vorgehend
Landgericht Braunschweig, 407 , s 26392/16

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 486/19
vom
11. Dezember 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:111219B5STR486.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 11. Dezember 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. November 2018 aufgehoben , soweit die den Angeklagten H. betreffende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Betrag von 56.000 Euro und die den Angeklagten

S.

betreffende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Betrag von 339.908,19 Euro sowie die gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten einen Betrag von 54.100 Euro übersteigt; die weitergehenden Einziehungsanordnungen entfallen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Untreue in vierzehn Fällen und wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verur- teilt, sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Untreue in dreizehn Fällen und wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ebenfalls eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten S. und die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten H. haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen die Angeklagten spätestens im Januar 2010 eine Unrechtsvereinbarung, der zufolge der Angeklagte H. seine Stellung als Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement bei der Sparkasse G. dazu nutzen sollte, den Angeklagten S. , einen Immobilienmakler, mit der Verwertung von Immobiliarsicherheiten zu beauftragen. Als Gegenleistung hierfür sollte der Angeklagte H. vom Angeklagten S. Kick-Back-Zahlungen erhalten, die aus der Stellung überhöhter Provisionsrechnungen an die Sparkasse G. generiert werden sollten.
3
Entsprechend ihrer Abrede beauftragten der Angeklagte H. oder ihm unterstehende und von ihm hierzu angewiesene Sachbearbeiter den Angeklagten S. mit der Suche nach Käufern bzw. – im Fall von Zwangsversteigerungen – Bietern für zu verwertende Sicherheiten der Sparkasse G. . Bei erfolgreicher Vermittlung stellte der Angeklagte S. nach vorheriger Rücksprache mit dem Angeklagten H. der Sparkasse überhöhte Maklerprovisionen in Rechnung, die vom Angeklagten H. in deren EDV-System zum Zwecke der Auszahlung erfasst wurden. Teilweise stellte der Angeklagte S. in Absprache mit dem Angeklagten H. der Sparkasse auch eine Rechnung , obwohl die Voraussetzungen für eine Provisionszahlung nicht vorlagen oder der Angeklagte S. überhaupt nicht tätig geworden war.

II.


4
Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung in den Schuld- und Rechtsfolgenaussprüchen vollumfänglich und hinsichtlich der Anordnungen der Einziehung des Wertes von Taterträgen überwiegend stand.
5
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in jeweils zwölf Fällen ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die §§ 331 ff. StGB auf den zur Aburteilung stehenden Sachverhalt keine Anwendung finden, da es sich bei dem Angeklagten H. nicht um einen Amtsträger handelt.
6
Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist Amtsträger, wer unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform bei einer Behörde oder sonstigen Stelle zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt ist.
7
a) Die Sparkasse G. war sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, da sie als behördenähnliche Institution befugt war, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 NSpG, siehe auch BGH, Urteil vom 10. März 1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 273 f.).

8
Zwar kann eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge (hier: Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld und Krediten, vgl. § 4 NSpG) nach der Rechtsprechung für sich genommen zur Annahme einer der Behörde gleichgestellten sonstigen Stelle nicht ausreichen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 303). Da Träger der Sparkassen nur Gemein- den, Landkreise und Zweckverbände sein können (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NSpG) und diese als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert sind (§ 3 NSpG), unterliegen die Sparkassen jedoch durchweg staatlicher Steuerung (vgl. dazu bei privatrechtlichen Organisationsformen auch BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 3 StR 620/17, wistra 2019, 22, 25).
9
b) Der Angeklagte H. nahm in seiner Funktion als Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement jedoch keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr.
10
Die Rechtsprechung hat als Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sowohl die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben als auch die Ausübung von Diensten der staatlichen Daseinsvorsorge angesehen, die bestimmt sind, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen (BGH, Urteile vom 10. März 1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 268; vom 19. Juni 2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 292 f.).
11
aa) Der 4. Strafsenat hat infolgedessen angenommen, dass die Wahrnehmung von Aufgaben einer Staats- oder Kommunalbank jedenfalls Aufgaben öffentlicher Verwaltung darstellen (BGH, Urteil vom 10. März 1983 – 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 269 ff.).

12
bb) Der 3. Strafsenat hat im Zusammenhang mit der Qualifikation gemäß § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB („seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger missbraucht“) ausge- führt, dass ein Missbrauch der Amtsstellung bei einem Sparkassenangestellten nur vorliegt, „falls er die Untreuehandlungen in Ausübung einer Verwaltungstätigkeit begangen hätte“ (BGH, Beschluss vom 11. März 2004 – 3 StR 68/04, NStZ 2004, 559).
13
cc) Damit nimmt ein Sparkassenangestellter regelmäßig nur dann Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, soweit die Sparkasse im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kommunalbank tätig wird.
14
Ob die Ausreichung von Krediten in Ausübung des gesetzlichen Auftrags nach § 4 Abs. 1 NSpG als Form der Daseinsvorsorge hierunter fällt, bedarf indes keiner Entscheidung. Denn der Angeklagte H. war jedenfalls lediglich mit der Rückabwicklung der Kreditverträge befasst; auch die Organisationseinheit , der er vorstand, war nur mit dieser Aufgabe betraut.
15
Zwischen der Kreditversorgung der Bevölkerung und der Abwicklung notleidend gewordener Kredite bestand auch nicht ein derart enger Zusammenhang , dass auch letztere als Teil einer möglichen öffentlichen Aufgabe anzusehen wären (vgl. für den öffentlichen Personennahverkehr aber BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 – 3 StR 620/17, wistra 2019, 22, 24). Die Aufgabe einer ausschließlich mit der Abwicklung gescheiterter Kreditverträge befassten Organisationseinheit besteht in der Minimierung des Verlustrisikos des Kreditinstituts. Sie liegt demgemäß im Interesse der Anteilseigner eines jeden Kreditinstituts und stellt als solche keine öffentliche Aufgabe dar (vgl. dazu auch Eisele, ZIS 2011, 354, 362).
16
2. Die Einziehungsentscheidung unterliegt hingegen durchgreifenden Bedenken , soweit sie die selbständige Einziehung des Wertes von Taterträgen betrifft.
17
a) Das Landgericht hat gegen beide Angeklagte im subjektiven Verfahren die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, und zwar gegen den Angeklagten H. in Höhe von 58.400 Euro, gegen den Angeklagten

S.

in Höhe von 350.820,49 Euro.
18
Dabei hat es zunächst unter Anwendung des Bruttoprinzips (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. August 2019 – 1 StR 225/19 mwN) das Taterlangte bestimmt und hiervon die vom Angeklagten S. auf seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit entrichtete Einkommensteuer zutreffend nicht nach § 73d StGB in Abzug gebracht, da Steuern keine Aufwendungen für das Erlangen des Tatertrages sind (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 78; Köhler, NStZ 2017, 497, 506; Korte, NZWiSt 2018, 231, 235).
19
b) Das Landgericht hat aber in zwei Fällen, bezüglich derer Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist (vgl. dazu auch den Vorlagebeschluss BGH, Beschluss vom 7. März 2019 – 3 StR 192/18, NJW 2019, 1891), das Taterlangte – von 2.400 Euro beim Angeklagten H. und von 10.912,30 Euro beim Angeklagten S. – nach § 76a Abs. 2 StGB eingezogen, obwohl ein Antrag nach § 435 Abs. 1 StPO durch die Staatsanwaltschaft nicht gestellt worden war. Eines solchen bedarf es aber auch für den Fall einer selbständigen Einziehung im subjektiven Verfahren (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2018 – 5 StR 133/18, StraFo 2018, 471, 472; vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 407/18, NStZ-RR 2019, 153, 154; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, 62. Aufl., § 435 Rn. 4). Der dennoch ausgesprochenen Einziehung steht mithin das Verfahrenshindernis der fehlenden Anhängigkeit entgegen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 407/18, NStZ-RR 2019, 153, 154).

VRiBGH Dr. Mutzbauer Sander Schneider ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander Berger Mosbacher
Vorinstanz:
Braunschweig, LG, 19.11.2018 - 407 Js 26392/16 6 KLs 42/17

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(1) Kann wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so ordnet das Gericht die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung selbständig an, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben ist, im Übrigen vor

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c, § 73 Abs. 1 Satz 1, § 266;
1. Privatrechtlich organisierte Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge
sind keine "sonstigen Stellen" im Sinne von § 11 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. c StGB, wenn ein Privater daran in einem Umfang beteiligt
ist, dass er durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische
Entscheidungen mitbestimmen kann.
2. Bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen
Verkehr bildet der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich
der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die
Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils
im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
3. Durch Bestechung erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB
ist bei der korruptiven Manipulation einer Auftragsvergabe der gesamte
wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
, nicht der vereinbarte Werklohn.
4. Wer Bestechungsgelder erhält, muss diese versteuern. Dem steht
der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit auch in Fällen des
§ 393 Abs. 2 Satz 2 AO nicht entgegen, soweit sich die Erklärungspflicht
auf die betragsmäßige Angabe der Einnahmen beschränkt
und nicht deren deliktische Herkunft umfasst.
BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05
LG Köln –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 2. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
- Verfallsbeteiligte:
wegen Untreue u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 1. und 2. Dezember 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Sc
alsVerteidigerfürdenAngeklagten E ,
Rechtsanwalt W ,
Rechtsanwältin We
als Verteidiger für den Angeklagten M ,
Rechtsanwalt L ,
Rechtsanwältin H
alsVerteidigerfürdenA ngeklagten R ,
Rechtsanwalt M
alsVertreterderVerfallsbeteiligten,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
in der Sitzung vom 2. Dezember 2005 für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagten E und M gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. Mai 2004 werden verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten; die Angeklagten E und M tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten E wegen Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sowie wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten M hat es wegen Beihilfe zur Untreue und wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und daneben eine Geldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 165 Euro festgesetzt. Aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat das Landgericht den Angeklagten R insgesamt sowie den Angeklagten M , soweit diesem eine Steuerhinterziehung vorgeworfen wurde; zudem hat es die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Angeklagten und die Verfallsbeteiligte abgelehnt.
Die zuungunsten der Angeklagten und der Verfallsbeteiligten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich mit der Sachrüge zum einen gegen die Freisprüche, die Strafzumessung und die Strafaussetzung zur Bewährung beim Angeklagten M sowie die Nichtanordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte; nur insoweit werden sie vom Generalbundesanwalt vertreten. Darüber hinaus beanstandet die Staatsanwaltschaft, dass die Angeklagten nicht wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit verurteilt worden sind, ferner auch die Strafzumessung bei dem Angeklagten E . Die Angeklagten E und M wenden sich mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen umfassend gegen ihre Verurteilung.
Sämtliche Revisionen bleiben erfolglos.

I.


Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
Im Jahr 1990 beschloss der Rat der Stadt Köln die Gründung einer Abfallverwertungsgesellschaft in Form einer städtisch beherrschten Mischgesellschaft unter maßgeblicher Beteiligung der Privatwirtschaft. Die Einbeziehung eines privaten Unternehmers sollte dessen Fachwissen und wirtschaftliche Erfahrung nutzbar machen sowie zur Kostenersparnis beitragen. Als Mitgesellschafter wurde der gesondert Verfolgte T gewonnen, der über verschiedene Gesellschaften eine beherrschende Stellung – vom Zeugen A anschaulich als „Monopölchen“ bezeichnet – auf dem Abfallsektor im Rheinland besaß. Die Stadt Köln (Anteil am Stammkapital 50,1 %), die S K G (Anteil 24,8 %) und die T E G V (Anteil 25,1 %) gründeten 1992 die „AVG “ (nachfolgend: AVG). Gegenstand der Gesellschaft waren insbesondere die Errichtung und der Be-
trieb von Anlagen für die thermische Behandlung und die Kompostierung von Abfällen sowie das Baustellen- und Gewerbeabfallrecycling unter Beachtung der Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzepts der Stadt Köln. Der Gesellschaftsvertrag sah bei wichtigen Entscheidungen die Notwendigkeit einer Dreiviertel-Mehrheit vor. Die Stadt Köln schloss mit der AVG einen langfristigen Entsorgungsvertrag, wonach sie die AVG als sog. „Dritte“ mit der Wahrnehmung der Abfallentsorgungsaufgaben in zentralen Bereichen des Recyclings , der Kompostierung und der thermischen Behandlung beauftragte. Alleiniger Geschäftsführer der AVG wurde der Angeklagte E . Die Stadt Köln regelte die Müllentsorgung weiterhin durch Abfallsatzungen, nach denen die Abfallwirtschaft als öffentliche Einrichtung im Sinne einer rechtlichen , wirtschaftlichen und organisatorischen Einheit betrieben wurde.
Eine der zentralen Aufgaben der AVG war in den folgenden Jahren der Bau einer Restmüllverbrennungsanlage (nachfolgend: RMVA) in Köln zum Zweck der thermischen Müllentsorgung. Nach der Ausschreibung der Aufträge zur Planung und zum Bau der RMVA gaben mehrere Firmen Angebote ab; sie stellten teilweise auch die Zahlung von Schmiergeldern zwischen 2 % und 3 % des Auftragsvolumens bei Auftragsvergabe in Aussicht. Einer der Mitwettbewerber war die Verfallsbeteiligte L & C (nachfolgend: LCS), deren Geschäftsführer der Angeklagte M war. Unter maßgeblicher Einflussnahme des gesondert Verfolgten Wi , der seit mehreren Jahren als Unternehmensberater für die LCS tätig war und durch seine politische Laufbahn zahlreiche Kontakte zu den Entscheidungsträgern der Stadt Köln hatte, wurde schließlich im Herbst 1993 – einige Zeit vor dem Submissionstermin – zwischen E , T und M vereinbart, dass im Falle der Auftragsvergabe an die LCS von dieser ein Schmiergeld in Höhe von insgesamt 3 % des Auftragswerts in gleichen Teilen an E , T und Wi gezahlt werde, und zwar ein Drittel nach Vertragsschluss, ein Drittel nach Baubeginn und das letzte Drittel nach Abschluss der Bauarbeiten. E und M manipulierten die Ausschreibung, so dass die LCS nach Kenntnis der
anderen Angebote als günstigster Bieter schließlich den Zuschlag erhielt. In dem durch Verhandlungsgeschick des Angeklagten E schließlich erzielten, für die AVG insgesamt günstigen Festpreis von 792 Mio. DM war durch verschiedene Aufschläge auf einzelne Bau-Lose eine schmiergeldbedingte Erhöhung des Werklohns um rund 24 Mio. DM enthalten. Da sich dieser Betrag aus Sicht der LCS lediglich als Durchlaufposten darstellte, wäre der Angeklagte M auch bereit gewesen, für die LCS zu einem um den Schmiergeldbetrag verminderten Preis abzuschließen.
Die AVG zahlte den vereinbarten Werklohn einschließlich des darin enthaltenen Schmiergeldanteils bis August 2000 fast vollständig an die LCS. Die Abwicklung der Schmiergeldzahlungen, die in Höhe von insgesamt 21,6 Mio. DM flossen, erfolgte über verschiedene Schweizer Firmen, die der gesondert Verfolgte T absprachegemäß zur Verschleierung der Zahlungsflüsse vermittelte. An diese Firmen zahlte LCS im Jahr 1994 insgesamt 9 Mio. DM, 1995 2,7 Mio. DM, 1996 insgesamt 5,5 Mio. DM, 1998 insgesamt 3,4 Mio. DM und 1999 einen Restbetrag von 1 Mio. DM. Hiervon erhielt der Angeklagte E insgesamt 14,29 Mio. DM, und zwar 1994 3,2 Mio. DM, 1995 2 Mio. DM, 1996 5,2 Mio. DM, 1998 2 Mio. DM und 1999 schließlich 1,89 Mio. DM. Einen weiteren Betrag von mindestens 1 Mio. DM gab E 1995 oder 1996 an den Angeklagten M weiter; T und Wi erhielten zumindest 1994 jeweils 2 Mio. DM, wobei T seinen Anteil an Wi weiterreichte. Dass E von seinem Anteil weitere Millionensummen an die Angeklagten R und M sowie den gesondert Verfolgten Wienand auskehrte, konnte das Landgericht nicht sicher feststellen; es hat indes zugunsten des Angeklagten E angenommen, dass diesem lediglich Schmiergeldbeträge von insgesamt 7,49 Mio. DM verblieben sind.
Die Verfallsbeteiligte LCS rechnete das Projekt RMVA – nach einem zwischenzeitlichen vorläufigen Gewinn in Höhe von ca. 8 bis 9 Mio. Euro – im Jahr 2001 wegen verschiedener Gewährleistungsarbeiten endgültig mit
einem Verlust in Höhe von 688.000 Euro ab. Über das Vermögen der Verfallsbeteiligten ist inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

II.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben keinen Erfolg.
1. Dass die Angeklagten E und M nicht wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung, sondern nur wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß §§ 299, 300 StGB verurteilt worden sind, ist nicht rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat eine Amtsträgerstellung des Angeklagten E als Geschäftsführer der AVG nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zutreffend verneint, weil es sich bei der AVG nicht um eine „sonstige Stelle“ im Sinne dieser Vorschrift handelt.

a) Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. „Sonstige Stellen“ sind – ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform – behördenähnliche Institutionen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne sind, aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (vgl. BGHSt 43, 370, 375 ff.; 49, 214, 219). Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand als „sonstige Stellen“ den Behörden gleichzustellen sind, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher – gegebenenfalls auch kommunaler – Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm“ des Staates erscheinen (vgl. BGHSt 49, 214, 219 m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen liegen bei der AVG nicht vor.
aa) Die AVG ist zwar nach dem Gesellschaftsvertrag auf dem Gebiet der Müllentsorgung und damit in einem Bereich der Daseinsvorsorge tätig (vgl. BGHZ 40, 355, 360; BGH MDR 1983, 824; KG-Report 2005, 145); solche Tätigkeit wird von der Rechtsprechung seit jeher als öffentliche Aufgabe angesehen (vgl. BGHSt 12, 89, 90; 31, 264, 268; 45, 16, 19; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; vgl. auch den Gesetzentwurf zum Korruptionsbekämpfungsgesetz BT-Drucks. 13/5584, S. 12). Als „verlängerter Arm“ des Staates und damit als „sonstige Stellen“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB können aber privatrechtlich organisierte Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge jedenfalls dann nicht mehr verstanden werden, wenn ein Privater an dem Unternehmen in einem Umfang beteiligt ist, dass er durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann.
bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge für sich genommen nicht ausreicht, um eine der Behörde gleichgestellte „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzunehmen (vgl. BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19). Die Tatsache, dass vielfältige der Daseinsvorsorge zugerechnete Aufgaben wie etwa die Energie- und Wasserversorgung oder die Müllentsorgung nach einer Liberalisierung der entsprechenden Märkte auch von privaten Unternehmen erbracht werden und dass die öffentliche Hand daneben in unterschiedlicher Organisations- und Beteiligungsform weiterhin auf diesen Gebieten tätig ist, erfordert jedenfalls im Bereich der Daseinsvorsorge ein aussagekräftiges zusätzliches Unterscheidungskriterium, um privates Handeln von staatlichem Handeln hinreichend abgrenzen zu können.
cc) Mit der Ergänzung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB durch die Worte „unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform“ durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997
(BGBl I S. 2038) hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Wahl der Organisationsform – privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich – für sich gesehen kein solches Abgrenzungskriterium sein kann. Der Bundesgerichtshof hat anstelle eines solchen formalen ein inhaltliches Abgrenzungskriterium entwickelt: Die „sonstige Stelle“ muss bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie als „verlängerter Arm“ des Staates erscheint ; erforderlich ist dabei eine Gesamtbewertung aller relevanten Umstände des Einzelfalls (BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; 49, 214, 219; BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 6; BGH NJW 2004, 693, 694 m. Anm. Krehl StV 2005, 325 und Dölling JR 2005, 30, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7 nicht abgedruckt).
dd) Soweit ersichtlich noch nicht entschieden hat der Bundesgerichtshof dabei die Frage, ob auch ein solches Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge eine „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB sein kann, an dem ein Privater beteiligt ist.
(1) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind weder die alleinige Inhaberschaft einer Gesellschaft noch die damit verbundenen Aufsichtsbefugnisse für sich genommen geeignet, eine für die Annahme von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ausreichende staatliche oder kommunale Steuerung zu bejahen (vgl. BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; BGH NJW 2001, 3062, 3064, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 6 nicht abgedruckt; BGH NJW 2004, 693, 694). Auch bei solchen Konstellationen ist vielmehr entscheidend, ob zusätzlich zu der alleinigen Inhaberschaft die Umstände des Einzelfalls bei einer Gesamtbewertung aller relevanten Umstände die Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen können (vgl. BGH aaO). Daraus folgt, dass – anders als die Staatsanwaltschaft meint – auf eine Ähnlichkeit mit dem Begriff des „herrschenden Unternehmens“ i. S. von § 17 AktG allein nicht maßgeblich abzustellen ist.
(2) Ist schon die Alleininhaberschaft der öffentlichen Hand bei Unternehmen auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge kein hinreichendes Kriterium zur Annahme behördenähnlicher staatlicher Steuerung, gilt dies erst recht, wenn Private an einem Unternehmen beteiligt sind, das sich lediglich im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand befindet. Unabhängig von der Frage, ob jede Beteiligung von Privaten an öffentlich beherrschten Unternehmen schon die Anwendung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB hindert, liegt die Gleichstellung eines Unternehmens mit einer Behörde jedenfalls dann fern, wenn der Private durch seine Beteiligung über derart weitgehende Einflussmöglichkeiten verfügt, dass er wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen kann (vgl. auch EuGH NVwZ 2005, 187, 190 zum Vergaberecht). Räumt der Gesellschaftsvertrag dem Privaten aufgrund der Höhe seiner Beteiligung eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen ein, kann das Unternehmen nicht mehr als „verlängerter Arm“ des Staates und sein Handeln damit nicht mehr als unmittelbar staatliches Handeln verstanden werden.
ee) Nach diesen Kriterien ist die AVG nicht als „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB anzusehen:
Die Gesellschafterin T besaß aufgrund ihrer Beteiligung in Höhe von 25,1 % eine Sperrminorität für wesentliche unternehmerische Entscheidungen der AVG: Der Gesellschaftsvertrag der AVG sah vor, dass wesentliche Angelegenheiten der Gesellschaft nur mit DreiviertelMehrheit beschlossen werden können. Dazu zählten neben der Veräußerung eines Gesellschaftsanteils, der Änderung des Gesellschaftsvertrages und der Abberufung des Geschäftsführers insbesondere die Investitions- und Darlehensaufnahme , der Abschluss und die Kündigung von Unternehmensverträgen , die Bestellung eines Abschlussprüfers und die Feststellung des Wirtschaftsplans. Der Gesellschafterin T wurde zudem das Recht zur Stellung eines Prokuristen für den technischen Bereich eingeräumt und T selbst erhielt den stellvertretenden Vorsitz des – freilich von
den kommunalen Mitgesellschaftern dominierten – siebzehnköpfigen Aufsichtsrats , der die Geschäftsführung der AVG beraten, überwachen und überprüfen sollte.
Schon allein aufgrund dieser vom Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehenen wesentlichen Einflussmöglichkeiten des privaten Gesellschafters auf Kernbereiche unternehmerischen Handelns wie etwa die Möglichkeit einer Darlehensaufnahme stellte die AVG nicht mehr den „verlängerten Arm“ des Staates dar. Die weiteren, von der Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründungsschrift zutreffend aufgeführten Möglichkeiten der Stadt Köln – insbesondere durch ihre Mehrheitsbeteiligung, den Aufsichtsrat, den Abschluss des langfristigen Entsorgungsvertrages und die im Gesellschaftsvertrag verankerte Bindung der AVG an die von der Stadt Köln beschlossenen Leitlinien des Abfallwirtschaftskonzepts –, Einfluss auf das Unternehmen AVG zu nehmen, hat das Landgericht bei seiner ausführlichen Gesamtbetrachtung hinreichend gesehen und im Ergebnis zutreffend gewürdigt. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es angesichts der dargestellten Sperrminorität der privaten Gesellschafterin auch in der Gesamtschau nicht, die AVG als behördenähnlich zu verstehen und wie eine Behörde zu behandeln.
ff) Ob die AVG bereits keine „sonstige Stelle“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB sein kann, weil sie für einen Bereich (Abfallentsorgung) gegründet wurde, auf dem auch Private – wie etwa der Unternehmer T – als Marktteilnehmer unternehmerisch tätig sind, bedarf hier deshalb keiner weiteren Vertiefung. Angesichts der zunehmenden Schaffung wettbewerblicher Strukturen und der Öffnung auch zentraler Bereiche der Daseinsvorsorge für private Marktteilnehmer wie etwa beim Bahnverkehr (hierzu BGHSt 49, 214), bei der Wärmeversorgung (hierzu BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7) oder bei der Energie- und Wasserversorgung spricht allerdings einiges dafür, dass privatrechtlich organisierte Gesellschaften der öffentlichen Hand, die auf solchen Märkten tätig werden, – wie andere (rein private) Marktteilnehmer auch – allein erwerbswirtschaftlich tätig sind (vgl.
BGH wistra 2001, 267, 270, insoweit in BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 5 nicht abgedruckt). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge von einer öffentlichen Aufgabe dann nicht (mehr) gesprochen werden, wenn der Hoheitsträger diesen Bereich aus der Hand gibt und ihre Erledigung einem privaten, marktwirtschaftlichen Unternehmen überlässt (Aufgabenprivatisierung im Gegensatz zur Organisationsprivatisierung), selbst wenn das private Unternehmen einer staatlichen Aufsicht unterstellt wird (BGHSt 49, 214, 221). In diesen Fällen fehlt der spezifisch öffentlich-rechtliche Bezug, der eine Gleichstellung mit behördlichem Handeln rechtfertigt. Auch eine Gesellschaft in alleiniger staatlicher Inhaberschaft würde letztlich nur einen weiteren Wettbewerber auf einem Markt darstellen, der vom Staat eröffnet wurde und sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildet hat.
2. Das mithin verbleibende Vergehen der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr ist nicht etwa verjährt.

a) Nach § 78a Satz 1 StGB beginnt die Verjährung, sobald die Tat beendet ist. Die Beendigung tritt erst in dem Zeitpunkt ein, in dem das Tatunrecht seinen tatsächlichen Abschluss findet. Die Verjährung setzt nur ein, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat. Vorher besteht kein Anlass, durch den Beginn der Verjährungsfrist einen Verfolgungsverzicht in Aussicht zu stellen (BGHR StGB § 78a Satz 1 Bestechung 1). Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr ist in diesem Sinne erst mit der letzten Annahme des von der Unrechtsvereinbarung umfassten Vorteils beendet (BGHR UWG § 12 Abs. 2 Angestelltenbestechlichkeit 1; Tröndle /Fischer, StGB 53. Aufl. § 299 Rdn. 21; Heine in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 299 Rdn. 31; vgl. auch BGHSt 10, 237, 243; 11, 345, 347; BGHR StGB § 334 Verjährung 1; jeweils zu §§ 331 ff. StGB).

b) Das Landgericht hat für die Frage der Beendigung zutreffend auf die letzte Zahlung von Schmiergeld an den Angeklagten E im Früh-
jahr 1999 abgestellt. Demgegenüber meinen die Angeklagten, die Unrechtsvereinbarung sei mit derjenigen Zahlung im Jahr 1996 an den Angeklagten E beendet worden, durch die – zumindest nicht ausschließbar – die Summe der ursprünglich allein für diesen Angeklagten vorgesehenen Zahlungen erreicht worden sei; sämtliche späteren Zahlungen an die Angeklagten E und M beruhten auf einer neuen, nicht von § 12 UWG a.F. oder § 299 StGB erfassten Vereinbarung.

