vorgehend
Landgericht Lübeck, 705 , s 49787/18
Landgericht Lübeck, , 1 KLs 1/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 410/19
vom
24. Oktober 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:241019B5STR410.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 15. Mai 2019 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Seine hiergegen gerichtete und auf die Beanstandung sachlichen Rechts gestützte Revision ist unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts weist der Beschuldigte das schwere Krankheitsbild einer paranoiden Schizophrenie auf. Deswegen wurde er ab Februar 2014 immer wieder stationär in psychiatrische Einrichtungen aufgenommen , wobei auch Unterbringungen nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) des Landes Schleswig-Holstein erfolgten. Im Zuge der Aufenthalte musste er mehrfach fixiert und zwangsmediziert werden, weil er in aggressive Erregungszustände verfallen war und teils das Personal massiv mit körperlicher Gewalt bedroht hatte.
3
Seit 22. November 2017 hielt er sich durchgehend im Heimbereich einer psychiatrischen Klinik auf. Wiederholt trat er verbal oder körperlich aggressiv gegenüber anderen Patienten auf. Zumeist hatte er zuvor seine Medikamente nicht eingenommen. Während des Aufenthalts ereigneten sich die folgenden Taten, die das Landgericht als Anlasstaten für die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus herangezogen hat:
4
a) Am Morgen des 19. Februar 2018 bemerkte ein Mitpatient, dass der Beschuldigte auf den Stationsflur urinierte. Er forderte ihn auf, den Boden sauberzumachen. Der Beschuldigte ergriff daraufhin einen Wischmob mit einer Metallkante und ging auf den Mitpatienten zu. Dieser versuchte, rückwärts wegzulaufen , stolperte aber und fiel zu Boden. Der Beschuldigte schlug ihm mit dem Wischmob auf den Kopf, was eine blutende Platzwunde oberhalb der Schläfe und Schwindelgefühle verursachte (Tat 1).
5
b) Am 23. Juni 2018 schauten zwei Mitpatienten in einem Patientenzimmer ein Fußballspiel an. Es erschien der Beschuldigte und provozierte einen der Mitpatienten, indem er unter anderem sagte, dass er keine Ahnung von Fußball habe. Angstvoll lief der Mitpatient auf den Flur, um sich ans Personal zu wenden. Der Beschuldigte folgte ihm und drückte ihn gegen die Wand. Dann schlug er ihm schmerzhaft mit der Faust drei- bis viermal ins Gesicht (Tat 2).
6
c) Am 14. August 2018 suchte der Beschuldigte das Dienstzimmer einer Pflegekraft auf. Aggressiv sagte er zu dieser: „Ich klatsch dich weg“. Dabei er- hob er seine Faust. Als ein Mitpatient das Dienstzimmer betrat, forderte der Beschuldigte ihn auf zu verschwinden und schlug ihm mit der Faust auf den Kopf. Der Mitpatient flüchtete auf den Flur und „krabbelte“ am Boden weg. Nun trat ihm der Beschuldigte mehrmals in den Rücken, mit der Folge von „blauen Flecken“ und Kopfschmerzen (Tat 3).
7
d) Am Abend des 30. Oktober 2018 hielt sich der Beschuldigte mit einem Mitpatienten im Raucherzimmer auf. Nach einem Streit verließ der Mitpatient das Zimmer. Als er kurze Zeit später auf dem Flur stand, lief der Beschuldigte schreiend auf ihn zu und trat ihm mit dem Fuß mehrmals in den Rücken sowie in das Gesäß, was schmerzhafte Prellungen nach sich zog (Tat 4).
8
e) Am 5. November 2018 befand sich der Beschuldigte im Akutbereich des Klinikums. Als ein Patient versuchte, einen Pfleger zu schlagen, eilte er diesem erfolgreich zur Hilfe. Nach dem Vorfall war er erregt und angespannt. Etwa zwei Stunden später unterhielt er sich im Raucherzimmer mit einem Mit- patienten. Unter anderem erzählte er, dass er mit Drogenverkäufen „Millionen“ verdient habe. Der Mitpatient bemerkte daraufhin, dass der Beschuldigte „spin- ne“. Nun nahm der Beschuldigte ein Besteckmesser aus seiner Hosentasche, das er zuvor im Speisesaal eingesteckt hatte. Er holte damit mehrmals von oben nach unten aus und sagte: „Ich bringe dich um“. Dann stacher in Richtung des Oberkörpers des Mitpatienten, traf ihn jedoch nur am Arm, weil der zurückgewichene Geschädigte seinen Arm zur Abwehr hochgehalten hatte. Der Mitpatient erlitt eine etwa 1 cm tiefe und 2,5 cm lange Schnittverletzung am Oberarm. Die Verletzung war weder akut noch potentiell lebensgefährlich (Tat

5).


9
2. Das Landgericht hat die Taten 1 und 5 als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 sowie 5 StGB und die Taten 2 bis 4 als vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) gewertet. Der psychiatrischen Sachverständigen folgend hat es angenommen, dass aufgrund der Erkrankung – bei nicht ausschließbarer Aufhebung der Unrechtseinsicht – während der Taten 1 bis 4 jedenfalls die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten im Sinne von § 21 StGB vermindert gewesen sei. Tat 5 sei sicher dem Wahn des Beschuldigten entsprungen. Insoweit habe dieser ohne Unrechtseinsicht gehandelt (§ 20 StGB).
10
Erneut in Übereinstimmung mit der psychiatrischen Sachverständigen hat die Strafkammer angenommen, dass der Beschuldigte gefährlich im Sinne von § 63 Satz 1 StGB sei. Es sei ohne Unterbringung im Maßregelvollzug alsbald mit weiteren erheblichen Taten zu rechnen, namentlich mit Körperverletzungen auch unter Einsatz von gefährlichen Tatwerkzeugen. Die psychiatrische Sachverständige hatte insoweit ergänzend ausgeführt, dass der Beschuldigte weiterhin bedrohlich und aggressiv auftrete. Vor einigen Wochen habe er einen Mitpatienten getreten. Ein anderes Mal habe er gesagt: „Mir und dir werden die Beine abgeschnitten“.
11
3. Die Entscheidung des Landgerichts, den Beschuldigten nach § 63 StGB unterzubringen, hält im Ergebnis sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
12
a) Der Senat kann dahingestellt lassen, ob die Feststellungen eine Wertung insbesondere der Tat 1 als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB tragen. Denn sowohl diese als auch Tat 5 erfüllen jedenfalls die Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Beide stellen erhebliche Taten im Sinne von § 63 Satz 1 StGB dar. Die sonstigen vom Beschuldigten begangenen Taten sind gleichfalls nicht dem Bagatellbereich zuzuordnen. Damit hat der Beschuldigte rechtswidrige Taten im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit oder der Schuldunfähigkeit begangen. Angesichts seines Krankheitsbildes sind von ihm auch künftig vergleichbare Handlungen zu erwarten, die erheblich sind, mithin keine bloßen Belästigungen oder Lästigkeiten darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405 mwN). Damit wäre er nach allgemeinen Regeln für die Allgemeinheit gefährlich (vgl.
BGH, aaO; sowie BGH, Urteil vom 7. Juni 1995 – 2 StR 206/95, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 21).

13
b) Allerdings hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung besondere Anforderungen bei Taten stellt, die ein Beschuldigter oder Angeklagter im Rahmen von Unterbringungen in Betreuungseinrichtungen verübt.
14
aa) In seinem Urteil vom 22. Januar 1998 (4 StR 354/97, aaO) hat der 4. Strafsenat mit solcher Begründung – soweit ersichtlich erstmals – die Unterbringung eines bereits auf anderer Rechtsgrundlage Untergebrachten als unverhältnismäßig angesehen (§ 62 StGB). Habe der Beschuldigte die krankheitstypischen und krankheitsbedingten Anlasstaten im Rahmen einer bereits aus anderen Gründen angeordneten Unterbringung begangen und seien Tatopfer die Angehörigen des Pflegepersonals, so bleibe für die Maßregel nach § 63 StGB in der Regel kein Raum. Das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik dauerhaft Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten geschulten Personal sei für eine wertende Betrachtung nicht gleichzusetzen mit Handlungen, die ein schuldunfähiger oder vermindert schuldfähiger Täter im Leben in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder ihm nahestehenden Personen begehe. Solche Taten verlangten – jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen seien – schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein Sicherungsverfahren und die Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel.
15
Spätere Entscheidungen haben den Gedanken aufgegriffen, diesen jedoch nicht bei der Frage der Verhältnismäßigkeit, sondern bereits im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose gewichtet, und zwar bei der Prüfung der Erheblichkeit der (begangenen und künftig zu erwartenden) Taten (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, NStZ 1999, 611, 612; vom 2. Juli 2002 – 1 StR 194/02, NStZ 2002, 590, 591; vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, 170; vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZRR 2011, 202, 203; vom 25. April 2012 – 4 StR 81/12 Rn. 5). Den Umstand, dass Taten innerhalb einer Einrichtung nicht mit solchen außerhalb (extra muros) gleichgesetzt werden dürften, habe das Tatgericht jedenfalls dann zu berücksichtigen und ausdrücklich zu erörtern, wenn die Taten nicht ausschließbar ihre Ursache (auch) in der durch die Unterbringung für den Betreffenden bestehenden Situation hätten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, aaO; vom 2. Juli 2002 – 1 StR 194/02, aaO; vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, aaO). Diese Maßstäbe hat der Bundesgerichtshof – ohne nähere Begründung – auf Taten zum Nachteil von Mitpatienten erstreckt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, aaO; vom 2. Juli 2002 – 1 StR 194/02, aaO).
16
bb) Der Senat vermag dieser Rechtsprechung nicht uneingeschränkt zu folgen.
17
Das gilt zunächst insoweit, als ihr ein Postulat zu entnehmen sein könnte , nach allgemeinen Regeln als erheblich gewertete Taten wögen dann generell weniger schwer, wenn sie während einer Unterbringung begangen werden (in diesem Sinne BGH, Beschluss vom 25. April 2012 – 4 StR 81/12, aaO; BVerfG [Kammer], NJW 2012, 513, 514; SSW-StGB/Kaspar, 4. Aufl., § 63 Rn. 25; siehe aber auch BGH, Urteil vom 5. Juni 2019 – 2 StR 42/19). Zwar mag es sein, dass beispielsweise eine – dann auch im Wesentlichen abgewehrte – Gewalttat zum Nachteil geschulter, hinreichend kräftiger und/oder über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügender (insoweit zu Polizeibeamten BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 – 4 StR 595/16, NStZ-RR 2017, 203, 205) Pflegekräfte in einem milderen Licht erscheint als dieselbe Tat gegenüber sonstigen Dritten. Der Gesichtspunkt vorhandener „Wehrhaftigkeit“ im Umgang mit ag- gressiven Patienten trifft jedoch schon nicht auf das gesamte ärztliche und pflegerische Personal zu. Dabei hätte der Senat Bedenken, zur Begründung einer generell minderen Gewichtung von Taten auch darauf abzustellen, dass ein psychisch Schwerkranker das Pflegepersonal womöglich nicht nach entsprechend geschulten und ungeschulten Kräften zu unterscheiden vermag (aA be- treffend „einfache Krankenpflegerinnen“ BGH, Beschluss vom 25. April 2012 – 4 StR 81/12, aaO). Denn nicht die „Gleichsetzung“ einschlägiger Taten mit solchen außerhalb von Einrichtungen bedarf besonderer Begründung, sondern die Ungleichbehandlung gleichartiger Taten maßgebend anhand des Orts der Tatbegehung.
18
Für Mitpatienten treffen die von der Rechtsprechung angeführten Gründe für eine Andersbehandlung von Taten innerhalb von Einrichtungen nicht ohne weiteres zu. Weder verfügen diese über eine Schulung noch über Erfahrungen bei der Bewältigung von Taten aggressiver Patienten. Sie erscheinen im Gegenteil aufgrund der Unterbringungssituation und weithin fehlender Ausweichmöglichkeiten in besonderem Maße schutzbedürftig.
19
Der Senat neigt aus diesen Gründen der Ansicht zu, dass die Tatgerichte die Besonderheiten der Unterbringungssituation nur dann ausdrücklich zu würdigen haben, wenn hierzu nach den konkreten Umständen der Tat(en) Anlass besteht. Das kann etwa bei Delikten zum Nachteil besonders geschulter Pfle- gekräfte im oben genannten Sinne der Fall sein oder auch bei Überreaktionen in Belastungssituationen, etwa im Zuge von Disziplinarmaßnahmen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 422/11, NStZ-RR 2012, 107, 108). Ohne besonderen Anlass kann es nach Auffassung des Senats hingegen keinen durchgreifenden Erörterungsmangel darstellen, wenn sich ein Tatgericht im Rahmen einer ansonsten rechtsfehlerfreien Gefährlichkeitsprognose nicht gesondert mit dem Umstand auseinandersetzt, dass es um eine oder mehrere Taten im Rahmen eines Aufenthalts in einer psychiatrischen Einrichtung geht. Bei Taten gegenüber Mitpatienten wird in aller Regel kein Anlass zu eigenständiger Begründung bestehen.
20
cc) Der Senat braucht die aufgeworfenen Fragen vorliegend nicht abschließend zu entscheiden. Er vermag schon nicht sicher zu beurteilen, ob der bisherigen Rechtsprechung in Bezug auf Taten gegenüber Mitpatienten tatsächlich ein striktes Erörterungsgebot entnommen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, aaO; vom 2. Juli 2002 – 1 StR 194/02, aaO; jeweils: „und unter Umständen auch gegen Mitpatienten“), bei dessen Verfehlen der Bestand des Urteils gefährdet ist.
21
Angesichts des Verlaufs der festgestellten Anlasstaten kann aber jedenfalls ausgeschlossen werden, dass die Anlasstaten maßgeblich durch die Unterbringungssituation bedingt waren. Jene bildete vielmehr nur einen äußeren Mantel für die Tatbegehungen. Die Anlasstaten 1, 2 und 4 entsprangen Alltagssituationen , wie sie sich auch außerhalb von therapeutischen Einrichtungen ereignen können. Auch Tat 3 weist nur insoweit einen losen Zusammenhang mit dem Aufenthalt in der psychiatrischen Einrichtung auf, als der aggressiv gestimmte Beschuldigte zuvor das Dienstzimmer einer Angehörigen der Einrichtung aufgesucht hatte. Ebenso verhält es sich bei der schwersten Anlasstat 5.
Der vielleicht „unterbringungsspezifische“ Vorfall auf dem Dienstzimmer lag zur Tatzeit schon zwei Stunden zurück. Auslöser für den Messerangriff war die Äu- ßerung des Mitpatienten, dass der Beschuldigte „spinne“, nachdem Letzterer von Millionenverdiensten aus Drogenhandelsgeschäften erzählt hatte. Aufgrund des schweren Krankheitsbildes des Beschuldigten liegt auf der Hand, dass sich derartige Vorfälle jederzeit auch „in Freiheit“ ereignen können.

