vorgehend
Landgericht Hamburg, , 02 Ks 9/18
Landgericht Hamburg, , 2 Ss 71/19
Landgericht Hamburg, 66, 0 Js 34/18

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 449/19
vom
22. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:221019B5STR449.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 22. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25. März 2019 hinsichtlich der Strafe für die Tat 1 (Ziffer II.2 der Urteilsgründe) und im Gesamtstrafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, versuchtem Raub mit Todesfolge und mit gefährlicher Körperverletzung (Tat 1) sowie wegen versuchten Computerbetruges (Tat 2) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und daneben Einziehungs- und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die Angeklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung mit Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Ihre Revision hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts informierte sich die Angeklagte , die drängende Geldprobleme hatte, spätestens ab Februar 2018 im Internet darüber, wie man schnell und leicht Menschen töten und alte Menschen überfallen könne, um an Geld zu kommen. Danach entschloss sie sich zu einem Raubüberfall auf einen von ihr als leichtes Opfer angesehenen Bewohner einer Seniorenwohnanlage unter Einsatz eines Messers, das sie zur Erreichung ihres Raubziels auch tödlich einsetzen wollte. Sie klingelte am Morgen des 10. März 2018 bei der von ihr zufällig als Opfer ausgewählten, zur Tatzeit 93-jährigen sehbehinderten Geschädigten B. an der Wohnungstür. Diese hielt sie für ihre Physiotherapeutin und ließ sie in die Wohnung hinein. Nachdem die Angeklagte ihre wahren Absichten verbergend der Geschädigten freundlich lächelnd erklärt hatte, etwas vergessen zu haben, drehte diese ihr den Rücken zu und ging in Richtung ihres Wohnzimmers. Unter Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten umklammerte die Angeklagte sie von hinten und stach ihr mit einem bis dahin verborgen gehaltenen Messer wuchtig in den Oberkörper, wodurch die Geschädigte zu Boden fiel. Unter Fortsetzung der Messerstiche forderte sie die Geschädigte zur Preisgabe ihrer Geldverstecke auf. Im genannten Versteck fand sie Münzgeld und ein Portemonnaie mit Ausweisen, mindestens 85 Euro Bargeld und einer ec-Karte.
3
Da sie mit dieser Beute nicht zufrieden war, kehrte sie zu der schwer verletzt auf dem Boden liegenden Geschädigten zurück und stach unter Forderung der Preisgabe weiterer Geldverstecke erneut auf sie ein. Nach Benennung eines weiteren Verstecks nahm die Angeklagte dort mindestens 300 Euro an Bargeld und einen Umschlag an sich, in dem sie die zur ec-Karte gehörige PIN vermutete. Anschließend flüchtete sie, wobei sie beim Verlassen der Wohnung annahm, sie habe ihr Opfer bereits tödlich verletzt, sodass es ohne weitere Hilfe versterben werde. Der Geschädigten gelang es jedoch noch mit letzter Kraft, einen von ihr am Körper getragenen Notrufknopf zu betätigen. Sie hatte insgesamt 32 Stich- oder Schnittverletzungen insbesondere im Bereich des Brustkorbes , des Bauchraumes sowie am Hals erlitten. Hierbei wurde die Lunge verletzt sowie ein Herzbeutel und beide Brusthöhlen eröffnet, wodurch jeweils ein Pneumothorax entstand. Sie befand sich infolge der Verletzungen in akuter Lebensgefahr und konnte nur durch sofortige intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen gerettet werden (Tat 1).
4
Nach der Tat informierte sich die Angeklagte darüber, wie sie über die erbeutete ec-Karte ihres Opfers zu Bargeld kommen könne. Ihr am 13. März 2018 erfolgter Abhebeversuch über 1.000 Euro am Geldautomaten scheiterte allerdings, da die Karte bereits gesperrt war. Eine Transaktion über das Finanzdienstleistungsunternehmen Western Union, bei der sie sich am selben Tag mit dem Namen der Geschädigten registriert hatte, schlug ebenfalls fehl (Tat 2).
5
2. Die Schwurgerichtskammer hat für die Tat 1 den Strafrahmen des § 211 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt und auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. Eine Strafmilderung wegen Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 StGB hat sie abgelehnt. Zur Begründung hat sie lediglich ausgeführt, die Verletzungen der Geschädigten seien so akut lebensbedrohlich gewesen, dass es nach Einschätzung der rechtsmedizinischen Sachverständigen an ein Wunder grenze, dass sie überlebt habe. „Bei solcher Erfolgsnähe ist die Tat der vollendeten gleichzustellen (UA S. 34).“

II.