c) Mit dieser Bewertung lösen sich die Revisionen von den Feststellungen des Landgerichts:
aa) Der von den Revisionen in Zweifel gezogene Ausgangspunkt des Landgerichts – sämtliche gemeinschaftlich vereinbarten und schließlich geleisteten Schmiergeldzahlungen seien vom Tatbestand der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr umfasst und daher für die Verjährungsfrage erheblich – trifft zu. Nicht nur die vereinbarten Zahlungen an E selbst, sondern auch diejenigen an T und Wi stellen sich als „Vorteile“ für E im Sinne von § 12 UWG a.F. und § 299 StGB dar.
(1) Zahlungen an Dritte wurden – wie in §§ 331 ff. StGB a.F. – schon vor den Änderungen des Tatbestands der Angestelltenbestechlichkeit durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) von § 12 UWG a.F. erfasst, wenn sie dem bestochenen Angestellten oder Beauftragten mittelbar zugute kamen (von Gamm, Wettbewerbsrecht 5. Aufl. Kap. 47 Rdn. 12; vgl. auch BGHSt 14, 123, 128; 33, 336, 339; 35, 128, 133; jeweils zu §§ 331 ff. StGB a.F.). Für die Frage, ob bei einer Drittzuwendung ein solcher Vorteil vorliegt, kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wobei dem persönlichen Interesse des Bestochenen entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. BGHSt 33, 336, 339 f.). Mit Einfügung der Worte „für sich oder einen Dritten“ in § 299 Abs. 1 StGB bzw. „für diesen oder einen Dritten“ in § 299 Abs. 2 StGB (sowie entsprechend in §§ 331 ff.
StGB) wurde nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen lediglich eine Klarstellung erstrebt, aber keine Änderung des bisherigen Rechtszustands (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13/5584 S. 15 f.; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 299 Rdn. 25).
(2) Nach diesen Kriterien waren auch sämtliche gemeinsam vereinbarten Zahlungen an T (und auch an Wi ) mittelbar für E von Vorteil: Nur durch die Einbeziehung des an maßgeblichen Stellen in entscheidender Position tätigen T (stellvertretender Vorsitzender des AVG-Aufsichtsrats und Geschäftsführer der Mitgesellschafterin) konnte sichergestellt werden, dass es zu dem von E gewünschten und für den Empfang seines Schmiergeldanteils notwendigen Vertragsschluss zwischen der AVG und der LCS kommt; nur seine Beteiligung ermöglichte zudem die notwendige verdeckte Zahlungsabwicklung über die Schweiz. Die verabredeten Zahlungen an T gereichten E also selbst zum Vorteil, weil sie notwendige Voraussetzung des Geldflusses an ihn selbst waren. Für die Beteiligung Wi s als in der SPD einflussreicher „Strippenzieher“ sowie Mitinitiator und -organisator der Schmiergeldabrede, dessen Einbindung aus Sicht E s Grundvoraussetzung für deren Durchführung war, gilt – zumal ein mittelbarer Vorteil ausreichte – nichts anderes. Im Übrigen käme es auf Wi s Beteiligung für die Frage der Verjährung angesichts der festgestellten höchstmöglichen Zuflüsse von Schmiergeldern bei E nicht einmal an.
Zudem hatte E – mit Ausnahme von 4 Mio. DM, die zu Anfang direkt an T und Wi überreicht wurden – zunächst jeweils persönlich die Verfügungsmöglichkeit über sämtliche aus der Schweiz weitergegebene Schmiergelder erhalten (vgl. hierzu BGHSt 35, 128, 134 f.). Da bei § 12 UWG a.F. und bei § 299 StGB jeweils auf die gesamte vereinbarte Schmiergeldsumme abzustellen ist, konnte die Verjährung erst mit der letzten in diesem Rahmen geflossenen Zahlung beginnen; dies war die Zahlung an E im Frühjahr 1999.
bb) Die ursprüngliche Schmiergeldvereinbarung – Zahlung von insgesamt 3 % der Auftragssumme in drei Zeitabschnitten – ist auch nicht durch eine spätere Zahlungsvereinbarung ersetzt worden. Ursprung des Zahlungsflusses blieb bis zum Frühjahr 1999 die Abrede vom Herbst 1993. Das zwischenzeitliche Ausscheiden von Wi und T aus dem Kreis der Zahlungsempfänger hatte lediglich eine Veränderung der Zahlungsströme zur Folge. Die bloße Änderung der Richtung des Zahlungsflusses ist jedoch nicht derart wesentlich, dass hierin eine gänzlich neue, die Ursprungsvereinbarung ersetzende Vereinbarung gesehen werden muss, weil damit nicht das „Ob“, sondern nur das „Wie“ der Zahlung modifiziert wurde. Ein solches bloßes Umleiten von Geldern führt auch nicht zu einem für den Verjährungsbeginn entscheidenden Abschluss des rechtsverneinenden Handelns.
cc) Zudem ist für den Verjährungsbeginn nicht allein auf die vereinbarten Beträge, sondern gleichermaßen auf den vereinbarten Zahlungszeitraum abzustellen. Nach dem gemeinsam verabredeten Zahlungsplan sollte die Zahlung des Schmiergelds an E , T und den gesondert verfolgten Wi zu gleichen Teilen in drei Zahlungsabschnitten entsprechend dem Baufortschritt erfolgen. Tatsächlich hat der Angeklagte E nach den Feststellungen des Landgerichts den vereinbarten Bestechungslohn im Wesentlichen entsprechend dieser Fälligkeitsabrede erhalten, nämlich einen ersten Teil 1994 nach Abschluss des Vertrages, weitere Beträge nach Beginn der Bauarbeiten sowie den Rest nach deren Ende. Damit wurde die Schmiergeldabrede in dem Zeitrahmen erfüllt, den die Beteiligten vereinbart hatten. Dass der Angeklagte E über seinen ursprünglich vereinbarten Anteil hinaus aufgrund des Ausscheidens von Wi und T als Zahlungsempfänger nicht ausschließbar bereits in den Jahren bis 1996 mehr Geld erhalten hatte, als ihm eigentlich zu diesem Zeitpunkt zufließen sollte, ist demgegenüber unbeachtlich, da jedenfalls die Zahlungen in den Jahren 1998 und 1999 dem ursprünglich vereinbarten Zahlungsplan entsprachen, wonach die letzte Zahlung nach Beendigung der Bauarbeiten erfolgen sollte.
3. Der Freispruch des Angeklagten R und der Teilfreispruch des Angeklagten M vom Vorwurf der Steuerhinterziehung haben Bestand.
In beiden Fällen war einziges Beweismittel für den Vorwurf, den Angeklagten seien in unverjährter Zeit erhebliche Geldbeträge zugeflossen, die sie nicht versteuert hätten, die belastende Aussage des Mitangeklagten E . Dass sich das Landgericht allein auf dieser Grundlage keine für eine Verurteilung hinreichende Überzeugung vom Geldzufluss hat bilden können, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.: vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33; BGH NStZ 2000, 48; BGH wistra 2002, 260, 261). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben , dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11, 24). Weitergehende zum Schutz des Angeklagten aufgestellte besonders strikte Anforderungen an die Begründung der Beweiswürdigung in der Situation „Aussage gegen Aussage“ (BGHSt 44, 153, 158 f.; 44, 256, 257) gelten zwar – wie die Revision des Angeklagten M zutreffend hervorgehoben hat – grundsätzlich unmittelbar nur in Verurteilungsfällen. Gleichwohl kann das Bedürfnis nach vollständiger , nachprüfbarer Beweiswürdigung in Fällen gleich karger und widersprüchlicher Beweisgrundlage in ähnlicher Weise auch dann zum Tragen
kommen, wenn ein Angeklagter freigesprochen wird, weil sich das Gericht von der Richtigkeit der belastenden Aussage eines Zeugen nicht überzeugen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 174, 175).

b) Den genannten Anforderungen genügt die Darstellung der Beweiswürdigung durch das Landgericht, soweit es sich keine hinreichende Überzeugung von der Richtigkeit der belastenden Angaben des Angeklagten E zu den von den Mitangeklagten bestrittenen Schmiergeldweitergaben gebildet hat, gerade noch.
Folgende Umstände waren aus Sicht des Landgerichts maßgebend: E hat die Mitangeklagten erstmals in Zusammenhang mit Gesprächen über einen Strafnachlass belastet; er hatte ein gewichtiges Motiv, den bei ihm verbliebenen Anteil des Schmiergeldes möglichst gering darzustellen , und hatte im Verlauf der Ermittlungen auch anderweitig versucht, sich durch unrichtige Angaben Teile der Tatbeute zu sichern; seine – zudem eher farblosen – Angaben zur zeitlichen Einordnung und zu Begleitumständen im Zusammenhang mit mehreren Geldübergaben waren uneinheitlich.
Den genannten Umständen hat das Landgericht sämtliche für die Glaubhaftigkeit der Angaben E s sprechenden Tatsachen gegenübergestellt , insbesondere dass andere Angaben E s in der Hauptverhandlung ihre Bestätigung gefunden haben, er maßgeblich und frühzeitig zur Aufklärung der Taten beigetragen hat und die Angaben von R und M zu diesem Vorwurf wenig überzeugend waren. Aufgrund einer Gesamtschau der für und gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben E sprechenden s Gesichtspunkte hat sich das Landgericht schließlich außer Stande gesehen, sich eine Überzeugung von der Richtigkeit dieser einzigen Belastungsangaben zu bilden; Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungsansätze waren nicht ersichtlich.
Diese tatrichterliche Wertung ist letztlich hinzunehmen. Der Revision der Staatsanwaltschaft ist allerdings zuzugeben, dass – wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausgeführt hat – das Landgericht Umstände wie insbesondere die Aussagegenese und den Inhalt divergierender oder detailarmer Aussagen von E nicht in einer Weise dargestellt hat, wie dies in dem sonst überaus umfangreichen Urteil konsequent und wünschenswert gewesen wäre. Lediglich im Hinblick auf die umgekehrt strengen Anforderungen an eine Verurteilung in der vorliegenden besonderen Konstellation, bei der der einzige Belastungszeuge ein erhebliches Motiv für eine Falschbelastung hat und seine Aussage auch sonst Ungereimtheiten aufweist, lässt der Senat im vorliegenden Fall den Freispruch unbeanstandet.
4. Die Strafzumessung des Landgerichts weist im Ergebnis keine Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten E und M auf.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn der Tatrichter gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängten Strafen nach oben oder unten von ihrer Bestimmung lösen, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 34, 345, 349; st. Rspr.).

b) Solche Rechtsfehler zeigt die Beschwerdeführerin, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, bei dem Angeklagten E nicht auf. Insbesondere durfte das Landgericht den Umstand zu seinen Gunsten berücksichtigen, dass er von der ihm zustehenden Möglichkeit, die Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 4 StPO wegen erst spä-
ter bekannt gewordenen umfangreichen Aktenmaterials zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht und damit eine zügige Erledigung der Hauptverhandlung ermöglicht hat. Anhaltspunkte dafür, dass diesem Umstand vom Landgericht unangebracht großes Gewicht zugemessen worden wäre, bestehen nicht. Die gegen den Angeklagten E verhängten Einzelstrafen sind ebenso wenig unvertretbar milde wie die Gesamtstrafe.

c) Gleichfalls weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten M auf; dies gilt auch für die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung.
aa) Hinreichende Anhaltspunkte, dass das Landgericht, etwa nur um zu einer Strafaussetzung zur Bewährung zu gelangen, die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unangemessen niedrig bemessen hätte, liegen nicht vor, letztlich auch nicht im Blick auf die für sich rechtsfehlerfreie Anwendung des § 41 StGB.
bb) Das Landgericht durfte im Hinblick auf zahlreiche gewichtige Strafmilderungsgründe – insbesondere Unbestraftheit, erstmalige Verbüßung von Untersuchungshaft, lange Dauer der seit der Tat vergangenen Zeit, Handeln auch im Interesse des Unternehmens, Abgabe eines Schuldanerkenntnisses über 1 Mio. DM – besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB annehmen, die die Aussetzung der zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung gestatteten. Die Entscheidung des Landgerichts, dass auch § 56 Abs. 3 StGB einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegenstehe, ist ebenfalls rechtlich noch hinzunehmen. Allerdings erfordern die durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr und durch damit einhergehende Untreue hervorgerufenen erheblichen wirtschaftlichen Schäden ein nachdrückliches und energisches Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden. Doch dürfen auch bei der Ahndung solcher Taten die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht außer Acht gelassen werden. Sie sind insbesondere in der mangelnden Tatinitiative des Angeklagten M und in seiner Kon-
frontation als Unternehmer mit ersichtlich verbreiteten skrupellosen Geschäftspraktiken bei der Konzeption von Großanlagen und dabei – sogar ungeachtet gegebener „Staatsnähe“ – bedenkenlos angebrachten Schmiergeldforderungen des von ihm gewünschten Vertragspartners zu finden. Danach kann die Entscheidung des Landgerichts nach § 56 Abs. 3 StGB noch als vertretbar angesehen werden, wenngleich eine gegenteilige Würdigung des Landgerichts rechtlich möglich gewesen wäre und im Blick auf die spätere Eigenbereicherung des Angeklagten M sogar näher gelegen hätte.
cc) In diesem Zusammenhang sieht der Senat Anlass zu folgender Anmerkung: Nach der Erfahrung des Senats kommt es bei einer Vielzahl von großen Wirtschaftsstrafverfahren dazu, dass eine dem Unrechtsgehalt schwerwiegender Korruptions- und Steuerhinterziehungsdelikte adäquate Bestrafung allein deswegen nicht erfolgen kann, weil für die gebotene Aufklärung derart komplexer Sachverhalte keine ausreichenden justiziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Die seit der Tat vergangene Zeit und auch die Dauer des Ermittlungs- und Strafverfahrens (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) werden in vergleichbaren Verfahren häufig zu derart bestimmenden Strafzumessungsfaktoren , dass die Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen oder – wie hier – die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 3 StGB namentlich wegen des Zeitfaktors ausscheidet. Dem in § 56 Abs. 3 StGB zum Ausdruck gekommenen Anliegen des Gesetzgebers, das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts vor einer Erschütterung durch unangemessen milde Sanktionen zu bewahren, kann im Bereich des überwiegend tatsächlich und rechtlich schwierigen Wirtschaftsund Steuerstrafrechts nach Eindruck des Senats nur durch eine spürbare Stärkung der Justiz in diesem Bereich Rechnung getragen werden. Nur auf diese Weise – nicht durch bloße Gesetzesverschärfungen – wird es möglich sein, dem drohenden Ungleichgewicht zwischen der Strafpraxis bei der allgemeinen Kriminalität und der Strafpraxis in Steuer- und Wirtschaftsstrafverfahren entgegenzutreten und dem berechtigten besonderen öffentlichen Inte-
resse an einer effektiven Strafverfolgung schwerwiegender Wirtschaftskriminalität gerecht zu werden.
5. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen die Verfallsbeteiligte abgesehen; der Senat geht mit dem Generalbundesanwalt davon aus, dass die Staatsanwaltschaft insoweit ihre Revision auf das Fehlen einer entsprechenden Nebenentscheidung gegenüber der Verfallsbeteiligten beschränkt hat, zumal das Absehen von der Anordnung des Verfalls bei den Angeklagten E und M im Hinblick auf § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB keinen Bedenken begegnet.

a) Zutreffend hat der Generalbundesanwalt allerdings darauf hingewiesen , dass das Landgericht das „Erlangte“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB nicht hinreichend genau bestimmt hat; entgegen der – insoweit vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen – Auffassung der Staatsanwaltschaft ist das Erlangte aber auch nicht der für den Bau der RMVA vereinbarte Werklohn in Höhe von 792 Mio. DM. Durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB ist bei der korruptiven Manipulation einer Auftragsvergabe nicht der vereinbarte Preis, sondern der gesamte wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses; dieser umfasst den kalkulierten Gewinn und etwaige weitere, gegebenenfalls nach § 73b StGB zu schätzende wirtschaftliche Vorteile.
aa) „Aus der Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH NStZ 2001, 155, 156); „für die Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen
(vgl. BGHR StGB § 73 Erlangtes 4). Für die Bestimmung desjenigen, was der Täter in diesem Sinne aus einer Tat oder für sie erlangt hat, ist das Bruttoprinzip unerheblich. Erst wenn feststeht, worin der erlangte Vorteil des Täters besteht, besagt dieses Prinzip, dass bei der Bemessung der Höhe des Erlangten gewinnmindernde Abzüge unberücksichtigt bleiben müssen (vgl. BGHSt 47, 260, 269). Zudem muss die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter gerade aus der Tat gezogen hat; dies setzt eine Unmittelbarkeitsbeziehung zwischen Tat und Vorteil voraus (vgl. BGHSt 45, 235, 247 f.; 47, 260, 269; Schmidt in LK 11. Aufl. § 73 Rdn. 17; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn. 16; jeweils m.w.N.).
bb) Unmittelbar aus einer Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt ein Werkunternehmer im Rahmen korruptiver Manipulation bei der Auftragsvergabe lediglich die Auftragserteilung – also den Vertragsschluss – selbst, nicht hingegen den vereinbarten Werklohn (vgl. Sedemund DB 2003, 323, 325 ff.; a. A. OLG Köln ZIP 2004, 2013; OLG Thüringen wistra 2005, 114). Bei der Auftragserlangung durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr ) führt die „Tat“ als solche unmittelbar nur zu dem Vorteil des schuldrechtlichen Vertragsschlusses; die Vorteile aus der Ausführung des Auftrags wären hingegen nicht mehr unmittelbar aus der „Tat“ erlangt (vgl. Joecks in MünchKomm-StGB § 73 Rdn. 30). Strafrechtlich bemakelt ist lediglich die Art und Weise, wie der Auftrag erlangt ist, nicht dass er ausgeführt wird. In diesem Punkt unterscheidet sich der Fall einer Auftragserlangung durch Bestechung von verbotenen Betäubungsmittelgeschäften oder Embargoverstößen. Nur in solchen Fällen ist es deshalb gerechtfertigt, als das „Erlangte“ i. S. von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB den gesamten vereinbarten Kaufpreis anzusehen (vgl. BGH NStZ 2000, 480; BGHSt 47, 369).
cc) Der wirtschaftliche Wert des Auftrags im Zeitpunkt der Auftragserlangung bemisst sich vorrangig nach dem zu erwartenden Gewinn. Aussagekräftiges Indiz hierfür wird regelmäßig die Gewinnspanne sein, die der Auftragnehmer in die Kalkulation des Werklohns hat einfließen lassen.
tragnehmer in die Kalkulation des Werklohns hat einfließen lassen. Fehlen hierfür Anhaltspunkte, kann u. U. auch ein branchenüblicher Gewinnaufschlag Grundlage einer Schätzung (§ 73b StGB) sein. Mit dem zu erwartenden Gewinn wird in aller Regel der wirtschaftliche Wert des durch Bestechung erlangten Auftrags und damit das „Erlangte“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB hinreichend erfasst.
Im Einzelfall können darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte für weitergehende wirtschaftliche Vorteile bestehen, die durch den Vertragsschluss als solchen erlangt wurden (vgl. Sedemund DB 2003, 323, 328; vgl. zum Begriff des wirtschaftlichen Vorteils auch § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG). Hierzu zählen mittelbare Vorteile wie etwa die konkrete Chance auf Abschluss von Wartungsverträgen für eine errichtete Anlage oder von sonstigen Folgegeschäften durch Aufbau einer Geschäftsbeziehung, die Chance zur Erlangung weiterer Aufträge für vergleichbare Anlagen, die Steigerung des wirtschaftlich werthaltigen „Goodwill“ eines Unternehmens durch Errichtung eines Prestigeobjekts für einen renommierten Auftraggeber, die Vermeidung von Verlusten durch Auslastung bestehender Kapazitäten oder die Verbesserung der Marktposition durch Ausschalten von Mitwettbewerbern (vgl. BayObLG wistra 1998, 199, 200; König in Göhler, OWiG 13. Aufl. § 17 Rdn. 41; Lemke /Mosbacher, OWiG 2. Aufl. § 17 Rdn. 38). Solche Vorteile hat auch das Landgericht bei der LCS durch den Vertragsschluss festgestellt (UA S. 78).
Bestehen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für derartige weitere konkrete wirtschaftliche Vorteile, kann deren Wert, wenn der konkrete Sachverhalt eine tragfähige Grundlage dafür bietet (hierzu BGHR StGB § 73b Schätzung 1, 2), nach § 73b StGB geschätzt werden. Gegebenenfalls wird sich hierfür die Hinzuziehung von Sachverständigen anbieten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 73b Rdn. 5).
Ein tragfähiger Anhaltspunkt im Rahmen der Bestimmung eines solchen über den kalkulierten Gewinn hinausgehenden Werts eines Auftrags
kann u. U. auch der Preis sein, den für die Auftragsvergabe zu zahlen der Auftragnehmer bereit ist. Wird ein Auftrag durch Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) erlangt, wird die Bestechungssumme allerdings nur dann ein aussagekräftiges Indiz für eine Art „Marktpreis“ der Auftragsvergabe jenseits des kalkulierten Gewinns sein, wenn der Auftragnehmer selbst die Bestechungssumme aufbringt und nicht – wie hier – in korruptivem Zusammenwirken mit den Verantwortlichen des Auftraggebers der Auftragssumme aufschlägt , so dass sie aus seiner Sicht einen bloßen Durchlaufposten bildet.
dd) Ist der Wert des durch Bestechung erlangten Auftrags im Zeitpunkt der Auftragsvergabe auf diese Weise – ggf. mit sachverständiger Hilfe und mittels Schätzung nach § 73b StGB – ermittelt worden, folgt aus dem Bruttoprinzip , dass etwaige für den Vertragsschluss getätigte Aufwendungen (wie insbesondere eine vom Auftragnehmer gezahlte Bestechungssumme) nicht weiter in Abzug gebracht, sondern allenfalls im Rahmen von § 73c StGB berücksichtigt werden können.

b) Der Anordnung des Verfalls steht – entgegen der Auffassung der Verfallsbeteiligten – nicht bereits grundsätzlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Verfallsbeteiligten unter dem Gesichtspunkt eines vorrangigen Schutzes der Geschädigten in der Insolvenz entgegen. Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO betrifft lediglich die Frage, wie ein angeordneter Verfall rangmäßig im Insolvenzverfahren zu behandeln ist (vgl. OLG Schleswig wistra 2001, 312, 313). Anders als nach § 240 ZPO kommt auch eine Unterbrechung des Strafverfahrens insoweit nicht in Betracht , weil die Anordnung des Verfalls als strafrechtliche Nebenfolge dem strafrichterlichen Erkenntnis vorbehalten bleiben muss. Ansprüche der Geschädigten werden im Rahmen von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hinreichend berücksichtigt.

c) Auch wenn das Landgericht den Umfang des Erlangten nicht in der vorbeschriebenen Weise ermittelt, sondern letztlich eher unbestimmt gelas-
sen hat, was es genau als das „Erlangte“ in diesem Sinne ansieht, hat es doch zumindest im Ergebnis zu Recht von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz bei der Verfallsbeteiligten nach § 73c Abs. 1 StGB abgesehen.
aa) Schadensersatzansprüche der AVG stehen nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer Verfallsentscheidung zu Lasten der Verfallsbeteiligten zumindest in der Höhe entgegen, in denen diese Ansprüche noch nicht durch Zahlungen der Angeklagten erfüllt worden sind. Ob der Wert des Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses diese noch vorhandenen – gegebenenfalls nach § 254 BGB geminderten – Ansprüche übersteigt, kann letztlich offen bleiben.
bb) Die Voraussetzungen von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Landgericht zwar – auch in Abgrenzung zu Satz 2 – nicht hinreichend dargelegt (vgl. hierzu BGH wistra 2000, 379, 382; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 73c Rdn. 3 m.w.N.). Ergänzend hat es jedoch unter Hinweis auf § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB folgende Umstände genannt, die eine Verfallsanordnung jedenfalls unangemessen erscheinen lassen: Ein bleibender Gewinn , der Schadensersatzansprüche der AVG übersteigen würde, ist bei der LCS nicht vorhanden; letztlich ergab sich bei der endgültigen Abrechnung des Projekts im Jahr 2001 aufgrund von Gewährleistungsarbeiten ein Verlust von insgesamt 688.000 Euro (UA S. 159); zudem befindet sich die Verfallsbeteiligte in der Insolvenz.
cc) Ungeachtet der rechtlich nicht unbedenklichen Ausführungen des Landgerichts zu §§ 73 ff. StGB ist es aus Sicht des Senats im Hinblick auf § 73c Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 StGB jedenfalls angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO), gegenüber der insolventen Verfallsbeteiligten, die letztlich keinen Gewinn erzielt hat und sich erheblichen Regressansprüchen gegenüber sieht, von einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz abzusehen.

III.


Die Revisionen der Angeklagten bleiben ebenfalls erfolglos.
1. Die Verurteilungen des Angeklagten E wegen Untreue nach § 266 StGB und des Angeklagten M wegen Beihilfe zu dieser Tat begegnen keinen Bedenken.

a) Zutreffend weist die Revision des Angeklagten E allerdings zunächst darauf hin, dass die Annahme des Landgerichts, dieser Angeklagte habe mit seinem Verhalten die Missbrauchalternative des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt, unzutreffend ist. Voraussetzung dieser Alternative ist, dass der rechtsgeschäftliche Missbrauch der Verpflichtungsbefugnis zu einer wirksamen Verpflichtung des Treugebers führt (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1983, 92; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 266 Rdn. 20, 22 m.w.N.; Seier in Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2004, Abschnitt V 2 Rdn. 47). Dem steht hier bereits § 138 BGB entgegen. Die Sittenwidrigkeit der kollusiven Absprache zwischen den Angeklagten E und M zur Schädigung der AVG durch Vereinbarung eines um den Schmiergeldanteil überhöhten Preises wirkt sich auch auf den Hauptvertrag aus (vgl. BGH NJW 1989, 26, 27; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 21; Seier aaO Rdn. 48; vgl. auch BGHZ 141, 357, 362 f.; BGH BB 1990, 733, 734; BGH NJW 2000, 511, 512). Zudem hat E bei dem Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages im kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten M ersichtlich seine Vertretungsmacht zum Nachteil der AVG missbraucht (vgl. hierzu Tröndle/Fischer aaO § 266 Rdn. 22 m.w.N.; BGHZ 50, 112, 114; Bernsmann StV 2005, 576, 577).
Hieraus folgt indes unmittelbar, dass der Angeklagte E durch Abschluss des dergestalt unerkannt nichtigen Vertrages mit einem kollusiv überhöhten Auftragspreis die Treubruchalternative des § 266 Abs. 1 StGB erfüllt und der Angeklagte M zu solcher Tat Beihilfe geleistet
hat. Hierauf kann der Senat von sich aus erkennen (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Missbrauch 2). Es ist auszuschließen, dass sich die Angeklagten gegen den tatsächlich identisch fundierten Vorwurf des Treubruchs anders als geschehen hätten verteidigen können.

b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte E durch den Abschluss des Vertrages mit der LCS zum Gesamtpreis von 792 Mio. DM seine als Geschäftsführer gegenüber der AVG bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und hierdurch der AVG einen Vermögensnachteil in Höhe des vereinbarten Schmiergeldaufschlags zugefügt hat.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei der Vereinbarung von Schmiergeldzahlungen in Form eines prozentualen Preisaufschlags regelmäßig ein Nachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB vor (vgl. BGHSt 47, 295, 298 f.; 49, 317, 332 f.; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 49, insoweit in BGHSt 46, 310 nicht abgedruckt). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass jedenfalls mindestens der Betrag, den der Vertragspartner für Schmiergelder aufwendet, auch in Form eines Preisnachlasses dem Geschäftsherrn des Empfängers hätte gewährt werden können (vgl. Raum in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts 2. Aufl. S. 304 m.w.N.). Bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr bildet deshalb der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich der Finanzierung des Schmiergelds dient, regelmäßig die Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB.
bb) Die Vermögensbetreuungspflicht gebietet in diesen Fällen, dass der Treupflichtige die Möglichkeit des vorteilhaften Vertragsschlusses im Interesse des betreuten Vermögens nutzt und den Vertrag zu dem günstigeren Preis abschließt (BGH wistra 1984, 109, 110; 1989, 224, 225). Zumeist liegt auf der Hand, dass das Geschäft auch für einen um den aufgeschlagenen
Schmiergeldanteil verminderten Preis abgeschlossen worden wäre, wenn das Schmiergeld – wie hier – einen bloßen Durchlaufposten darstellt (vgl. BGH wistra 1983, 118, 119; 1986, 67; 2001, 295, 296). Inwieweit andere Anbieter noch teurere Angebote eingereicht haben, bleibt demgegenüber unerheblich (vgl. BGH wistra 2001, 295, 296).
Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt in diesem Fall im aktiven Tun, nämlich im Abschluss des um den Schmiergeldanteil überteuerten Vertrages und in der damit einhergehenden Verlagerung der Schmiergeldzahlungen zugunsten des Geschäftsführers auf die vertretene Gesellschaft durch Vereinbarung entsprechend überhöhter Zahlungsverpflichtungen mit Dritten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 266 Rdn. 38a m.w.N.). Der Abschluss des überteuerten Vertrages hindert gleichzeitig den Abschluss eines um den Schmiergeldanteil verminderten günstigeren. Zudem steht der eingegangenen Zahlungsverpflichtung in Höhe des vereinbarten Schmiergelds keinerlei Gegenleistung gegenüber. Nach anderer, aber gleichgerichteter Betrachtungsweise ist der Unrechtsschwerpunkt in der bewussten Verhandlung mit einem sachlich nicht gerechtfertigten Verteuerungsfaktor zu finden, der dem Geschäftsführer zu Unrecht einen von der vertretenen Gesellschaft nicht genehmigten, über seine Vergütung hinausgehenden wirtschaftlichen Vorteil verschaffen soll (vgl. auch BGHSt 49, 317, 333 ff.).
cc) Nach den Feststellungen des Landgerichts war in der vereinbarten Auftragssumme von 792 Mio. DM ein Schmiergeldanteil in Höhe von rund 24 Mio. DM enthalten. Dieser Anteil sollte als bloßer Durchlaufposten nicht der LCS, sondern auf Kosten der AVG allein den an der Schmiergeldabrede Beteiligten zukommen. Der vom Landgericht gezogene Schluss, die LCS wäre bereit gewesen, den Vertrag auch zu einem um diesen Schmiergeldanteil verminderten Betrag abzuschließen, ist nicht nur nachvollziehbar, sondern vielmehr naheliegend.
dd) Demgegenüber verfängt der Einwand der Revision nicht, der Angeklagte E habe ein solches Geschäft zum verminderten Preis überhaupt nicht abschließen dürfen, weil dieses durch die vorangegangene Vergabemanipulation nach wie vor wettbewerbswidrig gewesen wäre; vom Treupflichtigen könne nicht der Abschluss verbotener oder wettbewerbswidriger Geschäfte verlangt werden (vgl. Bernsmann StV 2005, 576, 578).
Nachdem sich E für den Zuschlag an die LCS entschlossen hatte, bestand die Alternative lediglich in dem Abschluss des Vertrages zum Preis von 792 Mio. DM oder zu einem um mehr als 24 Mio. DM verminderten Preis. Seine Vermögensbetreuungspflicht gebot E in dieser Situation den Abschluss zum geringeren statt zum höheren Preis. Da es für den Vorwurf der Untreue entscheidend auf den Vertragsschluss zu einem um den Schmiergeldanteil überhöhten Preis ankommt, sind die von der Revision angeführten Alternativszenarien ohne Bedeutung.
ee) Das Landgericht geht auch zutreffend von einem Nachteilsumfang in Höhe von rund 24 Mio. DM aus.
Die Berechnung des im vereinbarten Preis enthaltenen Schmiergeldanteils (3 % Aufschlag bei einem Teil der Lose, zusätzliche Anhebung beim Los Abgasbehandlung um 20 Mio. DM) ist nicht zu beanstanden. Das Landgericht ist zudem richtigerweise davon ausgegangen, dass Vorteile, die der Angeklagte E durch besonders nachdrückliche und geschickte Verhandlungen bei der Preisgestaltung erreicht hat oder die zur Ermöglichung einer Vergabe des Auftrags an die LCS notwendig waren, nicht gegengerechnet werden können (treffend UA S. 309, 317). Dies gilt insbesondere für die Absenkung des Preises beim Los Bauteil um 9 Mio. DM im Rahmen der Vergabemanipulation. Denn es kommt allein darauf an, ob – was das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – der Angeklagte M letztendlich bereit war, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vertrag auch ohne den Schmiergeldanteil abzuschließen oder nicht. Es kann deshalb da-
hinstehen, ob der abweichende Ansatz der Verteidigung auch im Blick auf die zur Schmiergeldfinanzierung überhöhte Kalkulation des Gesamtpreises im ersten Angebot der LCS verfehlt ist. Selbst wenn man vom festgestellten Nachteilsumfang einen für Wi ursprünglich vorgesehenen Provisionsanteil in Höhe von 0,5 % der Auftragssumme abziehen würde, wäre dies angesichts des verbleibenden Nachteilumfangs in Höhe von etwa 20 Mio. DM letztlich unerheblich; auch ein solcher Nachteil rechtfertigt ohne weiteres die für die Untreue bzw. die Beihilfe hierzu verhängten Einzelfreiheitsstrafen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO).
2. Der Schuldspruch wegen – wie ausgeführt, nicht verjährter – Bestechlichkeit bzw. Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299, 300 Nr. 1 StGB) ist rechtsfehlerfrei. Auch die Bestimmung der Konkurrenzverhältnisse zur Untreue bzw. Beihilfe dazu hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
Zutreffend ist das Landgericht bezüglich der Untreue und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr bei dem Angeklagten E (a) sowie hinsichtlich der Beihilfe zur Untreue und der Bestechung im geschäftlichen Verkehr durch den Angeklagten M (b) jeweils von zwei Taten im Sinne von § 53 StGB ausgegangen.