22
4. Bedenken unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) bestehen schon wegen der überlegenen Sicherungsmöglichkeiten des Maßregelvollzugs nicht. Dies gilt zumal angesichts dessen, dass der Beschuldigte bereits zweimal aus der Unterbringung auf Akutstationen entwichen ist.
Mutzbauer Sander Schneider
König Köhler

Vorinstanz:
Lübeck, LG, 15.05.2019 - 705 Js 49787/18 1 KLs 1/19

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 5 StR 410/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 5 StR 410/19

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 5 StR 410/19 zitiert 10 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 62 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit


Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 5 StR 410/19 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 5 StR 410/19 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juni 2019 - 2 StR 42/19

bei uns veröffentlicht am 05.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 42/19 vom 5. Juni 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:050619U2STR42.19.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Juni 2019, an der teilgenommen habe

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2009 - 3 StR 27/09

bei uns veröffentlicht am 17.02.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 27/09 vom 17. Februar 2009 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dess

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2002 - 1 StR 194/02

bei uns veröffentlicht am 02.07.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 194/02 vom 2. Juli 2002 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angekla

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2011 - 5 StR 422/11

bei uns veröffentlicht am 13.12.2011

5 StR 422/11 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 13. Dezember 2011 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2011 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil d

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2011 - 4 StR 635/10

bei uns veröffentlicht am 22.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 635/10 vom 22. Februar 2011 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2012 - 4 StR 81/12

bei uns veröffentlicht am 25.04.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 81/12 vom 25. April 2012 in dem Sicherungsverfahren gegen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschuldigten am 25. April 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StP

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2017 - 4 StR 595/16

bei uns veröffentlicht am 19.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 595/16 vom 19. Januar 2017 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2017:190117B4STR595.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Okt. 2019 - 5 StR 410/19.

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2020 - 1 StR 604/19

bei uns veröffentlicht am 15.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 604/19 vom 15. Januar 2020 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2020:150120B1STR604.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Nov. 2019 - 5 StR 468/19

bei uns veröffentlicht am 27.11.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 468/19 vom 27. November 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:271119U5STR468.19.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. November 2019, an der teilg