6
1. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet ; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 20. August 2019 verwiesen.
7
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt; sie führt jedoch zur Aufhebung der Einzelstrafe für das versuchte Tötungsdelikt (Tat 1 unter Ziffer II.2 der Urteilsgründe) und der Gesamtstrafe.
8
a) Eine rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt nach ständiger Rechtsprechung eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte umfasst, wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGH, Urteile vom 15. September 1988 – 4 StR 352/88, BGHSt 35, 347, 355 f.; vom 14. Januar 1992 – 1 StR 700/91, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 9; vom 16. September 1992 – 2 StR 304/92, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 10; vom 15. Juni 2004 – 1 StR 39/04, NStZ 2004, 620; vom 11. September 2013 – 2 StR 287/13; Beschluss vom 17. März1988 – 1 StR 104/88, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 4). Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen , ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (BGH, Urteile vom 26. Februar 1991 – 1 StR 604/90, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 8; vom 22. September 1993 – 3 StR 430/93, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 12; Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 5 StR 294/00).
9

b) Eine solche Gesamtbetrachtung lassen die Urteilgründe zur Strafzumessung für Tat 1 vermissen, indem sie ausschließlich auf die Vollendungsnähe des Mordversuchs abstellen. Insbesondere hat die Schwurgerichtskammer die erst bei der Ablehnung einer besonderen Schwere der Schuld (§ 57a StGB) berücksichtigten mildernden Umstände nicht erkennbar bedacht und in eine Abwägung einbezogen.
10
c) Die Aufhebung der Strafe für Tat 1 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die Feststellungen bestehen bleiben. Weitergehende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, können getroffen werden. Mutzbauer Schneider König Berger Köhler
Vorinstanz:
Hamburg, LG, 25.03.2019 - 6610 Js 34/18 602 Ks 9/18 2 Ss 71/19

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und3

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juni 2004 - 1 StR 39/04

bei uns veröffentlicht am 15.06.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 39/04 vom 15. Juni 2004 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni 2004, an der teilgenommen haben: Vorsitzende

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Sept. 2013 - 2 StR 287/13

bei uns veröffentlicht am 11.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 287/13 vom 11. September 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. September 2013, an der teilgenommen haben: R

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Dez. 2000 - 5 StR 294/00

bei uns veröffentlicht am 12.12.2000

5 StR 294/00 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 12. Dezember 2000 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zum versuchten Mord u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2000 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 39/04
vom
15. Juni 2004
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. Juni
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12. September 2003 werden verworfen. 2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen. Der Angeklagte trägt die der Nebenklägerin durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen. Die dem Angeklagten durch die Revision der Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:


Dem Angeklagten liegt zur Last, versucht zu haben, seine Ehefrau mit einem Messer mit tiefreichenden Schnitten in beide Unterarme und mit einem Stich in die linke Brust zu töten. Das Landgericht hat ihn deshalb wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Der Angeklagte greift das Urteil mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge insgesamt an; insbesondere rügt er die Annahme, er habe sich eines versuchten Mordes aus sonst niedrigen Beweggründen schuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten
des Angeklagten eingelegte Revision auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ; sie wendet sich mit der Sachrüge im wesentlichen dagegen, daß das Landgericht zu der Strafmilderung wegen Versuchs gekommen ist und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Die Revision des Angeklagten Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Die Rüge wegen rechtsfehlerhafter Ablehnung eines Beweisantrags auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten ist jedenfalls unbegründet. Weder aus den vorgetragenen Verfahrenstatsachen noch aus den Urteilsgründen ergeben sich Zweifel an der Sachkunde des angehörten Sachverständigen Dr. W. oder der Richtigkeit seines Gutachtens. Nach den Urteilsgründen hat sich der Sachverständige vielmehr ausführlich mit einem möglichen Einfluß des vom Angeklagten behaupteten Schädelhirntraumas auf die Schuldfähigkeit sowie mit dessen Herkunft und sozialer Integration in Deutschland auseinandergesetzt und im einzelnen ausgeführt , weshalb sich aus psychiatrischer Sicht beides nicht auf die Begehung der Tat ausgewirkt hat. Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, welche konkreten Beweisergänzungen mit einem weiteren Gutachten zu erzielen wären (§ 244 Abs. 2 StPO). Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in revisionsrechtlich unbeachtlichen Angriffen auf die in den Urteilsgründen niedergelegte tatrichterliche Würdigung der Tatsachen, aufgrund derer die Strafkammer zur Annahme der uneingeschränkten Schuldfähigkeit gelangt ist.