a) Regelmäßig besteht zwischen Angestelltenbestechlichkeit und der in Aussicht gestellten „bevorzugenden Handlung“ Tatmehrheit (BGHR UWG § 12 Abs. 2 Angestelltenbestechlichkeit 1; vgl. auch BGHSt 47, 22, 25 f., zu § 332 StGB). Dies gilt auch dann, wenn die Taten auf eine einheitliche Unrechtsvereinbarung zurückgehen (vgl. BGHSt 47, 22, 26; BGH NStZ 1987, 326, 327; BGH wistra 1993, 189, 190). Denn die Vornahme der durch die Unrechtsvereinbarung verabredeten unlauteren Bevorzugung im Wettbewerb gehört nicht zum Tatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (BGH NStZ 1987, 326, 327; vgl. auch BGHSt 47, 22, 26; jeweils zu § 332 StGB).
Tateinheit ist lediglich in solchen Fällen möglich, in denen die Verwirklichung beider Tatbestände in einer Ausführungshandlung zusammentrifft (BGHSt 47, 22, 26, zu § 332 StGB). Solches hat das Landgericht nicht festgestellt. Verletzt hat der Angeklagte E seine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der AVG erst durch den Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages; erst dadurch kam es auch zu einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung (UA S. 500). Die Unrechtsvereinbarung , mit der die Angestelltenbestechlichkeit vollendet war (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 299 Rdn. 21), gehört angesichts der Notwendigkeit zahlreicher weiterer Zwischenschritte im vorliegenden Fall nicht zum Ausführungsstadium der Untreue.
Soweit die Revision für ihre Ansicht auf die Entscheidung BGHSt 47, 22 verweist, war der dortige Fall im Tatsächlichen anders gelagert; dort ging es um die Schaffung eines eingespielten Preisabsprachesystems unter Einbindung weiterer Mitwettbewerber im Rahmen langfristiger Geschäftsbeziehungen (vgl. BGHSt 47, 22, 28), nicht – wie hier – um den Abschluss eines einzigen Vertrages. Zudem war es nach dem Inhalt der Unrechtsvereinbarung zwar naheliegend, aber nicht einmal zwingend notwendig, dass der Schmiergeldanteil durch eine Untreue zu Lasten der AVG erwirtschaftet wird. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte M erst nach der Unrechtsvereinbarung vom Herbst 1993 Gedanken darüber, wie dieser Betrag aufgebracht werden soll (UA S. 97). Erst als er erfuhr, dass LCS über keinen „Topf“ für solche Gelder verfügt, entschloss er sich, das verabredete Schmiergeld durch einen entsprechenden Aufschlag auf den Werklohn zu Lasten der AVG zu erwirtschaften.

b) Rechtlich vertretbar ist das Landgericht auch davon ausgegangen, dass die Bestechung im geschäftlichen Verkehr und die Beihilfe zur Untreue durch den Angeklagten M im vorliegenden Fall materiellrechtlich als zwei Taten im Sinne von § 53 StGB zu bewerten sind. Die Bestechung im geschäftlichen Verkehr war bereits mit dem Abschluss der Un-
rechtsvereinbarung im Herbst 1993 vollendet. Dagegen bestand die Beihilfe zu der vom Angeklagten E begangenen Untreue im Abschluss des um den Schmiergeldanteil überhöhten Vertrages für die von M vertretene LCS. Die Vertragsunterzeichnung durch den Angeklagten E – die eigentliche Untreuehandlung – konnte nur zu einem Vermögensnachteil bei der AVG führen, weil auch der Angeklagte M den Vertrag seinerseits für die LCS unterzeichnete. Gegenüber dieser notwendigen Mitwirkung an der eigentlichen Untreuehandlung konnten für die Beurteilung der Konkurrenzen die im Vorfeld begangenen Vorbereitungsbeiträge als nachrangig bewertet werden. Selbst wenn das Landgericht das Konkurrenzverhältnis bei dem Angeklagten M falsch beurteilt hätte, wäre im Übrigen die verhängte Gesamtstrafe angesichts des gleichbleibenden Schuldumfangs als Einzelfreiheitsstrafe angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a StPO).
3. Die Verurteilung des Angeklagten E wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen ist rechtsfehlerfrei.

a) Bei den erhaltenen Bestechungsgeldern handelt es sich um erklärungspflichtige sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (vgl. BFH DStRE 2000, 1187; BFHE 191, 274; BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4 m.w.N.). Die Kapitalerträge aus der Anlage der verschwiegenen Schmiergelder stellen erklärungspflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Für die Jahre 1995 bis 1998 hat der Angeklagte E solche Einkünfte in Höhe von rund 4 Mio. DM verschwiegen und hierdurch Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag in der Gesamthöhe von rund 2,2 Mio. DM hinterzogen.

b) Die Pflicht zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung war auch nicht unter dem Gesichtspunkt suspendiert, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst anzuklagen oder sonst zur eigenen Überführung bei-
zutragen (nemo tenetur se ipsum accusare; hierzu näher Jäger NStZ 2005, 552, 556 ff. m.w.N.).
aa) Ein Steuerpflichtiger, der Einkünfte aus Bestechungsgeldern anzugeben hat, wird seiner durch § 370 AO strafbewehrten Erklärungspflicht regelmäßig bereits dadurch nachkommen können, dass er diese Einkünfte betragsmäßig offen legt und einer Einkunftsart zuordnet, ohne die genaue Einkunftsquelle zu benennen (vgl. auch BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht 4). Denn diese Erklärung reicht regelmäßig zu einer Festsetzung von Einkommensteuer aus, durch die im Ergebnis eine Verkürzung von Steuern – also der von § 370 AO vorausgesetzte Taterfolg – vermieden wird. Derartige Angaben, durch die sich der Steuerpflichtige nicht selbst einer Straftat bezichtigt, sondern lediglich Einkünfte offenbart, sind ihm ohne weiteres zumutbar. Die strafrechtliche Erzwingbarkeit dieser Erklärungspflicht in dem genannten beschränkten Umfang gerät regelmäßig nicht in Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit.
bb) Soweit nach der AO darüber hinaus Erläuterungspflichten (§§ 93 ff. AO) bestehen, die mit den in §§ 328 ff. AO genannten Zwangsmitteln durchsetzbar sind, ist der Steuerpflichtige zunächst durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) sowie das in § 393 Abs. 2 AO normierte begrenzte strafrechtliche Verwertungsverbot geschützt (vgl. BVerfGE 56, 37, 47; BGHR aaO). In dem Umfang, in dem dieser Schutz aufgrund überragender öffentlicher Interessen durch § 393 Abs. 2 Satz 2, § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO durchbrochen wird, gebietet der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit allenfalls, dass sich die erzwingbare Erklärungspflicht auf die betragsmäßige Angabe der Einkünfte als solche beschränkt und der Steuerpflichtige nicht mit Zwangsmitteln zur Abgabe weitergehender Erläuterungen zur – allein hierdurch nicht ermittelbaren – deliktischen Herkunft der Einkünfte angehalten werden kann (vgl. BGHR aaO). Nur soweit die steuerrechtliche Pflicht zur umfassenden Auskunft mit Zwangsmitteln durchsetzbar wäre, könnte ein Konflikt mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz bestehen, dass
niemand zur eigenen Überführung beitragen muss (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 352, 353).
cc) Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die Menschenwürde werden schon allein dadurch tangiert, dass ein Steuerpflichtiger zur Angabe von Einnahmen aus Straftaten verpflichtet ist (vgl. auch BVerfG – Vorprüfungsausschuss – wistra 1988, 302). Denn der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit schützt nicht vor einer Bestrafung strafbaren Verhaltens , sondern lediglich vor einer strafrechtlichen Verurteilung, die auf einem rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung beruht (vgl. BVerfG – Kammer – NJW 2005, 352, 353). Die Grundrechte des Steuerpflichtigen sind jedenfalls dann gewahrt, wenn sich die Erzwingbarkeit der Erklärung nur auf die Angabe der Einnahme als solche und nicht auf deren – allein hierdurch nicht ermittelbare – deliktische Herkunft bezieht.
4. Die Strafzumessung lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen. Insbesondere hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten E bei diesem den besonders engen Zusammenhang zwischen der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung bei der Gesamtstrafbildung (vgl. hierzu BGHR AO § 393 Abs. 1 Erklärungspflicht
4) ersichtlich dadurch hinreichend berücksichtigt, dass es die verhängten Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren, einem Jahr und sechs Monaten, zweimal einem Jahr, neun und vier Monaten straff zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten zusammengezogen
hat; ausdrücklicher Erwähnung bedurfte dieser Gesichtspunkt im vorliegenden Fall nicht.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 620/17
vom
31. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vorteilsannahme u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:310718B3STR620.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 31. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2017
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vorteilsannahme in 529 tateinheitlichen Fällen sowie der Untreue in zwei Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den unter II. 5. der Urteilsgründe bezeichneten 529 Fällen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen bestehen,
c) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 348.267,24 Euro angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorteilsannahme in 529 Fällen sowie Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und bestimmt, dass sechs Monate der verhängten Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Weiter hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 348.267,24 Euro angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Das Landgericht hat - soweit für die nachstehenden Entscheidungsgründe relevant - im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war jahrzehntelang Angestellter der R. AG, deren Kernaufgabe die Bereitstellung des öffentlichen Personennahverkehrs auf dem Gebiet der Stadt D. war. Alleiniger Eigentümer der Gesellschaft war - teilweise mittelbar über eine Holding - die Stadt D. , die über den hälftig von ihr besetzten Aufsichtsrat die Geschäftsführung durch den Vorstand überwachte. Dabei unterlagen Geschäfte größerer Bedeutung ebenso der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates wie zahlreiche weitere unternehmerische Entscheidungen, beispielsweise die Neufestsetzung der Fahrtarife, wesentliche Änderungen des Betriebsnetzes oder Beteiligungen an Verkehrsverbünden. Auch der Aufstellung des Wirtschaftsplans und der Feststellung und Verwendung des Jahresabschlusses musste der Aufsichtsrat zustimmen. Zudem konnte er für weitere von ihm bestimmte Geschäfte im Einzelfall ein Zustimmungserfordernis beschließen. Konkurrierende Unternehmen am Markt existierten nicht. Die R. AG erreichte im Durchschnitt einen Kostendeckungsgrad von etwas mehr als 80 %. Das verbleibende Defizit wurde bewusst in Kauf genommen, um den Zugang zum Personennahverkehr möglichst weitreichend und flächendeckend zu gewährleisten; es wurde aus Mitteln der öffentlichen Hand ausgeglichen.
4
Dem Angeklagten war zuletzt der Bereich "Werbevermarktung, Verkauf Material und Anlagegüter" zur eigenverantwortlichen Bearbeitung übertragen. Auf diesem Aufgabengebiet konnte er eigenständige Entscheidungen treffen und Bestellungen bis zu einer Wertgrenze von 10.000 Euro selbst und ohne Prüfung durch Bereichsleitung oder Vorstand genehmigen. Zum Kernbereich seiner Zuständigkeit gehörte die Verkehrsmittelwerbung auf Flächen von Bussen, Bahnen und Wartehallen der R. AG.
5
Mit einem langfristigen Konzessionsvertrag hatte die R. AG der Firma M. GmbH (im Folgenden: M. ) das ausschließliche Recht übertragen, den Gesamtbestand der ihr gehörenden öffentlichen Verkehrsmittel durch Werbung wirtschaftlich zu nutzen. Als Gegenleistung schuldete die M. der R. AG 83 % aller Einnahmen aus der werblichen Nutzung. Jede beabsichtigte Werbung war der R. AG in Person des Angeklagten zur vorherigen Zustimmung vorzulegen. Das Anbringen der Werbung war Sache der M. , die hiermit Subunternehmer betraute.Mit der Entfernung der Werbung hatte die M. die R. AG entgeltlich zu beauftragen, die jedoch eine abweichende Abwicklung bestimmen konnte. In etwa 30 % aller Fälle erteilte die M. der Firma W. GmbH (im Folgenden: W. ) den Auftrag zur Herstellung der Werbefolien, teilweise auch zugleich zu deren Verklebung. Letztere nahm die W. allerdings nicht selbst vor, sondern reichte sie ihrerseits an einen Subunternehmer weiter. Außerdem hatte sich die R. AG das Recht vorbehalten, eigene Werbung auf ihre Kosten an ihren Verkehrsmitteln und sonstigen Einrichtungen anzubringen oder durch Dritte anbringen zu lassen. Teilweise beauftragte die R. AG die W. direkt mit der Herstellung, Beklebung oder Beseitigung von Werbefolien. Diese Aufträge erteilte der Angeklagte. Er war Ansprechpartner für die M. und die W. und koordinierte das Anbringen und Entfernen der Werbefolien. Die Arbeiten wurden in den Werkstätten der R. AG vorgenommen, für die der Angeklagte die erforderlichen Betretenserlaubnisse erteilte.
6
Nachdem ein Mitarbeiter der M. seine Tätigkeit eingestellt hatte, dessen Unternehmen zuvor im großen Umfang sowohl von dieser als auch der W. mit Folienverklebungen und -entfernungen beauftragt worden war, gründete der Angeklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau die Firma "V. B. " (im Folgenden: Firma B. ), die sie gemeinsam und arbeitsteilig führten. Um sich das Wohlwollen des Angeklagten zu sichern und die geschäftlichen Beziehungen zur R. AG nicht zu gefährden, beauftragten sowohl die M. als auch die W. in der Zeit von Juli 2007 bis September 2011 die Firma B. in insgesamt 529 Fällen mit Verklebungen , die ihre Leistungen zu marktüblichen Preisen abrechnete. Das Auftragsvolumen belief sich für den gesamten Zeitraum auf 1.278.442,28 Euro brutto. Insgesamt erwirtschafteten der Angeklagte und seine Ehefrau hieraus einen Gewinn von 348.267,24 Euro, hinsichtlich dessen Wertes das Landgericht die Einziehung angeordnet hat.

II.

7
Die Verurteilung des Angeklagten wegen 529 (tatmehrheitlichen) Fällen der Vorteilsannahme begegnet rechtlichen Bedenken. Zwar verwirklichte er auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen diesen Straftatbestand (nachfolgend 1.). Jedoch wird die Annahme rechtlich selbständiger Taten von den Feststellungen nicht getragen; das führt zur entsprechenden Schuldspruchänderung sowie zur Aufhebung der für diese Taten verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe (unten 2.). Darüber hinaus hat die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen keinen Bestand (unten 3.). Soweit der Angeklagte wegen Untreue in zwei Fällen verurteilt und eine Kompensationsentscheidung aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung getroffen worden ist, hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
8
1. Der Angeklagte hat sich wegen Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Er war Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB und ließ sich als solcher für seine Dienstausübung einen Vorteil für einen Dritten versprechen bzw. nahm einen solchen Vorteil an. Der näheren Erörterung bedarf nur die Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung durch den Angeklagten.
9
a) Der öffentliche Personennahverkehr in N. unterfällt der Daseinsvorsorge, die nach gefestigter Rechtsprechung eine öffentliche Aufgabe darstellt (vgl. MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 58 mwN). Die Daseinsvorsorge umfasst alle Tätigkeiten, die dazu bestimmt sind, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit zu sorgen (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 101 mwN). Für das Bundeseisenbahnwesen hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, dass die als Wirtschaftsunternehmen geführten Nachfolgegesellschaften der Deutschen Bundesbahn auch nach der Bahnreform eine öffentliche Aufgabe auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge erfüllen (BGH, Urteile vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 221 ff.; vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 292 f.; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 99 ff.).
10
Im Bereich der Daseinsvorsorge kommt dem Staat die Definitionsmacht darüber zu, welche Aufgaben er zu solchen der öffentlichen Verwaltung macht. Das sind diejenigen, die der Staat in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsform selbst als Anbieter der entsprechenden Leistung wahrnimmt (Ransiek, NStZ 1997, 519, 521; Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl., Vorb. I Rn. 23; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 223). Dass sich der Staat den öffentlichen Personennahverkehr und die Sicherstellung der hierfür erforderlichen Verkehrsdienstleistungen selbst zur Aufgabe gemacht hat, ergibt sich schon aus gesetzlichen Regelungen:
11
Zurückgehend auf Rechtsakte der Europäischen Union soll durch Einführung eines regulierten Wettbewerbs ein effizienter Personenverkehr gewährleistet werden. Auf dieser Grundlage haben die Bundesländer eigene Gesetze zum öffentlichen Personennahverkehr geschaffen. § 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) bestimmt wie § 1 des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG), dass der öffentliche Personennahverkehr eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist. Nach § 3 ÖPNVG NRW sind die Kreise und kreisfreien Städte Aufgabenträger für die Planung, Organisation und Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs; sie gelten in ihrem Wirkungskreis als zuständige Behörde im Sinne der VO (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße. Von den Aufgabenträgern unterschieden werden die Verkehrsunternehmen, die die Verkehrsdienstleistungen erbringen und hierzu von den Aufgabenträgern beauftragt werden. Soweit vor dem Hintergrund dieser Rollenverteilung vereinzelt vertreten wird, dass nur die Aufgabenträger (und die Genehmigungsbehörden i.S.d. § 11 PBefG) Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen, während die Verkehrsunternehmen die Rolle des unternehmerisch kalkulierenden Wettbewerbsteilnehmers ausfüllen, der seine Dienstleistungen wirtschaftlich-eigennützig und damit nicht als öffentliche Leistung der Daseinsvorsorge im strafrechtlichen Sinn erbringt (Becker, StV 2006, 263, 266 ff.), ist dem nicht zu folgen. Dies lässt außer Acht, dass der Staat aufgrund seiner Definitionsmacht Aufgaben der Daseinsvorsorge als öffentliche Aufgaben selbst leisten kann, auch wenn er das - wie hier - in der Form privatrechtlich organisierter Unternehmen tut (s. auch Maunz/Dürig/Möstl, GG, 80./82. EL, Art. 87e Rn. 139, 103). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist zudem auch derjenige Amtsträger, der im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle, als die jedenfalls die Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs anzusehen sind, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
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Seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 am 3. Dezember 2009 kann der öffentliche Personennahverkehr durch die zuständige Behörde sichergestellt werden, indem sie öffentliche Dienstleistungsaufträge vergibt (vgl. Art. 2 Buchst. i und Art. 5 VO [EG] Nr. 1370/2007). Nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 ist es indes ebenso zulässig, dass eine zuständige örtliche Behörde selbst öffentliche Personenverkehrsdienste erbringt oder öffentliche Dienstleistungsaufträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit vergibt, über die sie eine Kontrolle ausübt, die derjenigen über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Wenngleich sich den Feststellungen des angefochtenen Urteils die konkrete rechtliche Konstruktion nicht entnehmen lässt, liegt es nahe, dass die kreisfreie Stadt D. als Aufgabenträgerin die R. AG durch einen solchen öffentlichen Dienstleistungsauftrag nach § 3 Abs. 2 ÖPNVGNRW und § 8a PBefG mit der Wahrnehmung des öffentlichen Personennahverkehrs betraute. In diesem Fall wäre schon allein aufgrund der verwaltungsrechtlichen Handlungsform von der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe auszugehen. Denn solche öffentlichen Dienstleistungsaufträge sind nach deutschem Recht öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne der §§ 54 bis 62 VwVfG (Heinze/Fehling /Fiedler, PBefG, 2. Aufl., Vorb. III Rn. 44; § 8a Rn. 21), bei deren Verwendung regelmäßig von öffentlicher Aufgabenwahrnehmung ausgegangen werden kann (MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 49).
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b) Auch für den vor Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1370/2007 liegenden Tatzeitraum und unabhängig von der Erteilung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags steht die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch den Angeklagten nicht in Frage. Ist diesbezüglich auf das Unternehmen der R. AG als Ganzes abzustellen (so BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 227), folgt das bereits daraus, dass die R. AG mit der Durchführung von Nahverkehrsdienstleistungen eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrnahm und der Angeklagte als deren Angestellter eine von gewisser Selbständigkeit und Eigenverantwortung geprägte Tätigkeit ausübte (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2016 - 2 StR 148/15, BGHSt 61, 135, 139 ff. mwN). Der Senat kann offen lassen, ob der Begriff "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB insbesondere bei privatrechtlichen Einrichtungen tatsächlich ausschließlich Unternehmen oder Gesellschaften als Ganzes und nicht auch einzelne abgrenzbare Tätigkeitsbereiche oder Untereinheiten erfasst (so bereits BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 298; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 107). Dies könnte zweifelhaft sein, soweit solche abgrenzbare Teile der Einrichtung lediglich der Erzielung von Gewinnen dienen, mit denen die Finanzierung anderweitiger öffentlicher Aufgaben sichergestellt werden soll.
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Unter den hier gegebenen Umständen zählt jedenfalls auch die durch den Angeklagten verantwortete Werbevermarktung zu der öffentlichen Aufgabe der Bereitstellung eines möglichst flächendeckenden Personennahverkehrs. Zwar dient die Werbevermarktung der Einnahme von Geldern und damit zunächst fiskalischen Interessen. Bei der erwerbswirtschaftlich-fiskalischen Betätigung der öffentlichen Hand wird grundsätzlich zwischen der Beschaffungs - und Bedarfsverwaltung als Teil einer öffentlichen Aufgabe einerseits und der rein wirtschaftlichen Betätigung als privater Aufgabe andererseits unterschieden. Der Beschaffungs- und Bedarfsverwaltung kommt die Funktion zu, die sachlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Eingriffs- und Leistungsverwaltung zu schaffen, indem der Staat als Nachfrager von Waren und Dienstleistungen auftritt (sogenannte "fiskalische Hilfsgeschäfte"). Die rein erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates hingegen, bei der er wie andere private Marktteilnehmer als Anbieter von Waren und Dienstleistungen in Erscheinung tritt, dient allein der Gewinnerzielung und Erhöhung der staatlichen Einnahmen und stellt damit für sich genommen keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dar (MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 74 ff.; NK-StGB-Saliger, 5. Aufl., § 11 Rn. 35; SK-StGB/Stein/Deiters, 9. Aufl., § 11 Rn. 54).
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Angesichts der Tatsache, dass der öffentliche Personennahverkehr nicht ohne ein von der öffentlichen Hand auszugleichendes finanzielles Defizit durchzuführen ist (vgl. Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl., Vorb. I Rn. 31, 36) und der Auftrag, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen sicherzustellen (§ 1 Abs. 1 RegG), sowohl die Planung und Organisation als auch die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs umfasst (vgl. § 3 Satz 1 RegG), besteht zwischen der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Generierung von Einnahmen durch Verkehrsflächenwerbung ein so enger Zusammenhang, dass auch diese als Teil der öffentlichen Aufgabe anzusehen ist. Denn durch die Werbeflächenvermark- tung erzielte die R. AG gerade solche Einnahmen, die zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs vonnöten waren und das staatlich auszugleichende finanzielle Defizit reduzierten. Dies findet seine Bestätigung in § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG, der die nach § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG grundsätzlich angestrebte Eigenwirtschaftlichkeit von Verkehrsdienstleistungen als solche definiert , deren Aufwand durch Beförderungserlöse, Ausgleichs- und Erstattungsregelungen sowie sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinn gedeckt werden. Gerade der Umstand, dass sonstige Unternehmenserträge gesetzlich vorgesehen und auf eine Stufe mit staatlichen Ausgleichsleistungen und Beförderungserlösen gestellt sind, verdeutlicht den engen Konnex mit der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe. In Anbetracht dieser gesetzlichen Regelung wird der Charakter der öffentlichen Aufgabe mithin nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Verkehrsunternehmen außer den Einnahmen aus Fahrpreisen noch weitere Einnahmen erzielt. Dass die Erhebung von Fahrpreisen im öffentlichen Personennahverkehr - obwohl auch sie vordergründig erwerbswirtschaftlichen Interessen dient und das Verkehrsunternehmen diesbezüglich nicht als Nachfrager, sondern Anbieter einer Leistung auftritt - Teil der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe des öffentlichen Personennahverkehrs ist, kann dabei nicht zweifelhaft sein. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass eine etwa zusätzlich zu Zwecken des Allgemeinwohls hinzutretende Gewinnerzielungsabsicht der Einstufung als öffentliche Aufgabe nicht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2003 - 2 StR 164/03, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; ferner BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 222 f.). Dies gilt umso mehr, wenn zwischen der Gewinnerzielungsabsicht und den weiteren, öffentlichen Zwecksetzungen eine enge Wechselbeziehung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, 3064).
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c) Die R. AG ist auch als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB einzuordnen. Darunter ist nach ständiger Rechtsprechung eine behördenähnliche Institution zu verstehen, die unabhängig von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken , ohne eine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinn zu sein. Ist die Stelle als juristische Person des Privatrechts organisiert, muss sie Merkmale aufweisen , die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen. Bei einer Gesamtbetrachtung muss sie danach als "verlängerter Arm des Staates erscheinen" (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 293; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 102, je mwN). In diese Gesamtbetrachtung sind alle wesentlichen Merkmale der Gesellschaft einzubeziehen, insbesondere – ob sie gewerblich tätig ist und mit anderen im Wettbewerb steht (BGH, Urteile vom 29. Januar 1992 - 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 204; vom 3. März 1999 - 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20), – ob sie im Eigentum der öffentlichen Hand steht (BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, 3064), – ob im Gesellschaftsvertrag eine öffentliche Zwecksetzung festgeschrieben ist (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 372 f.), – ob ihre Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert wird oder sie sich aus den Erlösen der eigenen Unternehmenstätigkeit finanziert (BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20) und – in welchem Umfang staatliche Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten bestehen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 378 f.).
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Der Senat hat weiterhin Bedenken, dem Kriterium der staatlichen Steuerung ein entscheidendes Gewicht dergestalt beizumessen, dass ein gesellschaftsrechtlich verankerter Einfluss der öffentlichen Hand auf die laufenden Geschäfte und Einzelentscheidungen erforderlich ist (so aber BGH, Urteile vom 3. März 1999 - 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20; vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 226). Dagegen sprechen neben der geltenden Gesetzesfassung, die der Wahl der Organisationsform die Bedeutung als Abgrenzungskriterium gerade nehmen wollte, die Erfordernisse des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 298 f.; kritisch auch MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 92; ders., NStZ 2007, 57, 60; Heinrich, NStZ 2005, 197, 201). Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits das Alleineigentum der öffentlichen Hand an einem Unternehmen grundsätzlich darauf hindeutet, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt (EuGH, Urteil vom 19. April 2007 - C-295/05, Slg. 2007, I-3034 Rn. 57). Letztlich bedarf es hier keiner abschließenden Entscheidung. Die vorzunehmende Gesamtbetrachtung führt auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen auch dann zu dem Ergebnis, dass die R. AG als eine "sonstige Stelle" in diesem Sinne zu beurteilen ist, wenn den staatlichen Einflussmöglichkeiten entscheidendes Gewicht beizulegen wäre: Die R. AG stand im Alleineigentum der Stadt D. und nicht im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern. Ihre Tätigkeit wurde im Wege des Defizitausgleichs zu etwa einem Fünftel aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die öffentliche Hand hatte aufgrund der weitreichenden Zustimmungserfordernisse des Aufsichtsrates, die auch unternehmerische Entscheidungen und einzelne Geschäfte betrafen, eine so weitgehende Einflussmöglichkeit, dass die Gleichstellung mit einer Behörde gerechtfertigt ist.
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d) Der Angeklagte handelte zudem vorsätzlich hinsichtlich der ihm obliegenden Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung.
19
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen wusste der Angeklagte als langjähriger Beschäftigter der R. AG, dass diese anstelle der Stadt D. den öffentlichen Personennahverkehr sicherstellte und damit als verlängerter Arm der Kommunalbehörde agierte. Durch seine Zuständigkeiten war ihm ebenso bewusst, dass er eigenverantwortlich Entscheidungen im Namen der R. AG treffen konnte, wie er den sich aus seiner Pflichtenstellung ergebenden Interessenkonflikt in Bezug auf die Firma B. erkannte.
20
Diese Feststellungen belegen jedenfalls den Eventualvorsatz des Angeklagten , auch in Bezug auf seine Eigenschaft als Amtsträger. Zwar ist in einzelnen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für den Vorsatz hinsichtlich der eigenen Amtsträgereigenschaft im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gefordert worden, dass der Täter über das Wissen um seine Amtsträgerstellung begründenden Umstände hinaus auch eine Bedeutungskenntnis gerade von seiner Funktion als Amtsträger haben müsse (BGH, Urteile vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 14; vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08, NJW 2009, 3248, 3250; vom 27. November 2009 - 2 StR 104/09, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 17). Offen bleibt dabei jedoch, was eine solche "Bedeutungskenntnis" kennzeichnet, wann sie angenommen werden kann und inwiefern sie sich vom Wissen um die die Amtsträgereigenschaft begründenden Umstände unterscheidet. Denn der nicht näher präzisierte Begriff ist - ebenso wie derjenige der sogenannten "Parallelwertung in der Laiensphäre" - eine rein normative Kategorie, die überdies den Grundsatz, dass ein Subsumtionsirrtum den Vorsatz unberührt lässt, nicht in Frage stellt (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 14). Ungeachtet dessen tragen die oben ausgeführten Feststellungen den Schluss des Landgerichts, der Angeklagte habe um die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch die R. AG(öffentlicher Personennahverkehr) und die sich aus seiner Stellung als deren Beschäftigter und Alleinverantwortlicher für die Verkehrsmittelwerbung ergebenden Pflichten gewusst, zumal das Landgericht hierzu als Maßstab die "Parallelwertung in der Laiensphäre" herangezogen hat (UA S. 63).
21
2. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich 529 in Tatmehrheit (§ 53 StGB) stehender Fälle der Vorteilsannahme schuldig gemacht, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Diese belegen nicht, dass der Angeklagte in allen 529 Fällen eine konkrete Tathandlung vornahm. Hierzu gilt:
22
a) Vorteil im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB ist jede Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Empfängers objektiv verbessert. Ein solcher Vorteil kann auch in dem Abschluss eines Vertrages und der dadurch begründeten Forderung bestehen (BGH, Urteile vom 21. Juni 2007 - 4 StR 69/07, NStZ-RR 2007, 309, 310; vom 26. Mai 2011 - 3 StR 492/10, wistra 2011, 391, 392 f.; vom 22. März 2018 - 5 StR 566/17, NJW 2018, 1767, 1768 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ]). Da vom Tatbestand des § 331 Abs. 1 StGB auch Drittvorteile erfasst werden, lag hier jedenfalls in dem durch Annahme des jeweiligen Auftrags bewirkten Vertragsschluss mit der Firma B. ein tatbestandsmäßiger Vorteil. Jedoch lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass der Angeklagte etwa jeden der Firma erteilten Auftrag persönlich angenommen oder sonst in jedem einzelnen Fall einen konkreten fördernden Tatbeitrag erbracht hätte. Allerdings hatte er (gemeinsam mit seiner Ehefrau) die Firma B. gegründet und führte sie arbeitsteilig (mit ihr). Dadurch leistete er jedenfalls einen Tatbeitrag, der sich in allen Einzelfällen auswirkte. Erbringt ein Tatbeteiligter einen mehrere Einzeltaten fördernden Beitrag, beispielsweise indem er an dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes mitwirkt, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Delikte als einheitlich begangen zuzurechnen, weil sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden (sog. uneigentliches Organisationsdelikt, vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183 f.; Beschluss vom 3. März 2016 - 4 StR 134/15, wistra 2016, 309, 310).
23
b) Der Senat schließt aus, dass darüber hinausgehende Feststellungen - etwa zu der Frage, wer die von der M. und der W. erteilten Aufträge jeweils annahm - noch getroffen werden können und stellt den Schuldspruch entsprechend um. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt hier die Aufhebung der Einzelstrafen in den 529 Fällen der Vorteilsannahme sowie der Gesamtstrafe. Die vom Landgericht zu der diesbezüglichen Strafbemessung getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen, der lediglich in einer rechtsfehlerhaften Wertung der festgestellten Tatsachen besteht; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Auch die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Strafausspruchs nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, NStZ 2010, 531, 532; Beschluss vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 39).
24
c) Hinsichtlich der für die verbleibende Tat der Vorteilsannahme neu festzusetzenden Einzelstrafe weist der Senat darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer Strafe nicht entgegensteht, die die bisher höchste in den Fällen der Vorteilsannahme verhängte Einzelstrafe übersteigt. Zwar gilt das Verschlechterungsverbot grundsätzlich auch für Einzelstrafen. Die vom Landgericht als selbständig erachteten Taten sind jedoch als solche mit den zugehörigen Einzelstrafen entfallen; sie sind nunmehr mit anderen Taten zur Tateinheit verbunden. Der Unrechtsgehalt dieser einheitlichen Tat ist damit erhöht; denn allein durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses verringert sich der Gesamtunrechtsgehalt nicht. Das Verschlechterungsverbot gebietet bei dieser Sachlage nur, dass die Summe der betroffenen bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird. Zudem darf auch die neue Gesamtstrafe nicht höher als die frühere ausfallen (BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12 mwN).
25
3. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten hat keinen Bestand. Die Urteilsfeststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte durch die begangene Tat der Vorteilsannahme etwas erlangte (§ 73 Abs. 1 StGB). Mit der Durchführung der Arbeiten wurde nicht der Angeklagte persönlich, sondern die gemeinsam mit seiner Ehefrau geführte Firma B. beauftragt. Diese stellte auch die Rechnungen für die geleisteten Arbeiten, so dass es mangels anderweitiger Feststellungen nahe liegt, dass auch der Werklohn an das Unternehmen gezahlt wurde. Feststellungen zu dessen Rechtsform hat die Strafkammer nicht getroffen. Da es jedoch von dem Ehepaar gemeinsam geführt wurde, kann der Angeklagte insoweit nicht als Einzelkaufmann gehandelt haben mit der Folge, dass die gezahlten Werklöhne unmittelbar seinem Vermögen zugeflossen wären. Es ist daher davon auszuge- hen, dass die Eheleute hinsichtlich der Firma B. jedenfalls eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - im Zweifel sogar eine offene Handelsgesellschaft (§ 105 Abs. 1 und 2, § 1 Abs. 2 HGB) - bildeten, der eigene Rechtsfähigkeit zukommt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) und die daher als Drittbegünstigte anzusehen ist.
26
Eine Vermögensmehrung bei einem Drittbegünstigten schließt jedoch grundsätzlich eine gegen den handelnden Täter anzuordnende Einziehung aus; vielmehr ist gegebenenfalls eine (selbständige) Einziehungsanordnung gegen den Drittbegünstigen zu treffen. Das gilt auch dann, wenn der Täter die Möglichkeit hat, auf das Vermögen des Drittbegünstigten zuzugreifen (vgl. zu § 73 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB aF BGH, Urteil vom 29. November 2017 - 2 StR 271/17, juris Rn. 12 ff. mwN). Diese nach altem Recht vorzunehmende grundsätzliche Unterscheidung hat das neue Recht der Vermögensabschöpfung in § 73 Abs. 1 StGB und § 73b StGB übernommen. Letztgenannte Norm setzt neben den sogenannten "Vertreterfällen" nach § 73 Abs. 3 StGB aF auch die bisher schon in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Fallgruppe der "Verschiebungsfälle" in Gesetzesrecht um (BT-Drucks. 8/9525, S. 56 f., 66 f.), so dass auch nach neuer Rechtslage auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (Köhler, NStZ 2017, 497, 498, 501). Danach kommt eine Einziehungsanordnung gegen den für eine Gesellschaft handelnden Täter ausnahmsweise dann in Betracht, wenn er diese nur als formalen Mantel nutzt und eine Trennung zwischen Täter- und Gesellschaftsvermögen tatsächlich nicht existiert oder wenn jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss bei der Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird (BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256; Beschluss vom 7. September 2016 - 2 StR 352/15, BGHR StGB § 73 Erlangtes 22). Da nicht ausgeschlossen erscheint, dass noch derartige Feststellungen getroffen werden können, die eine Einziehungsanordnung unmittelbar gegen den Angeklagten zulassen, ist über die Frage der Einziehung erneut zu entscheiden.