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 194/02
vom
2. Juli 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 4. Februar 2002 im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde erhebt. Das Rechtsmittel ist lediglich zum Maßregelausspruch begründet. 1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Insoweit verweist der Senat auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002 (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die Anordnung der Unterbringung des - bis dahin nicht vorbestraften - Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand. Eine derartige Maûregel beschwert den Betroffenen auûerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht. Geboten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwürdigung von Täter und Tat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit (§ 62 StGB) und eine Prognose, daû von dem Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. nur BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefährlichkeit 8). Die vom Landgericht hierzu angestellten Erwägungen erweisen sich teils als nicht tragfähig, teils leiden sie unter Erörterungsmängeln.
a) Den getroffenen Feststellungen zufolge leidet der im Jahr 1974 geborene Angeklagte seit seiner Geburt an einem Hirnschaden mit cerebralem Anfallsleiden. Damit einher gehen Störungen im Sozialverhalten, die mit verbaler und tätlicher Aggressivität, mit Störungen im Anpassungsverhalten, mit sexuellen Auffälligkeiten im Sinne eines Exhibitionismus sowie einer Oligophrenie vom Grade der Debilität (IQ 57) verbunden sind. Eine Psychose oder eine Neurose liegt beim Angeklagten nicht vor. Der vom Landgericht vernommene Sachverständige hat ausgeführt, daû die abgeurteilte Tat sich auch nicht als blindwütiges Ausagieren mit Eigengesetzlichkeiten darstelle. Nachdem der Angeklagte 1990 zunächst in ein Heim des Diakoniewerkes aufgenommen und für ihn seit dem 18. Lebensjahr eine Betreuung angeordnet worden war, befand er sich seit Oktober des Jahres 2000 wiederholt wegen "aggressiver Agitationszustände" im Bezirkskrankenhaus Regensburg.
Zuvor war er in einer sog. beschützenden Einrichtung "nicht führbar gewesen", weil er verschiedene Male gegen Mitpatienten und Personal aggressiv vorging, namentlich biû und kratzte. In einem Falle war er mit einer Schere auf das Pflegepersonal losgegangen. Im Bezirkskrankenhaus Regensburg kam es zur verfahrensgegenständlichen Tat: Zwei Pflegekräfte wollten den Angeklagten in ein anderes Zimmer bringen. Im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit aufgrund seines beschriebenen Zustandes beschimpfte dieser eine weibliche Pflegekraft als "Hure, Nutte und Schlampe" und trat ihr mit dem Fuû in die rechte Magengegend sowie in die rechte Brustkorbseite. Dadurch erlitt diese eine Rippenprellung und hatte Bauchschmerzen.
b) Zur Begründung der Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte könne sich aufgrund der angeborenen Intelligenzminderung jederzeit in aggressive Erregungszustände hineinsteigern. In diesem Zustand seien weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten zu erwarten. Obwohl er bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, sei es in den zurückliegenden Jahren immer wieder zu aggressiven Durchbrüchen gekommen. So sei er gegen Mitpatienten und Pflegepersonal "in Form von Beiûen und Kratzen" aggressiv geworden und bei einer Gelegenheit habe er dem Pflegepersonal mit einer Schere gedroht. Er sei für die Allgemeinheit gefährlich, da jede Person, die mit ihm in räumliche Berührung komme, bei einem Aggressionsdurchbruch gefährdet sein könne. Der Verhältnismäûigkeitsgrundsatz stehe der Unterbringung nicht entgegen. Die bestehende zivilrechtliche Unterbringung könne durch den Betreuer jederzeit beendet werden. Die Sicherung der Allgemeinheit gebiete es, daû nicht allein der Betreuer über die Beendigung der Unterbringung entscheiden
könne. Eine Aussetzung der Anordnung zur Bewährung (§ 67 b StGB) komme nicht in Betracht. Die Unterbringung in einer geeigneten beschützenden Einrichtung sei aufgrund der Aggressivität des Angeklagten nicht möglich.
c) Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts unter Würdigung der Person, des Vorlebens und der Tat des Angeklagten bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit wird den von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Der Angeklagte ist bisher unbestraft und war zur Tatzeit fast 27 Jahre alt. In die zu stellende Prognose wäre daher der bisherige Lebensweg weitergehend als geschehen einzubeziehen gewesen. Besonderer Erörterung hätten seine Lebensbedingungen und etwaige zurückliegende relevante Ausfallerscheinungen - wie auch deren etwaiges Fehlen - bedurft. Darüber hinaus wäre es erforderlich gewesen, die Ursachen für das vom Landgericht nur ganz allgemein gekennzeichnete frühere Aggressionsverhalten des Angeklagten darzustellen und darauf näher einzugehen. Dies gilt zumal im Blick darauf, daû zustandsbedingte Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen das Pflegepersonal und unter Umständen gegen Mitpatienten begangen werden, nur eingeschränkt Anlaû für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB sein können. Es bedarf dann der Erörterung, ob und inwieweit solche Taten oder Verhaltensweisen ihre Ursache auch in der durch die Unterbringung für den Betreffenden gegebenen Situation haben können (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26 = NStZ 1999, 611). Darüber hinaus ist die vom Landgericht sowohl im Zusammenhang mit der Verhältnismäûigkeitsprüfung als auch mit den Erwägungen zu einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung angestellte Überlegung, eine bestehende zivilrechtliche Unterbringung sei nicht ausreichend, da sie vom
Willen des Betreuers abhänge, in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig. Auf der Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes hängt die Unterbringung unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG) von einem Antrag der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde und einer Entscheidung des nach § 70 Abs. 5 FGG zuständigen Gerichts ab (Art. 7 Abs. 3 BayUnterbrG). Nach allem wird der neue Tatrichter den bisherigen Lebensweg und das Verhalten des Angeklagten sowie seine im Urteil eher allgemein beschriebenen Aggressionen einschlieûlich deren Ursachen konkreter zu erörtern und auf dieser Grundlage eine tragfähige Prognose unter Berücksichtigung des Verhältnismäûigkeitsgrundsatzes abzugeben haben. Dabei - wie auch bei der Frage einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung - wird schlieûlich die
Möglichkeit einer Unterbringung nach Landesunterbringungsrecht mit zu bedenken sein, wenngleich diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Aussetzung der strafrechtlichen Unterbringung nur dann rechtfertigen kann, wenn die landesrechtliche Unterbringung sich für die Pflege des Betroffenen und für die angestrebten Zwecke als günstiger erweist (vgl. nur BGHR StGB § 67 b Abs. 1 besondere Umstände 1, 3, 5). Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 27/09
vom
17. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
17. Februar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 30. September 2008 im Maßregelausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat außerdem seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat zum Maßregelausspruch Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Angeklagte leidet etwa seit dem Jahr 2002 an einer wahnhaften Störung in Form eines Querulantenwahns. Seit Anfang 2005 wurde er wegen dieser Erkrankung vielfach, zuletzt aufgrund vormundschaftsgerichtlicher Anordnung in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt. Nach den zu den An- lasstaten getroffenen Feststellungen warf der Angeklagte am 4. Oktober 2007 mit einem Telefon nach dem Rechtspfleger der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts W. , nachdem sich dieser geweigert hatte, ihm bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Das Telefon traf das Tatopfer am Kinn (Fall II 1). Nach seiner vormundschaftsgerichtlich angeordneten Einweisung in eine psychiatrische Klinik versetzte er am 4. April 2008 während der Oberarztvisite zwei Ärzten und einem Krankenpfleger mit einer Metallstange mehrere, zum Teil erhebliche Schläge, nachdem diese ihm erklärt hatten, eine Entlassung aus der Klinik komme im Hinblick auf die richterliche Anordnung nicht in Betracht (Fall II 2). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge seiner psychischen Erkrankung bei beiden Taten erheblich vermindert war.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar begegnet die Annahme verminderter Schuldfähigkeit rechtlich keinen Bedenken. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht ferner davon ausgegangen, dass die für die Anordnung nach § 63 StGB weitere Voraussetzung eines fortdauernden Zustandes beim Angeklagten gegeben ist.
4
Gleichwohl hat der Maßregelausspruch keinen Bestand, weil die Strafkammer die für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat.
5
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11 und 26). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht, dem Sachverständigen folgend, zwar bejaht, seine Begründung erschöpft sich jedoch in dem Hinweis, "es sei von einer erheblichen Wiederholungsgefahr bezüglich Gewaltdelikten auszugehen".
6
Den erhöhten Anforderungen, die an die Begründung der Gefährlichkeitsprognose zu stellen sind, ist damit nicht im Ansatz genügt.
7
Es ist bereits zu besorgen, dass das Landgericht seiner Beurteilung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt und verkannt hat, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur angeordnet werden darf, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die Möglichkeit häufiger schwerer Störungen des Rechtsfriedens bestehen (BGH NStZ-RR 2006, 265).
8
Diese vom Gesetz vorausgesetzte bestimmte Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Gewalttaten ist auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Die bisherigen Feststellungen zu dem strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten belegen die Gefährlichkeitsprognose nicht. Der Angeklagte wurde zwar einmal im Jahr 1986 - mithin vor Ausbruch seiner psychischen Erkrankung - wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Ferner führte die Staatsanwaltschaft gegen ihn in den Jahren ab 2005 verschiedene Ermittlungsverfahren, u. a. wegen räuberischen Diebstahls und wegen Körperverletzungsdelikten, die wegen Schuldunfähigkeit des Angeklagten eingestellt wurden. Die diesen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalte teilt das Urteil indes nicht mit. Ob diesen Taten Symptomcharakter für die Gefährlichkeit des Angeklagten zukommt, ist daher nicht zu erkennen.
9
Zwar können auch allein die Anlasstaten die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit begründen. Dies hätte hier jedoch besonderer Prüfung und Erörterung bedurft, da es sich bei der Tat zum Nachteil des Rechtspflegers um einen eher geringfügigen Vorfall handelte, und die Tat zum Nachteil des Klinikpersonals im Rahmen der stationären Unterbringung des Angeklagten begangen wurde. Eine solche Tat ist jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - ihre Ursache (auch) in der durch die Unterbringung für den Betreffenden bestehenden Situation hat, für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB nur eingeschränkt verwertbar (vgl. BGH StV 2005, 21). Auch hiermit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt.
10
3. Die der Maßregelanordnung zugrunde liegenden Feststellungen können bestehen bleiben, da sie für sich genommen Rechtsfehler nicht aufweisen. Soweit zum strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten ergänzende Feststellungen zu treffen sind, wird der neue Tatrichter dies nachzuholen und auf der erweiterten Tatsachengrundlage unter Hinzuziehung eines Sachverständigen die Voraussetzungen einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus neu zu beurteilen haben. Becker Miebach von Lienen Sost-Scheible Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 635/10
vom
22. Februar 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Grundlage für die Anordnung der Maßregel gegen den nicht vorbestraften , an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidenden Beschuldigten sind vier in den Jahren 2009 und 2010 im Abstand von jeweils mehreren Monaten begangene Straftaten:
3
(1) eine am 25. Februar 2009 während einer vom Amtsgericht Landau angeordneten Unterbringung im Pfalzklinikum begangene vorsätzliche Körperverletzung zum Nachteil eines mit dem Reinigen des Bodens befassten Zeugen ,
4
(2) eine am 14. Juli 2009 zum Nachteil seines Betreuers begangene versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung,
5
(3) eine am 14. Januar 2010 zum Nachteil seines Betreuers begangene Bedrohung, die dieser allerdings nicht ernst nahm, und
6
(4) Beleidigungen zweier Mitarbeiterinnen seines Betreuers am 23. März 2010, wobei die Kammer bezüglich einer vom Beschuldigten zudem begangenen versuchten Körperverletzung einen strafbefreienden Rücktritt angenommen hat.
7
Hinsichtlich der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten hat sich die Strafkammer den Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, wonach damit zu rechnen sei, dass der Beschuldigte auch künftig gleich gelagerte Straftaten begehen werde, "eine Steigerung von Gewalt über das bekannte Maß hinaus" sei aber nicht zu erwarten (UA 12).
8
2. Diese Feststellungen und Wertungen rechtfertigen die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht.
9
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden , wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. März 2008 - 4 StR 6/08; vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 jeweils mwN). Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 10. September 2008 - 2 StR 291/08, vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
10
b) Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die Strafkammer nicht belegt.
11
aa) Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, vom 10. August 2010 - 3 StR 268/10). Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH, Beschluss vom 3. April 2008 - 1 StR 153/08, Urteil vom 12. Juni 2008 - 4 StR 140/08, NStZ 2008, 563, 564, Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, NStZ 2009, 383; vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 209/10). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
12
bb) Auf dieser Grundlage vermag allein die Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte künftig den Anlasstaten gleich gelagerte Straftaten begehen wird, die Maßregelanordnung nicht zu begründen.
13
