt nicht rechtsfehlerfrei.
1. Zu Recht ist sie davon ausgegangen, daß das Aussageverhalten des Angeklagten hinsichtlich der Isolierbänder einer Beweiswürdigung zugänglich ist. Zwar dürfen aus unterschiedlichem Einlassungsverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in verschiedenen Verfahrensabschnitten als solchem keine Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten gezogen werden (st. Rspr. vgl. BGH NStZ 1999, 47 m. w. N.). Soweit sich der Angeklagte aber grundsätzlich zur Sache geäußert hat und nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben gemacht hat, kann dies zu seinem Nachteil berücksichtigt werden (BGH aaO; Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 41 jew. m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob Fragen nicht beantwortet wurden oder ob der Vernommene, wie hier, von sich aus einen Vorgang schildert und dabei einen wesentlichen Punkt eines einheitlichen Geschehens nicht nennt (Schoreit aaO m. w. N.; vgl. auch BVerfG - Beschluß vom 29. November 2004 - 2 BvR 1034/02). 2. Die Frage, ob der Angeklagte den Kauf der Isolierbänder vergessen oder bewußt verschwiegen hat, betrifft eine "innere Tatsache", so daß im wesentlichen nur Rückschlüsse möglich sind (vgl. BGH NStZ 2003, 596 f. m. w. N.). Hiervon geht auch die Strafkammer aus, ihre Erwägungen sind aber unvollständig , weil sie möglicherweise bedeutsame Gesichtspunkte nicht erkennbar einbezieht:
a) Die Strafkammer stellt auf die Alltäglichkeit des Einkaufs von Isolierband in Verbindung mit dem Zeitablauf ab. Wenn ein Autofahrer auf einer längeren Fahrt beim Tanken auch Getränke kauft, ist dies aber nicht weniger alltäglich , als wenn er bei dieser Gelegenheit drei Rollen Isolierband kauft. Hinzu kommt, daß auch die übrigen Aussagen des Angeklagten sehr präzise und detailreich sind. So hat er etwa genau geschildert, wie ihm Frau H. berichtet
habe, daß sie sich an ihrem Koffer leicht verletzt ("geratscht") habe. Allerdings habe er selbst nicht bemerkt, daß sie geblutet habe, auch nicht als sie "Brot oder Brötchen" und "ein Stück Obst" aß und den Abfall in Papiertaschentücher wickelte. Ähnlich genau hat er am 23. November 2001 die Frage nach Körperkontakten mit FrauH. beantwortet. Sie habe ihm beim Aussteigen Geld für die Fahrt hingehalten, er habe dies aber abgelehnt und ihren Arm zurückgeschoben. In einem Fax an die Polizei vom 25. November 2001 hat er einen weiteren Körperkontakt - nicht ganz leicht verständlich - so geschildert: Er habe beim Aussteigen die Reisetasche von FrauH. mit aus dem Auto herausgereicht. Da die Tasche "verklemmt" gewesen sei, sei seine Hand abgerutscht und er habe sich deshalb an der Hand von Frau H. gekratzt. Die Strafkammer hätte daher das Schweigen hinsichtlich des Kaufs der Isolierbänder nicht mit Vergessen eines alltäglichen Vorgangs erklären dürfen, ohne sich damit auseinander zu setzen, daß der Angeklagte sowohl speziell zum Einkauf an der Tankstelle als auch sonst zur Fahrt eine Reihe - teilweise sehr alltäglicher - Details genau geschildert hat.
b) Unabhängig vom Aussageverhalten ist objektivierbar, ob für jemanden der Einkauf mehrerer Isolierbänder auf der Heimreise alltäglich ist. Die Urteilsgründe ergeben nicht, daß der Angeklagte häufig Isolierbänder brauchen oder kaufen würde. Der Hinweis, "gegebenenfalls" sei dies für ihn alltäglich, spricht vielmehr dagegen, daß sich diese Bewertung auf konkrete Anhaltspunkte stützt. Im übrigen bedeutet Schweigen des Angeklagten - unabhängig davon, ob daraus ansonsten Schlüsse gezogen werden dürfen (III 1) - nicht, daß zu seinen Gunsten von Annahmen auszugehen ist, für die es keine konkreten Anhaltspunkte gibt (vgl. Schoreit aaO Rdn. 40 m. w. N.).