2. Die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf nur folgendes: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Beweggründe niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt (BGHSt 35, 116, 127; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 23 und 39). Nach den Feststellungen war Beweggrund des Angeklagten, seiner Ehefrau, die sich in Deutschland besser integriert hatte als er, das Recht abzusprechen, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten und sich von ihm zu trennen, ferner sein ausgeprägtes Besitzdenken und sein rücksichtsloser Eigennutz. Aus Wut und Verärgerung über die von seiner Ehefrau ausgesprochene Trennung fühlte er sich in seinem Stolz gekränkt, weil er als Familienoberhaupt aus der Wohnung gewiesen, mit einem Kontaktverbot belegt und zu Unterhaltszahlungen aufgefordert wurde. Er ging davon aus, seine Ehefrau habe ihr Leben verwirkt, weil sie sich von ihm trennen wollte. Dafür wollte er sie bestrafen und erhob sich gleichsam als "Vollstrecker eines Todesurteils" über die Rechtsordnung und das Lebensrecht seiner Frau (UA S. 33). Die Gefühle der Demütigung und Kränkung wurden dabei überlagert von Gefühlen des Neides, des Hasses und dem Wunsch, seine Ehefrau körperlich zu zerstören. Seine Ehefrau hatte dabei objektiv keinen begründeten Anlaß zu Haßgefühlen und Eifersucht gegeben.
Die Kammer hat rechtsfehlerfrei dargelegt, daß dem Angeklagten bewußt war, daß seine Motive auf sittlich tiefster Stufe stehen und verachtenswert sind. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Urteil des Bundesgerichts-
hofs vom 20. Februar 2002 - 5 StR 545/01 - NStZ 2002, 368 geht fehl, weil die Entscheidung einen anderen Sachverhalt betraf.
Das Landgericht hat auch eine mögliche tatbestimmende eigene Suizidalität des Angeklagten rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Die hiergegen gerichteten Angriffe des Beschwerdeführers sind revisionsrechtlich unbeachtlich. Sie erschöpfen sich darin, die Wertung des hierzu berufenen Tatrichters durch eine eigene abweichende Bewertung zu ersetzen. Einen Rechtsfehler zeigen sie hingegen nicht auf.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft 1. Die Entscheidung des Landgerichts, im Falle des versuchten Mordes (hier in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) von der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 23 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch zu machen, hält rechtlicher Prüfung stand.
a) Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355f.; BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1, 2, 4, 5, 8, 9, 11 und 12). Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe ab-
hängt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 8 und § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 21).
b) Die Strafkammer hat ausgeführt, sie habe die Strafmilderung aufgrund der notwendigen Gesamtbetrachtung aller Tatumstände und der Täterpersönlichkeit nach reiflicher Überlegung vorgenommen, wobei sie den wesentlichen versuchsbezogenen Umständen besonderes Gewicht beigemessen habe. Sie habe entscheidend auf die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und das Maß der in ihm zutage getretenen kriminellen Energie abgestellt. Die Nähe zur Tatvollendung sei hier gegeben; die Geschädigte habe viel Blut verloren und wäre ohne sofortige Notoperation innerhalb weniger Minuten verblutet. Die kriminelle Energie sei hoch; es handele sich um eine vorangekündigte Tat, die der Angeklagte umsichtig und wohl überlegt durchgeführt habe. Die Tatausführung sei sadistisch und brutal gewesen. Der Angeklagte habe seine Ehefrau in Tötungsabsicht an beiden Handgelenken tiefreichende Schnittwunden zugefügt und dabei die Ellenarterien, die Sehnen und Nerven durchtrennt. Er habe sich bei seinen Handlungen weder durch die Schreie seiner Ehefrau noch durch seine hinzutretende Tochter beeindrucken lassen und habe seinen Tötungsversuch mit gefühlskalten Kommentaren wie “So, jetzt müssen wir ins Herz gehen! So, bist Du schon verreckt? So ist gut!“ fortgesetzt. Zur Begründung ihrer Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt: „Das entscheidende Kriterium, das die Kammer letztlich bewogen hat, doch von der Milderungsmöglichkeit Gebrauch zu machen, sind die erstaunlich geringen Folgen der Tat bei der Geschädigten. Sie trägt sichtbare Narben, ist in der Bewegungsfähigkeit ihrer Arme und Hände eingeschränkt und leidet unter gelegentlichem Stimmverlust. Bei der brutalen Vorgehensweise des Angeklagten und dem entstandenen Verletzungsbild sind weit schlimmere Folgen denkbar,