III.

27
Für den Fall, dass die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut die Einziehung des Wertes von Taterträgen anordnet, weist der Senat auf Folgendes hin:
28
Nach den bisherigen Feststellungen wurden in den Fällen 540 bis 550 der Anklageschrift keine oder keine vollständigen Zahlungen mehr an die Firma B. geleistet. Dies hat das Landgericht übersehen; es ergibt sich aus den Zusätzen "unbezahlt" oder "(teilw) unbezahlt" der in den Urteilsgründen wiedergegebenen tabellarischen Aufstellungen. Sollte eine Einziehungsanordnung gegen den Angeklagten persönlich in Betracht kommen, wäre das neue Tatgericht gleichwohl nicht gehindert, eine Einziehung in der bisherigen Höhe anzuordnen. Das ergibt sich aus Folgendem:
29
Das Landgericht hat seine Einziehungsanordnung auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützt und sie nach grundsätzlich (bis auf die übersehene Nichtzahlung in den Fällen 540 bis 550 der Anklageschrift) rechtsfehlerfreier Schätzung auf den Wert der durch die Firma B. im Tatzeitraum erzielten Gewinne beschränkt. Dies ist, ohne dass der Angeklagte hierdurch beschwert wäre, rechtsfehlerhaft.
30
Ist die Einziehung des Erlangten nicht möglich, ist nach § 73c StGB dessen Wert einzuziehen. Dieser ist nach § 73d StGB zu bestimmen. Danach sind Aufwendungen des Täters oder des Dritten grundsätzlich abzugsfähig, es sei denn, sie sind für die Begehung der Tat aufgewendet oder eingesetzt worden.
Selbst letztgenannte Aufwendungen sind aber dann vom Wert des Erlangten abzuziehen, wenn es sich um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt. Die Taten der Vorteilsannahme waren mit Abschluss des jeweiligen Vertrages über die Erbringung von Verklebearbeiten bereits vollendet. Hierdurch erlangte die Firma B. den im synallagmatischen Verhältnis zum Erbringen der Arbeiten stehenden Anspruch auf Zahlung des Werklohns. Jedoch war auch der später zur Erfüllung des Vertrages gezahlte Werklohn noch durch die Tat erlangt, diese mithin erst mit vollständiger Durchführung des Vertrages beendet (vgl. im Einzelnen zu § 299 StGB: BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 - 3 StR 103/17, NJW 2017, 2565, 2566 f.). Die zum Zweck der Erlangung des Werklohns jeweils erbrachte Werkleistung fiel damit in die Zeit zwischen Tatvollendung und -beendigung. Sie wurde mithin noch für die Tat aufgewendet, weil ohne sie der Werklohn nicht gezahlt worden wäre. Damit ist sie nach § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB nicht von dem Wert des Erlangten (gesamter Werklohn) abzuziehen. Auch aus § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB ergibt sich hier nichts anderes. Denn bei den durch die Firma B. erbrachten Werkleistungen handelte es sich nicht um solche Leistungen, die zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat erbracht wurden. Diese Rückausnahme ist ausschließlich auf Delikte anwendbar, die individuelle Vermögensinteressen schützen (Köhler, NStZ 2017, 497, 509). Die Vorteilsannahme nach § 331 StGB ist jedoch kein dem Individualrechtsgüterschutz dienendes Delikt. Es bezweckt den Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Sachgerechtigkeit und Nichtkäuflichkeit des öffentlichen Dienstes sowie dessen Lauterkeit (vgl. nur BGH, Urteile vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 25; vom 15. Juni 2005 - 1 StR 491/04, NStZ-RR 2005, 266, 267). Zudem setzt die Anwendung von § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB voraus, dass die Verbindlichkeit wirksam (wenn auch - wie beim Eingehungsbetrug - anfechtbar) ist (BT-Drucks. 18/9525,
S. 68; Köhler aaO). Dies ist bei Verträgen, die selbst den Vorteil im Sinne des § 331 StGB darstellen, jedoch nicht der Fall. Deren Nichtigkeit folgt aus § 134 BGB, weil § 331 StGB ein gesetzliches Verbot in diesem Sinne darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 217/12, BGHZ 201, 129, 139 f.; MüKoBGB/Armbrüster, 7. Aufl., § 134 Rn. 59).
31
Sollte die Einziehung des Wertes des Erlangten gegen den Angeklagten anzuordnen sein, wird das neue Tatgericht jedoch das sich auch auf die Einziehung erstreckende Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPOzu beachten haben.
Becker Spaniol Berg RiBGH Hoch befindet Leplow sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 490/07
vom
19. Juni 2008
Nachschlagewerk: ja nur zu I.
BGHSt: ja nur zu I.
Veröffentlichung: ja nur zu I.
___________________________________
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; §§ 331 - 334
Zur Amtsträgereigenschaft eines selbständigen Ingenieurs, der aufgrund eines
Dienstvertrages langfristig bei einer 100-prozentigen Tochter der Deutsche Bahn AG
im Konzernbereich Fahrweg (jetzt: DB Netz AG) beim Um- oder Ausbau des Streckennetzes
tätig ist (Fortführung von BGHSt 49, 214).
BGH, Urt. vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07 - LG Hildesheim
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. Bestechlichkeit u. a.
zu 2. Bestechung u. a.
zu 3. Betruges
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. Mai 2008 in der Sitzung am 19. Juni 2008, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Vertreter des Angeklagten R.,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 29. Mai 2008 -
als Vertreter der Nebenbeteiligten,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. April 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Angeklagten P. und D. betrifft.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten R. fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Mit der Anklageschrift ist den Angeklagten P. und D. der Vorwurf der Bestechlichkeit bzw. Bestechung in drei Fällen, bei dem Angeklagten D. in einem Fall in Tateinheit stehend mit Anstiftung zur Untreue und zum Betrug, sowie allen drei Angeklagten der Vorwurf des Betruges, bei dem Angeklagten P. in Tateinheit stehend mit Untreue, gemacht worden. Das Landgericht hat den Sachverhalt im Eröffnungsbeschluss abweichend gewertet und die Anklage im Fall 1 der Anklageschrift (B. VIII. der Urteilsgründe) wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr durch die Angeklagten D. und P. und in den Fällen 2-4 der Anklageschrift (B. IX. der Urteilsgründe ) wegen einer prozessualen Tat des Betruges durch alle drei Angeklagten, hinsichtlich des Angeklagten P. darüber hinaus wegen einer tateinheitlich hierzu begangenen Untreue zugelassen. Durch das angefochtene Urteil hat es die Angeklagten aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen freigesprochen. Dagegen wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat bezüglich der Angeklagten P. und D. Erfolg, hinsichtlich des Angeklagten R. ist es unbegründet.

I.


2
Die Revision dringt mit der Sachrüge durch, soweit das Landgericht eine Strafbarkeit der Angeklagten P. und D. nach den §§ 331 ff. StGB mit der Begründung abgelehnt hat, der Angeklagte P. sei zur Tatzeit kein Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gewesen.
3
1. Die Strafkammer hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:
4
Der Angeklagte P. , ein ehemaliger, auf eigenen Wunsch aus dem Beamtenverhältnis ausgeschiedener Bundesbahnbeamter, war ab Februar 1996 als selbständiger Ingenieur bei der Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit GmbH (im Folgenden: PBDE), einer 100-prozentigen Tochter der Deutschen Bahn AG (im Folgenden: DB AG) beschäftigt. Unternehmensgegenstand der innerhalb der DB AG dem Bereich Fahrweg zugeordneten Gesellschaft war die Vorbereitung und Steuerung von Planung, Bauvorbereitung, Baudurchführung und Bauüberwachung insbesondere der Schienenverkehrsprojekte "Deutsche Einheit" einschließlich der Vergabe, der Koordinierung und der Abwicklung aller Arbeiten auf der Grundlage von zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DB AG geschlossenen Finanzierungsvereinbarungen. Mit Wirkung zum 1. Juli 1999 wurde die PBDE aus dem Vermögen der DB AG ausgegliedert und mit sämtlichen bestehenden Vertragsverhältnissen in das Vermögen der DB Netz AG überführt.
5
Dem Angeklagten P. war durch den "im Namen und für Rechnung der Deutschen Bahn AG" geschlossenen Ingenieurvertrag mit der PBDE eine zuvor vakante Stelle übertragen worden. Er erbrachte zunächst Leistungen im Bereich Streckenplanung/Baulenkung/Abrechnung beim Bau der Schnellbahnstrecke Hannover-Berlin im Planungsabschnitt 01 und war u. a. für die Vorbereitung von Vergaben zuständig. Nach einer internen Bekanntmachung hatte er alle Befugnisse wie ein interner Mitarbeiter und arbeitete unter der Stellenbezeichnung "S 142". Anfang Juli 1999 wurde der Vertrag rückwirkend zum 1. Mai 1999 auf die Nachtragsbearbeitung auch im Planungsabschnitt 02 der Strecke erweitert.
6
Der Angeklagte D. war Geschäftsführer der GP Baugesellschaft mbH & Co. KG (später GP Baugesellschaft mbH, im Folgenden: GP), die unter seiner Leitung ihr Umsatzvolumen im Bereich Erd- und Tiefbauarbeiten wesentlich steigerte und Aufträge öffentlicher und privater Auftraggeber abwickelte , darunter mehrere Projekte für die DB AG.
7
Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Erweiterung eines Auftrags zur Durchführung von Erdarbeiten im Planungsabschnitt 01 um 13,5 Mio. DM, für die die PBDE der GP als Mitglied einer aus mehreren Unternehmen bestehenden Arbeitsgemeinschaft (ARGE) den Zuschlag erteilt hatte, erhielt der Angeklagte P. von der GP einen Scheck über 130.000 DM mit einem unzutreffenden Verwendungszweck. Einige Monate später erstellte er über diesen Betrag eine rückdatierte Scheinrechnung an die GP. Im Planungsabschnitt 02, in dem die GP als Mitglied einer anderen ARGE ebenfalls mit Erdarbeiten betraut war, meldete sie mehrere Nachträge an, unter anderem wegen Baubehinderung durch Sperrung einer Ortsdurchfahrt in Höhe von über 3 Mio. DM. Nachdem der Nachtrag mehrfach - auf Seiten der PBDE koordiniert durch den Angeklagten P. - verhandelt und die Forderung auf ca. 1,9 Mio. DM reduziert worden war, verfasste der Angeklagte P. einen befürwortenden Vergabevermerk und stellte an dem Tag, an dem auch alle anderen Verantwortlichen bei der PBDE diesen unterzeichnet hatten, der GP eine Rechnung über 90.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer, die er mit einem unzutreffenden Rechnungstext versah. Die GP überwies etwa einen Monat später an den Angeklagten P. 90.000 DM; am selben Tag stellte sie der PBDE die abgesprochene Rechnung für den Nachtrag über ca. 1,9 Mio. DM.
8
2. Die Auffassung des Landgerichts, auf Grundlage dieser Feststellungen komme eine Verurteilung der Angeklagten P. und D. wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung (§§ 332, 334 StGB) nicht in Betracht, weil es sich bei dem Angeklagten P. nicht um einen Amtsträger gehandelt habe, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte P. war Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, denn er war bei der PBDE als einer sonstigen Stelle im Sinne der Vorschrift zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt.
9
a) Bei den von der PBDE ausgeschriebenen und unter ihrer Leitung durchgeführten Gleisbaumaßnahmen handelte es sich um Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Der Ausbau und die Erhaltung des Schienennetzes gehören zu den Aufgaben der Leistungsverwaltung einschließlich der Daseinsvorsorge, die nach ständiger Rechtsprechung zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gezählt werden (BGHSt 31, 264, 268; 38, 199, 201 f.; 43, 370, 375; 49, 214, 220 ff.). Trotz der (teilweisen) Privatisierung der deutschen Eisenbahnen stellt das Eisenbahnwesen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 49, 214, 221 ff.) und der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur (Rudolphi/Stein in SK-StGB § 11 Rdn. 27; Radtke in MünchKomm-StGB § 11 Rdn. 41; Heinrich, Der Amtsträgerbegriff im Strafrecht S. 637 f.; Hommelhoff/Schmidt-Aßmann ZHR 160 [1996] 521, 537; jew. m. w. N.; aA Cantzler, Strafrechtliche Auswirkungen der Privatisierung von Verwaltungsaufgaben S. 14 f., 114) eine öffentliche Aufgabe dar. Dies gilt insbesondere für die von der PBDE nach ihrem Unternehmensgegenstand entfalteten Tätigkeiten der Planung, Bauvorbereitung, Baudurchführung und Bauüberwachung von Schienenverkehrsprojekten. Nach der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art. 87e Abs. 4 GG gewährleistet der Bund beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes die Berücksichtigung des Allgemeinwohls. Gesellschaften, die den Bau, das Unterhalten und das Betreiben von Schienenwegen zum Geschäftszweck haben, verbleiben dauerhaft zumindest mehrheitlich im Eigentum des Bundes (Art. 87e Abs. 3 Satz 2, 3 GG). Durch diese Regelungen, die erst im Gesetzgebungsverfahren Aufnahme in den Gesetzentwurf fanden, sollte ein Ausgleich zu der Forderung der Länder, das Schienennetz im unmittelbaren Bundeseigentum zu belassen, geschaffen und die politische Verantwortung des Bundes für die Infrastruktur sichergestellt werden (BTDrucks. 12/6280 S. 8). Sie zeigen, dass ein vollständiger Rückzug des Bundes aus dem Eisenbahnwesen trotz der Überführung des Eisenbahn- vermögens in Wirtschaftsunternehmen nicht gewollt war und insbesondere die hier in Rede stehenden Neubaumaßnahmen von Schienenwegen als Teil des Ausbaus der Infrastruktur vorrangig dem Allgemeinwohl dienen und damit eine öffentliche Aufgabe darstellen.