c) Wieso Hypothesen zu Gang und Ergebnissen der Ermittlungen für den Fall, daß der Angeklagte seinen Aufenthalt in Suben nicht erwähnt hätte, den Schluß ermöglichen sollen, er hätte sich an den Kauf von Isolierband nicht erinnert, ist weder ausdrücklich dargelegt noch sonst klar erkennbar. Der Senat geht dem aber deshalb nicht näher nach, weil schon die Annahme, ohne den Angeklagten wäre der Kauf von Isolierband unbekannt geblieben, nicht rechtsfehlerfrei begründet ist. Der Angeklagte hatte als letzter das Opfer eines Kapitalverbrechens lebend gesehen und war mit ihm über Stunden Auto gefahren. Ermittlungen bei den Tankstellen an der Strecke liegen daher nicht fern. Sind bereits mehrere Wochen vergangen, ist die Überprüfung von Kartenzahlungen eine der wenigen Möglichkeiten, Hinweise dafür zu gewinnen, wer an der Tankstelle war. Es versteht sich nicht von selbst, daß die Polizei diese Ermittlungsansätze nicht ohnehin erkannt hätte. Daher hätte sich die Strafkammer mit beiden Möglichkeiten auseinandersetzen müssen, ehe sie von der ihrer Beweiswürdigung zugrundegelegten Auffassung ausgeht.
d) Auch für die Annahme, der Angeklagte, habe Frau H. möglicherweise Isolierband geschenkt, sind keine konkreten Anhaltspunkte erkennbar. Dies zeigt schon die Annahme, der Angeklagte habe ihr "eventuell" deshalb Isolierband geschenkt, damit sie "etwas" reparieren kann. Die Überlegungen der Strafkammer zu dem Grund, warum der Angeklagte davon nichts erzählt haben könnte, sind unvollständig. Ausführungen zu einer etwaigen Übergabe von Isolierband wären zwar nicht im Zusammenhang mit dem bis dahin nicht angesprochenen Thema "Isolierband" zu erwarten gewesen, wohl aber im Zusammenhang mit der Frage nach "Körperkontakten". Der Angeklagte hat sehr genaue Angaben zu - flüchtigen - Körperkontakten mit Frau H. gemacht , die er sogar noch mit einem Fax ergänzt hat (vgl. oben III 2 a). Einen
entsprechenden Körperkontakt bei der Übergabe von Isolierband hat er dagegen nicht erwähnt.
3. Im Kern sieht die Strafkammer nach alledem unter zum Teil auch lükkenhafter Würdigung des Aussageverhaltens des Angeklagten nicht unerhebliche konkrete Verdachtsmomente wegen nur denktheoretischer Möglichkeiten als entkräftet an. Dies führt zur Aufhebung des Urteils, ohne daß es auf weiteres noch ankäme.

IV.