wie völliger Verlust der Bewegungsfähigkeit der oberen Extremitäten oder gar hirnorganische Schäden bedingt durch den hohen Blutverlust" (UA S. 37/38). 2. Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß diese Formulierung für sich gesehen eher gegen die vorgenommene Strafrahmenverschiebung spricht. Im Rahmen der von der Strafkammer angestellten Gesamtwürdigung ist aber nicht zu besorgen, daß sie sich mit der Betonung des ausgebliebenen Erfolgs-unwerts den Blick auf die Bedeutung und Tragweite der festgestellten versuchsbezogenen Umstände verstellt hat. Die Strafkammer hat alle wesentlichen straferschwerenden Gesichtspunkte , die für oder gegen eine Versagung der Versuchsmilderung sprechen können, gesehen und gewertet. Wenn die Kammer im Bewußtsein der Problematik einer sonst zwingenden Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gleichwohl als letztlich ausschlaggebend für eine Strafmilderung nach den §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB erachtet hat, daß es bei hohem Handlungsunwert (glücklicherweise) „nur“ zu einem sich im Rahmen haltenden Erfolgsunwert gekommen ist, hält sich dies noch innerhalb des Spielraums, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist. Bei der Gewichtung der für die Strafzumessung wesentlichen Umstände können Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle spielen, die aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und dem Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten gewonnen worden und einer exakten Richtigkeitskontrolle entzogen sind. Das Revisionsgericht nimmt die Strafzumessung des Tatrichters bis an die Grenze des Vertretbaren hin, (vgl.
BGHSt 27, 2, 3; 29, 319, 320; jeweils m. w. Nachw.). Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts ermöglichen und zugleich notwendig machen würden, läßt die Entscheidung der Strafkammer für eine Versuchsmilderung nicht erkennen. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 287/13
vom
11. September 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. September
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 4. März 2013 werden verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahingehend ergänzt, dass der Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub, schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last. Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub, schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten und die zu seinen Ungunsten eingelegte, auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ; beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen leidet der zur Tatzeit 46-jährige Angeklagte seit 1991 unter Spielsucht, weshalb er in der Vergangenheit mehrere stationäre und ambulante Therapien ohne nachhaltigen Erfolg absolviert hat. Infolge exzessiven Spielens verlor er mehrfach seinen Arbeitsplatz und häufte Schulden in Höhe von ca. 50.000 € an; dies führte im November 2011 auch zur Trennung von seiner Ehefrau und den vier gemeinsamen Kindern.
3
Am 22. Mai 2012 hatte sich der Angeklagte unter einem Vorwand von seinem damaligen Arbeitgeber einen Vorschuss von 500 € erschwindelt, den er im Verlaufe des Abends und der Nacht in seiner Stamm-Spielhalle " " vollständig verspielte. Einzige Spielhallenaufsicht in dieser Nacht war die 47-jährige Nebenklägerin, die ihren Dienst in einem durch Glasscheiben umgebenen Aufsichtsrondell versah. Gegen 5 Uhr morgens kurz vor Schließen der Spielhalle entschloss sich der Angeklagte als letzter Gast, die Nebenklägerin zu überfallen, um mit der erhofften Beute in einer anderen Spielhalle weiter spielen zu können. Im Bereich der Herrentoilette spiegelte er Kreislaufprobleme vor und lockte so die Nebenklägerin aus dem Aufsichtsrondell. Diese stützte den Angeklagten , half ihm, sich auf den Boden zu setzen und holte ihm ein Glas Wasser. Diese Situation nutzte der Angeklagte zum Überfall aus, indem er aufsprang, die Geschädigte würgte und in einen von der optischen Überwachungsanlage nicht erfassten Bereich der Spielhalle zerrte. Dort schlug er - den Tod der Geschädigten billigend in Kauf nehmend - diese mit zwei wuchtigen Faustschlägen ins Gesicht zu Boden, ergriff ihren Kopf und schlug diesen mehrfach gegen die Wand und auf den Boden. Anschließend trat er ihr noch zweimal mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf, drehte sein bewusstloses Opfer auf den Bauch und fesselte es für den unerwarteten Fall der Wiedererlangung des Bewusstseins. Die aus den Kopfverletzungen und dem Ohr blutende Geschädigte erlitt infolge der Schläge und Tritte u.a. eine Mittelgesichts- und Nasenbeinfraktur. Durch das Aufschlagen des Kopfes gegen Wand und Boden entstand ein schwerstes Schädel-Hirntrauma, weshalb akute Todesgefahr bestand. Dem Angeklagten, der die Schwere der Verletzungen erkannte, war bewusst, dass die Geschädigte ohne medizinische Hilfe alsbald versterben würde. Gleichwohl setzte er den Überfall fort, indem er aus dem offenstehenden Aufsichtsrondell Münzgeld im Wert von 290 € sowie die Handtasche der Geschädigten mit Ausweispapieren , Handy und Portemonnaie an sich nahm, bevor er wegen des Eintreffens einer weiteren, zum Schichtwechsel eintreffenden Spielhallenaufsicht fluchtartig das " " verließ. Anschließend fuhr er zu einer anderen Spielhalle, wo er mit dem erbeuteten Geld das Glücksspiel an Automaten fortsetzte. Im Verlaufe des Morgens veränderte er sein Aussehen, indem er neue Kleidung erwarb und sich eine Glatze rasieren sowie den Bart abnehmen ließ. Am darauffolgenden Tag nahm der Angeklagte auf Betreiben seiner Familie von der bereits vorbereiteten Flucht in die Türkei Abstand und stellte sich den Behörden.
4
Die Geschädigte befindet sich seit dem Überfall im Wachkomazustand und ist vollständig auf Pflege angewiesen. Eine Besserung ihres Zustandes ist nicht zu erwarten.