Soweit die Kammer auf die Möglichkeit tätlicher Auseinandersetzungen während einer Unterbringung abstellt, handelt es sich zwar für sich betrachtet um gewichtige Straftaten. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 2 StR 161/08 mwN). Dies gilt jedenfalls, wenn - wozu indes in dem angefochtenen Urteil nähere Feststellungen fehlen - es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher - jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind - schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Hinzu kommt, dass der Beschuldigte mit Ausnahme der Anlasstat vom 25. Februar 2009 bisher durch vergleichbare Taten ersichtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, obwohl er seit dem Jahr 1995 vielfach stationär in psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen und behandelt werden musste (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - 2 StR 42/09, NStZ-RR 2009, 198).
14
Auch zu erwartende Taten nach der Art und Intensität der zum Nachteil seines Betreuers oder dessen Mitarbeiter begangenen Taten sind nicht ohne weiteres geeignet, die Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen. Sie wurden von ihm jeweils in einer aus seiner Sicht besonderen Situation begangen (vor der Tat vom 14. Juli 2009 hatte der Betreuer die Bitte des Beschuldigten nach Geld abgelehnt; vor der Tat vom 14. Januar 2010 hatte sich der Beschuldigte aus seiner Wohnung ausgesperrt und seinen Betreuer gebeten, einen Schlüsseldienst zu verständigen, was dieser ebenfalls ablehnte). Hinzu kommt, dass sich der Beschuldigte bei diesen Taten zunächst nur verbalaggressiv verhalten hat, er bei Einschreiten dritter Personen von Gewalthandlungen absah oder abgebracht werden konnte und sich beruhigen ließ (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 - 5 StR 492/10).
15
Insgesamt vermögen die vom Beschuldigten begangenen und drohenden Taten, die zudem in ihrer Intensität und Gefährlichkeit jedenfalls keine Steigerung erfuhren, die außerordentlich schwere Maßregel des § 63 StGB nicht zu rechtfertigen (vgl. zu einem von den Straftaten her ähnlich gelagerten, jedoch ein Nachbarschaftsverhältnis betreffenden Fall BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschuldigte "als Opfer eines weit verzweigten Komplotts aus Ärzten, Betreuern, Polizei und Nachbarschaft" (UA 19) sieht, gegenüber denen es indes nach den Feststellungen der Strafkammer bislang ersichtlich nur in seltenen - den oben wiedergegebenen - Fällen zu Aggressionsdurchbrüchen kam.
16
3. An einer das Sicherungsverfahren abschließenden Entscheidung und einer Aufhebung des Unterbringungsbefehls ist der Senat jedoch gehindert; denn es ist nicht auszuschließen, dass weitere Feststellungen die Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten gemäß § 63 StGB rechtfertigen können. Die Strafkammer hat es insbesondere unterlassen, nähere Feststellungen zu den Taten zu treffen, die Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzungen betrafen und entweder "auf den Privatklageweg verwiesen oder nach § 170 Abs. 2 StPO, teilweise wegen Schuldunfähgkeit eingestellt" wurden (UA 4, 5). Auch zu dem vom Sachverständigen in Zusammenhang mit der Gefährlichkeitsprognose erwähnten Einsatz eines Messers (UA 12) verhält sich das Urteil nicht weiter.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer
5
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 und vom 10. August 2010 – 3 StR 268/10). Dies trifft auf die Anlasstaten zu, die für sich betrachtet gewichtige Straftaten sind. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405; Beschlüsse vom 6. November 2003 – 4 StR 456/03, StV 2005, 21; vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, Rn. 9 und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, Rn. 13; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513, Rn. 27). Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass es sich bei den geschädigten Zeuginnen gerade nicht um im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenes besonders geschultes Personal , sondern um einfache Krankenpflegerinnen gehandelt habe, rechtfertigt dies keine Gleichsetzung der Taten mit solchen außerhalb der Einrichtung. Es kann von einer psychisch schwer erkrankten Person nicht erwartet werden, das Krankenpflegepersonal nach entsprechend geschulten und ungeschulten Personen zu unterscheiden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 194/02
vom
2. Juli 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 4. Februar 2002 im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde erhebt. Das Rechtsmittel ist lediglich zum Maßregelausspruch begründet. 1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Insoweit verweist der Senat auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002 (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die Anordnung der Unterbringung des - bis dahin nicht vorbestraften - Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand. Eine derartige Maûregel beschwert den Betroffenen auûerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht. Geboten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwürdigung von Täter und Tat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit (§ 62 StGB) und eine Prognose, daû von dem Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. nur BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefährlichkeit 8). Die vom Landgericht hierzu angestellten Erwägungen erweisen sich teils als nicht tragfähig, teils leiden sie unter Erörterungsmängeln.
a) Den getroffenen Feststellungen zufolge leidet der im Jahr 1974 geborene Angeklagte seit seiner Geburt an einem Hirnschaden mit cerebralem Anfallsleiden. Damit einher gehen Störungen im Sozialverhalten, die mit verbaler und tätlicher Aggressivität, mit Störungen im Anpassungsverhalten, mit sexuellen Auffälligkeiten im Sinne eines Exhibitionismus sowie einer Oligophrenie vom Grade der Debilität (IQ 57) verbunden sind. Eine Psychose oder eine Neurose liegt beim Angeklagten nicht vor. Der vom Landgericht vernommene Sachverständige hat ausgeführt, daû die abgeurteilte Tat sich auch nicht als blindwütiges Ausagieren mit Eigengesetzlichkeiten darstelle. Nachdem der Angeklagte 1990 zunächst in ein Heim des Diakoniewerkes aufgenommen und für ihn seit dem 18. Lebensjahr eine Betreuung angeordnet worden war, befand er sich seit Oktober des Jahres 2000 wiederholt wegen "aggressiver Agitationszustände" im Bezirkskrankenhaus Regensburg.
Zuvor war er in einer sog. beschützenden Einrichtung "nicht führbar gewesen", weil er verschiedene Male gegen Mitpatienten und Personal aggressiv vorging, namentlich biû und kratzte. In einem Falle war er mit einer Schere auf das Pflegepersonal losgegangen. Im Bezirkskrankenhaus Regensburg kam es zur verfahrensgegenständlichen Tat: Zwei Pflegekräfte wollten den Angeklagten in ein anderes Zimmer bringen. Im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit aufgrund seines beschriebenen Zustandes beschimpfte dieser eine weibliche Pflegekraft als "Hure, Nutte und Schlampe" und trat ihr mit dem Fuû in die rechte Magengegend sowie in die rechte Brustkorbseite. Dadurch erlitt diese eine Rippenprellung und hatte Bauchschmerzen.
b) Zur Begründung der Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte könne sich aufgrund der angeborenen Intelligenzminderung jederzeit in aggressive Erregungszustände hineinsteigern. In diesem Zustand seien weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten zu erwarten. Obwohl er bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, sei es in den zurückliegenden Jahren immer wieder zu aggressiven Durchbrüchen gekommen. So sei er gegen Mitpatienten und Pflegepersonal "in Form von Beiûen und Kratzen" aggressiv geworden und bei einer Gelegenheit habe er dem Pflegepersonal mit einer Schere gedroht. Er sei für die Allgemeinheit gefährlich, da jede Person, die mit ihm in räumliche Berührung komme, bei einem Aggressionsdurchbruch gefährdet sein könne. Der Verhältnismäûigkeitsgrundsatz stehe der Unterbringung nicht entgegen. Die bestehende zivilrechtliche Unterbringung könne durch den Betreuer jederzeit beendet werden. Die Sicherung der Allgemeinheit gebiete es, daû nicht allein der Betreuer über die Beendigung der Unterbringung entscheiden
könne. Eine Aussetzung der Anordnung zur Bewährung (§ 67 b StGB) komme nicht in Betracht. Die Unterbringung in einer geeigneten beschützenden Einrichtung sei aufgrund der Aggressivität des Angeklagten nicht möglich.
c) Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts unter Würdigung der Person, des Vorlebens und der Tat des Angeklagten bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit wird den von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Der Angeklagte ist bisher unbestraft und war zur Tatzeit fast 27 Jahre alt. In die zu stellende Prognose wäre daher der bisherige Lebensweg weitergehend als geschehen einzubeziehen gewesen. Besonderer Erörterung hätten seine Lebensbedingungen und etwaige zurückliegende relevante Ausfallerscheinungen - wie auch deren etwaiges Fehlen - bedurft. Darüber hinaus wäre es erforderlich gewesen, die Ursachen für das vom Landgericht nur ganz allgemein gekennzeichnete frühere Aggressionsverhalten des Angeklagten darzustellen und darauf näher einzugehen. Dies gilt zumal im Blick darauf, daû zustandsbedingte Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen das Pflegepersonal und unter Umständen gegen Mitpatienten begangen werden, nur eingeschränkt Anlaû für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB sein können. Es bedarf dann der Erörterung, ob und inwieweit solche Taten oder Verhaltensweisen ihre Ursache auch in der durch die Unterbringung für den Betreffenden gegebenen Situation haben können (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26 = NStZ 1999, 611). Darüber hinaus ist die vom Landgericht sowohl im Zusammenhang mit der Verhältnismäûigkeitsprüfung als auch mit den Erwägungen zu einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung angestellte Überlegung, eine bestehende zivilrechtliche Unterbringung sei nicht ausreichend, da sie vom
Willen des Betreuers abhänge, in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig. Auf der Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes hängt die Unterbringung unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG) von einem Antrag der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde und einer Entscheidung des nach § 70 Abs. 5 FGG zuständigen Gerichts ab (Art. 7 Abs. 3 BayUnterbrG). Nach allem wird der neue Tatrichter den bisherigen Lebensweg und das Verhalten des Angeklagten sowie seine im Urteil eher allgemein beschriebenen Aggressionen einschlieûlich deren Ursachen konkreter zu erörtern und auf dieser Grundlage eine tragfähige Prognose unter Berücksichtigung des Verhältnismäûigkeitsgrundsatzes abzugeben haben. Dabei - wie auch bei der Frage einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung - wird schlieûlich die
Möglichkeit einer Unterbringung nach Landesunterbringungsrecht mit zu bedenken sein, wenngleich diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Aussetzung der strafrechtlichen Unterbringung nur dann rechtfertigen kann, wenn die landesrechtliche Unterbringung sich für die Pflege des Betroffenen und für die angestrebten Zwecke als günstiger erweist (vgl. nur BGHR StGB § 67 b Abs. 1 besondere Umstände 1, 3, 5). Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 27/09
vom
17. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
17. Februar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 30. September 2008 im Maßregelausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat außerdem seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat zum Maßregelausspruch Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Angeklagte leidet etwa seit dem Jahr 2002 an einer wahnhaften Störung in Form eines Querulantenwahns. Seit Anfang 2005 wurde er wegen dieser Erkrankung vielfach, zuletzt aufgrund vormundschaftsgerichtlicher Anordnung in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt. Nach den zu den An- lasstaten getroffenen Feststellungen warf der Angeklagte am 4. Oktober 2007 mit einem Telefon nach dem Rechtspfleger der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts W. , nachdem sich dieser geweigert hatte, ihm bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Das Telefon traf das Tatopfer am Kinn (Fall II 1). Nach seiner vormundschaftsgerichtlich angeordneten Einweisung in eine psychiatrische Klinik versetzte er am 4. April 2008 während der Oberarztvisite zwei Ärzten und einem Krankenpfleger mit einer Metallstange mehrere, zum Teil erhebliche Schläge, nachdem diese ihm erklärt hatten, eine Entlassung aus der Klinik komme im Hinblick auf die richterliche Anordnung nicht in Betracht (Fall II 2). Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten infolge seiner psychischen Erkrankung bei beiden Taten erheblich vermindert war.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Zwar begegnet die Annahme verminderter Schuldfähigkeit rechtlich keinen Bedenken. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht ferner davon ausgegangen, dass die für die Anordnung nach § 63 StGB weitere Voraussetzung eines fortdauernden Zustandes beim Angeklagten gegeben ist.
4
Gleichwohl hat der Maßregelausspruch keinen Bestand, weil die Strafkammer die für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat.
5
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 11 und 26). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht, dem Sachverständigen folgend, zwar bejaht, seine Begründung erschöpft sich jedoch in dem Hinweis, "es sei von einer erheblichen Wiederholungsgefahr bezüglich Gewaltdelikten auszugehen".
6
Den erhöhten Anforderungen, die an die Begründung der Gefährlichkeitsprognose zu stellen sind, ist damit nicht im Ansatz genügt.
7
Es ist bereits zu besorgen, dass das Landgericht seiner Beurteilung einen falschen Maßstab zugrunde gelegt und verkannt hat, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur angeordnet werden darf, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die Möglichkeit häufiger schwerer Störungen des Rechtsfriedens bestehen (BGH NStZ-RR 2006, 265).
8
Diese vom Gesetz vorausgesetzte bestimmte Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Gewalttaten ist auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Die bisherigen Feststellungen zu dem strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten belegen die Gefährlichkeitsprognose nicht. Der Angeklagte wurde zwar einmal im Jahr 1986 - mithin vor Ausbruch seiner psychischen Erkrankung - wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Ferner führte die Staatsanwaltschaft gegen ihn in den Jahren ab 2005 verschiedene Ermittlungsverfahren, u. a. wegen räuberischen Diebstahls und wegen Körperverletzungsdelikten, die wegen Schuldunfähigkeit des Angeklagten eingestellt wurden. Die diesen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalte teilt das Urteil indes nicht mit. Ob diesen Taten Symptomcharakter für die Gefährlichkeit des Angeklagten zukommt, ist daher nicht zu erkennen.
9
Zwar können auch allein die Anlasstaten die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit begründen. Dies hätte hier jedoch besonderer Prüfung und Erörterung bedurft, da es sich bei der Tat zum Nachteil des Rechtspflegers um einen eher geringfügigen Vorfall handelte, und die Tat zum Nachteil des Klinikpersonals im Rahmen der stationären Unterbringung des Angeklagten begangen wurde. Eine solche Tat ist jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - ihre Ursache (auch) in der durch die Unterbringung für den Betreffenden bestehenden Situation hat, für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB nur eingeschränkt verwertbar (vgl. BGH StV 2005, 21). Auch hiermit hat sich die Strafkammer nicht auseinandergesetzt.