10
b) Bei der PBDE handelte es sich um eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
11
Unter einer sonstigen Stelle versteht man eine behördenähnliche Institution , die unabhängig von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken, ohne dabei eine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein. Ist eine Einrichtung der Öffentlichen Hand in der Form einer juristischen Person des Privatrechts organisiert, müssen bei ihr Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen; sie muss nach ständiger Rechtsprechung bei einer Gesamtbetrachtung "als verlängerter Arm des Staates erscheinen" (BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 46, 310, 312 f.; 49, 214, 219; 50, 299, 303; BGH NStZ 2006, 628, 630). In die Gesamtbetrachtung sind alle wesentlichen Merkmale der Gesellschaft einzubeziehen, namentlich, ob diese gewerblich tätig ist und mit anderen im Wettbewerb steht (BGHSt 38, 199, 204), ob im Gesellschaftsvertrag eine öffentliche Zwecksetzung festgeschrieben ist (BGHSt 43, 370, 372 f.), ob sie im Eigentum der Öffentlichen Hand steht und ihre Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert wird (BGHSt 45, 16, 20) sowie in welchem Umfang staatliche Steuerungs- und Einflussnahmemöglichkeiten bestehen (BGHSt 43, 370, 378 f.; 45, 16, 20 f.; 49, 214, 224 f.).
12
Bei einer Gesamtbetrachtung aller die PBDE prägenden Merkmale ergibt sich, dass sie als "verlängerter Arm des Staates" zu werten, damit einer Behör- de gleichzustellen ist und deshalb eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB darstellt:
13
Die Gesellschaft stand im Tatzeitraum im alleinigen (mittelbaren) Bundeseigentum , weil die Bundesrepublik sämtliche Anteile an der DB AG hielt, die zunächst unmittelbar und ab Juli 1999 mittelbar über die DB Netz AG zu 100 % Muttergesellschaft der PBDE war. Dementsprechend verfügte der Bund über Aufsichtsbefugnisse sowohl gegenüber der DB AG als auch unmittelbar im Aufsichtsrat der PBDE.
14
Zwar ist die alleinige Inhaberschaft sowie eine Rahmen- und Globalsteuerung der Gesellschaft durch den Staat für die Annahme einer "sonstigen Stelle" noch nicht ausreichend (BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; 49, 214, 226). Jedoch ergibt die gebotene Gesamtschau der folgenden besonderen Umstände, dass die PBDE einer Behörde gleichsteht:
15
aa) Die finanziellen Mittel zur Durchführung der Schienenverkehrsprojekte wurden nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils der PBDE über die DB AG aufgrund der zwischen dieser und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Rahmen- und Einzelfinanzierungsvereinbarungen in Form von zinslosen Darlehen oder nicht rückzahlbaren Baukostenzuschüssen vollständig durch den Bund zur Verfügung gestellt.
16
bb) Die PBDE wurde nicht gewerblich tätig und stand zu anderen Unternehmen nicht im Wettbewerb. Sie erwirtschaftete - anders als dies ein privatwirtschaftliches Konkurrenzunternehmen hätte tun müssen - mit ihrer Planungsund Koordinierungstätigkeit keine Erträge, sondern setzte die ihr zur Verfügung gestellten Mittel zur Realisierung der Schienenprojekte und damit zur Erfüllung der dem Bund gemäß Art. 87e GG obliegenden und von diesem finanzierten Gemeinwohlaufgabe ein. Auf dem Gebiet des Ausbaus der Schieneninfrastruktur bestand - und besteht bis heute - kein Wettbewerb, weil es an konkurrierenden Auftraggebern fehlt. Aus diesem Grund wird die im Zuge der Umsetzung der zweiten Stufe der Bahnreform gegründete DB Netz AG vergaberechtlich als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Satz 1 Nr. 2 GWB angesehen, weil ihr Unternehmensbereich der klassischen Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand zuzuordnen ist und sie nicht gewerblich tätig wird (Vergabekammer des Bundes, VergabeR 2004, 365, 367; Battis/Kersten, WuW 2005, 493, 497 ff.). Die für die Muttergesellschaft der PBDE maßgeblichen Grundsätze gelten für die PBDE entsprechend.
17
cc) Aus dem Gesellschaftsvertrag der PBDE ergibt sich zudem eine öffentliche Zwecksetzung, weil darin die Umsetzung der vom Bund zu gewährleistenden und zu finanzierenden Schienenverkehrsprojekte als (alleiniger) Unternehmensgegenstand festgeschrieben ist. Soweit darüber hinaus als Unternehmensgegenstand die Realisierung der Projekte "Deutsche Einheit" genannt werden, dienten diese in besonderem Maße der Erfüllung des Gemeinwohlauftrages des Bundes: Die Forderung nach einer technischen und organisatorischen Angleichung der beiden Deutschen Bahnen nach der Wiedervereinigung (Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn) geht auf Art. 26 Abs. 3 des Einigungsvertrages zurück. Dementsprechend ist nach § 8 Abs. 1 Satz 3 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG) der Ausbaustand der Schienenwege in den neuen Bundesländern an den in den alten Bundesländern anzupassen. Der Bedarfsplan gemäß § 1 Abs. 1 BSWAG in der zur Tatzeit gültigen Fassung vom 15. November 1993 (BGBl 1993 I S. 1875 f.) wies das von der PBDE ausgeführte Projekt der Ausbau- / Neubaustrecke Hannover-Berlin als vordringlichen Bedarf aus.
18
dd) Aus der engen Verzahnung von öffentlicher Aufgabe, öffentlicher Finanzierung und öffentlichem Gesellschaftszweck ergeben sich im Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben des BSWAG umfangreiche Einflussmöglichkeiten und Steuerungsmechanismen des Staates gegenüber der PBDE: Welche Strecken neu bzw. ausgebaut werden, legt der Bund durch den Bedarfsplan zum BSWAG fest. Eine Konkretisierung dieses Bedarfsplanes erfolgt durch vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung aufgestellte Fünfjahrespläne, die die Grundlage der Aufstellung von Ausbauplänen für die Bundesschienenwege bilden (§ 5 Abs. 1 BSWAG). Nicht darin aufgeführte Strecken können gemäß § 6 BSWAG nur in Ausnahmefällen aufgrund eines unvorhergesehenen Verkehrsbedarfs in die Ausbaupläne aufgenommen werden. Der Bedarfsplan ist alle fünf Jahre nach einer Prüfung durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gegebenenfalls anzupassen , wobei die Aufstellung und Anpassung des Bedarfsplanes durch Gesetz vorgenommen werden (§ 4 Abs. 1 BSWAG).
19
Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 BSWAG finanziert der Bund den Bau, den Ausbau sowie Ersatzinvestitionen, die DB AG trägt gemäß § 8 Abs. 4 BSWAG lediglich die Kosten der Unterhaltung und Instandhaltung ihrer Schienenwege. Die Durchführung und die Finanzierung der in den Bedarfsplan aufgenommenen Baumaßnahmen geschieht gemäß § 9 BSWAG auf der Grundlage von öffentlich -rechtlichen Verträgen zwischen der DB AG und der den Neu- oder Ausbau finanzierenden Gebietskörperschaft, d. h. in aller Regel dem Bund, in denen konkrete Vorgaben für die Verwendung der Gelder gemacht werden (BGHSt 49, 214, 224). Durch die grundsätzliche Befugnis zur Festlegung der von der PBDE durchzuführenden Baumaßnahmen war eine weitere Einflussnahme des Staates damit auch über die Mittelvergabe gegeben, ohne die der PBDE kein Kapital zur Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit verblieb.
20
Auch der Gesellschaftsvertrag der PBDE sah Einflussmöglichkeiten des Bundes vor. In den aus mindestens fünf Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat konnten sowohl das Bundesministerium für Verkehr als auch das Bundesministerium für Finanzen jeweils ein Aufsichtsratsmitglied entsenden. Nach § 14 Abs. 2 bzw. § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages oblag es dem Aufsichtsrat, "den von der Geschäftsführung aufgestellten Wirtschaftsplan (…) und einen davon abhängigen Plan, der die vom Eisenbahn-Bundesamt der DB AG zugewiesenen Haushaltsmittel des Bundes sowie deren Verwendung für das kommende Geschäftsjahr ausweist", zu beschließen. Im Aufsichtsrat konnten "Maßnahmen von grundsätzlicher und finanzieller Bedeutung" nicht gegen die Stimmen des Bundes beschlossen werden (§ 7 Abs. 3 bzw. § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages ). Zu den Einflussmöglichkeiten aufgrund der Regelungen des BSWAG und der Steuerung über die Mittelvergabe bestand damit zumindest eine Sperrminorität des Bundes im Aufsichtsrat der PBDE, durch die er die Einhaltung seiner Vorgaben kontrollieren konnte.
21
ee) Nach alledem ist es ohne Bedeutung, dass die beiden Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat in der Minderheit waren und deshalb - wie das Landgericht ausführt - keine Wünsche und Vorstellungen gegen den Willen der Geschäftsführung durchsetzen konnten. Die aufgezeigten Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten bereits weit im Vorfeld einer etwaigen Entscheidung des Aufsichtsrats belegen für den Geschäftsbereich der PBDE eine hinreichend konkrete staatliche Steuerung, die im Zusammenhang mit der ausschließlich staatlichen Mittelherkunft, der fehlenden Wettbewerbssituation und der im Vordergrund stehenden öffentlichen Aufgabe der Gewährleistung der Schieneninfrastruktur die Einordnung der PBDE als sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB tragen. Schon diese Umstände unterscheiden den hier zu beurteilenden Sachverhalt wesentlich von dem vom Landgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht herangezogenen Fall, dass sich ein Privater mit einer Sperrminorität an einer Gesellschaft beteiligt, die auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge tätig wird und mehrheitlich im staatlichen oder kommunalen Eigentum steht (vgl. BGHSt 50, 299). Es kommt hinzu, dass zwar nur zwei Aufsichtsratsmitglieder unmittelbar vom Bund entsandt wurden, jedoch aufgrund des alleinigen Anteilseigentums des Bundes an der DB AG und damit mittelbar auch an der PBDE die nicht unmittelbar vom Bund bestimmte Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder nicht einem privaten Dritten, der vom Staat völlig unabhängig ist, gleichgesetzt werden kann.
22
c) Das Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2004 (BGHSt 49, 214), mit dem er für die DB AG als Ganzes die Eigenschaft einer "sonstigen Stelle" verneint hat, steht nicht entgegen. In dieser Entscheidung ist für die mit der zweiten Stufe der Bahnreform im Jahr 1999 als Konzerntochter der DB AG gegründete, ausschließlich für den Bereich Fahrweg zuständige DB Netz AG ausdrücklich offen gelassen worden, ob diese einer derartigen staatlichen Steuerung unterliegt, dass sie als "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB einzustufen ist (BGHSt aaO S. 226 f.). Daraus wird deutlich, dass in diesem Urteil auch keine Festlegungen für die Einordnung solcher - nicht in den Blick genommener - selbständiger Tochterunternehmen der DB AG getroffen werden sollten, die schon vor der zweiten Stufe der Bahnreform ausschließlich im Teilbereich Fahrweg tätig waren.
23
Auch das vom Landgericht aus dem genannten Urteil herangezogene Argument, die DB AG sei bis zur zweiten Stufe der Bahnreform als einheitliches Unternehmen aufgetreten, müsse daher als Ganzes beurteilt werden und könne als Unternehmenseinheit nicht als "sonstige Stelle" nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB angesehen werden, führt für die PBDE nicht weiter. Denn unabhängig davon, ob § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB mit dem Begriff der "sonstigen Stelle" bei privatrechtlichen Einrichtungen tatsächlich ausschließlich Unternehmen oder Gesellschaften als Ganzes bezeichnet oder nicht doch auch deren abgrenzbare Untereinheiten umfasst, handelte es sich bei der PBDE um eine eigene Rechtspersönlichkeit, die daher nicht allein deshalb - jedenfalls bis zum Inkrafttreten der zweiten Stufe der Bahnreform - derselben rechtlichen Einordnung wie die DB AG unterliegen kann oder gar muss, weil sie eine 100-prozentige Tochter der DB AG war (dies trifft im Übrigen jetzt auch auf die DB Netz AG zu) und diese als einheitliches Unternehmen auftrat.
24
Es bedarf nach alledem auch keiner weiteren Erörterung, ob der in einigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes geforderte weitergehende, insbesondere gesellschaftsrechtlich verankerte Einfluss der Öffentlichen Hand auf die laufenden Geschäfte und Einzelentscheidungen (BGHSt 43, 370, 378; 45, 16, 20; 49, 214, 226) stets maßgeblich für die Gleichstellung einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft mit einer Behörde ist. Der Senat hätte Bedenken, diesem Kriterium ein solch entscheidendes Gewicht beizumessen. Dem steht zunächst entgegen, dass der Gesetzgeber mit der Ergänzung von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB durch die Worte "unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform" durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) klargestellt hat, dass die Wahl der Organisationsform - privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich - für sich gesehen nicht zur Abgrenzung einer "sonstigen Stelle" von nichtstaatlichen Einrichtungen herangezogen werden kann. Dann verbietet sich aber auch ein vorrangiges Abstellen auf die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung von Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten. Darüber hinaus sind Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages bereits für den bei einer solchen Gesellschaft Angestellten oftmals nicht zu überblicken; erst recht gilt das für einen außenstehenden Dritten. Damit ist aber für die möglichen Täter eines Bestechungsdelikts ein - nach der zitierten Rechtsprechung maßgebliches - Kriterium, das die Amtsträgerschaft und damit gegebenenfalls die Strafbarkeit begründet, nicht oder nur schwer erkennbar. Nicht zuletzt im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG neigt der Senat deshalb dazu, hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeiten des Staates nicht zu verlangen, dass sich aus gesellschaftsrechtlichen Regelungen ein Einfluss der Öffentlichen Hand auf konkrete Einzelentscheidungen im Tagesgeschäft ergeben muss (vgl. dazu Radtke in MünchKomm-StGB § 11 Rdn. 55; Heinrich NStZ 2005, 197, 201; kritisch zum Erfordernis der staatlichen Steuerung auch Rudolphi/Stein in SK-StGB § 11 Rdn. 30 a).
25
d) Der Angeklagte P. war nach den Feststellungen des Landgerichts auch zum Amtsträger bestellt. Die öffentlich-rechtliche Bestellung ist von der rein privatrechtlichen Beauftragung abzugrenzen und muss zu einer über den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen Tätigkeit oder einer organisatorischen Eingliederung in die Behördenstruktur führen, ohne dass es freilich eines förmlichen Bestellungsaktes bedarf (BGHSt 43, 96, 102; Fischer, StGB 55. Aufl. § 11 Rdn. 20 m. w. N.). Bei dem Angeklagten P. lag sowohl eine längerfristige Tätigkeit über mehrere Jahre als auch eine Eingliederung in die Struktur der PBDE vor, in der er die Stelle "S 142" bekleidete. Dies wurde durch die interne Mitteilung, dass er über die gleichen Befugnisse wie ein Mitarbeiter verfügte, auch schriftlich dokumentiert.
26
Die Auffassung des Landgerichts, dass es eines Bestellungsaktes mit Warnfunktion bedurft hätte, beruht auf der rechtsfehlerhaften Annahme, bei der PBDE habe es sich jedenfalls bis zur Eingliederung in die DB Netz AG nicht um eine sonstige Stelle im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gehandelt; sie trifft deshalb ebenfalls nicht zu.
27
3. Aufgrund der rechtsfehlerhaften Verneinung der Amtsträgerschaft des Angeklagten P. war das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben, soweit es die Angeklagten P. und D. betrifft. Dies gilt auch hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes, in dem das Landgericht an sich rechtsfehlerfrei (s. dazu unten II.) auch diese beiden Angeklagten vom Vorwurf des Betruges bzw. der Untreue freigesprochen hat. Es hat aber insoweit den festgestellten Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt der Bestechlichkeit bzw. Bestechung rechtlich unzutreffend gewürdigt. Um dem neuen Tatrichter eine unabhängige und widerspruchsfreie Beurteilung zu ermöglichen, hat der Senat deshalb die Feststellungen insgesamt aufgehoben, soweit sie die Angeklagten P. und D. betreffen.

II.


28
Das Urteil hat hingegen Bestand, soweit das Landgericht den Angeklagten R. im zweiten Tatkomplex vom Vorwurf des Betruges aus tatsächlichen Gründen freigesprochen hat.
29
Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Auch die Sachrüge dringt nicht durch:
30
Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beweiswürdigung weder lückenhaft, noch weist sie sonstige Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat aufgrund einer umfassenden Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Indizien eingehend begründet, warum es sich insbesondere von einer vorsätzlichen Täuschungshandlung nicht hat überzeugen können. Maßgeblich hat es dabei darauf abgestellt, dass die Umstände, die für und gegen die Berechtigung der geltend gemachten Nachtragsforderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach sprachen, den maßgeblichen Entscheidungsträgern innerhalb der PBDE aufgrund der Vielzahl von Verhandlungen über diese Forderung und des umfangreichen Schriftwechsels darüber bekannt waren. Rechtsfehlerfrei hat es zudem berücksichtigt, dass für die Beurteilung der Frage , ob die Forderung dem Grunde nach berechtigt war, seitens der PBDE eine Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet worden und eine bewusste Falschinformation dieser Kanzlei nicht feststellbar war. Zur Höhe der Forderung hat sich die Strafkammer auf das Gutachten des in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen berufen und in rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt, dass auch dem Rechnungsprüfer der PBDE die offensichtlichen Rechenfehler des Angeklagten R. sowie die fehlende Nachvollziehbarkeit der Forderung in Bezug zu der Urkalkulation nicht aufgefallen waren. Angesichts dieser Umstände kam es auf die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Forderung der GP tatsächlich bestand oder zivilgerichtlich durchsetzbar gewesen wäre, nicht mehr entscheidend an. Aus diesem Grund genügen auch die Ausführungen der Strafkammer, mit denen sie die wesentlichen Ausführungen des Sachverständigengutachtens wiedergegeben hat, den revisionsrechtlichen Anforderungen.
31
Soweit die Staatsanwaltschaft einzelne Indizien herausgreift und stärker zu Lasten des Angeklagten wertet oder sich gegen Feststellungen wendet, die das Landgericht aus dem Sachverständigengutachten herleitet, handelt es sich um den im Revisionsverfahren unbehelflichen Versuch, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen.
Becker Pfister von Lienen
RiBGH Hubert und RiBGH Dr. Schäfer befinden sich im Urlaub und sind daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 620/17
vom
31. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Vorteilsannahme u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:310718B3STR620.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 31. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Juli 2017
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vorteilsannahme in 529 tateinheitlichen Fällen sowie der Untreue in zwei Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den unter II. 5. der Urteilsgründe bezeichneten 529 Fällen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen bestehen,
c) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 348.267,24 Euro angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorteilsannahme in 529 Fällen sowie Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und bestimmt, dass sechs Monate der verhängten Strafe wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Weiter hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 348.267,24 Euro angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Das Landgericht hat - soweit für die nachstehenden Entscheidungsgründe relevant - im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war jahrzehntelang Angestellter der R. AG, deren Kernaufgabe die Bereitstellung des öffentlichen Personennahverkehrs auf dem Gebiet der Stadt D. war. Alleiniger Eigentümer der Gesellschaft war - teilweise mittelbar über eine Holding - die Stadt D. , die über den hälftig von ihr besetzten Aufsichtsrat die Geschäftsführung durch den Vorstand überwachte. Dabei unterlagen Geschäfte größerer Bedeutung ebenso der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates wie zahlreiche weitere unternehmerische Entscheidungen, beispielsweise die Neufestsetzung der Fahrtarife, wesentliche Änderungen des Betriebsnetzes oder Beteiligungen an Verkehrsverbünden. Auch der Aufstellung des Wirtschaftsplans und der Feststellung und Verwendung des Jahresabschlusses musste der Aufsichtsrat zustimmen. Zudem konnte er für weitere von ihm bestimmte Geschäfte im Einzelfall ein Zustimmungserfordernis beschließen. Konkurrierende Unternehmen am Markt existierten nicht. Die R. AG erreichte im Durchschnitt einen Kostendeckungsgrad von etwas mehr als 80 %. Das verbleibende Defizit wurde bewusst in Kauf genommen, um den Zugang zum Personennahverkehr möglichst weitreichend und flächendeckend zu gewährleisten; es wurde aus Mitteln der öffentlichen Hand ausgeglichen.
4
Dem Angeklagten war zuletzt der Bereich "Werbevermarktung, Verkauf Material und Anlagegüter" zur eigenverantwortlichen Bearbeitung übertragen. Auf diesem Aufgabengebiet konnte er eigenständige Entscheidungen treffen und Bestellungen bis zu einer Wertgrenze von 10.000 Euro selbst und ohne Prüfung durch Bereichsleitung oder Vorstand genehmigen. Zum Kernbereich seiner Zuständigkeit gehörte die Verkehrsmittelwerbung auf Flächen von Bussen, Bahnen und Wartehallen der R. AG.
5
Mit einem langfristigen Konzessionsvertrag hatte die R. AG der Firma M. GmbH (im Folgenden: M. ) das ausschließliche Recht übertragen, den Gesamtbestand der ihr gehörenden öffentlichen Verkehrsmittel durch Werbung wirtschaftlich zu nutzen. Als Gegenleistung schuldete die M. der R. AG 83 % aller Einnahmen aus der werblichen Nutzung. Jede beabsichtigte Werbung war der R. AG in Person des Angeklagten zur vorherigen Zustimmung vorzulegen. Das Anbringen der Werbung war Sache der M. , die hiermit Subunternehmer betraute.Mit der Entfernung der Werbung hatte die M. die R. AG entgeltlich zu beauftragen, die jedoch eine abweichende Abwicklung bestimmen konnte. In etwa 30 % aller Fälle erteilte die M. der Firma W. GmbH (im Folgenden: W. ) den Auftrag zur Herstellung der Werbefolien, teilweise auch zugleich zu deren Verklebung. Letztere nahm die W. allerdings nicht selbst vor, sondern reichte sie ihrerseits an einen Subunternehmer weiter. Außerdem hatte sich die R. AG das Recht vorbehalten, eigene Werbung auf ihre Kosten an ihren Verkehrsmitteln und sonstigen Einrichtungen anzubringen oder durch Dritte anbringen zu lassen. Teilweise beauftragte die R. AG die W. direkt mit der Herstellung, Beklebung oder Beseitigung von Werbefolien. Diese Aufträge erteilte der Angeklagte. Er war Ansprechpartner für die M. und die W. und koordinierte das Anbringen und Entfernen der Werbefolien. Die Arbeiten wurden in den Werkstätten der R. AG vorgenommen, für die der Angeklagte die erforderlichen Betretenserlaubnisse erteilte.
6
Nachdem ein Mitarbeiter der M. seine Tätigkeit eingestellt hatte, dessen Unternehmen zuvor im großen Umfang sowohl von dieser als auch der W. mit Folienverklebungen und -entfernungen beauftragt worden war, gründete der Angeklagte gemeinsam mit seiner Ehefrau die Firma "V. B. " (im Folgenden: Firma B. ), die sie gemeinsam und arbeitsteilig führten. Um sich das Wohlwollen des Angeklagten zu sichern und die geschäftlichen Beziehungen zur R. AG nicht zu gefährden, beauftragten sowohl die M. als auch die W. in der Zeit von Juli 2007 bis September 2011 die Firma B. in insgesamt 529 Fällen mit Verklebungen , die ihre Leistungen zu marktüblichen Preisen abrechnete. Das Auftragsvolumen belief sich für den gesamten Zeitraum auf 1.278.442,28 Euro brutto. Insgesamt erwirtschafteten der Angeklagte und seine Ehefrau hieraus einen Gewinn von 348.267,24 Euro, hinsichtlich dessen Wertes das Landgericht die Einziehung angeordnet hat.

II.

7
Die Verurteilung des Angeklagten wegen 529 (tatmehrheitlichen) Fällen der Vorteilsannahme begegnet rechtlichen Bedenken. Zwar verwirklichte er auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen diesen Straftatbestand (nachfolgend 1.). Jedoch wird die Annahme rechtlich selbständiger Taten von den Feststellungen nicht getragen; das führt zur entsprechenden Schuldspruchänderung sowie zur Aufhebung der für diese Taten verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe (unten 2.). Darüber hinaus hat die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen keinen Bestand (unten 3.). Soweit der Angeklagte wegen Untreue in zwei Fällen verurteilt und eine Kompensationsentscheidung aufgrund rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung getroffen worden ist, hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
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1. Der Angeklagte hat sich wegen Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Er war Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB und ließ sich als solcher für seine Dienstausübung einen Vorteil für einen Dritten versprechen bzw. nahm einen solchen Vorteil an. Der näheren Erörterung bedarf nur die Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung durch den Angeklagten.
9
a) Der öffentliche Personennahverkehr in N. unterfällt der Daseinsvorsorge, die nach gefestigter Rechtsprechung eine öffentliche Aufgabe darstellt (vgl. MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 58 mwN). Die Daseinsvorsorge umfasst alle Tätigkeiten, die dazu bestimmt sind, unmittelbar für die Daseinsvoraussetzungen der Allgemeinheit zu sorgen (BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 101 mwN). Für das Bundeseisenbahnwesen hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, dass die als Wirtschaftsunternehmen geführten Nachfolgegesellschaften der Deutschen Bundesbahn auch nach der Bahnreform eine öffentliche Aufgabe auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge erfüllen (BGH, Urteile vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 221 ff.; vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 292 f.; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 99 ff.).
10
Im Bereich der Daseinsvorsorge kommt dem Staat die Definitionsmacht darüber zu, welche Aufgaben er zu solchen der öffentlichen Verwaltung macht. Das sind diejenigen, die der Staat in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsform selbst als Anbieter der entsprechenden Leistung wahrnimmt (Ransiek, NStZ 1997, 519, 521; Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl., Vorb. I Rn. 23; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 223). Dass sich der Staat den öffentlichen Personennahverkehr und die Sicherstellung der hierfür erforderlichen Verkehrsdienstleistungen selbst zur Aufgabe gemacht hat, ergibt sich schon aus gesetzlichen Regelungen:
11
Zurückgehend auf Rechtsakte der Europäischen Union soll durch Einführung eines regulierten Wettbewerbs ein effizienter Personenverkehr gewährleistet werden. Auf dieser Grundlage haben die Bundesländer eigene Gesetze zum öffentlichen Personennahverkehr geschaffen. § 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) bestimmt wie § 1 des Gesetzes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG), dass der öffentliche Personennahverkehr eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist. Nach § 3 ÖPNVG NRW sind die Kreise und kreisfreien Städte Aufgabenträger für die Planung, Organisation und Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs; sie gelten in ihrem Wirkungskreis als zuständige Behörde im Sinne der VO (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße. Von den Aufgabenträgern unterschieden werden die Verkehrsunternehmen, die die Verkehrsdienstleistungen erbringen und hierzu von den Aufgabenträgern beauftragt werden. Soweit vor dem Hintergrund dieser Rollenverteilung vereinzelt vertreten wird, dass nur die Aufgabenträger (und die Genehmigungsbehörden i.S.d. § 11 PBefG) Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen, während die Verkehrsunternehmen die Rolle des unternehmerisch kalkulierenden Wettbewerbsteilnehmers ausfüllen, der seine Dienstleistungen wirtschaftlich-eigennützig und damit nicht als öffentliche Leistung der Daseinsvorsorge im strafrechtlichen Sinn erbringt (Becker, StV 2006, 263, 266 ff.), ist dem nicht zu folgen. Dies lässt außer Acht, dass der Staat aufgrund seiner Definitionsmacht Aufgaben der Daseinsvorsorge als öffentliche Aufgaben selbst leisten kann, auch wenn er das - wie hier - in der Form privatrechtlich organisierter Unternehmen tut (s. auch Maunz/Dürig/Möstl, GG, 80./82. EL, Art. 87e Rn. 139, 103). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist zudem auch derjenige Amtsträger, der im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle, als die jedenfalls die Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs anzusehen sind, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
12
Seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 am 3. Dezember 2009 kann der öffentliche Personennahverkehr durch die zuständige Behörde sichergestellt werden, indem sie öffentliche Dienstleistungsaufträge vergibt (vgl. Art. 2 Buchst. i und Art. 5 VO [EG] Nr. 1370/2007). Nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 ist es indes ebenso zulässig, dass eine zuständige örtliche Behörde selbst öffentliche Personenverkehrsdienste erbringt oder öffentliche Dienstleistungsaufträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit vergibt, über die sie eine Kontrolle ausübt, die derjenigen über ihre eigenen Dienststellen entspricht. Wenngleich sich den Feststellungen des angefochtenen Urteils die konkrete rechtliche Konstruktion nicht entnehmen lässt, liegt es nahe, dass die kreisfreie Stadt D. als Aufgabenträgerin die R. AG durch einen solchen öffentlichen Dienstleistungsauftrag nach § 3 Abs. 2 ÖPNVGNRW und § 8a PBefG mit der Wahrnehmung des öffentlichen Personennahverkehrs betraute. In diesem Fall wäre schon allein aufgrund der verwaltungsrechtlichen Handlungsform von der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe auszugehen. Denn solche öffentlichen Dienstleistungsaufträge sind nach deutschem Recht öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne der §§ 54 bis 62 VwVfG (Heinze/Fehling /Fiedler, PBefG, 2. Aufl., Vorb. III Rn. 44; § 8a Rn. 21), bei deren Verwendung regelmäßig von öffentlicher Aufgabenwahrnehmung ausgegangen werden kann (MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 49).
13
b) Auch für den vor Inkrafttreten der VO (EG) Nr. 1370/2007 liegenden Tatzeitraum und unabhängig von der Erteilung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags steht die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch den Angeklagten nicht in Frage. Ist diesbezüglich auf das Unternehmen der R. AG als Ganzes abzustellen (so BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 227), folgt das bereits daraus, dass die R. AG mit der Durchführung von Nahverkehrsdienstleistungen eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrnahm und der Angeklagte als deren Angestellter eine von gewisser Selbständigkeit und Eigenverantwortung geprägte Tätigkeit ausübte (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2016 - 2 StR 148/15, BGHSt 61, 135, 139 ff. mwN). Der Senat kann offen lassen, ob der Begriff "sonstige Stelle" im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB insbesondere bei privatrechtlichen Einrichtungen tatsächlich ausschließlich Unternehmen oder Gesellschaften als Ganzes und nicht auch einzelne abgrenzbare Tätigkeitsbereiche oder Untereinheiten erfasst (so bereits BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 298; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 107). Dies könnte zweifelhaft sein, soweit solche abgrenzbare Teile der Einrichtung lediglich der Erzielung von Gewinnen dienen, mit denen die Finanzierung anderweitiger öffentlicher Aufgaben sichergestellt werden soll.
14
Unter den hier gegebenen Umständen zählt jedenfalls auch die durch den Angeklagten verantwortete Werbevermarktung zu der öffentlichen Aufgabe der Bereitstellung eines möglichst flächendeckenden Personennahverkehrs. Zwar dient die Werbevermarktung der Einnahme von Geldern und damit zunächst fiskalischen Interessen. Bei der erwerbswirtschaftlich-fiskalischen Betätigung der öffentlichen Hand wird grundsätzlich zwischen der Beschaffungs - und Bedarfsverwaltung als Teil einer öffentlichen Aufgabe einerseits und der rein wirtschaftlichen Betätigung als privater Aufgabe andererseits unterschieden. Der Beschaffungs- und Bedarfsverwaltung kommt die Funktion zu, die sachlichen Voraussetzungen für die Ausübung der Eingriffs- und Leistungsverwaltung zu schaffen, indem der Staat als Nachfrager von Waren und Dienstleistungen auftritt (sogenannte "fiskalische Hilfsgeschäfte"). Die rein erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates hingegen, bei der er wie andere private Marktteilnehmer als Anbieter von Waren und Dienstleistungen in Erscheinung tritt, dient allein der Gewinnerzielung und Erhöhung der staatlichen Einnahmen und stellt damit für sich genommen keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung dar (MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 74 ff.; NK-StGB-Saliger, 5. Aufl., § 11 Rn. 35; SK-StGB/Stein/Deiters, 9. Aufl., § 11 Rn. 54).
15
Angesichts der Tatsache, dass der öffentliche Personennahverkehr nicht ohne ein von der öffentlichen Hand auszugleichendes finanzielles Defizit durchzuführen ist (vgl. Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Aufl., Vorb. I Rn. 31, 36) und der Auftrag, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen sicherzustellen (§ 1 Abs. 1 RegG), sowohl die Planung und Organisation als auch die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs umfasst (vgl. § 3 Satz 1 RegG), besteht zwischen der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Generierung von Einnahmen durch Verkehrsflächenwerbung ein so enger Zusammenhang, dass auch diese als Teil der öffentlichen Aufgabe anzusehen ist. Denn durch die Werbeflächenvermark- tung erzielte die R. AG gerade solche Einnahmen, die zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs vonnöten waren und das staatlich auszugleichende finanzielle Defizit reduzierten. Dies findet seine Bestätigung in § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG, der die nach § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG grundsätzlich angestrebte Eigenwirtschaftlichkeit von Verkehrsdienstleistungen als solche definiert , deren Aufwand durch Beförderungserlöse, Ausgleichs- und Erstattungsregelungen sowie sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinn gedeckt werden. Gerade der Umstand, dass sonstige Unternehmenserträge gesetzlich vorgesehen und auf eine Stufe mit staatlichen Ausgleichsleistungen und Beförderungserlösen gestellt sind, verdeutlicht den engen Konnex mit der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe. In Anbetracht dieser gesetzlichen Regelung wird der Charakter der öffentlichen Aufgabe mithin nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Verkehrsunternehmen außer den Einnahmen aus Fahrpreisen noch weitere Einnahmen erzielt. Dass die Erhebung von Fahrpreisen im öffentlichen Personennahverkehr - obwohl auch sie vordergründig erwerbswirtschaftlichen Interessen dient und das Verkehrsunternehmen diesbezüglich nicht als Nachfrager, sondern Anbieter einer Leistung auftritt - Teil der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe des öffentlichen Personennahverkehrs ist, kann dabei nicht zweifelhaft sein. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass eine etwa zusätzlich zu Zwecken des Allgemeinwohls hinzutretende Gewinnerzielungsabsicht der Einstufung als öffentliche Aufgabe nicht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2003 - 2 StR 164/03, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 7; ferner BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 222 f.). Dies gilt umso mehr, wenn zwischen der Gewinnerzielungsabsicht und den weiteren, öffentlichen Zwecksetzungen eine enge Wechselbeziehung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, 3064).
16
c) Die R. AG ist auch als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB einzuordnen. Darunter ist nach ständiger Rechtsprechung eine behördenähnliche Institution zu verstehen, die unabhängig von ihrer Organisationsform befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen mitzuwirken , ohne eine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinn zu sein. Ist die Stelle als juristische Person des Privatrechts organisiert, muss sie Merkmale aufweisen , die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen. Bei einer Gesamtbetrachtung muss sie danach als "verlängerter Arm des Staates erscheinen" (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 293; Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 3 StR 312/10, BGHSt 56, 97, 102, je mwN). In diese Gesamtbetrachtung sind alle wesentlichen Merkmale der Gesellschaft einzubeziehen, insbesondere – ob sie gewerblich tätig ist und mit anderen im Wettbewerb steht (BGH, Urteile vom 29. Januar 1992 - 5 StR 338/91, BGHSt 38, 199, 204; vom 3. März 1999 - 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20), – ob sie im Eigentum der öffentlichen Hand steht (BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - 4 StR 550/00, NJW 2001, 3062, 3064), – ob im Gesellschaftsvertrag eine öffentliche Zwecksetzung festgeschrieben ist (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 372 f.), – ob ihre Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert wird oder sie sich aus den Erlösen der eigenen Unternehmenstätigkeit finanziert (BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20) und – in welchem Umfang staatliche Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten bestehen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 378 f.).
17
Der Senat hat weiterhin Bedenken, dem Kriterium der staatlichen Steuerung ein entscheidendes Gewicht dergestalt beizumessen, dass ein gesellschaftsrechtlich verankerter Einfluss der öffentlichen Hand auf die laufenden Geschäfte und Einzelentscheidungen erforderlich ist (so aber BGH, Urteile vom 3. März 1999 - 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 20; vom 16. Juli 2004 - 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 226). Dagegen sprechen neben der geltenden Gesetzesfassung, die der Wahl der Organisationsform die Bedeutung als Abgrenzungskriterium gerade nehmen wollte, die Erfordernisse des Bestimmtheitsgebotes des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 - 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 298 f.; kritisch auch MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 11 Rn. 92; ders., NStZ 2007, 57, 60; Heinrich, NStZ 2005, 197, 201). Hinzu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits das Alleineigentum der öffentlichen Hand an einem Unternehmen grundsätzlich darauf hindeutet, dass der öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt (EuGH, Urteil vom 19. April 2007 - C-295/05, Slg. 2007, I-3034 Rn. 57). Letztlich bedarf es hier keiner abschließenden Entscheidung. Die vorzunehmende Gesamtbetrachtung führt auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen auch dann zu dem Ergebnis, dass die R. AG als eine "sonstige Stelle" in diesem Sinne zu beurteilen ist, wenn den staatlichen Einflussmöglichkeiten entscheidendes Gewicht beizulegen wäre: Die R. AG stand im Alleineigentum der Stadt D. und nicht im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern. Ihre Tätigkeit wurde im Wege des Defizitausgleichs zu etwa einem Fünftel aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die öffentliche Hand hatte aufgrund der weitreichenden Zustimmungserfordernisse des Aufsichtsrates, die auch unternehmerische Entscheidungen und einzelne Geschäfte betrafen, eine so weitgehende Einflussmöglichkeit, dass die Gleichstellung mit einer Behörde gerechtfertigt ist.
18
d) Der Angeklagte handelte zudem vorsätzlich hinsichtlich der ihm obliegenden Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung.
19
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen wusste der Angeklagte als langjähriger Beschäftigter der R. AG, dass diese anstelle der Stadt D. den öffentlichen Personennahverkehr sicherstellte und damit als verlängerter Arm der Kommunalbehörde agierte. Durch seine Zuständigkeiten war ihm ebenso bewusst, dass er eigenverantwortlich Entscheidungen im Namen der R. AG treffen konnte, wie er den sich aus seiner Pflichtenstellung ergebenden Interessenkonflikt in Bezug auf die Firma B. erkannte.
20
Diese Feststellungen belegen jedenfalls den Eventualvorsatz des Angeklagten , auch in Bezug auf seine Eigenschaft als Amtsträger. Zwar ist in einzelnen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs für den Vorsatz hinsichtlich der eigenen Amtsträgereigenschaft im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB gefordert worden, dass der Täter über das Wissen um seine Amtsträgerstellung begründenden Umstände hinaus auch eine Bedeutungskenntnis gerade von seiner Funktion als Amtsträger haben müsse (BGH, Urteile vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 14; vom 9. Juli 2009 - 5 StR 263/08, NJW 2009, 3248, 3250; vom 27. November 2009 - 2 StR 104/09, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 17). Offen bleibt dabei jedoch, was eine solche "Bedeutungskenntnis" kennzeichnet, wann sie angenommen werden kann und inwiefern sie sich vom Wissen um die die Amtsträgereigenschaft begründenden Umstände unterscheidet. Denn der nicht näher präzisierte Begriff ist - ebenso wie derjenige der sogenannten "Parallelwertung in der Laiensphäre" - eine rein normative Kategorie, die überdies den Grundsatz, dass ein Subsumtionsirrtum den Vorsatz unberührt lässt, nicht in Frage stellt (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 29. August 2007 - 5 StR 103/07, BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 14). Ungeachtet dessen tragen die oben ausgeführten Feststellungen den Schluss des Landgerichts, der Angeklagte habe um die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch die R. AG(öffentlicher Personennahverkehr) und die sich aus seiner Stellung als deren Beschäftigter und Alleinverantwortlicher für die Verkehrsmittelwerbung ergebenden Pflichten gewusst, zumal das Landgericht hierzu als Maßstab die "Parallelwertung in der Laiensphäre" herangezogen hat (UA S. 63).
21
2. Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe sich 529 in Tatmehrheit (§ 53 StGB) stehender Fälle der Vorteilsannahme schuldig gemacht, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Diese belegen nicht, dass der Angeklagte in allen 529 Fällen eine konkrete Tathandlung vornahm. Hierzu gilt:
22
a) Vorteil im Sinne des § 331 Abs. 1 StGB ist jede Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage des Empfängers objektiv verbessert. Ein solcher Vorteil kann auch in dem Abschluss eines Vertrages und der dadurch begründeten Forderung bestehen (BGH, Urteile vom 21. Juni 2007 - 4 StR 69/07, NStZ-RR 2007, 309, 310; vom 26. Mai 2011 - 3 StR 492/10, wistra 2011, 391, 392 f.; vom 22. März 2018 - 5 StR 566/17, NJW 2018, 1767, 1768 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ]). Da vom Tatbestand des § 331 Abs. 1 StGB auch Drittvorteile erfasst werden, lag hier jedenfalls in dem durch Annahme des jeweiligen Auftrags bewirkten Vertragsschluss mit der Firma B. ein tatbestandsmäßiger Vorteil. Jedoch lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass der Angeklagte etwa jeden der Firma erteilten Auftrag persönlich angenommen oder sonst in jedem einzelnen Fall einen konkreten fördernden Tatbeitrag erbracht hätte. Allerdings hatte er (gemeinsam mit seiner Ehefrau) die Firma B. gegründet und führte sie arbeitsteilig (mit ihr). Dadurch leistete er jedenfalls einen Tatbeitrag, der sich in allen Einzelfällen auswirkte. Erbringt ein Tatbeteiligter einen mehrere Einzeltaten fördernden Beitrag, beispielsweise indem er an dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebes mitwirkt, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Delikte als einheitlich begangen zuzurechnen, weil sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden (sog. uneigentliches Organisationsdelikt, vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183 f.; Beschluss vom 3. März 2016 - 4 StR 134/15, wistra 2016, 309, 310).
23
b) Der Senat schließt aus, dass darüber hinausgehende Feststellungen - etwa zu der Frage, wer die von der M. und der W. erteilten Aufträge jeweils annahm - noch getroffen werden können und stellt den Schuldspruch entsprechend um. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt hier die Aufhebung der Einzelstrafen in den 529 Fällen der Vorteilsannahme sowie der Gesamtstrafe. Die vom Landgericht zu der diesbezüglichen Strafbemessung getroffenen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen, der lediglich in einer rechtsfehlerhaften Wertung der festgestellten Tatsachen besteht; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Auch die Kompensationsentscheidung wird von der Teilaufhebung des Strafausspruchs nicht erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 250/09, NStZ 2010, 531, 532; Beschluss vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 39).
24
c) Hinsichtlich der für die verbleibende Tat der Vorteilsannahme neu festzusetzenden Einzelstrafe weist der Senat darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer Strafe nicht entgegensteht, die die bisher höchste in den Fällen der Vorteilsannahme verhängte Einzelstrafe übersteigt. Zwar gilt das Verschlechterungsverbot grundsätzlich auch für Einzelstrafen. Die vom Landgericht als selbständig erachteten Taten sind jedoch als solche mit den zugehörigen Einzelstrafen entfallen; sie sind nunmehr mit anderen Taten zur Tateinheit verbunden. Der Unrechtsgehalt dieser einheitlichen Tat ist damit erhöht; denn allein durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses verringert sich der Gesamtunrechtsgehalt nicht. Das Verschlechterungsverbot gebietet bei dieser Sachlage nur, dass die Summe der betroffenen bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird. Zudem darf auch die neue Gesamtstrafe nicht höher als die frühere ausfallen (BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12 mwN).
25
3. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen gegen den Angeklagten hat keinen Bestand. Die Urteilsfeststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte durch die begangene Tat der Vorteilsannahme etwas erlangte (§ 73 Abs. 1 StGB). Mit der Durchführung der Arbeiten wurde nicht der Angeklagte persönlich, sondern die gemeinsam mit seiner Ehefrau geführte Firma B. beauftragt. Diese stellte auch die Rechnungen für die geleisteten Arbeiten, so dass es mangels anderweitiger Feststellungen nahe liegt, dass auch der Werklohn an das Unternehmen gezahlt wurde. Feststellungen zu dessen Rechtsform hat die Strafkammer nicht getroffen. Da es jedoch von dem Ehepaar gemeinsam geführt wurde, kann der Angeklagte insoweit nicht als Einzelkaufmann gehandelt haben mit der Folge, dass die gezahlten Werklöhne unmittelbar seinem Vermögen zugeflossen wären. Es ist daher davon auszuge- hen, dass die Eheleute hinsichtlich der Firma B. jedenfalls eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - im Zweifel sogar eine offene Handelsgesellschaft (§ 105 Abs. 1 und 2, § 1 Abs. 2 HGB) - bildeten, der eigene Rechtsfähigkeit zukommt (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) und die daher als Drittbegünstigte anzusehen ist.
26
Eine Vermögensmehrung bei einem Drittbegünstigten schließt jedoch grundsätzlich eine gegen den handelnden Täter anzuordnende Einziehung aus; vielmehr ist gegebenenfalls eine (selbständige) Einziehungsanordnung gegen den Drittbegünstigen zu treffen. Das gilt auch dann, wenn der Täter die Möglichkeit hat, auf das Vermögen des Drittbegünstigten zuzugreifen (vgl. zu § 73 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB aF BGH, Urteil vom 29. November 2017 - 2 StR 271/17, juris Rn. 12 ff. mwN). Diese nach altem Recht vorzunehmende grundsätzliche Unterscheidung hat das neue Recht der Vermögensabschöpfung in § 73 Abs. 1 StGB und § 73b StGB übernommen. Letztgenannte Norm setzt neben den sogenannten "Vertreterfällen" nach § 73 Abs. 3 StGB aF auch die bisher schon in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannte Fallgruppe der "Verschiebungsfälle" in Gesetzesrecht um (BT-Drucks. 8/9525, S. 56 f., 66 f.), so dass auch nach neuer Rechtslage auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (Köhler, NStZ 2017, 497, 498, 501). Danach kommt eine Einziehungsanordnung gegen den für eine Gesellschaft handelnden Täter ausnahmsweise dann in Betracht, wenn er diese nur als formalen Mantel nutzt und eine Trennung zwischen Täter- und Gesellschaftsvermögen tatsächlich nicht existiert oder wenn jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss bei der Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird (BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256; Beschluss vom 7. September 2016 - 2 StR 352/15, BGHR StGB § 73 Erlangtes 22). Da nicht ausgeschlossen erscheint, dass noch derartige Feststellungen getroffen werden können, die eine Einziehungsanordnung unmittelbar gegen den Angeklagten zulassen, ist über die Frage der Einziehung erneut zu entscheiden.