II.

5
1. Die Revision des auch zur subjektiven Seite umfassend geständigen Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
6
Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern und bedarf nur insoweit der Klarstellung, dass der Angeklagte wegen eines tateinheitlich begangenen besonders schweren Raubes verurteilt ist. Auch der Strafausspruch ist nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat im Grundsatz zutreffend berücksichtigt, dass der Angeklagte vier Straftatbestände in jeweils mehreren Varianten verwirklicht hat, so den versuchten Mord mit dem Merkmal der Habgier, der Heimtücke und in Ermöglichungsabsicht, den besonders schweren Raub in den Alternativen des § 250 Abs. 2 Nr. 3 a und b StGB, die schwere Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in den Tatbestandsalternativen Siechtum, Lähmung und geistige Behinderung sowie die gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 StGB.
7
Soweit das Landgericht verkannt hat, dass § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB von § 250 Abs. 2 Nr. 3 b StGB verdrängt wird (BGH NStZ 2006, 449), schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Einordnung auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.
8
2. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3) ist ebenfalls unbegründet.
9
Dass die Strafkammer hier eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen und eine zeitige Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren verhängt hat, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
10
Dem Revisionsführer ist darin zuzustimmen, dass die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB eine Gesamtschau verlangt, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere auch die versuchsbezogenen Gesichtspunkte wie Nähe zur Tatvollendung , Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie einbezieht. Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (BGH NStZ 2004, 620).
11
Diesen Anforderungen genügt die vom Landgericht vorgenommene Gesamtabwägung im Ergebnis [noch]. Die Revision beanstandet, die Strafkammer habe bei der Abwägung, ob eine Strafrahmenmilderung vorzunehmen ist, als für den Angeklagten sprechenden Umstand gewertet, dass "die Tat im Hinblick auf den Tatbestand des Mordes unvollendet blieb". Eine solche Erwägung lässt für sich genommen befürchten, die Strafkammer habe verkannt, dass die Nichtvollendung der Tat Grundvoraussetzung für die Eröffnung des Ermessensspielraums des Tatrichters ist und keinen ermessensbestimmenden Faktor innerhalb der vorzunehmenden Gesamtwürdigung darstellt. Ob dieser Formulierung tatsächlich ein solch rechtsfehlerhaftes Verständnis seitens des Landgerichts zugrundeliegt , kann hier jedoch dahinstehen. Jedenfalls schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf dieser Erwägung aus. Das Landgericht hat ausdrücklich in seine Abwägung einbezogen, dass "das Erfolgsunrecht der Tat sehr nah an dasjenige des vollendeten Mordes heranreicht." Gleichzeitig hat es jedoch auch eine Vielzahl gravierender, zu Gunsten des Angeklagten sprechender Umstände festgestellt. So ist der Angeklagte nicht vorbestraft und hat ein sozial integriertes Leben geführt. Es handelte sich um eine Spontantat mit geringer Beute, bei der der Angeklagte infolge seiner Spielsucht zwar nicht erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt, wohl aber enthemmt war. Nach der Tat hat er sich der Polizei gestellt und ein von Reue und Einsicht getragenes umfassendes Geständnis auch zur subjektiven Seite abgelegt. Schließlich hat er sich in der Hauptverhandlung entschuldigt und zur Wiedergutmachung die Zahlung eines nicht unerheblichen Geldbetrages angeboten.
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Auch soweit die Strafkammer bei der Strafzumessung im engeren Sinne nochmals - mit gemindertem Gewicht - zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass die Tat unvollendet blieb, führt dies nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zwar kann innerhalb eines Strafrahmens, der wegen Versuchs gemildert worden ist, allein der Umstand, dass ein Versuch vorliegt, keine Bedeutung für die Findung der angemessenen Strafe entfalten (BGH NStZ 1990, 30). Allerdings schließt der Senat im Hinblick auf die bereits geschilderten, auch hier zu Gunsten des Angeklagten sprechenden gravierenden Milderungsgründe aus, dass die Strafkammer innerhalb des bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens eine höhere Freiheitsstrafe als 14 Jahre verhängt hätte. Appl Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