10
3. Die der Maßregelanordnung zugrunde liegenden Feststellungen können bestehen bleiben, da sie für sich genommen Rechtsfehler nicht aufweisen. Soweit zum strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten ergänzende Feststellungen zu treffen sind, wird der neue Tatrichter dies nachzuholen und auf der erweiterten Tatsachengrundlage unter Hinzuziehung eines Sachverständigen die Voraussetzungen einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus neu zu beurteilen haben. Becker Miebach von Lienen Sost-Scheible Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 194/02
vom
2. Juli 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 4. Februar 2002 im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde erhebt. Das Rechtsmittel ist lediglich zum Maßregelausspruch begründet. 1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Insoweit verweist der Senat auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002 (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die Anordnung der Unterbringung des - bis dahin nicht vorbestraften - Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand. Eine derartige Maûregel beschwert den Betroffenen auûerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht. Geboten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwürdigung von Täter und Tat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit (§ 62 StGB) und eine Prognose, daû von dem Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. nur BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefährlichkeit 8). Die vom Landgericht hierzu angestellten Erwägungen erweisen sich teils als nicht tragfähig, teils leiden sie unter Erörterungsmängeln.
a) Den getroffenen Feststellungen zufolge leidet der im Jahr 1974 geborene Angeklagte seit seiner Geburt an einem Hirnschaden mit cerebralem Anfallsleiden. Damit einher gehen Störungen im Sozialverhalten, die mit verbaler und tätlicher Aggressivität, mit Störungen im Anpassungsverhalten, mit sexuellen Auffälligkeiten im Sinne eines Exhibitionismus sowie einer Oligophrenie vom Grade der Debilität (IQ 57) verbunden sind. Eine Psychose oder eine Neurose liegt beim Angeklagten nicht vor. Der vom Landgericht vernommene Sachverständige hat ausgeführt, daû die abgeurteilte Tat sich auch nicht als blindwütiges Ausagieren mit Eigengesetzlichkeiten darstelle. Nachdem der Angeklagte 1990 zunächst in ein Heim des Diakoniewerkes aufgenommen und für ihn seit dem 18. Lebensjahr eine Betreuung angeordnet worden war, befand er sich seit Oktober des Jahres 2000 wiederholt wegen "aggressiver Agitationszustände" im Bezirkskrankenhaus Regensburg.
Zuvor war er in einer sog. beschützenden Einrichtung "nicht führbar gewesen", weil er verschiedene Male gegen Mitpatienten und Personal aggressiv vorging, namentlich biû und kratzte. In einem Falle war er mit einer Schere auf das Pflegepersonal losgegangen. Im Bezirkskrankenhaus Regensburg kam es zur verfahrensgegenständlichen Tat: Zwei Pflegekräfte wollten den Angeklagten in ein anderes Zimmer bringen. Im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit aufgrund seines beschriebenen Zustandes beschimpfte dieser eine weibliche Pflegekraft als "Hure, Nutte und Schlampe" und trat ihr mit dem Fuû in die rechte Magengegend sowie in die rechte Brustkorbseite. Dadurch erlitt diese eine Rippenprellung und hatte Bauchschmerzen.
b) Zur Begründung der Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte könne sich aufgrund der angeborenen Intelligenzminderung jederzeit in aggressive Erregungszustände hineinsteigern. In diesem Zustand seien weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten zu erwarten. Obwohl er bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, sei es in den zurückliegenden Jahren immer wieder zu aggressiven Durchbrüchen gekommen. So sei er gegen Mitpatienten und Pflegepersonal "in Form von Beiûen und Kratzen" aggressiv geworden und bei einer Gelegenheit habe er dem Pflegepersonal mit einer Schere gedroht. Er sei für die Allgemeinheit gefährlich, da jede Person, die mit ihm in räumliche Berührung komme, bei einem Aggressionsdurchbruch gefährdet sein könne. Der Verhältnismäûigkeitsgrundsatz stehe der Unterbringung nicht entgegen. Die bestehende zivilrechtliche Unterbringung könne durch den Betreuer jederzeit beendet werden. Die Sicherung der Allgemeinheit gebiete es, daû nicht allein der Betreuer über die Beendigung der Unterbringung entscheiden
könne. Eine Aussetzung der Anordnung zur Bewährung (§ 67 b StGB) komme nicht in Betracht. Die Unterbringung in einer geeigneten beschützenden Einrichtung sei aufgrund der Aggressivität des Angeklagten nicht möglich.
c) Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts unter Würdigung der Person, des Vorlebens und der Tat des Angeklagten bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit wird den von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Der Angeklagte ist bisher unbestraft und war zur Tatzeit fast 27 Jahre alt. In die zu stellende Prognose wäre daher der bisherige Lebensweg weitergehend als geschehen einzubeziehen gewesen. Besonderer Erörterung hätten seine Lebensbedingungen und etwaige zurückliegende relevante Ausfallerscheinungen - wie auch deren etwaiges Fehlen - bedurft. Darüber hinaus wäre es erforderlich gewesen, die Ursachen für das vom Landgericht nur ganz allgemein gekennzeichnete frühere Aggressionsverhalten des Angeklagten darzustellen und darauf näher einzugehen. Dies gilt zumal im Blick darauf, daû zustandsbedingte Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen das Pflegepersonal und unter Umständen gegen Mitpatienten begangen werden, nur eingeschränkt Anlaû für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB sein können. Es bedarf dann der Erörterung, ob und inwieweit solche Taten oder Verhaltensweisen ihre Ursache auch in der durch die Unterbringung für den Betreffenden gegebenen Situation haben können (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26 = NStZ 1999, 611). Darüber hinaus ist die vom Landgericht sowohl im Zusammenhang mit der Verhältnismäûigkeitsprüfung als auch mit den Erwägungen zu einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung angestellte Überlegung, eine bestehende zivilrechtliche Unterbringung sei nicht ausreichend, da sie vom
Willen des Betreuers abhänge, in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig. Auf der Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes hängt die Unterbringung unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG) von einem Antrag der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde und einer Entscheidung des nach § 70 Abs. 5 FGG zuständigen Gerichts ab (Art. 7 Abs. 3 BayUnterbrG). Nach allem wird der neue Tatrichter den bisherigen Lebensweg und das Verhalten des Angeklagten sowie seine im Urteil eher allgemein beschriebenen Aggressionen einschlieûlich deren Ursachen konkreter zu erörtern und auf dieser Grundlage eine tragfähige Prognose unter Berücksichtigung des Verhältnismäûigkeitsgrundsatzes abzugeben haben. Dabei - wie auch bei der Frage einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung - wird schlieûlich die
Möglichkeit einer Unterbringung nach Landesunterbringungsrecht mit zu bedenken sein, wenngleich diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Aussetzung der strafrechtlichen Unterbringung nur dann rechtfertigen kann, wenn die landesrechtliche Unterbringung sich für die Pflege des Betroffenen und für die angestrebten Zwecke als günstiger erweist (vgl. nur BGHR StGB § 67 b Abs. 1 besondere Umstände 1, 3, 5). Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit
5
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 und vom 10. August 2010 – 3 StR 268/10). Dies trifft auf die Anlasstaten zu, die für sich betrachtet gewichtige Straftaten sind. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405; Beschlüsse vom 6. November 2003 – 4 StR 456/03, StV 2005, 21; vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, Rn. 9 und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, Rn. 13; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513, Rn. 27). Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass es sich bei den geschädigten Zeuginnen gerade nicht um im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenes besonders geschultes Personal , sondern um einfache Krankenpflegerinnen gehandelt habe, rechtfertigt dies keine Gleichsetzung der Taten mit solchen außerhalb der Einrichtung. Es kann von einer psychisch schwer erkrankten Person nicht erwartet werden, das Krankenpflegepersonal nach entsprechend geschulten und ungeschulten Personen zu unterscheiden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 42/19
vom
5. Juni 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:050619U2STR42.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Juni 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Meyberg, Dr. Grube, Schmidt,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Limburg vom 14. September 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet der im Jahr 2002 geborene Beschuldigte unter anderem an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0), einer Störung der Impulskontrolle (ICD-10: F63.8) und einer gemischt dissoziativen Störung (ICD-10: F44.7). Der Beschuldigte war im August 2009 in einer teilstationären Jugendhilfemaßnahme sowie in den Jahren 2010 und 2013 in stationärer Behandlung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Im März 2013 zeigten sich nicht näher aufklärbare Probleme im Rahmen seines Schulunterrichts, im Mai 2013 drohte er einer Mitschülerin telefonisch, sie umzubringen. Im Juli 2015 bedrohte der Beschuldigte einen Mitschüler, der ihn angegriffen hatte, mit einem abgebrochenen Geodreieck und schlug ihm eine Flasche auf den Kopf, bis dieser sich erbrach.
3
2. Das Landgericht hat folgende Anlasstaten festgestellt:
4
a) Ab Februar 2016 wurde der Beschuldigte in insgesamt 17 Fällen stationär und zum Teil geschlossen in verschiedenen Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Vitos Klinik H. untergebracht. Dort kam es „unter an- derem“ zu folgenden Geschehen:
5
Am 24. August 2017 richtete der Beschuldigte ein Tafelmesser, welches er so hielt, dass die Klingenseite aus der zur Faust geballten Hand herausragte, gegen einen Klinikmitarbeiter, um diesem Angst vor einem – tatsächlich aber nicht beabsichtigten – Messereinsatz zu machen; der Klinikmitarbeiter konnte den Beschuldigten zu Boden bringen, ohne selbst verletzt zu werden (Fall 1 der Urteilsgründe). Im weiteren Verlauf wehrte sich der Beschuldigte gegen eine Fixierung und drohte Klinikmitarbeitern, diese zu verletzen oder zu töten; er wol- le deren Köpfe solange aneinanderschlagen, bis diese „platzen“ würden (Fall 2 der Urteilsgründe). Am 14. November 2017 bzw. am 2. Dezember 2017 äußerte der Beschuldigte gegenüber Klinikmitarbeitern, die anlassbezogen seine Fixierung vornahmen: „Ich bringe Euch alle um und schlage Euch Eure Köpfe ab“ (Fall 8 der Urteilsgründe), „ich haue Euch die Köpfe ein“ und „ich bringe Euch um“ (Fall 9der Urteilsgründe). Am 9. Dezember 2017 (Fall 10 der Urteilsgründe ) sagte er zu Klinikmitarbeitern unter anderem „ich fackel Euch Eure Köpfe ab“ und – direkt an eine Klinikmitarbeiterin unter Nennung ihres Namens ge- wandt – „ich werde Dich töten“. Einen Tag später (Fall 11 der Urteilsgründe) betrat der Beschuldigte gegen 14.50 Uhr die – anders als üblich – geöffnete Stationsküche, packte eine Mitarbeiterin am Oberarm, so dass sie ein Hämatom erlitt und schubste sie beiseite. Er ergriff eine Packung Spülmaschinenpulver und schloss sich in der Toilette ein in der Hoffnung, den Eindruck zu erwecken, das Spülmittel eingenommen zu haben, und deshalb in ein Krankenhaus gebracht zu werden. Nach einiger Zeit verließ er die Toilette freiwillig. Seiner wegen dieses Vorfalls sodann erfolgten Fixierung widersetzte sich der Beschuldigte , indem er – nicht gezielt – um sich schlug und trat. Einen Mitarbeiter traf er mit einem Tritt in den Genitalbereich, wodurch dieser unter anderem starke Schmerzen erlitt (Fall 12 der Urteilsgründe). Die Drohungen nahmen die Klinikmitarbeiter jeweils nicht ernst.
6
b) Am 20. September 2017 (Fälle 3 und 4 der Urteilsgründe) schlug der Beschuldigte einmal auf dem Bahnhofsplatz und einmal in der Fußgängerzone in D. seiner Mutter mit der flachen Hand ins Gesicht; dass diese dadurch Schmerzen erlitt oder der Beschuldigte sie überdies würgte, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen.
7
c) Ab dem 21. Oktober 2017 befand sich der Beschuldigte stationär in einer geschlossenen Einrichtung in N. . Am 27. Oktober 2017 (Fälle 5 bis 7 der Urteilsgründe) wurde er dort von einem Mitbewohner verhöhnt und war hierüber verärgert. Er nutzte eine sich ihm bietende Gelegenheit und rannte mit seinem Zimmerschlüssel in der Hand auf den Mitbewohner zu, woraufhin ein Gerangel entstand, in dessen Verlauf der Beschuldigte den Mitbewohner mit dem Schlüssel und mit Fäusten schlug, der Kratzspuren im Brustbereich erlitt. Den eingreifenden Mitarbeiterinnen der Einrichtung G. und S. schlug er mit der Faust ins Gesicht. Sodann sagte der Beschuldigte, der nicht vom Mitbewohner ablassen wollte, zur Zeugin G. , er werde sie töten, wenn sie ihm nicht aus dem Weg gehe, die Zeugin S. forderte er zur Herausgabe von deren Schlüsseln auf. Er näherte sich nun rückwärtsgehend den Mitarbeiterin- nen. G. schlug er mindestens fünfmal mit der Faust ins Gesicht und warf mit einer Plastikgießkanne sowie Schuhen nach ihr, was diese aber abwehren konnte. S. schlug er mindestens zweimal mit der Faust ins Gesicht, wobei er sie einmal auf der Nase und ein weiteres Mal gegen die Stirn traf. Erst nach einem Eingreifen des Mitbewohners, der den Beschuldigten ins Gesicht schlug, ließ dieser von den beiden Mitarbeiterinnen ab und konnte sodann von zwischenzeitlich gerufenen Polizeibeamten widerstandslos festgenommen werden. Die Zeugin G. erlitt durch die Schläge Hämatome, unter anderem im Gesicht, die Zeugin S. litt nach der Tat unter Schmerzen.
8
3. Das Landgericht hat die Taten des Beschuldigten als versuchte Nötigung (Fall 1), als Bedrohung (Fälle 2, 8, 9 und 10), als versuchte Körperverletzung (Fälle 3 und 4) sowie als vorsätzliche Körperverletzung (Fälle 5, 6, 7, 11 und 12), in einem Fall davon in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung (zum Nachteil G. ) gewertet. Es hat – sachverständig beraten – weiter festgestellt, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten infolge seiner paranoiden Schizophrenie bzw. seiner Störung der Impulskontrolle bei der Begehung dieser Anlasstaten sicher erheblich vermindert , nicht ausschließbar sogar aufgehoben gewesen ist. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB lägen jedoch nicht vor, da ihm die für eine Unterbringung erforderliche Gefahrenprognose nicht gestellt werden könne.