Der Senat sieht jedoch Anlaß zu folgenden Hinweisen: 1. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte gegen Mitternacht zu Hause war, weil er vorher kaum Zeit gehabt hätte, Frau H. zu töten und nach T. zu bringen. Die Möglichkeit, daß er gegen Mitternacht zu Hause war, und dies erst anschließend getan hätte, sei praktisch ausgeschlossen. Es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß er sie "über ... Regensburg hinaus transportierte". Es gibt jedoch außer den Angaben des Angeklagten auch keine Anhaltspunkte für ein Ende der Fahrt am Autohof Regensburg. Angaben des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, können den Feststellungen nicht ohne weiteres als unwiderlegt zu Grunde gelegt werden, sondern ihre Richtigkeit muß erst anhand des übrigen Beweisergebnisses überprüft werden (vgl. Schoreit aaO Rdn. 28 m. w. N.).
2. Die danach bisher nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossene Möglichkeit, daß der Angeklagte der Täter war, obwohl er um gegen Mitternacht in Sch. wirkt war, sich auf die mögliche Bedeutung weiter Teile des Beweisergebnisses aus: Die Familie des Angeklagten - Frau und Kinder - war in dieser Nacht bei seiner Schwiegermutter in München. Hätte er dies zuvor gewußt, käme es weder darauf an, ob er um Mitternacht in Sch. war, noch darauf, ob die Ehefrau gegen Mitternacht in Sch. angerufen und mit ihm gesprochen hat (a). Hätte er vom Aufenthalt in München nichts gewußt, könnte es etwas bedeutsamer sein, ob er in der fraglichen Zeit zu Hause war. Hätte er nämlich erwartet, daß seine Frau zu Hause wäre, wäre es aus seiner Sicht möglicherweise schwieriger gewesen, sich wieder zu entfernen. Daher könnte es ihn mittelbar entlasten, wenn er gegen Mitternacht zu Hause gewesen wäre. Nur dann könnte das genannte Telefongespräch als Beleg für seine Anwesenheit in Sch. überhaupt Bedeutung gewinnen (b).
a) Die Strafkammer folgt ohne weiteres den Angaben der Schwiegermutter , der Angeklagte hätte nicht gewußt, daß seine Familie in München war. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer andere Angaben der Schwiegermutter für unstimmig und daher unglaubhaft hält. Wird einem Zeugen nur teilweise geglaubt, bedarf dies einer eingehenden Begründung (BGH NStZ-RR 2003, 332 f. m. w. N.), die bisher fehlt. Sonstige Erkenntnisse, die ohne nähere Begründung klar belegten, daß der Angeklagte von der Abwesenheit seiner Familie überrascht wurde, liegen ebenfalls nicht vor:
Bei seiner ersten Vernehmung hat er angegeben, er wisse nicht, ob seine Frau da war, als er nach Hause kam. Das spricht nicht dafür, daß ihre Abwesenheit für ihn überraschend (und daher einprägsam) war. Der Angeklagte hat in diesem Zusammenhang seinen Notizkalender vorgelegt, in dem unter dem 28. September 2001 "Ki-Mün" steht, ist, was "Kinder" oder "Kirsten" - Vorname der Ehefrau - "in München" heißen soll. Wäre der Eintrag vor dem 28. September 2001 erfolgt, belegte er, daß der Angeklagte an diesem Tag wußte, daß sie nicht zu Hause war. Ein nachträglicher Eintrag belegte zwar nicht, daß der Angeklagte am 28. September 2001 nicht Bescheid wußte, der Eintrag wäre mit dieser Annahme aber immerhin vereinbar. Ein Anruf der Ehefrau - über dessen Inhalt außer den Aussagen der Schwiegermutter nichts bekannt ist - würde über Kenntnis oder Unkenntnis des Angeklagten nichts aussagen. So überrascht von der Abwesenheit seiner Familie , daß er selbst auf dem Handy der Ehefrau angerufen hätte, war der Angeklagte jedenfalls nicht.
b) Es gibt nur folgende, vom Angeklagten am 1. Dezember 2001 vorgelegte objektive Belege für möglicherweise relevante Anrufe aus München: vom Festnetzanschluß der Schwiegermutter bestand zunächst um 23.24 Uhr für 28 Sekunden eine Verbindung mit dem Festnetzanschluß in Sch. , die zweite Verbindung bestand von dort 2 Minuten später für 8 Sekunden mit dem Handy des Angeklagten. Die Behauptung der Schwiegermutter, die Tochter habe vom Festnetz ein kurzes und kurz darauf von ihrem Handy aus ein langes Gespräch mit dem in Sch. aufenthältlichen Angeklagten geführt , ist damit unvereinbar. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte zwar keine zwei Gespräche geführt, von einem Gespräch sei zu seinen
Gunsten aber auszugehen, hat jedenfalls in der Aussage der Schwiegermutter keine tragfähige Grundlage. Möglicherweise hängt diese Annahme auch mit einem polizeilichen Versäumnis zusammen, das die Strafkammer bei ohnehin schwieriger Beweislage noch in ihre Überlegungen einzubeziehen hatte: Der Angeklagte hatte in einem Fax vom 23. November 2001 eine Telefonnummer der Telefongesellschaft mitgeteilt, unter der das Telefongespräch vom Handy seiner Frau mit Sch. bestätigt werden könnte. Eine Bestätigung war jedoch nicht möglich. Unter der Nummer erhielt die Polizei die Auskunft, eine solche Verbindung könne weder bestätigt noch verneint werden; da die Ehefrau ein Handy mit einer prepaid Karte hätte, gäbe es keine Unterlagen. Damit hat sich die Polizei begnügt. Damals hätte aber vielleicht noch die - inzwischen wegen Zeitablaufs ausgeschlossene - Möglichkeit bestanden, die Behauptung über dieses Gespräch zu überprüfen, z. B. durch die "Beschlagnahme von elektronisch gespeicherten Aufzeichnungen". Dieses polizeiliche Versäumnis ändert jedoch nichts daran, daß der Zweifelssatz nicht isoliert auf ein einzelnes Indiz angewendet werden kann (vgl. BGHSt 35, 308, 316; Schoreit aaO Rdn. 65 jew. m. w. N.). Sollte es auf dieses Telefongespräch ankommen, wird jedoch zu erwägen sein, daß sich der Angeklagte mit dieser Angabe der Gefahr ausgesetzt haben kann, einer falschen Aussage überführt zu werden. Dies setzte aber voraus, daß er der Polizei eine Nummer gefaxt hätte, ohne zuvor zu überprüfen, was man dort für Auskünfte bekommt (die dort erteilte Auskunft hat seine Behauptung nicht widerlegt) und er außerdem die Möglichkeiten sonstiger polizeilicher Ermittlungen klarer als die Polizei selbst beurteilt hätte. Es kann auch eine Rolle spielen, daß der Angeklagte zwar zunächst am 23. November 2001 sich auf ein Gespräch vom Handy seiner Frau aus berufen hat, er am 1. Dezember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher
zember 2001 dann aber ohne erkennbare Erläuterung und daher eher verwirrend Belege für Anrufe vom Festnetz aus vorgelegt hat. 3. Im Pkw des Angeklagten wurden eine Reihe von DNA-Spuren sichergestellt , mehrere stammen von Frau H. . So war etwa eine Spur, von der anzunehmen sei, daß es sich um ihr Blut handele, an der Innenseite der Fahrertür. Die Strafkammer erwägt, daß Frau H. , vom Angeklagten unbemerkt , (vgl. oben III 2 a), aus der Nase geblutet haben könnte, und dieses Blut dann mit einem feuchten Tuch an die Fahrertür gewischt worden sein kann. Es ist (auch hier) zumindest nicht klar erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte. Im übrigen gehen zwar die jeweils sehr geringen Mengen von Blut von Frau H. die , dieser und den übrigen im Innenraum und an der Beifahrertür gesicherten Spuren zugrunde liegen und die darüber hinaus in Papiertaschentüchern in der Handtasche von Frau H. festgestellt worden sind, nicht auf die Tötung von Frau H. zurück, weil dabei sehr viel mehr Blut geflossen sein muß. Sie könnten aber immerhin darauf hinweisen, daß es in dem Pkw zu Geschehen gekommen ist, das mit der Schilderung des Angeklagten von einem insgesamt völlig harmlosen Vorgang - FrauH. ist eingestiegen, mitgefahren und wieder ausgestiegen - schwerlich vereinbar erscheint. 4. Weil Bargeld und einige sonstige Gegenstände von Frau H. - fehlten, geht die Strafkammer, ersichtlich am Anklagevorwurf orientiert, von Raubmord aus. Auch dies spräche angesichts der deutlich überdurchschnittlichen Vermögensverhältnisse des Angeklagten (er hatte zeitweise ein Jahreseinkommen von über 500.000 DM und betrieb zuletzt ein Call-Center in Ungarn ) gegen seine Täterschaft. Es sei angesichts der Gesamtumstände ohne weiteres erkennbar gewesen, daß sie nicht sehr viel Geld oder besondere
Wertgegenstände bei sich gehabt hätte. Auch gegen diese Erwägung bestehen Bedenken. Unabhängig davon, ob die kleine Schnittwunde im Bereich des Handgelenks, in der sich Isolierbandpartikel befanden, Rückschlüsse auf die Person des Täters zuläßt, spricht sie jedenfalls dagegen, daß es dem Täter allein um materielle Bereicherung ging. Es wäre daher die Möglichkeit zu erörtern gewesen, ob durch die Wegnahme des Geldes und der übrigen Gegenstände eine falsche Spur gelegt werden sollte.