III.

27
Für den Fall, dass die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut die Einziehung des Wertes von Taterträgen anordnet, weist der Senat auf Folgendes hin:
28
Nach den bisherigen Feststellungen wurden in den Fällen 540 bis 550 der Anklageschrift keine oder keine vollständigen Zahlungen mehr an die Firma B. geleistet. Dies hat das Landgericht übersehen; es ergibt sich aus den Zusätzen "unbezahlt" oder "(teilw) unbezahlt" der in den Urteilsgründen wiedergegebenen tabellarischen Aufstellungen. Sollte eine Einziehungsanordnung gegen den Angeklagten persönlich in Betracht kommen, wäre das neue Tatgericht gleichwohl nicht gehindert, eine Einziehung in der bisherigen Höhe anzuordnen. Das ergibt sich aus Folgendem:
29
Das Landgericht hat seine Einziehungsanordnung auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützt und sie nach grundsätzlich (bis auf die übersehene Nichtzahlung in den Fällen 540 bis 550 der Anklageschrift) rechtsfehlerfreier Schätzung auf den Wert der durch die Firma B. im Tatzeitraum erzielten Gewinne beschränkt. Dies ist, ohne dass der Angeklagte hierdurch beschwert wäre, rechtsfehlerhaft.
30
Ist die Einziehung des Erlangten nicht möglich, ist nach § 73c StGB dessen Wert einzuziehen. Dieser ist nach § 73d StGB zu bestimmen. Danach sind Aufwendungen des Täters oder des Dritten grundsätzlich abzugsfähig, es sei denn, sie sind für die Begehung der Tat aufgewendet oder eingesetzt worden.
Selbst letztgenannte Aufwendungen sind aber dann vom Wert des Erlangten abzuziehen, wenn es sich um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt. Die Taten der Vorteilsannahme waren mit Abschluss des jeweiligen Vertrages über die Erbringung von Verklebearbeiten bereits vollendet. Hierdurch erlangte die Firma B. den im synallagmatischen Verhältnis zum Erbringen der Arbeiten stehenden Anspruch auf Zahlung des Werklohns. Jedoch war auch der später zur Erfüllung des Vertrages gezahlte Werklohn noch durch die Tat erlangt, diese mithin erst mit vollständiger Durchführung des Vertrages beendet (vgl. im Einzelnen zu § 299 StGB: BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 - 3 StR 103/17, NJW 2017, 2565, 2566 f.). Die zum Zweck der Erlangung des Werklohns jeweils erbrachte Werkleistung fiel damit in die Zeit zwischen Tatvollendung und -beendigung. Sie wurde mithin noch für die Tat aufgewendet, weil ohne sie der Werklohn nicht gezahlt worden wäre. Damit ist sie nach § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB nicht von dem Wert des Erlangten (gesamter Werklohn) abzuziehen. Auch aus § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB ergibt sich hier nichts anderes. Denn bei den durch die Firma B. erbrachten Werkleistungen handelte es sich nicht um solche Leistungen, die zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat erbracht wurden. Diese Rückausnahme ist ausschließlich auf Delikte anwendbar, die individuelle Vermögensinteressen schützen (Köhler, NStZ 2017, 497, 509). Die Vorteilsannahme nach § 331 StGB ist jedoch kein dem Individualrechtsgüterschutz dienendes Delikt. Es bezweckt den Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Sachgerechtigkeit und Nichtkäuflichkeit des öffentlichen Dienstes sowie dessen Lauterkeit (vgl. nur BGH, Urteile vom 11. Mai 2001 - 3 StR 549/00, BGHSt 47, 22, 25; vom 15. Juni 2005 - 1 StR 491/04, NStZ-RR 2005, 266, 267). Zudem setzt die Anwendung von § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB voraus, dass die Verbindlichkeit wirksam (wenn auch - wie beim Eingehungsbetrug - anfechtbar) ist (BT-Drucks. 18/9525,
S. 68; Köhler aaO). Dies ist bei Verträgen, die selbst den Vorteil im Sinne des § 331 StGB darstellen, jedoch nicht der Fall. Deren Nichtigkeit folgt aus § 134 BGB, weil § 331 StGB ein gesetzliches Verbot in diesem Sinne darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 217/12, BGHZ 201, 129, 139 f.; MüKoBGB/Armbrüster, 7. Aufl., § 134 Rn. 59).
31
Sollte die Einziehung des Wertes des Erlangten gegen den Angeklagten anzuordnen sein, wird das neue Tatgericht jedoch das sich auch auf die Einziehung erstreckende Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPOzu beachten haben.
Becker Spaniol Berg RiBGH Hoch befindet Leplow sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 225/19
vom
21. August 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Anstiftung zur Steuerhinterziehung
ECLI:DE:BGH:2019:210819B1STR225.19.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts – zu 2. und 4. auf dessen Antrag – am 21. August 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten L. wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 8. Mai 2018
a) im Strafausspruch im Fall II. 1d der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch sowie im Ausspruch hinsichtlich der im Fall II. 1a der Urteilsgründe verhängten Geldbuße aufgehoben;
b) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass lediglich ein Betrag von 25.000 Euro der Einziehung unterliegt. 2. Auf die Revision des Angeklagten M. wird das vorbezeichnete Urteil im gesamten Strafausspruch aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet verworfen.

Gründe:


I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.264.273 Euro angeordnet. Darüber hinaus hat die Strafkammer den Angeklagten wegen leichtfertiger Steuerverkürzung zu einer Geldbuße von 355.000 Euro verurteilt. Den Angeklagten M. hat das Landgericht wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen und Anstiftung zur Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 5.750 Euro angeordnet. Mit ihren Revisionen beanstanden beide Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte L. erhebt zudem eine Verfahrensrüge. Ihre Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Urteilsfeststellungen beauftragten unbekannte Hintermänner den Angeklagten M. gegen Entlohnung, Transporte von unversteuerten Zigaretten oder Tabakfeinschnitt durchführen zu lassen und die Fahrten zu begleiten. Der Angeklagte M. erhielt von den Hintermännern hierzu im Einzelnen Instruktionen und Anweisungen. Die Fahrten führte der Angeklagte L. , der ebenfalls von den Hintermännern angeworben worden war, gegen pauschalen Kostenersatz und Entlohnung durch.

3
a) Ende Januar 2013 transportierte der Angeklagte L. 3.110.000 gefälschte Markenzigaretten in einem Lkw von Ungarn nach W. /Österreich, die dort entladen und später vom österreichischen Zoll sichergestellt wurden. Eine Steuererklärung gab niemand ab, so dass hinsichtlich der Zigaretten österreichische Verbrauchsteuern in Höhe von 342.100 Euro verkürzt wurden. Der Angeklagte L. erhielt vom Angeklagten M. für die Durchführung des Transports 10.000 Euro (Entlohnung und Transportkosten); der Betrag war von Hintermännern bereitgestellt worden (Fall II. 1a der Urteilsgründe).
4
b) Am 3./4. Februar 2013 verbrachte der Angeklagte L. auf Anweisung des Angeklagten M. mit einem Lkw 6,3 Tonnen Tabakfeinschnitt von Tschechien über das Bundesgebiet nach V. /Niederlande zu einer Produktionsstätte , in der gefälschte Markenzigaretten hergestellt wurden. Durch die Nichtabgabe von Steuererklärungen wurde deutsche Tabaksteuer in Höhe von 413.091 Euro verkürzt. Die Hintermänner übergaben dem Angeklagten M. 10.000 Euro, der das Geld an den Angeklagten L. für die Durchführung der Fahrt weiterleitete (Fall II. 1b der Urteilsgründe).
5
c) Am 13. Februar 2013 fuhr der Angeklagte L. wiederum mit einem Lkw auf Weisung des Angeklagten M. 6,3 Tonnen Tabakfeinschnitt von Tschechien über die Bundesrepublik Deutschland nach V. , wodurch deutsche Tabaksteuer in Höhe von 413.091 Euro verkürzt wurde. Über den Angeklagten M. erhielt der Angeklagte L. 10.000 Euro von den Hintermännern ausgehändigt (Fall II. 1c der Urteilsgründe).
6
d) Anfang April 2013 erhielt der Angeklagte M. von den Hintermännern eine Mitteilung, dass in den Niederlanden die Produktionsstätte verlegt werden müsse und hierfür ein Lkw benötigt werde. Mit Hilfe des Angeklagten L. , der einen Lkw anmietete, transportierte der Angeklagte M. gemeinsam mit dem Angeklagten L. die Einzelteile der Zigarettenproduktionsanlage von V. in eine Lagerhalle nach La. /Niederlande, in der die Produktionsanlage wiederaufgebaut wurde und weiterhin illegal Zigaretten produziert wurden (Fall II. 1d der Urteilsgründe).
7
e) Mitte April 2013 beauftragte der Angeklagte M. auf Weisung der Hintermänner erneut den Angeklagten L. , von B. /Slowakei 6,3 Tonnen Tabakfeinschnitt über Österreich und Deutschland nach La. /Niederlande zu transportieren. Der Angeklagte L. mietete einen Lkw an und beauftragte selbst zwei weitere Personen mit der Durchführung des Transports, der vom Angeklagten M. als „Vorauskommando“ begleitet wurde. Nach Durchführung des Auftrags erhielt der Angeklagte L. von den Hintermännern über den Angeklagten M. 5.000 Euro als Kostenersatz und Entlohnung. Durch die Nichtabgabe einer Steuererklärung wurde deutsche Tabaksteuer in Höhe von 413.091 Euro verkürzt (Fall II. 1e der Urteilsgründe).
8
Der Angeklagte M. erhielt für seine Tatbeteiligung von den Hintermännern insgesamt 5.750 Euro als Entlohnung.
9
2. Das Landgericht hat die Tatbeiträge des Angeklagten M. in den Fällen II. 1b, c und e der Urteilsgründe rechtlich als Anstiftung des Angeklagten L. zur Steuerhinterziehung, in den Fällen II. 1a und d der Urteilsgründe als Beihilfehandlung zur Haupttat der unbekannten Hintermänner bewertet. In den Fällen II. 1b, c und e der Urteilsgründe hat die Strafkammer täterschaftliches Handeln des Angeklagten L. und im Fall II. 1d der Urteilsgründe eine Beihilfehandlung zur Haupttat der unbekannten Hintermänner zugrunde gelegt.
Den Fall II. 1a der Urteilsgründe hat das Landgericht aufgrund der Unkenntnis des Angeklagten L. , unversteuerte Zigaretten zu transportieren, mit Blick auf die Gesamtumstände des Geschehensablaufs rechtlich als leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) gewertet.

II.

10
1. Revision des Angeklagten M. :
11
a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung in drei Fällen und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen. Auch die Einziehung von Taterträgen in Höhe von 5.750 Euro weist keinen Rechtsfehler auf.
12
b) Hingegen hat der gesamte Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat in den Fällen II. 1a und d (Beihilfe) die Strafe jeweils aus dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnommen, ohne die weitere in § 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen bzw. bei der Prüfung einzubeziehen , ob hierdurch die Regelwirkung des § 370 Abs. 3 AO entfallen kann. Entsprechendes gilt für die Fälle der Anstiftung (Fälle II. 1b, c und e der Urteilsgründe ), bei denen eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1 StGB nicht in den Blick genommen wurde.
13
aa) Der Senat hat durch Urteil vom 23. Oktober 2018 im Verfahren 1 StR 454/17 seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 mwN) geändert und entschieden, dass es sich bei der vom Straftatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vorausgesetzten Erklärungspflicht um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB handelt, das eine Straf- rahmenverschiebung eröffnet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1 StGB lediglich dann aus, wenn die Tat allein wegen des Fehlens des strafbegründenden persönlichen besonderen Merkmals als Beihilfe statt als Täterschaft zu werten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 – 4 StR 476/14; vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 310/16 Rn. 23; vom 22. Januar 2013 – 1 StR 234/12 Rn. 10, BGHSt 58, 115 und vom 25. Oktober 2011 – 3 StR 309/11 Rn. 3).
14
bb) Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor. Zwar kann Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. Oktober 2018 – 1 StR 454/17 Rn. 19 und vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12 Rn. 52, BGHSt 58, 218; Beschlüsse vom 23. August 2017 – 1 StR 33/17 und vom 14. April 2010 – 1 StR 105/10), was beim Angeklagten jedoch nicht der Fall ist. Das Landgericht hat den Tatbeitrag des Angeklagten bereits ohne Anknüpfung an den Umstand, dass den Angeklagten keine steuerliche Erklärungspflicht traf, in den Fällen II. 1a und d der Urteilsgründe als Gehilfenbeitrag qualifiziert. Die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenverschiebung gemäß § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der des § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lagen demnach vor.
15
c) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
16
2. Revision des Angeklagten L. :
17
a) Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
18
b) Der Schuldspruch weist ebenso wie der Strafausspruch in den Fällen II. 1b, c und e der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler auf.
19
c) Im Fall II. 1d der Urteilsgründe (Beihilfe) hat der Strafausspruch aus den gleichen Gründen wie beim Angeklagten M. keinen Bestand. Die Voraussetzungen für eine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB lagen neben der nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vor. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der für die Tat II. 1d der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Feststellungen bleiben bestehen (§ 353 Abs. 2 StPO), weil sie vom Rechtsfehler nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen , sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
20
d) Die Einziehungsentscheidung ist – soweit in den Fällen II. 1b, c und e der Urteilsgründe die verkürzten Tabaksteuern als durch den Angeklagten L. als „erlangt“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF in Ansatz gebracht wurden – rechtsfehlerhaft. Dieser Betrag in Höhe von 1.239.273 Euro unterliegt nicht der Einziehung. Die Einziehungsanordnung hat daher lediglich in Höhe von insgesamt 25.000 Euro als Wertersatz für Taterträge bestand, weil dem Angeklagten L. in dieser Höhe ein Vorteil als Entlohnung bzw. als Kostenersatz tatsächlich zugeflossen ist.
21
aa) Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung richtet sich vorliegend gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872) eingeführten und am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB. Danach ist nach § 73 Abs. 1 StGB zwingend einzuziehen, was der Täter oder Teilnehmer durch oder für die Tat erlangt hat. Ist die Einziehung des erlangten Gegenstandes nicht möglich, so ist nach § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten ent- spricht. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermö- genswert, der dem Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen ist und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18, zum Abdruck in BGHSt bestimmt; vom 8. Februar 2018 – 3 StR 560/17, Rn. 10 und vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17 Rn. 8; Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8; BT-Drucks. 18/9525, S. 61). Der Um- fang des „erlangten Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist nach dem „Bruttoprinzip“ zu bemessen, d.h. dass grundsätzlich alles, was der Täter oder Teil- nehmer durch oder für die Tat erhalten oder was er durch diese erspart hat, ohne gewinnmindernde Abzüge einzuziehen ist (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 61, BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 und vom 18. Dezember 2018 – 1 St1 StR 36/17 Rn. 25). Der Einziehung unterliegen damit nicht nur bestimmte Gegenstände wie bewegliche Sachen, Grundstücke oder dingliche und obligatorische Rechte, sondern auch geldwerte Vorteile, wie etwa Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen, sowie konkrete Chancen auf einen Vertragsabschluss bzw. die Verbesserung einer Marktposition (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 mwN). Beim „Erlangen“ handelt es sich dabei um einen tatsächlichen Vorgang; auf die zivilrechtlichen Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an (vgl. BGH aaO mwN).
22
bb) Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „er- langtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 mwN und vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 18 mwN; Beschlüsse vom 4. Juli 2018 – 1 StR 244/18 Rn. 7; vom 11. Mai 2016 – 1 StR 118/16 Rn. 8; vom 13. Juli 2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406 und vom 28. November 2000 – 5 StR 371/00 Rn. 16 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.; Reh, wistra 2018, 414, 415). Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einem durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft und damit mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraussetzt (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18).
23
cc) Im Hinblick auf den Charakter der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer (dazu Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 2 Rn. 47 mwN) ergibt sich ein unmittelbarer messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils. Offene Steuerschulden begründen hingegen nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.
24
dd) Gemessen an diesen Grundsätzen unterliegt daher lediglich der Betrag , den der Angeklagte als Entlohnung bzw. als Kostenersatz für die Durchführung der Transportfahrten erlangt hat, mithin insgesamt 25.000 Euro der Einziehung. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat er durch die Taten keinen darüber hinaus gehenden wirtschaftlichen Vorteil durch die Hinterziehung von Tabaksteuer erzielt, weil sich die im Wert der Tabakwaren verkörperte Steuerersparnis nicht in seinem Vermögen in irgendeiner Form widerspiegelt.
25
e) Auch die im Fall II. 1a der Urteilsgründe verhängte Geldbuße wegen leichtfertiger Steuerverkürzung gemäß § 378 AO hat keinen Bestand. Das Landgericht hat bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße gemäß § 17 Abs. 4 OWiG die verkürzte Tabaksteuer (342.100 Euro) als vom AngeklagtenL. gezogenen wirtschaftlichen Vorteil berücksichtigt. Abgesehen davon, dass diese Erwägung hier schon deshalb rechtlich durchgreifend bedenklich ist, weil die Höhe der Geldbuße erkennbar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten bei weitem übersteigt, ist der Vorteil hier auch rechtsfehlerhaft bestimmt. Ebenso wie beim erlangten „Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB stellt die als ersparte Aufwendung verkürzte Tabaksteuer nur dann einen „gezogenen“ wirtschaftlichen Vorteil dar, wenn die im Wert der Tabakwaren ver- körperte Steuerersparnis sich in irgendeiner Form im Vermögen des Täters widerspiegelt. Hieran fehlt es vorliegend. Das neue Tatgericht hat daher die Höhe der Geldbuße neu zuzumessen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO), weil sie vom Rechtsfehler nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen können getroffen werden, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Raum Bellay Fischer Hohoff Pernice

(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.

(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Art. 316h Satz 1 EGStGB ist mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG)
und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes unvereinbar, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i.V.m.
§ 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des
Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom
13. April 2017 (BGBl. I S. 872) in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich
der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung
Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung
am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB) eingetreten
war.
BGH, Beschluss vom 7. März 2019 - 3 StR 192/18 - LG Oldenburg
BESCHLUSS
3 StR 192/18
vom
7. März 2019
in der Strafsache
gegen
die Nebenbeteiligten
1.
2.
wegen Einziehung des Werts von Taterträgen
hier: Revisionen der Nebenbeteiligten
ECLI:DE:BGH:2019:070319B3STR192.18.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 13. Dezember 2018 in der Sitzung am 7. März 2019 beschlossen:
Soweit es die Revisionen der Nebenbeteiligten betrifft, wird 1. das Verfahren ausgesetzt, 2. eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgender Frage eingeholt: Ist Art. 316h Satz 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB) eingetreten war?

Gründe:


I.


