Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Feb. 2020 - 5 StR 637/19
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 4. Februar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie § 46 Abs. 1 StPO beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten S. und die Revision des Angeklagten T. werden verworfen.
Der Angeklagte T. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Dem Angeklagten R. wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der Frist zur Einlegung der Revision gegen das vorgenannte Urteil gewährt.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen zweifachen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen, den Angeklagten T. zusätzlich wegen tateinheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 2 der Urteilsgründe. Gegen die Angeklagten S. und T. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von jeweils fünf Jahren und zwei Monaten, gegen den Angeklagten R. eine solche von fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Während die Revision des Angeklagten S. mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg erzielt, ist das auf die Beanstandung formellen und sachlichen Recht gestützte Rechtsmittel des Angeklagten T. insgesamt unbegründet. Der Rechtsbehelf des Angeklagten R. hat Erfolg.
- 2
- 1. Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten S. und T. werden von den Feststellungen getragen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, ist auch gegen die Strafaussprüche rechtlich nichts zu erinnern. Namentlich hat das Landgericht seine Sachkunde hinsichtlich fehlender Auswirkungen der beim Angeklagten T. festgestellten Defekte auf dessen Steuerungsfähigkeit bei Verübung der zeitlich gestreckten und professionell verübten Taten rechtsfehlerfrei dargelegt.
- 3
- 2. Jedoch kann die Einziehung des durch den Angeklagten S. für den Cannabisanbau erworbenen und genutzten Grundstücks nicht bestehen bleiben.
- 4
- Das Landgericht hat schon nicht erkennbar die nach § 74f Abs. 1 Satz 1 StGB erforderliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen. Ferner hat es sich nicht damit auseinandergesetzt, ob der Zweck der Maßnahme, nämlich die erneute Nutzung des Grundstücks zum Cannabisanbau zu verhindern, durch eine weniger einschneidende Maßnahme (in Form des Verkaufs des Grundstücks, vgl. § 74f Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB) erreicht werden kann. Dies zu erwägen, ist aber Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2019 – 5 StR 522/19 mwN).
- 5
- 3. Dem Angeklagten R. war auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Frist zur Begründung der Revision beginnt mit Zustellung des Wiedereinsetzungsbeschlusses zu laufen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 1982 – 2 StR 751/80, BGHSt 30, 335, 337 ff. mwN).
Berger Mosbacher
Vorinstanz:
Frankfurt (Oder), LG, 28.06.2019 - 220 Js 30245/18 23 KLs 2/19
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist die Einziehung nicht vorgeschrieben, so darf sie in den Fällen der §§ 74 und 74a nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde. In den Fällen der §§ 74 bis 74b und 74d ordnet das Gericht an, dass die Einziehung vorbehalten bleibt, wenn ihr Zweck auch durch eine weniger einschneidende Maßnahme erreicht werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Anweisung,
- 1.
die Gegenstände unbrauchbar zu machen, - 2.
an den Gegenständen bestimmte Einrichtungen oder Kennzeichen zu beseitigen oder die Gegenstände sonst zu ändern oder - 3.
über die Gegenstände in bestimmter Weise zu verfügen.
(2) In den Fällen der Unbrauchbarmachung nach § 74d Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 gilt Absatz 1 Satz 2 und 3 entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 26. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten S. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte S. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte M. wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstre- ckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und das in der Beschlussformel genannte Grundstück sowie auf ihm sichergestellte Cannabispflanzen und – näher bezeichnetes – Anbauzubehör nach § 74 Abs. 1 StGB eingezogen. Den Angeklagten S. hat es wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Während die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten S. aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet ist, hat die auf die Einziehung des in der Beschlussformel bezeichneten Grundstücks beschränkte Revision der Angeklagten M. Erfolg.
- 2
- 1. Die – grundsätzlich mögliche (BGH, Beschluss vom 31. März 2016 – 2StR 243/15, NStZ 2017, 89) – Einziehung des für den Cannabisanbau erworbenen und genutzten Grundstücks hat keinen Bestand.
- 3
- Das Landgericht hat zwar die nach § 74f Abs. 1 Satz 1 StGB erforderliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen und dabei insbesondere den deutlich über dem gezahlten Kaufpreis liegenden, jedoch nicht sehr hohen Verkehrswert des Grundstücks einerseits und die konkrete Schwere der Tat andererseits gegeneinander abgewogen. Ferner hat es – insoweit rechtsfehlerfrei – den mit der Einziehung verbundenen Eigentumsverlust bei der Strafzumessung als gewichtigen strafmildernden Gesichtspunkt gewürdigt. Es hat sich aber nicht erkennbar damit auseinandergesetzt, ob der Zweck der Maßnahme, nämlich die erneute Nutzung des Grundstücks zum Cannabisanbau zu verhindern , durch eine weniger einschneidende Maßnahme (durch den Verkauf des Grundstücks, § 74f Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB) erreicht werden kann. Dies zu erwägen, ist Aufgabe des Tatgerichts (vgl. BGH, aaO). Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
- 4
- 2. Das Rechtsmittel des Angeklagten S. ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
König Köhler
Vorinstanz:
Potsdam, LG, 05.04.2019 - 426 Js 51192/17 23 KLs 20/18