V.

Der Senat hat entsprechend dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts die Sache an ein anderes Landgericht zurückverwiesen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, 2. Alternative). Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

25
3. Danach haben der Freispruch des Angeklagten A. und die lediglich begrenzte Verurteilung des Angeklagten M. Bestand. Eine Postpendenzverurteilung des Angeklagten M. wegen Strafvereitelung war bei der zweifelhaften Vortatbeteiligung hier nicht möglich.

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

(3) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Wegen Strafvereitelung wird nicht bestraft, wer durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, daß er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird oder daß eine gegen ihn verhängte Strafe oder Maßnahme vollstreckt wird.

(6) Wer die Tat zugunsten eines Angehörigen begeht, ist straffrei.

26
d) Die rechtliche Würdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei. Eine Wahlfeststellung zwischen der Beteiligung an einem Tötungsdelikt und einer Strafvereitelung zu Gunsten möglicher anderer Täter dieses Delikts ist mangels Vergleichbarkeit nicht möglich. Eine Strafbarkeit gem. § 323c oder § 221 StGB wäre nach den übrigen Feststellungen des Landgerichts auch dann nicht in Betracht gekommen, wenn von der Anwesenheit des Angeklagten bei der Tötung des Geschädigten auszugehen wäre. Fischer Athing Roggenbuck Appl Schmitt