1
Mit Urteil vom 17. Oktober 2017 hat das Landgericht Oldenburg die Angeklagten De. und Di. von den Vorwürfen der Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang aus grobem Eigennutz in sechs Fällen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 2 Buchst. a, Abs. 2 SchwarzArbG, § 14 Abs. 1, § 53 StGB) bzw. der Beihilfe hierzu (§ 11 Abs. 1 Nr. 1, 2 Buchst. a, Abs. 2 SchwarzArbG, § 27 Abs. 1, § 53 StGB) freigesprochen. Darüber hinaus hat es nach § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 73c Satz 1, § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB gegen die Nebenbeteiligte zu 1 die Einziehung von 10.598.676,48 € sowie gegen die Nebenbeteiligte zu 2 die Einziehung von 72.091,47 € angeordnet. Gegen diese Anordnungen wenden sich die Nebenbeteiligten mit ihren zulässigen , jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen.
2
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen leitete der Angeklagte De. im Tatzeitraum vom 25. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2010 die Nebenbeteiligte zu 1, ein fleischverarbeitendes Unternehmen; er war einziger Geschäftsführer der Komplementärin dieser Kommanditgesellschaft. Der Angeklagte Di. hatte die alleinige Geschäftsführung der Nebenbeteiligten zu 2, eines Personaldienstleistungsunternehmens, inne.
3
Die Nebenbeteiligte zu 1 beschäftigte im Tatzeitraum 933 bulgarische Arbeiter ohne die erforderlichen Genehmigungen der Bundesagentur für Arbeit. Damals war die nichtselbständige Erwerbstätigkeit von bulgarischen Staatangehörigen als neuen Bürgern der Europäischen Union noch genehmigungsbedürftig (§ 284 Abs. 1 SGB III in der Fassung vom 7. Dezember 2006).
4
Um die abhängige Beschäftigung zu verschleiern, waren die Angeklagten übereingekommen, die Arbeiter formal im Rahmen von Werkverträgen in dem Betrieb der Nebenbeteiligten zu 1 einzusetzen. In einem von den Angeklagten geschlossenen Rahmenwerkvertrag vom 1. Februar 2008 verpflichtete sich die Nebenbeteiligte zu 2 gegenüber der Nebenbeteiligten zu 1, in eigener Regie bestimmte Arbeiten laut beigefügten Werkbeschreibungen durchzuführen. Wie von vorneherein beabsichtigt, vereinbarte daraufhin Di. für die Nebenbeteiligte zu 2 sukzessive gleichlautende Werkverträge mit in Bulgarien ansässigen Subunternehmen, wonach diese damit beauftragt wurden, eigenverantwortlich die nach dem Rahmenwerkvertrag von der Nebenbeteiligten zu 2 geschuldeten Leistungen zu erbringen. Ab Anfang Dezember 2009 schloss De. für die Nebenbeteiligte zu 1 inhaltsgleiche Werkverträge - ohne Einbindung der Nebenbeteiligten zu 2 - unmittelbar mit den bulgarischen Subunternehmen. In sämtlichen Werkverträgen war ausdrücklich geregelt, dass der jeweilige Auftraggeber (eine der beiden Nebenbeteiligten) kein Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern des Subunternehmens haben sollte, die Arbeitnehmer nicht in die Betriebsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sein sollten und der Werklohn nach festen Vergütungssätzen auf der Grundlage von KilogrammMengen gezahlt werden sollte.
5
Die Werkverträge wurden jedoch tatsächlich nicht vollzogen. Die Leistungen der insgesamt vier bulgarischen Vertragspartner beschränkten sich vielmehr im Wesentlichen darauf, in Bulgarien über Anwerbebüros Arbeitswillige zu akquirieren, mit ihnen Arbeitsverträge zu schließen und sie der Nebenbeteiligten zu 1 zur Verfügung zu stellen. Diese setzte die bulgarischen Arbeiter an zwei Betriebsstätten wie eigene Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer ein. Sie waren vollständig in den Betrieb integriert und unterlagen dem Weisungsrecht der Nebenbeteiligten zu 1 in sachlicher und zeitlicher Hinsicht. Entgegen der Vertragslage zahlte diese keine Verrechnungspreise nach Kilogramm-Mengen, sondern vergütete die Arbeitsstunden. All dies war den Angeklagten bekannt.
6
Die 933 von der Nebenbeteiligten zu 1 ohne Genehmigung beschäftigten bulgarischen Arbeiter leisteten im Tatzeitraum von ihr vergütete 833.223,04 Ar- beitsstunden. Ihr gegenüber rechnete die Nebenbeteiligte zu 2 (soweit sie eingebunden war) den Einsatz der vermittelten Arbeiter mit einem Zuschlag von insgesamt 72.091,47 € auf die Eingangsrechnungen der bulgarischen Subunternehmen ab.
7
2. Das Landgericht hat den Freispruch der Angeklagten sowie die - gleichwohl - gegen die Nebenbeteiligten getroffenen Einziehungsentscheidungen wie folgt begründet:
8
a) Zwar habe sich der Angeklagte De. wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang in vier Fällen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG, § 14 Abs. 1, § 53 StGB strafbar gemacht, der Angeklagte Di. wegen Beihilfe hierzu gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG, § 27 Abs. 1, § 53 StGB. Mittlerweile sei jedoch insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB); denn die Taten seien gemäß § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB mit Ablauf der doppelten der gesetzlichen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB) seit Tatbeendigung (§ 78a Satz 1 StGB), somit spätestens nach dem 31. Juli 2016, absolut verjährt. Der noch verfolgbare Qualifikationstatbestand des § 11 Abs. 2 SchwarzArbG sei hingegen nicht erfüllt, weil nicht habe festgestellt werden können, dass die Angeklagten aus grobem Eigennutz gehandelt hätten.
9
b) Auch wenn die Straftaten selbst verjährt seien, sei gemäß dem durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) seit dem 1. Juli 2017 geänderten Recht die Anordnung der selbständigen Einziehung von Erträgen aus diesen Taten zulässig (§ 76a Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 Satz 1 StGB). Nach Art. 316h Satz 1 EGStGB sei das neue Recht auch auf Taten anwendbar , die vor dem Inkrafttreten begangen worden seien.
10
Die Einziehungsbeträge entsprächen dem Wert dessen, was die Nebenbeteiligten durch die Straftaten der Angeklagten erlangt hätten (§ 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB). Hinsichtlich der Nebenbeteiligten zu 1 errechne sich der Wert der insgesamt 833.223,04 Arbeitsstunden auf 10.598.676,48 €, indem ein Verrechnungssatz für (legale) Leiharbeitnehmer von 12 € pro Stunde zugrunde gelegt werde (§ 73d Abs. 2 StGB); abzugsfähige Aufwendungen lägen nicht vor (§ 73d Abs. 1 StGB).

II.


11
Soweit es die Revisionen der Nebenbeteiligten betrifft, ist das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen. Der Senat ist davon überzeugt, dass Art. 316h Satz 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar ist, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1 StGB) eingetreten war und somit der Verfall nach §§ 73, 73a StGB aF nicht angeordnet werden durfte. Zur Verfassungsmäßigkeit ist deshalb eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
12
1. Die Vorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB bedingt § 2 Abs. 5 StGB ab und bestimmt, dass die durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit Wirkung zum 1. Juli 2017 eingeführten neuen Regelungen über die Einziehung (des Werts) von Taterträgen grundsätzlich auch für rechtswidrige Taten gelten, die bereits zuvor begangen wurden. Die in Art. 316h Satz 2 EGStGB normierte Ausnahme von diesem Grundsatz greift hier nicht.
13
2. Die Frage, inwieweit Art. 316h Satz 1 EGStGB verfassungsgemäß ist, ist für die Entscheidung über die zulässige Revision maßgeblich.
14
a) Am Maßstab der nach Art. 316h Satz 1 EGStGB anwendbaren Regelungen halten die Einziehungsentscheidungen des Landgerichts sachlichrechtlicher Überprüfung stand.
15
aa) Gegen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte De. habe sich wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang in vier Fällen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG, § 14 Abs. 1, § 53 StGB, der Angeklagte Di. wegen Beihilfe hierzu gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG, § 27 Abs. 1, § 53 StGB strafbar gemacht, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
16
(1) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen der Nebenbeteiligten zu 1 und den bulgarischen Arbeitern Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG bestanden. Zu Recht hat es - entgegen der von der Verteidigung des Angeklagten De. im Einzelnendargelegten Ansicht - hierfür nicht die Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 AÜG herangezogen, so dass es nicht darauf ankommt, ob diese Vorschriften als Eingriffsnormen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) auszulegen sind.
17
Die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sind hier nicht anwendbar, weil die Voraussetzungen einer Leiharbeit im Sinne dieses Gesetzes nicht erfüllt sind:
18
(a) Für eine Leiharbeit ist erforderlich, dass zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer ein reguläres Arbeitsverhältnis besteht, das unabhängig von dem Verleihvertrag eingegangen wurde und diesen überdauert (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1970 - 7 RAr 44/68, BSGE 31, 235, 242; BayObLG, Beschluss vom 25. Januar 1991 - 3 Ob OWi 149/90, wistra 1991, 233, 234; Paetzold in Ignor/Mosbacher, Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl., § 3 Rn. 24). Dagegen handelt es sich in Fällen, in denen Arbeitnehmer zu dem alleinigen Zweck angeworben werden, anschließend Tätigkeiten für einen Dritten auf dessen Weisung unter Eingliederung in den Betrieb auszuüben, ohne dass ein darüber hinausgehender Einsatz beabsichtigt ist, grundsätzlich um eine bloße Arbeitsvermittlung (s. auch § 1 Abs. 2 AÜG); als solche fällt diese nicht in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1970 - 7 RAr 44/68, aaO, S. 242 f.; BayObLG, Beschluss vom 25. Januar 1991 - 3 Ob OWi 149/90, aaO). Ob Arbeitnehmerüberlassung oder Arbeitsvermittlung vorliegt, ist gegebenenfalls anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 1970 - 7 RAr 44/68, aaO, S. 243 ff.).
19
(b) Die bulgarischen Subunternehmen traten im Verhältnis zu den Nebenbeteiligten nicht als Verleiher, sondern als Arbeitsvermittler auf. Zwar hatten sie mit den der Nebenbeteiligten zu 1 zur Verfügung gestellten bulgarischen Arbeitern ihrerseits Arbeitsverträge geschlossen; jedoch sahen diese lediglich rein formal eine Tätigkeit für das jeweilige Subunternehmen vor (UA S. 11). Tatsächlich war das Verhältnis im Wesentlichen darauf beschränkt, dass die Subunternehmen die bei der Nebenbeteiligten zu 1 benötigten Arbeiter in Bulgarien "über Anwerbebüros gleichsam direkt von der Straße" rekrutierten und deren Transport zu den Betriebsstätten der Nebenbeteiligten zu 1 sowie ihre Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften in Betriebsnähe organisierten (UA S. 11 f.). Soweit zwei der Subunternehmen in Bulgarien über eigene Betriebsstätten verfügten, in denen im Übrigen andere Fleischprodukte als bei der Nebenbeteiligten zu 1 hergestellt wurden, wurden die vermittelten Arbeiter dort nicht eingesetzt. Bei der Nebenbeteiligten zu 1 führten die Arbeiter, die regelmäßig über keine Erfahrungen in diesem Industriezweig verfügten, sodann Tätigkeiten aus, die zuvor von eigenen Mitarbeitern vorgenommen worden waren (UA S. 12). Sie wurden in die Organisation des Betriebs integriert, unterstanden dem Weisungsrecht der Nebenbeteiligten zu 1 und wurden je nach zeitlichem und örtlichem Bedarf beschäftigt (UA S. 12 f.). Auch die Entlohnung der Arbeiter vollzog sich nur formal über die Subunternehmen; die Zahlungsvorgänge folgten dem die wahren Beschäftigungsverhältnisse verdeckenden verschrifteten Vertragswerk. Die Nebenbeteiligte zu 1 erledigte die Abrechnungen und gab den Subunternehmen die zu zahlenden Beträge vor, die diese dann auskehrten (UA S. 15 ff.). Überdies waren die Arbeiter vielfach der Papierform nach unmittelbar aufeinanderfolgend bei verschiedenen Subunternehmen tätig, obwohl sie fortwährend unter gleichbleibenden Bedingungen bei der Nebenbeteiligten zu 1 eingesetzt waren; mit Ausnahme der Bezeichnung des vermeintlichen Arbeitgebers änderte sich für sie nichts (UA S. 13, 38, 39).
20
Nach alledem bestanden zwischen den Subunternehmen und den Arbeitern keine regulären Arbeitsverhältnisse, die als Basis für eine Verleihung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hätten dienen können. Das bloße Vermitteln von Arbeitnehmern an einen Dritten zuzüglich weiterer allein der Verschleierung dienender Handlungen erfüllt die Voraussetzungen eines Ver- leihvertrages nicht (s. auch BGH, Beschluss vom 4. September 2013 - 1 StR 94/13, NStZ 2014, 321).
21
(2) Die Einwände der Nebenbeteiligten zu 2 gegen die in den Urteilsgründen dargelegte Feststellung und Bewertung der durch den Angeklagten Di. begangenen Beihilfetaten verfangen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen nicht.
22
bb) Nach den gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB anwendbaren Vorschriften der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1, § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB nF erweist sich die selbständige Anordnung der Einziehung des Werts von Taterträgen gegen die Nebenbeteiligten als rechtsfehlerfrei. Hinsichtlich der Taten des Angeklagten De. als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Nebenbeteiligten zu 1 und des Angeklagten Di. als (früherer) Geschäftsführer der Nebenbeteiligten zu 2 ist spätestens am 1. August 2016 das Prozesshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten. § 76a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB nF regeln, dass gleichwohl unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b, 73c StGB nF die Anordnung der selbständigen Einziehung (des Werts) von Taterträgen aus der verjährten rechtswidrigen Tat möglich ist, und entkoppeln die Zulässigkeit der Anordnung somit von der Verjährung der Tat. Nach § 76b Abs. 1 StGB nF, der die Verjährung für die selbständige Einziehung eigenständig regelt, verjährt diese Maßnahme erst in 30 Jahren ab Tatbeendigung.
23
cc) Die Anordnung der selbständigen Einziehung gegenüber den Nebenbeteiligten entspricht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den Vorschriften der §§ 73 ff. StGB nF.
24
(1) Durch die Straftaten des Angeklagten De. erlangte die Nebenbeteiligte zu 1 als Drittbegünstigte gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF (Vertretungsfall) im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF Arbeitsstunden, deren Wert (§ 73c Satz 1 StGB nF) der Einziehung unterliegt.
25
(a) Die Bereicherung durch die geleisteten Arbeitsstunden wurde durch die Taten kausal hervorgebracht. Für die Bestimmung des Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB nF kommt es - entgegen der Ansicht der Nebenbeteiligten zu 1 - allein auf eine tatsächliche ("gegenständliche") Betrachtung an; wertende Gesichtspunkte sind nicht zu berücksichtigen. Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, den er dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Wendung "aus der rechtswidrigen Tat" in der alten Vorschrift über den Verfall (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF) durch die Worte "durch die rechtswidrige Tat" ersetzt hat (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 62; 18/11640, S. 78).
26
Soweit sich die Nebenbeteiligte zu 1 auf das Urteil des Senats vom 19. Januar 2012 (3 StR 343/11, BGHSt 57, 79) beruft, sind die dortigen Ausführungen zum Umfang des Erlangten (aaO, S. 83 ff.) durch die neue Gesetzeslage überholt. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich klargestellt, dass bei Anwendung der § 73 Abs. 1, § 73d Abs. 1 StGB nF an dieser Entscheidung lediglich im Ergebnis und allein deshalb festzuhalten wäre, weil ihr eine Fahrlässigkeitstat zugrunde lag (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 69).
27
(b) Die Bestimmung des Werts der Arbeitsstunden liegt im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens (§ 73d Abs. 2 StGB nF) und lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
28
(c) Die Zahlungen der Nebenbeteiligten zu 1 an die Nebenbeteiligte zu 2 bzw. die in Bulgarien ansässigen Subunternehmen waren nicht gemäß § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB nF vom Wert des Erlangten abzuziehen, weil das Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB nF greift. Es handelte sich um Aufwendungen, die der Angeklagte De. zugunsten der Nebenbeteiligten zu 1 bewusst und willentlich für die Tatbegehung tätigte.
29
Zwar weist die Nebenbeteiligte zu 1 im rechtlichen Ansatz zutreffend darauf hin, dass dieses Abzugsverbot in Anlehnung an die Zivilrechtsprechung zu § 817 Satz 2 BGB unter wertenden Gesichtspunkten einschränkend dahin auszulegen ist, dass Aufwendungen für nicht zu beanstandende Leistungen auch dann abzugsfähig sind, wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis wie der strafrechtlich missbilligte Vorgang entstammen (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 68; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431 mwN). Die Zahlungen der Nebenbeteiligten zu 1 an die Nebenbeteiligte zu 2 bzw. die bulgarischen Subunternehmen wurden jedoch für eine für sich gesehen illegale - und damit zu beanstandende - Vermittlung von Arbeitnehmern geleistet. Das ergibt sich aus Folgendem:
30
Der Rahmenwerkvertrag zwischen den Nebenbeteiligten und deren Werkverträge mit den bulgarischen Subunternehmen waren nur zum Schein abgeschlossen und als solche bereits nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig (zu Scheinwerkverträgen bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung s. BAG, Urteil vom 12. Juli 2016 - 9 AZR 352/15, BB 2016, 2686, 2687; Timmermann, BB 2012, 1729, 1730, jeweils mwN). Die verdeckten (§ 117 Abs. 2 BGB) Verträge waren auf einen nach § 284 SGB III verbotenen Erfolg gerichtet, nämlich die Vermittlung von Arbeitnehmern, ohne dass die erforderlichen Genehmigungen für deren Beschäftigung vorlagen. Eine Verletzung von § 284 SGB III unterfällt jedenfalls dann § 134 BGB, wenn die Vertragsparteien Kenntnis von der Genehmigungspflicht haben und der Vertrag ohne Genehmigung durchgeführt werden soll (s. BAG, Urteil vom 30. Mai 1969 - 5 AZR 256/68, BAGE 22, 22, 27 f. [hinsichtlich § 43 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung aF]; Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 284). Hier zielten die Scheinwerkverträge gerade darauf, die tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse zu verschleiern und das Genehmigungserfordernis zu umgehen. Für deren Nichtigkeit ist es ohne Bedeutung, ob Arbeitsentgeltansprüche aus den Arbeitsverhältnissen, somit anderen Rechtsverhältnissen, gesetzlich über die Vorschrift des § 98a AufenthG geschützt sind, auf die sich die Revision der Nebenbeteiligten zu 1 beruft. Das gilt umso mehr, als diese Regelung ohnehin erst am 26. November 2011 - nach Beendigung der Taten - in Kraft getreten ist.
31
(d) Ebenso wenig sind die Zahlungen der Nebenbeteiligten zu 1 an die Nebenbeteiligte zu 2 bzw. die bulgarischen Subunternehmen nach der in § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB nF geregelten Rückausnahme vom Abzugsverbot zu berücksichtigen; es handelte sich nicht um Leistungen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber den Verletzten der Tat. Zum einen waren die bulgarischen Arbeiter nicht Leistungsempfänger, auch wenn ihnen letztlich ein Teil des gezahlten Geldes zugutegekommen sein dürfte. Zum anderen kann § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB nF nur bei Delikten Anwendung finden, die dem Individualgüterschutz dienen. Dies hat der Gesetzgeber (erst) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens klargestellt, indem er das Merkmal "Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzen" mit den Worten "der Tat" ergänzt hat (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 80). Eine Anwendung der Rückausnahmeregelung bei Strafnormen, die - wie hier jedenfalls vorrangig - den Schutz von Rechtsgütern der Allgemeinheit bezwecken, scheidet entgegen der Auffassung der Nebenbeteiligten zu 1 aus (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2018 - 3 StR 620/17, StV 2019, 42, 46; Köhler, NStZ 2017, 497, 509).
32
(2) Durch die Beihilfetaten des Angeklagten Di. erlangte die Nebenbeteiligte zu 2 als Drittbegünstigte gemäß § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nF im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB nF einen Geldbetrag von zumindest 72.091,47 €. In dieser Höhe verblieben die von der Nebenbeteiligten zu 1 auf den Rahmenwerkvertrag geleisteten Zahlungen bei ihr. Dass das Landgericht gegen die Nebenbeteiligte zu 2 nur die Einziehung des Nettogewinns angeordnet hat, beschwert sie jedenfalls nicht.
33
b) Nach der vor dem 1. Juli 2017 gültigen Gesetzeslage wäre hingegen die Anordnung der Vermögensabschöpfung gegen die Nebenbeteiligten wegen des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung ausgeschlossen gewesen.
34
aa) Gemäß § 76a Abs. 1 StGB aF kam eine selbständige Verfallsanordnung nur in Betracht, wenn die rechtswidrige Tat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr verfolgt werden konnte. War dagegen die Verfolgung der Tat verjährt , schied diese Maßnahme aus. Für den Fall, dass Verfolgungsverjährung eingetreten war, sah § 76a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB aF lediglich die Sicherungseinziehung gefährlicher Tatprodukte, Tatinstrumente und gewisser Beziehungsgegenstände vor. Für Tatgewinne - wie hier - und Tatentgelte blieb es bei der allgemeinen Verjährungsregelung des § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB.
35
bb) Auch eine Strafbarkeit der Angeklagten nach anderen unverjährten Strafvorschriften, die eine (unselbständige) Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 73a Satz 1 StGB aF ermöglicht hätten, scheidet aus. Dementsprechend hat der Senat die gegen die Freisprüche der Angeklagten gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom heutigen Tag verworfen.
36
Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die Angeklagten den Qualifikationstatbestand des § 11 Abs. 2 SchwarzArbG verwirklicht hätten; dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Wegen Anstiftung der Verantwortlichen der bulgarischen Subunternehmen zum unerlaubten Überlassen nichtdeutscher Arbeitnehmer oder wegen Beihilfe hierzu gemäß § 15 Abs. 1 AÜG, § 26 bzw. § 27 Abs. 1 StGB haben sich die Angeklagten schon deshalb nicht strafbar gemacht, weil das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - wie dargelegt (s. oben II. 2. a) aa) (1)) - auf den festgestellten Sachverhalt nicht anwendbar ist.
37
Für den Angeklagten De. käme zwar auch eine Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 und 2 StGB, § 14 Abs. 1 StGB in Betracht, für den Angeklagten Di. einesolche wegen Beihilfe hierzu. Derartige Taten sind jedoch nicht von der Anklage erfasst , weil sie gegenüber den den Straftatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG erfüllenden Handlungen im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO prozessual eigenständig sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juli 2009 - 3 Ss OWi 355/09, juris Rn. 14 ff.). Darüber hinaus würde die Vermögensabschöpfung nach altem wie neuem Recht andere Taterträge (die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge) erfassen.
38
c) Für die vom Senat zu treffende Entscheidung kommt es daher insoweit , als es um die Zulässigkeit der Anordnung der selbständigen Einziehung geht, darauf an, ob die Anwendungsregel des Art. 316h Satz 1 EGStGB verfassungsgemäß ist.

III.


39
Soweit Art. 316h Satz 1 EGStGB die Vorschriften der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1, § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB jeweils in der seit dem 1. Juli 2017 gültigen Fassung in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten Verfolgungsverjährung eingetreten war, verstößt er nach der Überzeugung des Senats zwar nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, jedoch gegen das allgemeine rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot.
40
1. Art. 103 Abs. 2 GG, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit vor Tatbegehung gesetzlich bestimmt war, findet keine Anwendung.
41
a) Verjährungsvorschriften unterliegen nicht dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie lediglich die Verfolgbarkeit der Tat regeln und deren Strafbarkeit bzw. deren Unrecht und Schuld unberührt lassen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. September 1952 - 1 BvR 612/52, BVerfGE 1, 418, 423; vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 284 ff.; vom 31. Januar 2000 - 2 BvR 104/00, NStZ 2000, 251; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2017 - GSSt 2/17, BGHSt 62, 184, 195; ferner Hennecke, NZWiSt 2018, 121,

124).


