vorgehend
Landgericht Berlin, 23, Js 382/18
Landgericht Berlin, 23, AR 112/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 539/19
vom
27. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:271119B5STR539.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers nach § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 1 StPO am 27. November 2019 beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. August 2019 sowie die Revision gegen dieses Urteil werden als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gegen das am 9. August 2019 in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Urteil hat der Verteidiger des Angeklagten mit (am selben Tag bei Gericht eingegangenem) Schriftsatz vom 10. September 2019 Revision eingelegt und Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist beantragt. Beide Rechtsbehelfe erweisen sich als unzulässig. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: „Der Antrag auf Wiedereinsetzung inden vorigen Stand ist unzulässig , weil der Angeklagte entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht vorträgt, wann er vom Wegfall des Hindernisses Kenntnis erhalten hat, ihm also bekannt geworden ist, dass kein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt worden ist. Mitgeteilt wird allein der Tag, an dem der Verteidiger durch Erhalt einer Urteilsabschrift mit Rechtskraftvermerk von der Versäumung der Rechtsmittelfrist Kenntnis erlangt hat, nämlich der 4. September 2019 (vgl. SA Bd. III Bl. 209). Maßgeblich ist jedoch die Kenntniserlangung durch den Angeklagten selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 1998 – 1 StR 552/98, BGHR StPO § 45 Abs. 1 Satz 1 Frist 2). Ihm ist am 30. August 2019 (Freitag) eine Urteilsabschrift übersandt worden (vgl. SA Bd. III Bl. 177). Angesichts der üblichen Postlaufzeiten in einer Großstadt ist es nicht ausgeschlossen, dass er diese Abschrift bereits am 31. August oder 2. September 2019 erhalten hat, so dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 10. September 2019 nicht innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gestellt worden wäre. Im Übrigen ist der Wiedereinsetzungsantrag – und damit auch die Revision – nicht von dem beigeordneten Verteidiger Rechtsanwalt P. (vgl. SA Bd. III Bl. 8) unterzeichnet worden, sondern „für“ diesen von einem anderen Rechtsanwalt, wobei keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unterzeichner als allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 Abs. 2 BRAO oder als sonstiger Bevollmächtigter des Angeklagten tätig geworden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2015 – 4 StR 473/15, und vom 21. Februar 2017 – 3 StR 554/16, NStZ-RR 2017, 186). Die Revision ist wegen Versäumung der Frist des § 341 Abs. 1 StPO und mangels Einlegung durch den beigeordneten Vertei- diger, dessen allgemeinen Vertreter oder einen sonstigen Be- vollmächtigten unzulässig.“
2
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und bemerkt ergänzend zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Vollmacht des gewählten Verteidigers mit der Niederlegung des Wahlmandats bei der Bestellung zum Pflichtverteidiger erlischt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 1990 – 4 StR 457/90, NStZ 1991, 94).
Sander König Berger
Mosbacher Köhler

Vorinstanz:
Berlin, LG, 09.08.2019 - 234 Js 382/18 (540 Ks) (4/19) 234 AR 112/19

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 45 Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de

Strafprozeßordnung - StPO | § 46 Zuständigkeit; Rechtsmittel


(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre. (2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung. (3) Gegen die den Antrag verwerfende E

Strafprozeßordnung - StPO | § 341 Form und Frist


(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des A

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 53 Bestellung einer Vertretung


(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er 1. länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder2. sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will. (2) Die Vertretung soll einem anderen Recht

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Dez. 2015 - 4 StR 473/15

bei uns veröffentlicht am 16.12.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 473/15 vom 16. Dezember 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerd

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2017 - 3 StR 554/16

bei uns veröffentlicht am 21.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 554/16 vom 21. Februar 2017 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2017:210217B3STR554.16.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag

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(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er

1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder
2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.

(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.

(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.

(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.

(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 473/15
vom
16. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Dezember 2015
gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten.
2
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unzulässig, weil es nicht fristgerecht begründet worden ist (§§ 344, 345 StPO). Die Revisionsbegründung vom 9. September 2015 ist entgegen § 345 Abs. 2 StPO nicht vom Pflichtverteidiger, sondern von einem in derselben Kanzlei tätigen Rechtsanwalt unterzeichnet; auf diesen konnte der Pflichtverteidiger des Angeklagten seine Befugnisse indes nicht wirksam übertragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2011 – 4 StR 430/11, NStZ 2012, 276, 277 mwN; vom 7. Mai 2014 – 4 StR 109/14). Anhaltspunkte dafür, dass der Unterzeichner als allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 Abs. 2 BRAO tätig geworden war, sind nicht ersichtlich. Hierauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 5. Oktober 2015 hingewiesen. Dem ist der Angeklagte nicht entgegengetreten.
3
Im Übrigen wäre die Revision des Angeklagten auch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 554/16
vom
21. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210217B3STR554.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 31. August 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO).
2
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt: "Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht im Sinne des § 345 Abs. 2 StPO begründet worden ist. Die Revisionsbegründungsschrift ist entgegen dieser Vorschrift nicht vom Pflichtverteidiger des Beschuldigten, Rechtsanwalt H. , sondern 'i.V.' für den 'nach Diktat ortsabwesenden Rechtsanwalt H. ' von dem in Bürogemeinschaft mit Rechtsanwalt H. tätigen Rechtsanwalt Ho. unterzeichnet; auf diesen konnte der Pflichtverteidiger seine Befugnisse indes nicht wirksam übertragen. An- haltspunkte dafür, dass der Unterzeichner als allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 Abs. 2 BRAO tätig geworden ist, sind nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2016 - 3 StR 268/16 mwN)."
3
Dem stimmt der Senat zu.
Becker Schäfer Gericke Tiemann Hoch

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.