II.

9
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigende Gefährlichkeit verneint hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
1. Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme , die neben der sicheren Feststellung mindestens einer im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangenen Anlasstat voraussetzt, dass eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird (§ 63 Satz 1 StGB). Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne Weiteres aus dem Anlassdelikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10 Rn. 11; Beschluss vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 Rn. 11 je mwN). Zu erwartende Gewalt - und Aggressionsdelikte sind, soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt, regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (Senat, Beschluss vom 23. Mai 2018 – 2 StR 121/18 Rn. 13 mwN; BGH, Beschluss vom 25. April 2012 – 4 StR 81/12). Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrundeliegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 – 4 StR 78/16, NStZ-RR 2017, 74, 75; vom 15. Januar 2015 – 4 StR 419/14, NStZ 2015, 394, 395 und vom 10. November 2015 – 1 StR 265/15, NStZ-RR 2016, 76 mwN). An die Darlegungen sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2017 – 2 StR 24/17 Rn. 13; vom 10. Mai 2016 – 4 StR 185/16, StV 2016, 719, 720 und vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135).
11
2. Hiervon ausgehend begegnen die Erwägungen des Landgerichts zur Gefährlichkeitsprognose durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
a) Die Strafkammer hat sich die Ausführungen der Sachverständigen zu eigen gemacht, wonach die beim Beschuldigten diagnostizierte Störung der Impulskontrolle bei allen Taten übergreifend wirksam gewesen sei und auch bei behandelter paranoider Schizophrenie fortbestehen werde; es bestehe lediglich die Möglichkeit der Begehung erheblicher Straftaten – insbesondere auch von Tötungsdelikten – außerhalb einer Unterbringungssituation. Die zu erwartenden Körperverletzungsdelikte erreichten den notwendigen Schweregrad nicht.
13
aa) Diese Formulierungen lassen besorgen, dass das Landgericht insoweit von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Von § 63 StGB erfasst werden nicht nur Delikte schwerster Kriminalität; es reicht regelmäßig aus, dass von einem Beschuldigten Taten zu erwarten sind, die zumindest der mittleren Kriminalität zuzurechnen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2012 – 1 StR 176/12 Rn. 7 mwN). Körperverletzungsdelikte der vom Beschuldigten begangenen Art können bereits der mittleren Kriminalität zugeordnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2011 – 1 StR 341/11; vom 6. Februar 2019 – 5 StR 495/18). Insoweit hat die Strafkammer hier nicht erkennbar bedacht, dass der Beschuldigte bei Taten, bei denen er sich in einer wahnhaften Situation befindet und die Impulsstörung zum Durchbruch kommt, es nicht in der Hand hat, die Verletzungsfolgen seines aggressiven Vorgehens zu steuern. Der Umfang der Verletzungen bleibt vielmehr dem Zufall überlassen , wie die drei Körperverletzungsdelikte zeigen. So blieb etwa der Angriff auf den Mitbewohner nur durch das Eingreifen Dritter für diesen ohne erhebliche Folgen. Auch die bei den Anlasstaten und weiteren von der Strafkammer festgestellten Geschehnissen zu Tage getretene Affinität des Beschuldigten zu Messern durfte nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 2008 – 5 StR 599/07 Rn. 14), zumal nach den mitgeteilten Ausführungen der Sachverständigen bei dem Beschuldigten „persistierende Verhaltensmuster“ festzustellen seien, insbesondere der „Gebrauch von gefährlichen Waffen wie Messer“ und direkten Angriffen aufdie Opfer. Warum gleichwohl keine gesteigerte Gefahr einer zumindest der mittleren Kriminalität zuzurechnenden Gewalttat droht, hätte – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt – jedenfalls näherer Erörterung bedurft.
14
bb) Nicht ohne Weiteres tragfähig ist auch die Erwägung, der Beschuldigte habe seit der letzten Anlasstat eine dem Vorfall vom 27. Oktober 2017 vergleichbare Tat nicht mehr begangen. Zwar ist es als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten anzusehen, wenn ein Täter trotz bestehenden Defekts über einen längeren Zeitraum hinweg keine erheblichen Straftaten begangen hat (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 2 StR 170/14, NStZ-RR 2015, 72, 73), diesem Umstand kann indes keine Bedeutung zukommen, wenn der Täter an der Begehung von Straftaten durch Sicherungsmaßnahmen gehindert war. Hier war der Beschuldigte nach den Urteilsfeststellungen nach der letzten Anlasstat über einen längeren Zeitraum fixiert und nur stundenweise und unter Aufsicht ohne körperliche Sicherung.
15
b) Soweit die Strafkammer eine Erheblichkeit der während einer Unter- bringung des Beschuldigten begangenen Anlasstaten „aus rechtlichen Grün- den“ verneint, lässt dies besorgen, dass das Landgericht nicht alle beachtlichen Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat.
16
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der von § 63 StGB geforderten Gefährlichkeitsprognose können Verhaltensweisen innerhalb einer Betreuungseinrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne Weiteres denjenigen Handlungen gleichgesetzt werden, die ein Täter außerhalb einer solchen Einrichtung begeht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 25. April 2012 – 4 StR 81/12 Rn. 5; vom 3. September 2002 – 5 StR 399/02 Rn. 4; vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01 Rn. 8; Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405). Das bedeutet allerdings nicht, dass Aggressions - und Gewaltdelikte als Grundlage für die Annahme einer Allgemeingefährlichkeit eines Beschuldigten ausscheiden, weil sie in einer Betreuungseinrichtung begangen wurden. Jeder ist als Einzelner Mitglied der zu schützenden Allgemeinheit. Dementsprechend genügt es für eine Gefährlichkeit im Sinne des § 63 StGB, wenn vom Täter erhebliche rechtswidrige Taten nur gegen einen begrenzten Personenkreis oder sogar nur gegen eine Einzelperson zu erwarten sind (BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 1 StR 372/13, NStZ-RR 2014, 28). Auch in solchen Fällen ist, wie stets, die zur Beurteilung der Gefährlichkeit notwendige Prognose auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, Rn. 44; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 26. September 2012 – 4 StR 348/12, Rn. 10 mwN). Einzustellen sind insbesondere die konkrete Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung sowie die auf die Person des Angeklagten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der An- lasstaten belegen (Senat, Urteil vom 10. Januar 2018 – 2 StR 525/16 Rn. 9 mwN).
17
bb) Dem wird die vom Landgericht gegebene Begründung, mit der es eine Erheblichkeit der in der Unterbringung begangenen Anlasstaten verneint, nicht gerecht.
18
(1) Zum einen lassen die Urteilsgründe besorgen, dass das Landgericht sich den Blick darauf verstellt hat, dass nicht alle Taten, die in einer Unterbringung begangen werden „in der Regel“ als rechtlich unerheblich anzusehen sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Taten ihre Ursache (auch) in der durch die Unterbringung für den Betreffenden begründeten Ausnahmesituation haben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2001 – 4 StR 540/01 Rn. 8; vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, 170; MüKo-StGB/van Gemmeren, 3. Aufl., § 63 Rn. 63 mwN).
19
Jedenfalls für die Fälle 5 bis 7 der Urteilsgründe hätte es näherer Erörterungen dazu bedurft, inwieweit diese Taten auf der Unterbringungssituation oder allein auf der Erkrankung des Beschuldigten oder seiner Persönlichkeit beruhen. Dies in den Blick zu nehmen und näher zu erörtern bestand vorliegend auch deswegen Anlass, weil die Strafkammer der Sachverständigen folgend zwar annimmt, der Beschuldigte habe einen (wahnhaften) Drang, aus der Unterbringung nach Hause zu kommen, dieses Handlungsmotiv aber bei den Taten zum Nachteil der Geschädigten G. und S. gerade nicht zum Tragen kam. Auslöser dieser Taten war vielmehr, dass der Beschuldigte von einem Mitbewohner provoziert wurde und er sich hierfür durch Gewaltanwendung rächen wollte, worin er sich durch das Eingreifen der Geschädigten gehindert sah. Unbeschadet der Frage, ob ein solches Verhalten auch normalpsychologisch erklärbar sein könnte, ist ohne nähere Darlegung jedenfalls nicht nachvollziehbar , weshalb entsprechende Gewaltreaktionen des an mangelnder Impulskontrolle leidenden Beschuldigten nicht mit gleicher Wahrscheinlichkeit in einer Alltagssituation außerhalb einer Unterbringung zu erwarten sind.
20
(2) Zum anderen hat die Strafkammer nicht hinreichend in den Blick genommen , dass neben der konkreten Art der drohenden Taten und dem Gewicht der jeweils bedrohten Rechtsgüter auch die zu erwartende Häufigkeit und Rückfallfrequenz von Bedeutung sein können, dass also neben einer qualitativen Bewertung ergänzend auch eine quantitative Betrachtung anzustellen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2018 – 2 StR 121/18 juris Rn. 14 mwN). Je höher die zu erwartende Rückfallfrequenz ist, desto eher kommen, in Grenzen, auch Abstriche bei der auf die einzelne Tat bezogenen schweren Verletzungsfolgen in Betracht, wobei maßgeblich ist, inwieweit sich aus der Art der konkret drohenden Taten und der zu erwartenden Rückfallfrequenz insgesamt eine schwere Störung des Rechtsfriedens ergibt (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2018, aaO). Die Strafkammer hätte daher in die Gefährlichkeitsprognose auch die Häufigkeit der festgestellten Anlasstaten einstellen und in Relation zur gegenläufig bewerteten Unterbringungssituation setzen müssen. So teilt das Landgericht zwar die Aussage einer Zeugin mit, der Beschuldigte sei mit einem Messer in der Hand auf sie zugegangen, habe gesagt „ich steche Dich ab“ und sie sodann an die Wand geschubst. Ob die Strafkammer diesem Umstand und der Feststellung, dass sich in der Vitus Klinik H. nicht nur die Anlasstaten („unter anderem“) ereignet haben, bei einer quantitativen Betrachtung Bedeutung beigemessen hat, lässt sich den Urteilsgründen indes nicht hinreichend entnehmen.
21
3. Die Sache bedarf danach erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass eine rechtsfehlerfreie Gefährlichkeitsprog- nose zur Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten geführt hätte. Der Senat hebt auch die Feststellungen des Landgerichts auf, um dem neuen Tatrichter eine eigene, umfassende und widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen.
22
4. Die neue Hauptverhandlung, bei der auch das bis dahin gezeigte Verhalten des Angeklagten zu berücksichtigen ist, bietet Gelegenheit, die Frage des symptomatischen Zusammenhangs näher als bislang geschehen in den Blick zu nehmen. Die Anwendung des § 63 StGB setzt nicht nur voraus, dass die Gefährlichkeit des Täters aus demjenigen Zustand folgt, der die Einschrän- kung seiner Schuldfähigkeit begründet („infolge seines Zustandes“), sondern auch, dass zwischen dem Zustand und der Anlasstat ein solcher Zusammen- hang besteht; der Defekt („Zustand“) muss kausal für die Anlasstat geworden sein (vgl. MüKo-StGB/van Gemmeren, aaO § 63 Rn. 47, 56 mwN). Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die weitere körperliche Entwicklung des zur Tatzeit erst knapp 15-jährigen Beschuldigten zu bedenken.
Franke Krehl Meyberg Grube Schmidt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 595/16
vom
19. Januar 2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2017:190117B4STR595.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Januar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 5. September 2016 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Geschehen bei den Taten vom 3. September 2015 (Ziffer II. 1 der Urteilsgründe) und den Vorfällen vom 14. Juli 2015 und 19. September 2015 (Ziffer II. 2 der Urteilsgründe ) aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Beschuldigten im Sicherungsverfahren die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Beschuldigte befand sich in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 6. Januar 2016 insgesamt 29-mal zur stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dabei wurde bei ihm eine hebephrene Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis diagnostiziert.
4
Am 3. September 2015 gegen 16.35 Uhr überstieg der Beschuldigte in S. an einem Mehrparteienwohnhaus die Brüstung eines Außenbalkons, der sich auf Höhe des Erdgeschosses befand, und entwendete eine dort abgelegte Kunststofftasche, die mit leeren Pfandflaschen aus Glas und Kunststoff gefüllt war. Anschließend lief er torkelnd auf einem Fußweg entlang und warf die Kunststofftasche über seine Schulter. Dabei verlor er mehrere Flaschen. Als ihm der Geschädigte J. entgegenkam, der mit einem elektrischbetriebenen Rollstuhl auf dem Radweg fuhr, schlug er diesem die Kunststofftasche gegen den Kopf. Was ihn hierzu bewog, konnte nicht festgestellt werden. Der Geschädigte erlitt durch den Schlag eine blutende Platzwunde am Kopf. Die daraufhin alarmierten Polizeibeamten trafen den Beschuldigten gegen 16.50 Uhr in einer Einfahrt auf dem Boden sitzend an. Als der Beschuldigte von dem Polizeibeamten PHK B. nach seinem Namen gefragt und aufgefordert wurde, sich auszu- weisen, entgegnete er: „Den kriegt ihr nicht“. Anschließendbeleidigte er PHK B. und weitere Polizeibeamte, die in der Nähe standen. Als PHK B. dem Beschuldigten daraufhin ankündigte, dass er ihn nun nach Ausweisdokumenten durchsuchen werde, spuckte der Beschuldigte in seine Richtung, traf ihn jedoch nicht. In der Folge drückte PHK B. den Kopf und den Oberkörper des Beschuldigten nach unten, um ein weiteres Spucken zu verhindern und eine Durchsuchung zu ermöglichen. Der Beschuldigte versuchte, sich aufzubäumen und sich durch gleichzeitiges Schlagen und Treten aus der Fixierung zu befreien. Daraufhin wurden ihm die Arme auf dem Rücken gefesselt. Während der anschließenden Durchsuchung nach Ausweispapieren trat und schlug der Beschuldigte aus sitzender Position um sich. Dass dabei einer der eingesetzten Polizeibeamten getroffen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Bei der Verbringung in das Polizeifahrzeug versuchte der Beschuldigte nochmals, PHK B. zu treten, ohne ihn zu treffen. Eine dem Beschuldigten um 18.17 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Alkoholkonzentration von 1,73 Promille auf.
5
2. Das Landgericht hat den Schlag des Beschuldigten mit der gefüllten Kunststofftasche als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und das Verhalten gegenüber den Polizeibeamten als versuchte Körperverletzung (§ 223 Abs. 2, § 23 Abs. 1, § 22 StGB) und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB gewertet. Von der Verfolgung der Beleidigungen hat es nach § 154a Abs. 2 StPO abgesehen. Die Strafkammer ist im Anschluss an die Ausführungen des angehörten Sachverständigen davon ausgegangen, dass bei dem Beschuldigten eine hebephrene Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorliege, die seine gesamte Persönlichkeit überformt habe. Er sei deshalb nicht „zu rationalem Kognitionsvermögen in der Lage“, weise anhaltende Störungen der Ich-Grenzensowie der Ich-Funktionen auf und habe auch Defizite in Bezug auf moralisch-ethische Normvorstellungen. Darüber hinaus liege eine intellektuelle Grenzbegabung vor. Erschwerend komme eine anankastische und schizotype Persönlichkeitsstörung zum Tragen. Die Psychose habe sich bereits im jungen Erwachsenenalter entwickelt und sei mit einem „episodisch auftretenden Suchtmittelmissbrauch“ gepaart (UA 18). Zur Tatzeit seien die psychopathologischen Phänomene durch einen mittelschweren Alkoholrausch verstärkt worden. Die Kombination all dieser Elemente berechtige in der Summe zu der Annahme einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung (UA 19). Es sei davon auszugehen, dass bei dem Beschuldigten deshalb die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen seien (UA 20). Von ihm seien infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden. Die gefährliche Körperverletzung und die versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte seien zumindest der mittleren Kriminalität zuzurechnen.