42
b) Art. 103 Abs. 2 GG ist auch deshalb nicht anwendbar, weil die Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 ff. StGB nF keinen Strafcharakter hat. Dies war für den Verfall nach altem Recht, auch bei Anwendung des Bruttoprinzips, anerkannt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1, 14 ff.; BGH, Urteil vom 21. August 2002 - 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369). Die Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat zwar unter anderem zu einer Änderung des Begriffs der Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) - von Verfall in Einziehung von Taterträgen - geführt, wodurch das Recht an die im Recht der Europäischen Union gebräuchliche Begrifflichkeit ("confiscation") angelehnt werden sollte (s. BT-Drucks. 18/9525, S. 48). Die Neuregelung hat indes die Rechtsnatur der Maßnahme unberührt gelassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2018 - 5 StR 600/17, juris Rn. 14; vom 22. März 2018 - 3 StR 42/18, NStZ 2018, 400; Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431).
43
2. Art. 316h Satz 1 EGStGB ist jedoch an den allgemeinen Grundsätzen zu messen, die im Hinblick auf die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für den Bürger belastende rückwirkende Gesetze gelten.
44
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu unterscheiden zwischen solchen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und nur ausnahmsweise zulässig sind, und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich verfassungsgemäß sind. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich ändernd in einen der Vergangenheit angehörenden Sachverhalt eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"; vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 181; Beschluss vom 12. November 2015- 1 BvR 2961/14, 3051/14, NVwZ 2016, 300, 302; Sommermann in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 2, 7. Aufl., Art. 20 Rn. 294, jeweils mwN).
45
Die rückwirkende Anwendung der Regelungen der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1, § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB nF in Fällen, in denen nach altem Recht hinsichtlich des Verfalls bereits vor dem 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung aufgrund deren Koppelung an die Verjährung der Tat eingetreten war, ist als echte Rückwirkung zu beurteilen. Art. 316h Satz 1 EGStGB greift nachträglich ändernd in vor der Verkündung des Gesetzes abgeschlossene Tatbestände ein, soweit er die Anordnung der Einziehung von Taterträgen aus Alttaten auch dann ermöglicht, wenn nach früher geltendem Recht eine Verfallsanordnung wegen Verfolgungsverjährung nicht mehr hätte ergehen dürfen. Die Vorschrift erklärt eine bereits eingetretene Verjährung für rechtlich unbeachtlich und regelt damit einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt rückwirkend neu. Abweichend hiervon läge eine unechte Rückwirkung vor, wenn es nur um die Verlängerung noch laufender Verjährungsfristen in die Zukunft hinein ginge (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 290 f.; ferner BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 2000 - 2 BvR 104/00, NStZ 2000, 251; zu einer ähnlichen Abgrenzung zur Entfristung der Sicherungsverwahrung s. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 184).
46
b) Die nachträgliche Bewirkung der Zulässigkeit der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten ist als echte Rückwirkung auch nicht ausnahmsweise verfassungsgemäß.
47
aa) Freilich sind solche Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze allgemein anerkannt. Insoweit gilt:
48
Das Verbot echt rückwirkender Gesetze findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze. Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271; Beschlüsse vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446, 1174/77, BVerfGE 50, 177, 193; vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 3051/14, NVwZ 2016, 300, 304 mwN). Daneben lassen zwingende Gründe des gemeinen Wohls Durchbrechungen des Rückwirkungsverbots zu (vgl. Grzeszick in Maunz/Dürig, GG, 48. EL, Art. 20 VII. Rn. 85; Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Band II, 3. Aufl., Art. 20 Rn. 158).
49
Das Bundesverfassungsgericht hat - nicht abschließend definierte - Fallgruppen entwickelt, in denen es echt rückwirkende Gesetze für ausnahmsweise verfassungsgemäß erachtet hat; dabei handelt es sich um Typisierungen eines ausnahmsweise fehlenden gerechtfertigten Vertrauens in eine bestehende Gesetzeslage (zu diesem Bezugspunkt insbesondere BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08, BVerfGE 133, 143, 158) oder um Durchbrechungen des Rückwirkungsverbots aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls. So ist eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot gegeben, wenn die Bürger schon im Zeitpunkt, auf den die echte Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten. Vertrauensschutz kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste, oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden. Der Vertrauensschutz muss ferner zurücktreten, wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung erfordern, wenn die Betroffenen sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durften oder wenn durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, 22 f.; vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 3051/14, NVwZ 2016, 300, 304, jeweils mwN).
50
Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (s. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Mai 1986 - 2 BvL 2/83, NJW 1987, 1749, 1753; vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, 22, jeweils mwN).
51
bb) Eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots echt rückwirkender Gesetze liegt hier nicht vor.
52
(1) Eine der bisher vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Fallgruppen ist nicht einschlägig. Insbesondere war im hiesigen Fall am 1. August 2016, als die Taten nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG spätestens verjährt waren, noch nicht mit einer (rückwirkenden) gesetzlichen Neuregelung zu rechnen.
53
Anlass zu einer derartigen Prognose bestand nicht schon deshalb, weil die Bundesregierung in dem von ihr verfassten "Entwurf eines ... Strafrechts- änderungsgesetzes - Erweiterter Verfall - (... StrÄndG)" vom 9. März 1990 mit Blick auf die Verjährung ausgeführt hatte, dass im "Rahmen der Gesamtüberarbeitung der §§ 73 ff. StGB ... eine an § 76a Abs. 2 StGB orientierte Lösung auch für den Fall der selbständigen Verfallsanordnung zu prüfen sein" werde (BT-Drucks. 11/6623, S. 7; vgl. ferner den pauschalen Verweis in BT-Drucks. 12/989, S. 24). Denn im Jahr 2016 war die Umsetzung dieses Vorhabens längst nicht mehr aktuell.
54
In dem Gesetzgebungsverfahren, das zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 führte, datiert der von der Bundesregierung vorgelegte erste Gesetzesentwurf auf den 12. August 2016. Er koppelte weiterhin die Verjährung der Einziehung von Taterträgen an diejenige der Tat und ließ dementsprechend in § 76a StGB-E noch keine selbständige Einziehung von Taterträgen nach Verjährungseintritt zu; vielmehr konstatierte die Entwurfsbegründung zu dieser Zeit noch die rechtsfriedensstörende Wirkung solcher Regelungen (vgl. BR-Drucks. 418/16, S. 9 f., 61). Erst die zu dem Gesetzentwurf ergangene Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 22. März 2017 sah die Einführung der § 76a Abs. 2 Satz 1, § 76b Abs. 1, § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie des Art. 316h Satz 1 EGStGB jeweils in der später verkündeten und heute gültigen Fassung vor (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 16, 18 f., 82 ff.).
55
(2) Auch jenseits der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Fallgruppen lässt sich die nachträgliche Bewirkung der Zulässigkeit der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten nicht - als Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze - damit legitimieren, dass ein Vertrauen in das alte Recht des Verfalls sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei. Insbesondere die in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vorgebrachte - nicht näher ausgeführte - Erwägung, ein etwaiges Vertrauen in den Fortbestand einer strafrechtswidrig geschaffenen Vermögenslage sei nicht schutzwürdig (vgl. BT-Drucks. 18/11640, S. 84; ferner Meyer-Goßner/ Schmitt/Köhler, StPO, 61. Aufl., Art. 316h EGStGB Rn. 2; noch weitergehend BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431, 432 ["kein schutzwürdiges Vertrauen auf strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen erfassende gesetzliche Regelungen"]), ermöglicht eine solche Wertung nicht.
56
(a) Allerdings handelt es sich bei der Beseitigung einer strafrechtswidrig geschaffenen Vermögenslage um ein legitimes gesetzgeberisches Ziel, das dem Gesetzgeber einen weiten, freilich nicht unbegrenzten Gestaltungsspielraum eröffnet.
57
In seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls nach § 73d StGB aF (Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, BVerfGE 110, 1) hat das Bundesverfassungsgericht eingehend dargelegt, welchem Zweck Maßnahmen der Vermögensabschöpfung dienen, welche Rechtsnatur sie mit Blick auf den Schuldgrundsatz haben und welche verfassungsrechtlichen Maßstäbe im Hinblick auf die Eigentumsgarantie anzulegen sind. Die zum alten Verfallsrecht entwickelten verfassungsrechtlichen Grundsätze lassen sich - wie oben dargelegt (s. III. 1 b)) - auf das neue Recht der Einziehung von Taterträgen uneingeschränkt übertragen. Hiernach gilt:
58
All diese Maßnahmen der Vermögensabschöpfung verfolgen, auch wenn die vom Täter geleisteten Aufwendungen nicht vom Taterlös in Abzug zu bringen sind (sogenanntes Bruttoprinzip), keinen repressiven, vielmehr einen präventiven Zweck. Dieser besteht darin, einen durch den deliktischen Vermögenserwerb verursachten rechtswidrigen Zustand für die Zukunft zu beseitigen.
Die Entziehung deliktisch erlangter Vermögenwerte ist daher nicht Ausdruck vergeltender, sondern ordnender Gerechtigkeit. Da den Vermögensabschöpfungsmaßnahmen kein Strafcharakter zukommt, unterliegen sie nicht dem Schuldgrundsatz (vgl. BVerfG, aaO, S. 15 ff.).
59
Von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG werden Vermögenswerte , die durch Straftaten erlangt worden sind, nicht generell erfasst. Soweit solche Vermögenswerte betroffen sind, die dem von der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung Betroffenen zivilrechtlich nicht zustehen (§§ 134, 935 BGB), ist dessen Eigentumsgrundrecht schon mangels einer schutzfähigen Rechtsposition nicht berührt. Soweit der Betroffene Vermögenswerte zwar deliktisch , aber zivilrechtlich wirksam erlangt hat, enthält eine Rechtsvorschrift, die deren Entziehung vorsieht, lediglich eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, aaO, S. 23 f.). Wegen der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist in diesem Fall eine Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten. Diese Prüfung umfasst die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der gesetzlichen Regelung im Hinblick auf das legitime gesetzgeberische Ziel, eine Störung der Vermögensordnung zukunftsbezogen zu beseitigen und so der materiellen Rechtsordnung Geltung zu verschaffen (vgl. BVerfG, aaO, S. 28 ff.).
60
Dass das "Rechtsinstitut des Verfalls" nach §§ 73 ff. StGB aF geeignet war, dieses Ziel zu erreichen, hat das Bundesverfassungsgericht wie folgt begründet : "Das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung kann Schaden nehmen, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögensvorteile dauerhaft behalten dürfen. Eine Duldung solcher strafrechtswidrigen Vermögenslagen durch den Staat könnte den Eindruck hervorrufen, kriminelles Verhalten zahle sich aus, und damit staatlich gesetzten Anreiz zur Begehung gewinnorientierter Delikte geben. Die strafrechtliche Gewinnabschöpfung ist ein geeignetes Mittel, um dies zu verhindern. Sie kann der Bevölkerung den Eindruck vermitteln, der Staat unternehme alles ihm rechtsstaatlich Mögliche, um eine Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden" (BVerfG, aaO, S. 29).
61
(b) Gerade § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB nF soll explizit den Zweck der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung stärken, "strafrechtswidrige Störungen der Rechtsordnung zu beseitigen und dadurch der materiellen Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen" (BT-Drucks. 18/11640, S. 82). Der Senat ist der Ansicht, dass dieser Zweck die neugeschaffene Regelung über die Einziehung von Erträgen aus verjährten rechtswidrigen Taten als solche von Verfassungs wegen zu legitimieren geeignet ist, mag auch die eigenständige 30-jährige Verjährungsfrist des § 76b Abs. 1 StGB nF "den Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen vollständig" ausschöpfen (so BT-Drucks. 18/11640, S. 83).
62
(c) Das gesetzgeberische Ziel, strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen zukunftsbezogen zu revidieren, rechtfertigt jedoch für sich noch kein echt rückwirkendes Gesetz. Der nachträglichen Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB nF steht ein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen in die vor der Reform geltenden Verjährungsvorschriften entgegen.
63
(aa) Nach den oben dargelegten Maßstäben (s. III. 2. b) aa)) ist die bestehende Rechtslage verfassungsrechtlicher Bezugspunkt für ein Vertrauen der Bürger, das durch neu geschaffene rückwirkende Normen beeinträchtigt wird. Maßgeblich ist, ob das Vertrauen in den Fortbestand von gesetzlichen Vorschriften Schutz verdient, die einen der Vergangenheit angehörenden Sachver- halt regeln. Was die Vorlagefrage betrifft, kommt es darauf an, ob sich derjenige , der Vermögenswerte durch eine rechtswidrige Tat erlangt hatte, nach Eintritt der Verfolgungsverjährung gemäß § 78 Abs. 1 StGB aF auf dieses - per se nicht behebbare (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 StR 524/10, NJW 2011, 2310) - Verfahrenshindernis verlassen durfte und weiterhin verlassen darf, auch soweit es die strafrechtliche Vermögensabschöpfung betrifft.
64
(bb) Ein solches Vertrauen in die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung gültigen Verjährungsvorschriften war sachlich gerechtfertigt. Regelungen über die Verjährung haben einen eigenständigen Wert, der ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip wurzelt. Sie sind Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit, die als berechtigtes Interesse des Bürgers, irgendwann nicht mehr mit einer Intervention des Staates rechnen zu müssen, mit dem entgegenstehenden Anliegen der Allgemeinheit an der Durchsetzung der materiellen Rechtslage in Ausgleich zu bringen ist (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08, BVerfGE 133, 143, 159 [zur Festsetzbarkeit kommunaler Abgaben]; vom 21. Juli 2016 - 1 BvR 3092/15, NVwZ-RR 2016, 889, 890 [zur Festsetzung einer Steuerfrist]). Wie dargelegt (s. oben III. 1. a)), lassen im Strafrecht die Regelungen über die Verjährung - unabhängig davon, welcher Zweck ihr im Detail zugeschrieben wird (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1969 - 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269, 293 ff.; Asholt, Verjährung im Strafrecht, 2016, S. 90 ff.; Hörnle in Festschrift Beulke, 2015, S. 115 ff.) - die Strafbarkeit unberührt und regeln allein die Verfolgbarkeit der Tat. Ihr Sinn ist es, nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Zeit Rechtssicherheit für den Beschuldigten (oder den Nebenbeteiligten ) herzustellen, wobei diesem Bedürfnis dann ein höheres Gewicht als der materiellen Gerechtigkeit beigemessen wird (so BVerfG, Beschluss vom 1. August 2002 - 2 BvR 1247/01, juris Rn. 25). Auf diese Weise begründen die Verjährungsvorschriften - der materiellen Rechtslage zuwider - ein von Amts wegen zu beachtendes, nicht behebbares Verfahrenshindernis, das der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dient (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 1963 - 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274, 278; vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 252/16, NJW 2018, 1268, 1270). Darüber hinaus sollen sie einer etwaigen Untätigkeit der Behörden in jedem Abschnitt des Verfahrens entgegenwirken (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1958 - 4 StR 145/58, BGHSt 11, 393, 396; Beschlüsse vom 23. Januar 1959 - 4 StR 428/58, BGHSt 12, 335, 337 f.; vom 12. Juni 2017 - GSSt 2/17, BGHSt 62, 184, 195).
65
Hat der Gesetzgeber in diesem Sinne das Gebot der Rechtssicherheit mit dem gegenläufigen Gedanken der materiellen Gerechtigkeit nach Maßgabe seiner Einschätzungsprärogative in einen angemessenen Ausgleich gebracht, so dürfen die Rechtsunterworfenen grundsätzlich darauf vertrauen, dass er nicht im Nachhinein eine abweichende Abwägung vornimmt und die ursprünglichen Verjährungsvorschriften rückwirkend für unanwendbar erklärt.
66
(cc) Abweichendes folgt nicht aus den Wertungen des bürgerlichen Rechts, insbesondere auch nicht denjenigen des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung, dem die Vermögensabschöpfung aufgrund ihres quasi-kondiktionellen Charakters nahesteht.
67
(α) Der Generalbundesanwalt hat im Einzelnen ausgeführt, dass nicht nur die §§ 73 ff. StGB in der alten wie der neuen Fassung dazu dienten bzw. dienen, dem durch eine Straftat Begünstigten das deliktisch erlangte Vermögen wieder zu entziehen, vielmehr diverse zivilrechtliche Normen bestünden, die Gleiches bezweckten (insbesondere §§ 817, 819 Abs. 2, §§ 852, 853 sowie § 134 und §§ 123, 142 Abs. 1 BGB). Von besonderer Bedeutung ist dabei § 852 BGB, dessen Rechtsgedanken der Reformgesetzgeber in der aktuellen Verjährungsvorschrift des § 76b Abs. 1 StGB nF hat "übernehmen" wollen (BT-Drucks. 18/11640, S. 83). Das Deliktsrecht sieht nach Eintritt der Regelverjährung diesen Herausgabeanspruch mit der Rechtsfolge eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs vor (sogenannter Restschadenersatzanspruch; vgl. MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl., § 852 Rn. 2). Gemäß § 852 Satz 1 BGB soll der durch die unerlaubte Handlung Geschädigte eine auf seine Kosten vom Ersatzpflichtigen erlangte Bereicherung selbst dann abschöpfen können, wenn die Schadenersatzforderung nach den allgemeinen Regelungen der §§ 195, 199 BGB verjährt ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 270; BeckOGK BGB/Eichelberger, § 852 Rn. 3). Dieser Rechtsgedanke geht zurück auf das aus dem römischen Recht herrührende Rechtsinstitut der "condictio ex iniusta causa", wonach kondiziert werden kann, was sich aus einem rechtswidrigen Grund bei jemandem befindet ("quod ex iniusta causa apud aliquem sit, posse condici"; vgl. MüKoBGB /Wagner aaO, Rn. 1).
68
(β) Indes können auch im bürgerlichen Recht strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen nicht ohne zeitliche Schranken rückabgewickelt werden. Die vom Generalbundesanwalt angeführten Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche deliktisch Geschädigter unterliegen ebenfalls der Verjährung, was auch zivilrechtlich eine zeitlich unbeschränkte Abschöpfung des durch unerlaubte Handlung Erlangten hindern kann. So verjährt der Restschadenersatzanspruch gemäß § 852 Satz 2 BGB in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf die Entstehung 30 Jahre ab der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen schadensauslösenden Ereignis. Abhängig etwa von dem verwirklichten Straftatbestand (s. § 78 Abs. 3 StGB) tritt die strafrechtliche Verfolgungsverjährung gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 StGB früher oder später ein, als der Schuldner diese zivilrechtliche Einrede der Verjährung erstmals erheben kann.
69
Auch die Regelungen über die Verjährung von Ansprüchen im bürgerlichen Recht dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Februar 1963 - 1 StR 318/62, BGHSt 18, 274, 278; vom 25. Oktober 2017 - 2 StR 252/16, NJW 2018, 1268, 1270). Ein allgemeines Prinzip, dass derjenige, der strafrechtswidrig Vermögenswerte erlangt hat, nicht auf eine eingetretene Verjährung vertrauen dürfe, sondern diese gleichwohl herausgeben müsse, ist den zivilrechtlichen Vorschriften dagegen fremd.
70
(γ) Ebenso wenig ist ersichtlich, aus welchem Grund der potentiell vom Verfall nach §§ 73 ff. StGB aF Betroffene damit hätte rechnen müssen, die Regelung des § 852 Satz 2 BGB werde, soweit sie im Einzelfall eine längere Verjährungsfrist vorsieht, auf strafrechtliche Maßnahmen übertragen, zumal dies nicht nur für die Frist von 30 Jahren, sondern auch diejenige von zehn Jahren gelten müsste. Eine Angleichung von Verjährungsvorschriften im Sinne einer möglichst weitgehenden dogmatischen Kohärenz legitimiert echt rückwirkende, den Bürger belastende Gesetze hingegen nicht. Unter einem derartigen Aspekt kann der Gesetzgeber - wie oben dargelegt (s. III. 2. b) aa)) - Rechtsnormen im Nachhinein allenfalls bei eklatanter Systemwidrigkeit ändern, wenn deren Verfassungsmäßigkeit zweifelhaft ist.
71
3. Eine Reduktion des Anwendungsbereichs des Art. 316h Satz 1 EGStGB im Wege der verfassungskonformen Auslegung scheidet nach der Überzeugung des Senats aus.
72
Allerdings ist eine Gesetzesnorm durch Auslegung so weit aufrecht zu erhalten, wie dies in den Grenzen des Grundgesetzes möglich ist, ohne dass sie ihren Sinn verliert. Eine solche verfassungskonforme Auslegung ist jedoch ausgeschlossen, wenn sie zum Wortlaut der Vorschrift und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. BVerfG, Be- schluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10, 1181/10, BVerfGE 138, 296, 350 mwN). Die Norminterpretation muss vielmehr den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung folgen, die Grundentscheidung des Gesetzgebers respektieren und darf dessen Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen (s. BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02, BVerfGE 119, 247, 274; Urteil vom 11. Juli 2012 - 1 BvR 3142/07, 1569/08, BVerfGE 132, 99, 128).
73
Falls Art. 316h Satz 1 EGStGB nicht auf die selbständige Einziehung (des Werts) von Taterträgen aus vor dem 1. Juli 2017 verjährten Taten anwendbar wäre, verbliebe für die Vorschrift zwar gleichwohl ein relevanter Anwendungsbereich (für die Verfassungsmäßigkeit in anderen Fallkonstellationen s. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17, wistra 2018, 427; Urteil vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, juris Rn. 7, 11 [jeweils zu Erlösen aus nicht verjährtem Betäubungsmittelhandel], sowie BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 42/18, NStZ 2018, 400; Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 651/17, wistra 2018, 431 [jeweils zu Vermögenszuflüssen aufgrund nicht verjährter Betrugstaten ]). Sowohl der Wortlaut des Art. 316h Satz 1 EGStGB als auch der gesetzgeberische Wille lassen aber eine solche Reduktion der Norm im Sinne der Vorlagefrage nicht zu. Die Vorschrift ordnet ausdrücklich abweichend von § 2 Abs. 5 StGB die Anwendung auch der §§ 76a, 76b und 78 Abs. 1 Satz 2 StGB in der ab dem 1. Juli 2017 gültigen Fassung für vor diesem Zeitpunkt begangene rechtswidrige Taten an; der Wortlaut umfasst somit eindeutig solche Taten, hinsichtlich derer Verfolgungsverjährung bereits eingetreten war. Nach den Gesetzesmaterialien sollen die "neuen Regelungen des § 76a Abs. 2 und des § 76b StGB-E" gerade "auch für Fälle" gelten, "in denen nach bisherigem Recht der Verfall auf Grund der Koppelung an die Verjährung der Tat... verjährt war. Anders als bei der Verfolgungsverjährung ... (soll) die Verlängerung der Verjährung für die quasi-bereicherungsrechtliche Vermögensabschöpfung auch Sachverhalte (erfassen), in denen bei Inkrafttreten der Neuregelung die Verjährung bereits eingetreten war" (BT-Drucks. 18/11640, S. 84).
74
Infolgedessen bedarf es nach Ansicht des Senats der Teilnichtigerklärung des Art. 316h Satz 1 EGStGB (vgl. Bethge in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Bethge, BVerfGG, 43. EL, § 31 Rn. 173; Ulsamer/Müller-Terpitz in Maunz/ Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge aaO, 50. EL, § 81 Rn. 20), die nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist.
Schäfer Gericke Spaniol
RiBGH Hoch ist erkrankt und deshalb an der Unterschrift gehindert. Berg Schäfer

(1) Kann wegen der Straftat keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so ordnet das Gericht die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung selbständig an, wenn die Voraussetzungen, unter denen die Maßnahme vorgeschrieben ist, im Übrigen vorliegen. Ist sie zugelassen, so kann das Gericht die Einziehung unter den Voraussetzungen des Satzes 1 selbständig anordnen. Die Einziehung wird nicht angeordnet, wenn Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen oder bereits rechtskräftig über sie entschieden worden ist.

(2) Unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c ist die selbständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages und die selbständige Einziehung des Wertes des Tatertrages auch dann zulässig, wenn die Verfolgung der Straftat verjährt ist. Unter den Voraussetzungen der §§ 74b und 74d gilt das Gleiche für die selbständige Anordnung der Sicherungseinziehung, der Einziehung von Verkörperungen eines Inhalts und der Unbrauchbarmachung.

(3) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn das Gericht von Strafe absieht oder wenn das Verfahren nach einer Vorschrift eingestellt wird, die dies nach dem Ermessen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder im Einvernehmen beider zulässt.

(4) Ein wegen des Verdachts einer in Satz 3 genannten Straftat sichergestellter Gegenstand sowie daraus gezogene Nutzungen sollen auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der ihr zugrundeliegenden Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Wird die Einziehung eines Gegenstandes angeordnet, so geht das Eigentum an der Sache oder das Recht mit der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat über; § 75 Absatz 3 gilt entsprechend. Straftaten im Sinne des Satzes 1 sind

1.
aus diesem Gesetz:
a)
Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a und Terrorismusfinanzierung nach § 89c Absatz 1 bis 4,
b)
Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1, 2, 4, 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1,
c)
Zuhälterei nach § 181a Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 3,
d)
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte in den Fällen des § 184b Absatz 2,
e)
gewerbs- und bandenmäßige Begehung des Menschenhandels, der Zwangsprostitution und der Zwangsarbeit nach den §§ 232 bis 232b sowie bandenmäßige Ausbeutung der Arbeitskraft und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung nach den §§ 233 und 233a,
f)
Geldwäsche nach § 261 Absatz 1 und 2,
2.
aus der Abgabenordnung:
a)
Steuerhinterziehung unter den in § 370 Absatz 3 Nummer 5 genannten Voraussetzungen,
b)
gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373,
c)
Steuerhehlerei im Fall des § 374 Absatz 2,
3.
aus dem Asylgesetz:
a)
Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Absatz 3,
b)
gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a,
4.
aus dem Aufenthaltsgesetz:
a)
Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2,
b)
Einschleusen mit Todesfolge sowie gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,
5.
aus dem Außenwirtschaftsgesetz:vorsätzliche Straftaten nach den §§ 17 und 18,
6.
aus dem Betäubungsmittelgesetz:
a)
Straftaten nach einer in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 in Bezug genommenen Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen,
b)
Straftaten nach den §§ 29a, 30 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 sowie den §§ 30a und 30b,
7.
aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:
a)
Straftaten nach § 19 Absatz 1 bis 3 und § 20 Absatz 1 und 2 sowie § 20a Absatz 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21,
b)
Straftaten nach § 22a Absatz 1 bis 3,
8.
aus dem Waffengesetz:
a)
Straftaten nach § 51 Absatz 1 bis 3,
b)
Straftaten nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Buchstabe c und d sowie Absatz 5 und 6.

(1) Die Staatsanwaltschaft und der Privatkläger können den Antrag stellen, die Einziehung selbständig anzuordnen, wenn dies gesetzlich zulässig und die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Die Staatsanwaltschaft kann insbesondere von dem Antrag absehen, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat oder das Verfahren einen unangemessenen Aufwand erfordern würde.

(2) In dem Antrag ist der Gegenstand oder der Geldbetrag, der dessen Wert entspricht, zu bezeichnen. Ferner ist anzugeben, welche Tatsachen die Zulässigkeit der selbständigen Einziehung begründen. Im Übrigen gilt § 200 entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gelten die §§ 201 bis 204, 207, 210 und 211 entsprechend, soweit dies ausführbar ist. Im Übrigen finden die §§ 424 bis 430 und 433 entsprechende Anwendung.

(4) Für Ermittlungen, die ausschließlich der Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens dienen, gelten sinngemäß die Vorschriften über das Strafverfahren. Ermittlungsmaßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind, und verdeckte Maßnahmen im Sinne des § 101 Absatz 1 sind nicht zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 133/18
vom
5. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:050618B5STR133.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 15. November 2017 wird
a) das Verfahren hinsichtlich der Tat II.2 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen;
b) die Einziehungsentscheidung dahingehend geändert, dass die Einziehung des Wertes des Tatertrages in Höhe von 1.747,06 Euro angeordnet ist.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen ; der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung weiterer Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 4.497,06 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Hinsichtlich der Tat II.2 der Urteilsgründe liegt kein wirksamer Eröffnungsbeschluss vor, weil die Entscheidung nicht in der gesetzlich bestimmten Besetzung getroffen worden ist. Dies führt zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206a StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 1971 – 1 StR 284/71, BGHSt 24, 208, 212).
3
Nach § 76 Abs. 1 GVG beschließt die große Strafkammer die Eröffnung des Hauptverfahrens in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden; die Schöffen wirken an der Entscheidung nicht mit (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG). Dagegen hat die Strafkammer verstoßen, indem sie das Hauptverfahren in der hinzuverbundenen Strafsache (Tat II.2 der Urteilsgründe) in der Hauptverhandlung wegen der Tat II.1 der Urteilsgründe in der dafür gemäß § 76 Abs. 2 Satz 4 GVG beschlossenen Besetzung mit zwei Richtern unter Mitwirkung der Schöffen eröffnet hat. Der Eröffnungsbeschluss ist daher unwirksam; das Verfahren ist insoweit einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250).
4
Die Entscheidung erübrigt sich nicht deshalb, weil die Strafkammer hinsichtlich der Tat in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren ist. Denn mangels wirksamer Eröffnungsentscheidung war diese Tat nicht Gegenstand des Hauptverfahrens. Die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO ist daher unwirksam (vgl. für das Verfahrenshindernis einer unwirksamen Anklage BGH, Beschluss vom 29. November 1994 – 4 StR 648/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 13).
5
2. Die Verfahrenseinstellung führt zur Aufhebung der Einziehung des Wertes des Tatertrages, soweit die Strafkammer die Anordnung auf Tat II.2 der Urteilsgründe gestützt hat.
6
Zwar ist es rechtlich zulässig, in der Hauptverhandlung vom subjektiven in das objektive Verfahren überzugehen, um bei einer Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO den Tatertrag gemäß § 76a Abs. 3 StGB selbständig einzuziehen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Tat überhaupt Gegenstand des Verfahrens ist. Dies war hier mangels wirksamer Eröffnung des Hauptverfahrens nicht der Fall.
7
Es kommt daher nicht darauf an, dass – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zu Recht hinweist – es zudem an dem nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Antrag der Staatsanwaltschaft fehlt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 435 Rn. 19).
Sander Schneider König
Berger Köhler

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 407/18
vom
18. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei
ECLI:DE:BGH:2018:181218B1STR407.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. auf dessen Antrag – am 18. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 20. März 2018 aufgehoben
a) im Gesamtstrafenausspruch,
b) im Ausspruch über die erweiterte Einziehung von Wertersatz in Höhe von 9.416 Euro; insoweit entfällt die Einziehung. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 6.036 Euro sowie die erweiterte Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 9.416 Euro angeordnet.
2
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Oktober 2018 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Bemessung der Gesamtstrafe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten ausdrücklich straferschwerend berücksichtigt, dass weitere 39 Einzeltaten aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt wurden.
5
Die Festsetzung der Gesamtstrafe innerhalb der durch § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB gezogenen Grenzen ist ein eigenständiger Strafzumessungsvorgang , der den allgemeinen Grundsätzen des § 46 StGB unterliegt (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 StR 217/13, StraFo 2013, 477). Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat der Tatrichter bei der Strafzumessung die für und gegen den Täter sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen. Bei der Feststellung und Bewertung von Strafzumessungstatsachen kann der Tatrichter grundsätzlich auch strafbare Handlungen ermitteln und würdigen, die nach § 154 StPO eingestellt worden sind. Eine strafschärfende Berücksichtigung solcher vorläufig eingestellter Taten setzt aber voraus, dass diese in der Hauptverhandlung prozessordnungsgemäß festgestellt sind und zur Überzeugung des Tatgerichts feststehen (BGH, Beschlüsse vom 18. März 2015 – 2 StR 54/15, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 33 Rn. 4 und vom 12. September 2012 – 5 StR 425/12, wistra 2012, 470 Rn. 3 mwN).
6
Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe nicht. Das Landgericht hat nur pauschal festgestellt, dass der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 7. März 2015 und dem 12. Oktober 2015 in weiteren 47 Fällen mindestens 20 und maximal 500 Stangen Zigaretten in einer Gesamtliefermenge von 7.726 Stangen angekauft hat (UA. S. 4), ohne dass aber weitere konkrete Feststellungen zu den nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellten 39 Einzeltaten getroffen werden. Solche Feststellungen werden nur in Bezug auf die zur Aburteilung gelangten acht Einzeltaten getroffen.
7
Der Senat kann im Blick auf die erhebliche Erhöhung der Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten nicht ausschließen, dass der Gesamtstrafenausspruch auf den rechtsfehlerhaften Erwägungen zur Einbeziehung der vorläufig ausgeschiedenen weiteren Taten beruht.
8
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass gerade bei den hier begangenen Steuerstraftaten bei der Bemessung der Gesamtstrafe der insgesamt entstandene steuerliche Verkürzungsumfang besonders in den Blick zu nehmen ist.
9
2. Auch die Entscheidung zur Einziehung des Wertes von Taterträgen hält nur teilweise einer rechtlichen Überprüfung stand. Nach § 73 Abs. 1 StGB nF ist zwingend das einzuziehen, was der Täter durch oder für die Taten erlangt hat. Ist die Einziehung des Erlangten nicht möglich, weil es verbraucht ist, ist nach § 73c StGB nF die Einziehung eines Geldbetrages auszusprechen, der dem Wert des Erlangten entspricht.
10
a) Soweit das Landgericht in Bezug auf die acht abgeurteilten Taten der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei nur die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 6.036 Euro anordnet und dabei zu Grunde legt, dass der Angeklagte aus den insgesamt angekauften 3.018 Stangen unverzollten und unversteuerten Zigaretten einen Gewinn von mindestens zwei Euro pro Stange erzielt hat, ist der Angeklagte nicht beschwert.
11
Der Steuerhehler erlangt im Sinne des § 73 StGB, indem er die Zigaretten ankauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigaretten und durch den anschließenden Weiterverkauf den hieraus erzielten Erlös (BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 – 1 StR 613/14, wistra 2015, 236 Rn. 15 und vom 28. Juni 2011 – 1 StR 37/11, wistra 2011, 394 Rn. 11). Die Aufwendungen des Steuerhehlers für den Erwerb der Zigaretten bleiben dabei unberücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 – 1 StR 613/14, wistra 2015, 236 Rn. 15; Urteil vom 29. Juni 2010 – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83 Rn. 39 mwN).
12
b) Die erweiterte Einziehung von Wertersatz in Höhe von 9.416 Euroin Bezug auf die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Taten kann jedoch keinen Bestand haben.
13
Wird das Verfahren – wie hier – hinsichtlich eines Teils der Tatvorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, können die diesen Taten zugeordneten Taterträge nach § 76a Abs. 3 StPO nur noch im selbstständigen Einziehungsverfahren eingezogen werden, das einen entsprechenden Antrag nach § 435 StPO voraussetzt (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 – 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422 f.). Fehlt es daran, steht der dennoch ausgesprochenen Einziehung das Verfahrenshindernis der fehlenden Anhängigkeit entgegen (BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2018 – 3 StR 605/17, NStZ-RR 2018, 116, 117 und vom 14. Juni 2018 – 3 StR 28/18 Rn. 4; Heine in Satzger/Schluckebier/Widmaier , StGB, 4. Aufl., § 76a Rn. 19).
14
3. Einer Aufhebung der bisherigen Feststellungen bedarf es nicht, da sie vom aufgezeigten Wertungsfehler nicht betroffen sind. Der neue Tatrichter kann aber ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Raum Jäger Bär
Hohoff Pernice