5 StR 294/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 12. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zum versuchten Mord u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2000

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 20. Dezember 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Bautzen zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 13 von ihm im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Werklohnforderung begangener Straftaten, unter anderem wegen Anstiftung zum versuchten Mord und wegen versuchter räuberischer Erpressung, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Daneben hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Revision des Angeklagten hat nur zum Strafausspruch Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschäftsführer B der A GmbH (im folgenden A ) zu Meinungsverschiedenheiten über Restforderungen, die der Angeklagte aus einem Generalunternehmervertrag für die Sanierung eines Mehrfamilienhauses geltend gemacht hatte. Um B einzuschüchtern, beauftragte der Angeklagte 1996 M , von dem ihm bekannt war, daß dieser Anführer einer polnischen Bande war, die sich mit Schmuggel, Schutzgelderpressung und ähnlich schwerwiegenden Delikten befaßte, mit der Eintreibung seiner angeblichen Forderung; in Wirklichkeit standen ihm, wie er nach der Überzeugung des Landgerichts wußte, keinerlei Zahlungsansprüche zu. Im jeweiligen Einverständnis mit dem Angeklagten veranlaßte M in der Folgezeit zahlreiche Drohungen, die B entweder persönlich durch einen Mittelsmann überbracht wurden oder ihn telefonisch erreichten und die direkt oder indirekt auf die Forderungen des Angeklagten Bezug nahmen. Daneben ließ M – ebenfalls im Auftrag des Angeklagten – drei Bombenanschläge auf Gebäude ausführen, die einen Bezug zur A hatten. Obwohl die Bomben explodierten – in einem Fall beim Versuch ihrer Entschärfung – kam nur in einem Fall ein Passant leicht zu Schaden, indem die Detonation bei ihm zu vorübergehenden Hörstörungen führte. Daneben bedrohte der Angeklagte B auch selbst und er veranlaßte über Dritte die Veröffentlichung eines von ihm verfaßten Schreibens in einer Tageszeitung, in dem Angehörigen und Geschäftspartnern der Firma A mit weiteren Anschlägen gedroht wurde, falls sie ihre Kontakte zu dieser Firma fortsetzen sollten.

II.


1. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen sind teils unzulässig, teils unbegründet; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführun-
gen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. November 2000 verwiesen.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt; sie führt jedoch zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist für sämtliche Bombenanschläge ein bedingter Tötungsvorsatz sowohl bei den unmittelbar handelnden unbekannten Haupttätern als auch beim Angeklagten hinreichend belegt. Nach den – auch von der Revision nicht in Zweifel gezogenen – Feststellungen des Landgerichts hätte die Sprengkraft einer jeden Bombe ausgereicht, einen in unmittelbarer Nähe des Sprengsatzes befindlichen Menschen zu töten. Um gleichwohl ernsthaft und nicht nur vage darauf vertrauen zu können , daß kein Mensch getötet würde (vgl. insoweit BGHSt 7, 363 ff.; BGHR StGB § 15 – Vorsatz, bedingter 1, 2, 7), hätten die Täter besondere Vorkehrungen treffen müssen, die eine Anwesenheit von Menschen am Tatort zum Explosionszeitpunkt verhinderten. Nach den getroffenen Feststellungen liegt ein solches Verhalten der Täter jedoch derart fern, daß es keiner gesonderten Erörterung bedurfte: In Fall 4 der Urteilsgründe stolperte der Zeuge B um 18.40 Uhr über eine Bombe, nachdem diese zehn bis zwanzig Minuten zuvor unmittelbar vor seinen Büroräumen unter der Fußmatte abgelegt worden war. Da die Täter bei dieser auffälligen Art der Plazierung mit der baldigen Entdeckung des Sprengsatzes rechnen mußten, liegt es gänzlich fern, daß sie den in Form eines Quarzweckers eingebauten Zeitzünder auf eine nächtliche Uhrzeit eingestellt hätten, um sicher zu gehen, daß bei der beabsichtigten Explosion zwar Sach-, aber keine Personenschäden angerichtet würden. In den Fällen 3 und 9 wurden die Sprengsätze im Eingangsbereich von Häusern abgelegt. Dort explodierten sie in Fall 3 um 22.45 Uhr, in Fall 9 zu einem vom Landgericht nicht näher bezeichneten Zeitpunkt, als sich zumindest eine Person in der näheren Umgebung des Hauses aufhielt. Da beide Sprengsätze mit Ausnahme der verwendeten Batterien “baugleich”
mit der in Fall 4 verwendeten Bombe waren (UA 39, 43) und jene mit einem Zeitzünder versehen war, ist ausgeschlossen, daß die Täter in den Fällen 3 und 9 die Bomben jeweils mittels Funkzünder gezielt zu einem Zeitpunkt gezündet haben, als sich nach ihrer Beobachtung keine Menschen in unmittelbarer Umgebung der Sprengkörper aufhielten.
Für seine Überzeugung, daß auch der Angeklagte mit der Möglichkeit, daß durch die Bombenlegungen Menschen getötet würden, einverstanden war, hat das Landgericht – unter anderem – zutreffend auf Gespräche des Angeklagten mit dem Zeugen Y (UA 89, 100) abgestellt.

b) Die Beweiswürdigung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als das Landgericht einen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Erpressungsvorsatz des Angeklagten grundsätzlich bejaht hat. Nachdem der Angeklagte das Sanierungsobjekt im “Rohbauzustand” zurückgelassen hatte, stellt es keinen Rechtsfehler dar, wenn sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, daß dem Angeklagten für seine Teilleistungen kein Betrag zustand , der den für eine schlüsselfertige Gesamtsanierung nach Reduzierung (UA 30) vereinbarten Pauschalpreis nur geringfügig unterschritt, und daß der Angeklagte dies wußte oder doch zumindest für möglich hielt. Die jeweiligen Schuldsprüche sind damit rechtsfehlerfrei.
Die Ausführungen, mit denen das Landgericht begründet, der Angeklagte habe in Kenntnis des Fehlens jeglicher Ansprüche versucht, 800.000 DM von dem Zeugen B z u erpressen, halten dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auch wenn die vom Angeklagten bis zur Kündigung des Vertrages durch die A erbrachten Leistungen offensichtlich nicht der vom Angeklagten erhobenen Restforderung von knapp 600.000 DM entsprachen, steht doch andererseits nicht fest, daß bereits sämtliche Leistungen des Angeklagten durch Abschlagszahlungen abgegolten waren. Waren noch Forderungen des Angeklagte offen, so mögen diesen aufrechenbare Schadensersatzforderungen der A in mindestens gleicher Höhe ge-
genübergestanden haben, so daß der Angeklagte im Ergebnis keine Ansprüche mehr gegen die A hatte. Da er jedoch “in völliger Fehleinschätzung seiner eigenen Leistungsfähigkeit” im Geschäftsgebaren des Zeugen B , insbesondere in dessen schlechter Zahlungsmoral die Hauptursache für das Scheitern der beiderseitigen Zusammenarbeit sah, versteht sich nicht von selbst, daß dem Angeklagten das Fehlen jeglicher Zahlungsansprüche auch bewußt war. Hätte er – wenn auch irrig – geglaubt, jedenfalls einen Teilbetrag der in der “Schlußrechnung” erhobenen Gesamtforderung zurecht zu beanspruchen, wäre dies bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen.
Ferner ist das Landgericht insoweit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen, als es dem Angeklagten die Geltendmachung von 800.000 DM angelastet hat. Zwar war nach den Urteilsfeststellungen im Gespräch zwischen dem Angeklagten und M von diesem Betrag die Rede; er ist jedoch, wie die Revision mit Recht hervorhebt, von dem Zeugen B bei keinem Erpressungsversuch verlangt worden. Vielmehr ist bei sämtlichen Drohungen, mit denen der Zeuge B zur Zahlung veranlaßt werden sollte, jeweils direkt oder indirekt auf den vom Angeklagten in seiner “Schlußrechnung” geltend gemachten Betrag Bezug genommen worden.