II.


6
Die Anordnung der Unterbringung muss aufgehoben werden, weil die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Beschuldigten und die daran anknüpfende Kriminalprognose revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht standhalten.
7
1. Die Wertung des Landgerichts, der Beschuldigte habe an einer hebephrenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis sowie an einer anankastischen und einer schizotypen Persönlichkeitsstörung gelitten, ist nicht ausreichend belegt.
8
a) Beschränkt sich das Tatgericht – wie hier – darauf, der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit zu folgen, muss es die hierfür wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben , wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH, Urteil vom 23. November 2016 – 2 StR 108/16, Rn. 8; Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135; Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13, NStZ 2014, 36, 37 mwN).
9
b) Dem werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Die Strafkammer gibt darin lediglich die Diagnosen des Sachverständigen wieder. Welche Anknüpfungsund Befundtatsachen der Sachverständige seinen Diagnosen zugrunde gelegt hat, wird nicht mitgeteilt. Der Umstand, dass sich der Beschuldigte vielfach in psychiatrischen Krankenhäusern zur Behandlung befand und ihm dort die Diagnose einer hebephrenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis gestellt wurde, deutet zwar auf eine gravierende Erkrankung in diesem Bereich hin, vermag aber eine konkrete Darlegung des Krankheitsbildes nicht zu erset- zen. Soweit in Bezug auf die „normative Einsichtsfähigkeit“ des Beschuldigten davon die Rede ist, dass er „vielfach unter Beweis gestellt habe, dass er diesbezüglich sehr schlecht ausgestattet sei“, bei Maßnahmen der Wiedereingliederungshilfe „krankheitsbedingt immer wieder dekompensiert“ sei und „mitunter ein aggressives Verhalten gezeigt“ (UA 4 und 18) habe, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darstellung der in Bezug genommenen Vorfälle und deren Beleg.
10
2. Die Urteilsgründe lassen auch nicht deutlich werden, dass der die Annahme von Schuldunfähigkeit begründende Zustand auf einem länger andauernden Defekt beruht.
11
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defektes schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 – 2 StR 358/14, BGHR StGB § 63 Zustand 44; Beschluss vom 16. Januar 2013 – 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142; Beschluss vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 351 mwN). Grundsätzlich verbietet sich daher die Un- terbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen, länger andauernden Defekt, sondern erst durch aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere Alkohol, herbeigeführt worden ist. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2006 – 2 StR 430/06, NStZ-RR 2007, 73; Urteil vom 8. Januar 1999 – 2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 339 mwN). Ein Zustand im Sinne des § 63 StGB liegt aber – entsprechend obiger Rechtsprechung – auch dann vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2016 – 4 StR 161/16, Rn. 11; Urteil vom 29. September 2015 – 1 StR 287/15, NJW 2016, 341 f., Beschluss vom 1. April 2014 – 2 StR 602/13, NStZ-RR 2014, 207 [Ls.], jew. mwN), wenn tragender Grund seines Zustandes mithin die länger andauernde krankhafte geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich der auslösende Faktor war und ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1999 – 2 StR 483/98, BGHSt 44, 369, 374).
12
b) Das landgerichtliche Urteil enthält hierzu keine ausreichenden Feststellungen. Die Strafkammer geht – wiederum dem Sachverständigen folgend – davon aus, dass bei dem Beschuldigten bei der Begehung der Anlasstaten eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorgelegen habe. Hierzu habe auch der festgestellte mittelschwere Rausch beigetragen. Eine durch einen Rausch mit- verursachte tiefgreifende Bewusstseinsstörung ist aber in der Regel kein Zustand von längerer Dauer. Zur Einordnung der zeitstabilen Defekte (hebephrene Schizophrenie, anankastische und schizotype Persönlichkeitsstörung) unter ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 StR 278/10, Rn. 5 [hebephrene Schizophrenie als krankhafte seelische Störung im Sinne von § 20 StGB]), zu deren Auswirkung auf die Schuldfähigkeit unabhängig von der akuten Alkoholisierung (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1991 – 3 StR 69/91, NStZ 1991, 527, 528; Beschluss vom 12. November 2004 – 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352), zu eventuellen Interdependenzen und zu einer möglichen Alkoholsucht des Angeklagten verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
13
3. Auch die Gefährlichkeitsprognose genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.
14
a) Die für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2015 – 4 StR 277/15, NStZ-RR 2016, 77 [Ls]; Urteil vom 10. Dezember 2014 – 2 StR 170/14, NStZ-RR 2015, 72, 73 mwN).
15
b) Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher Straftaten wird durch die Urteilsgründe nicht belegt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen die Strafkammer auch insoweit gefolgt ist, werde der Beschuldigte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erneut straffällig werden, unter Umständen auch erheblich. Bei Impulsdurchbrüchen sei mit erheblichen Straftaten zu rechnen, etwa mit Taten vergleichbar der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten J. . Diesen Darlegungen lässt sich nicht entnehmen, unter welchen Bedingungen mit derartigen Impulsdurchbrüchen zu rechnen und wie groß die Gefahr einer Wiederholung in der Zukunft ist. Soweit die Strafkammer abschließend ausführt, dass für eine hohe Wiederholungswahrscheinlichkeit spreche, dass dem Übergriff auf den Geschädigten J. kein Streit vorausgegangen und auch ein sonstiger Anlass für diese Tat nicht erkennbar sei, fehlt dafür jeglicher Beleg. Schließlich hätte die Strafkammer auch in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Beschuldigte , als er am 14. Juli 2015 bei einem Ladendiebstahl gestellt wurde, zwar einen Fluchtversuch unternahm, dabei und danach aber keine Gewalt mehr anwandte.
16
4. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu den rechtswidrigen Anlasstaten vom 3. September 2015 (äußeres Tatgeschehen) und den Vorfällen vom 14. Juli 2015 und 19. September 2015 (objektives Geschehen) können bestehen bleiben. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch tretende Feststellungen sind möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden, die die Einweisung des Angeklagten in eine psychiatrische Anstalt gemäß § 63 StGB rechtfertigen.
17
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat noch auf das Folgende hin:
18
a) Nach der gesetzlichen Konzeption kann die Anwendung des § 20 StGB nicht auf beide Alternativen gestützt werden. Erst wenn sich ergeben hat, dass der Täter in der konkreten Tatsituation einsichtsfähig war, kann sich die Frage nach seiner Steuerungsfähigkeit stellen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 StR 394/05, NStZ-RR 2006, 167, 168; Kaspar in SSW-StGB, 3. Aufl., § 20 Rn. 27 mwN).
19
b) Ob eine zu erwartende Straftat zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202). Sollte der neue Tatrichter zu dem Ergebnis gelangen , dass von dem Beschuldigten in Zukunft (auch) Taten vergleichbar der Anlasstat zum Nachteil der eingesetzten Polizeibeamten zu erwarten sind, wird er bei deren Gewichtung in den Blick zu nehmen haben, dass Angriffe gegen Personen, die professionell mit derartigen Konfliktsituationen umgehen, dafür entsprechend geschult sind und in der konkreten Situation über besondere Hilfs- und Schutzmittel verfügen, möglicherweise weniger gefährlich sind. Bei der Beurteilung der versuchten Körperverletzung wird zu bedenken sein, dass wenig erfolgversprechend angelegte und deshalb leicht zu vereitelnde Versuche nur eine eingeschränkte Bedrohung für die betroffenen Rechtsgüter darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2011 – 4 StR 267/11, Rn. 20).
Sost-Scheible Franke Bender
Quentin Feilcke
5
a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 – 1 StR 437/03, Beschlüsse vom 3. April 2008 – 1 StR 153/08 und vom 10. August 2010 – 3 StR 268/10). Dies trifft auf die Anlasstaten zu, die für sich betrachtet gewichtige Straftaten sind. Jedoch sind solche Verhaltensweisen innerhalb einer Einrichtung gegenüber dem Pflegepersonal nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 – 4 StR 354/97, NStZ 1998, 405; Beschlüsse vom 6. November 2003 – 4 StR 456/03, StV 2005, 21; vom 17. Februar 2009 – 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169, Rn. 9 und vom 22. Februar 2011 – 4 StR 635/10, NStZ-RR 2011, 202, Rn. 13; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 2 BvR 2181/11, NJW 2012, 513, Rn. 27). Soweit die Strafkammer in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass es sich bei den geschädigten Zeuginnen gerade nicht um im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenes besonders geschultes Personal , sondern um einfache Krankenpflegerinnen gehandelt habe, rechtfertigt dies keine Gleichsetzung der Taten mit solchen außerhalb der Einrichtung. Es kann von einer psychisch schwer erkrankten Person nicht erwartet werden, das Krankenpflegepersonal nach entsprechend geschulten und ungeschulten Personen zu unterscheiden.
5 StR 422/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 18. Juli 2011 mit den zugehörigen Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben, soweit Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist, sowie im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Gegen den Schuldspruch ist rechtlich nichts zu erinnern. Entgegen den Einwendungen der Revision hat das sachverständig beratene Landgericht eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) zutreffend namentlich mit der Begründung ausgeschlossen, dass dieser in- nehalten konnte, nachdem er wieder in den Besitz des Personalausweises gelangt war.
3
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
4
a) Die Annahme des für § 63 StGB erforderlichen dauerhaften Defekts mit Krankheitswert (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26 f.; Beschlüsse vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 f., und vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, NStZ 1999, 611, 612) ist allerdings nicht zu beanstanden. Dass bei dem Angeklagten nicht nur eine – für sich nicht ausreichende – dauerhafte Disposition besteht, in bestimmten , ihn belastenden Situationen wegen mangelnder Fähigkeit zur Affektverarbeitung in den Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu geraten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2001 – 3 StR 373/01, NStZ 2002, 142, vom 24. September 1997 – 2 StR 443/97, BGHR StGB § 63 Zustand 27, und vom 1. September 1998 – 4 StR 367/98), wird von den Feststellungen getragen. Danach hat die diagnostizierte schwere Persönlichkeitsstörung des emotional-instabilen Typus (ICD 10: F 61.0) bei ihm bereits seit früher Kindheit zu beträchtlichen Einschränkungen der gesamten Lebensführung bis hin zur Verwahrlosung geführt.
5
b) Der Maßregelausspruch kann gleichwohl nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht die weiter vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht ausreichend begründet hat. Die außerordentlich beschwerende Maßregel der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus setzt eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades voraus, dass von dem Betroffenen in Zukunft rechtswidrige Taten von Erheblichkeit zu erwarten sind; die bloße Möglichkeit genügt dementsprechend nicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 1992 – 5 StR 333/92, NStZ 1992, 538, vom 8. Juli 1999 – 4 StR 269/99, NStZ 1999, 611, 612, und vom 16. Juli 2008 – 2 StR 161/08, Rn. 7; jeweils mwN).
6
Vier – vergleichsweise nicht sehr schwer wiegende und dementsprechend durchgehend mit Geldstrafe geahndete – Körperverletzungsdelikte hat der Angeklagte im Zeitraum von 2004 bis 2008 begangen. Auch die Anlasstat liegt in diesem Zeitraum. Zuvor und danach musste er trotz seines Defekts nicht verurteilt werden. Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, dass länger währende Straffreiheit als gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger gefährlicher Straftaten heranzuziehen ist (BGH NStZ 1999 aaO; LK/Schöch, 12. Aufl., § 63 Rn. 74).
7
Das Landgericht hat dies im Grundsatz auch nicht verkannt und stützend auf aggressives Verhalten des Angeklagten bei der psychiatrischen Exploration und im Vorfeld des zweiten Hauptverhandlungstags verwiesen. Indessen hat dieser seine Aggressionen im Zuge der Exploration zu beherrschen vermocht; am zweiten Hauptverhandlungstag konnte er Gleiches aufgrund vorsorglich vorgenommener Fesselung nicht unter Beweis stellen. Hinzu kommt, dass krankheitstypische Aggressionen, die Ausfluss solcher Belastungssituationen sind, nur eingeschränkt als Beleg für die allgemeine Gefährlichkeit des Betroffenen gelten können (vgl. zu Taten während einer strafrechtlichen Unterbringung LK/Schöch, aaO, § 63 Rn. 84 mwN).
8
3. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung hat die Strafkammer maßgebend mit der Gefährlichkeit des Angeklagten begründet. Sie kann aus den vorgenannten Gründen schon deshalb nicht bestehen bleiben. Der Senat weist für die neu anzustellende Sozialprognose darauf hin, dass der Angeklagte bislang noch nicht zu Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Dass ihm nicht allein die Verurteilung zu Freiheitsstrafe in Verbindung mit entsprechenden Bewährungsweisungen und -auflagen hinreichende Warnung für künftige Legalbewährung sein kann, versteht sich daher nicht von selbst. Auch die wenig nachdrückliche Führung des Strafverfahrens in den Jahren 2009 und 2010 und die Straffreiheit des Angeklagten seit der verfahrensgegenständlichen Tat können hierbei nicht außer Betracht bleiben.
9
4. Sofern das neu entscheidende Tatgericht die Voraussetzungen des § 63 StGB bejahen sollte, wird – bei gegebener Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung – im Rahmen einer etwaigen Aussetzungsentscheidung nach § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB eingehender als bislang nach alternativen, den Angeklagten weniger beschwerenden Weisungsoder Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen sein.
Basdorf Raum Schaal König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 194/02
vom
2. Juli 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2002 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 4. Februar 2002 im Ausspruch über die Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde erhebt. Das Rechtsmittel ist lediglich zum Maßregelausspruch begründet. 1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand; die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Insoweit verweist der Senat auf die Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 22. Mai 2002 (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die Anordnung der Unterbringung des - bis dahin nicht vorbestraften - Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand. Eine derartige Maûregel beschwert den Betroffenen auûerordentlich. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit neuerlicher schwerer Störungen des Rechtsfriedens besteht. Geboten ist eine mit aller Sorgfalt vorzunehmende Gesamtwürdigung von Täter und Tat unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit (§ 62 StGB) und eine Prognose, daû von dem Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (vgl. nur BGHR StGB § 63 Ablehnung 1, Gefährlichkeit 8). Die vom Landgericht hierzu angestellten Erwägungen erweisen sich teils als nicht tragfähig, teils leiden sie unter Erörterungsmängeln.
a) Den getroffenen Feststellungen zufolge leidet der im Jahr 1974 geborene Angeklagte seit seiner Geburt an einem Hirnschaden mit cerebralem Anfallsleiden. Damit einher gehen Störungen im Sozialverhalten, die mit verbaler und tätlicher Aggressivität, mit Störungen im Anpassungsverhalten, mit sexuellen Auffälligkeiten im Sinne eines Exhibitionismus sowie einer Oligophrenie vom Grade der Debilität (IQ 57) verbunden sind. Eine Psychose oder eine Neurose liegt beim Angeklagten nicht vor. Der vom Landgericht vernommene Sachverständige hat ausgeführt, daû die abgeurteilte Tat sich auch nicht als blindwütiges Ausagieren mit Eigengesetzlichkeiten darstelle. Nachdem der Angeklagte 1990 zunächst in ein Heim des Diakoniewerkes aufgenommen und für ihn seit dem 18. Lebensjahr eine Betreuung angeordnet worden war, befand er sich seit Oktober des Jahres 2000 wiederholt wegen "aggressiver Agitationszustände" im Bezirkskrankenhaus Regensburg.
Zuvor war er in einer sog. beschützenden Einrichtung "nicht führbar gewesen", weil er verschiedene Male gegen Mitpatienten und Personal aggressiv vorging, namentlich biû und kratzte. In einem Falle war er mit einer Schere auf das Pflegepersonal losgegangen. Im Bezirkskrankenhaus Regensburg kam es zur verfahrensgegenständlichen Tat: Zwei Pflegekräfte wollten den Angeklagten in ein anderes Zimmer bringen. Im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit aufgrund seines beschriebenen Zustandes beschimpfte dieser eine weibliche Pflegekraft als "Hure, Nutte und Schlampe" und trat ihr mit dem Fuû in die rechte Magengegend sowie in die rechte Brustkorbseite. Dadurch erlitt diese eine Rippenprellung und hatte Bauchschmerzen.
b) Zur Begründung der Unterbringungsanordnung nach § 63 StGB hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, der Angeklagte könne sich aufgrund der angeborenen Intelligenzminderung jederzeit in aggressive Erregungszustände hineinsteigern. In diesem Zustand seien weitere erhebliche rechtswidrige Straftaten zu erwarten. Obwohl er bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, sei es in den zurückliegenden Jahren immer wieder zu aggressiven Durchbrüchen gekommen. So sei er gegen Mitpatienten und Pflegepersonal "in Form von Beiûen und Kratzen" aggressiv geworden und bei einer Gelegenheit habe er dem Pflegepersonal mit einer Schere gedroht. Er sei für die Allgemeinheit gefährlich, da jede Person, die mit ihm in räumliche Berührung komme, bei einem Aggressionsdurchbruch gefährdet sein könne. Der Verhältnismäûigkeitsgrundsatz stehe der Unterbringung nicht entgegen. Die bestehende zivilrechtliche Unterbringung könne durch den Betreuer jederzeit beendet werden. Die Sicherung der Allgemeinheit gebiete es, daû nicht allein der Betreuer über die Beendigung der Unterbringung entscheiden
könne. Eine Aussetzung der Anordnung zur Bewährung (§ 67 b StGB) komme nicht in Betracht. Die Unterbringung in einer geeigneten beschützenden Einrichtung sei aufgrund der Aggressivität des Angeklagten nicht möglich.
c) Die Gefährlichkeitsprognose des Landgerichts unter Würdigung der Person, des Vorlebens und der Tat des Angeklagten bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäûigkeit wird den von Rechts wegen zu stellenden Anforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht. Der Angeklagte ist bisher unbestraft und war zur Tatzeit fast 27 Jahre alt. In die zu stellende Prognose wäre daher der bisherige Lebensweg weitergehend als geschehen einzubeziehen gewesen. Besonderer Erörterung hätten seine Lebensbedingungen und etwaige zurückliegende relevante Ausfallerscheinungen - wie auch deren etwaiges Fehlen - bedurft. Darüber hinaus wäre es erforderlich gewesen, die Ursachen für das vom Landgericht nur ganz allgemein gekennzeichnete frühere Aggressionsverhalten des Angeklagten darzustellen und darauf näher einzugehen. Dies gilt zumal im Blick darauf, daû zustandsbedingte Taten, die im Rahmen einer Unterbringung gegen das Pflegepersonal und unter Umständen gegen Mitpatienten begangen werden, nur eingeschränkt Anlaû für die Anordnung einer strafrechtlichen Unterbringung nach § 63 StGB sein können. Es bedarf dann der Erörterung, ob und inwieweit solche Taten oder Verhaltensweisen ihre Ursache auch in der durch die Unterbringung für den Betreffenden gegebenen Situation haben können (BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 26 = NStZ 1999, 611). Darüber hinaus ist die vom Landgericht sowohl im Zusammenhang mit der Verhältnismäûigkeitsprüfung als auch mit den Erwägungen zu einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung angestellte Überlegung, eine bestehende zivilrechtliche Unterbringung sei nicht ausreichend, da sie vom
Willen des Betreuers abhänge, in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig. Auf der Grundlage des Bayerischen Unterbringungsgesetzes hängt die Unterbringung unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. Art. 1 Abs. 1 BayUnterbrG) von einem Antrag der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde und einer Entscheidung des nach § 70 Abs. 5 FGG zuständigen Gerichts ab (Art. 7 Abs. 3 BayUnterbrG). Nach allem wird der neue Tatrichter den bisherigen Lebensweg und das Verhalten des Angeklagten sowie seine im Urteil eher allgemein beschriebenen Aggressionen einschlieûlich deren Ursachen konkreter zu erörtern und auf dieser Grundlage eine tragfähige Prognose unter Berücksichtigung des Verhältnismäûigkeitsgrundsatzes abzugeben haben. Dabei - wie auch bei der Frage einer etwaigen Aussetzung der Maûregel zur Bewährung - wird schlieûlich die
Möglichkeit einer Unterbringung nach Landesunterbringungsrecht mit zu bedenken sein, wenngleich diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Aussetzung der strafrechtlichen Unterbringung nur dann rechtfertigen kann, wenn die landesrechtliche Unterbringung sich für die Pflege des Betroffenen und für die angestrebten Zwecke als günstiger erweist (vgl. nur BGHR StGB § 67 b Abs. 1 besondere Umstände 1, 3, 5). Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf nicht angeordnet werden, wenn sie zur Bedeutung der vom Täter begangenen und zu erwartenden Taten sowie zu dem Grad der von ihm ausgehenden Gefahr außer Verhältnis steht.