c) Bedenken begegnet die Strafzumessung des Landgerichts auch in Bezug auf die bei den versuchten Tötungsdelikten versagte Strafrahmenverschiebung , die zur Verhängung von drei lebenslangen Einzelfreiheitsstrafen geführt hat.
Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht, wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355 f.; BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 1, 2, 4, 8, 9 und 11).
Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 8 und 12 m.w.N.).
Das Landgericht war sich dieser Erfordernisse im Grundsatz bewußt, hat sie aber nicht in allen Belangen hinreichend berücksichtigt. So hat es auf die – abstrakt zweifellos vorhandene – Gefährlichkeit der drei Sprengstoffanschläge hingewiesen, dabei aber nicht gewertet, daß eine konkrete Lebensgefahr in keinem Fall bestanden hat. Da Personen bei den vom Angeklagten veranlaßten Anschlägen entweder überhaupt nicht oder nur verhältnismäßig geringfügig zu Schaden gekommen sind, lag die Vollendung der Taten – anders als in Fällen, in denen Menschen schwerwiegende Gesundheitsschäden erlitten haben oder ihr Leben nur durch Notoperationen gerettet werden konnte (vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 8) – nicht ganz nah. Zudem sind die ausgebliebenen Personenschäden zwar letztlich dem Zufall zu verdanken, jedoch war die von den Sprengsätzen ausgehende Gefahr durch deren jeweilige Konstruktion zumindest eingeschränkt. Bei sämtlichen Taten war der Sprengstoff so dosiert, daß die Explosion nur für einen in unmittelbarer Nähe befindlichen Menschen lebensbedrohlich war. Dieser Umstand läßt Schlüsse auf eine geringere kriminelle Intensität des dem Angeklagten als Anstifter zuzurechnenden Verhaltens der Haupttäter zu, die das Landgericht unbeachtet gelassen hat.

d) Angesichts dieser Wertungsfehler kann die Verhängung lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe, zumal unter Bejahung der besonderen Schwere der Schuld, auch unter Berücksichtigung der gesamten Vorgehensweise des Angeklagten, die zum einen geprägt war durch seine Verbitterung über den gescheiterten beruflichen Neubeginn, zum anderen durch erheblich straferschwerende Umstände, wie die Einbindung einer kriminellen Organisation in seine Straftaten und die Gefährdung und Verunsicherung einer Vielzahl an
seinem persönlichen Schicksal völlig unbeteiligter Personen, nicht bestehen bleiben.
Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch auf, um den neuen Tatrichter die Möglichkeit einer umfassenden Neufestsetzung der Strafen zu geben.
Angesichts der stets ergebnislos auf dieselbe Forderung gerichteten Nötigungs- und Erpressungsversuche wird sich anbieten, das Verfahren in Anwendung von §§ 154, 154a StPO auf die Aburteilung der drei Sprengstoffanschläge zu beschränken. Soweit es dabei auf den vom Angeklagten zu Unrecht angestrebten Vermögensvorteil ankommt, wird dieser unter Bedacht auf den Zweifelsgrundsatz im Wege der Schätzung zu ermitteln sein.
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(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.