Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Jan. 2020 - 4 StR 613/19

bei uns veröffentlicht am08.01.2020
vorgehend
Landgericht Ansbach, 450 J, 464/15 II
Landgericht Ansbach, , KLs 13/16

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 613/19
vom
8. Januar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben
mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Januar 2020 einstimmig beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Arnsberg vom 19. August 2019 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
ECLI:DE:BGH:2020:080120B4STR613.19.0

Ergänzend bemerkt der Senat:
Auch die tatmehrheitliche Verurteilung des Angeklagten nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG wegen gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in den Fällen II. 2. bis 14. der Urteilsgründe begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Zwar hat der Angeklagte durch die Abgabe der jeweils geringen Mengen Marihuana an die minderjährige Zeugin B. auf Kommission zugleich auch den ‒ im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktretenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 ‒ 3 StR 353/10; vom 14. Juni 2017 ‒ 5 StR 190/17) ‒ Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG erfüllt. Insoweit könnte nach den Grundsätzen, die der Große Senat für Strafsachen in seinem Beschluss vom 10. Juli 2017 (GSSt 4/17, BGHSt 63, 1) aufgestellt hat, eine einheitliche Tat im materiell-rechtlichen Sinne vorliegen; denn die Zeugin B. hat stets unmittelbar nach dem Verkauf der ihr jeweils auf Kommission überlassenen Menge „dem Angeklagten absprachegemäß seinen Verkaufserlösin seiner Wohnung übergeben und zugleich neue Betäubungsmittel geholt“ (UA 6). Dies führt indes nicht zu einer sachlich-rechtlichen Verknüpfung der strafbaren Handlungen des Angeklagten, die Gegenstand seiner Verurteilung geworden sind. Die jeweilige Abgabe des Marihuanas war mit dem Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf die Zeugin

B.

vollendet und zugleich auch beendet (BGH, Urteil vom 9. November 1984 ‒ 2 StR 257/84, BGHSt 33, 66, 69; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 1124 mwN).
Ein etwa die oder jedenfalls einige Abgabehandlungen durchlaufendes, nach den Grundsätzen des Großen Senats (aaO) einheitliches Handeltreiben hat auch nicht die Kraft, im Wege der sog. Klammerwirkung Tateinheit zwischen den einzelnen strafbaren Abgabehandlungen zu begründen. Denn dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass zwischen dem verbindenden und zumindest einem der beiden jeweils verbundenen Delikte annähernde Wertgleichheit besteht (BGH, Beschluss vom 26. März 1982 ‒ 2 StR 700/81, BGHSt 31, 29; Fischer, StGB, 67. Aufl., Vor § 52 Rn. 30 mwN). Als Maßstab hierfür dient die
Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht nach einer abstraktgeneralisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juli 1984 ‒ 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 ff.; vom 13. Dezember 2012 ‒ 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147; Beschlüsse vom 22. Mai 2014 – 4 StR 223/13; vom 19. April 2011 ‒ 3 StR 230/10, NStZ 2011, 577, 578; vom 2. Dezember 2008 ‒ 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693). Gegen eine annähernde Wertgleichheit spricht hier indes zum einen, dass es sich bei dem Straftatbestand der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG um ein Verbrechen, bei § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG hingegen um ein Vergehen handelt. Zwar hat das Landgericht bei der Strafzumessung jeweils minder schwere Fälle gemäß § 30 Abs. 2 BtMG mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe angenommen. Es hat jedoch in der Strafzumessung zugleich mitgeteilt, dass es auch die Regelwirkung des infolge der Gewerbsmäßigkeit erfüllten Regelbeispiels in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG für widerlegt erachtet. Jedenfalls damit verbleibt es bei der durch die Hochstufung zum Verbrechen zum Ausdruck gebrachten schwereren Bewertung der (gewerbsmäßigen ) Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige gegenüber dem „einfachen“ Handeltreiben nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Bender Quentin Vorinstanz:
Ansbach, LG, 19.08.2019 ‒ 450 Js 464/15 II 2 KLs 13/16

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Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

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Tenor Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 353/10
vom
5. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
5. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. April 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in neun Fällen sowie der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in 12 Fällen schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit der Maßgabe aufgehoben, dass die aufrechterhaltene Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis entfällt und eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafen nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels , zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln (Cannabis) als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeln mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in 22 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Schusswaffe und eines sonstigen Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist" - unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 (215 Ls 70/08 7291 Js 98327/07) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, wobei die verhängte Sperre für die Fahrerlaubnis aufrechterhalten bleibt, - unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2008 (324 Ds 121/08 3121 Js 84840/07) nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und - unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 10. Juli 2009 (215 Cs 341/09 2031 Js 50904/09) und aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 13. November 2009 (233 Ds 100/09 7261 Js 48032/09) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts weder zum Verfahren noch zur Beweiswürdigung einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Schuldspruch zu ändern.
4
Im Fall II. 22. der Urteilsgründe ist der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren schuldig. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) tritt als Grunddelikt hinter der Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zurück (Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 196). Soweit die Strafkammer keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob bei der in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Schreckschusspistole der Explosionsdruck nach vorne austritt, was Voraussetzung für das Vorliegen einer Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 2 StR 298/05, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Waffe 1; Weber, aaO, Rn. 95 f.), gefährdet dies den Bestand des Schuldspruchs nicht. Denn bei dem in der Wohnung, aus der der Angeklagte das Cannabis verkaufte, ebenfalls aufgefundenen Dolch mit einer Klingenlänge von 12 cm handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn und damit einen Gegenstand, der zur Verletzung von Personen bestimmt und geeignet ist (Weber, aaO, Rn. 108). Der Angeklagte führte den Dolch im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich, weil er diesen bewusst gebrauchsbereit zusammen mit einem Teil des zum Weiterverkauf bestimmten Rauschgifts verwahrte, sodass er ihn jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand benutzen konnte (BGH, Beschluss vom 18. April 2007 - 3 StR 127/07, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 8). Für die Erfüllung des Tat- bestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist es ausreichend, dass der Dolch nur während einzelner Verkäufe aus der Gesamtmenge von 200 Gramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 8,5 % THC) zur Verfügung stand (Weber, aaO, Rn. 144 f.).
5
In den Fällen II. 13. bis 21. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in neun Fällen strafbar gemacht. Insoweit ist die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmittel nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte nach den Feststellungen im Zeitraum von Dezember 2007 bis Mai 2008 Teilmengen des jeweils gekauften Rauschgifts auch an den erwachsenen Zeugen S. verkaufte, sodass allein die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren den Unrechtsgehalt dieser Taten nicht ausschöpfen würde.
6
In den Fällen II. 1. bis 12. der Urteilsgründe muss die tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln entfallen, weil das Landgericht insoweit nicht sicher ausschließen konnte, dass der Angeklagte das Rauschgift nur an die Minderjährigen verkaufte oder selbst verbrauchte. Bei einer solchen Fallkonstellation wird von der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren auch der im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegende Unrechtsgehalt der Tat erfasst (Weber, aaO, § 30 Rn. 116; Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 31; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 72). Ob dieses Konkurrenzverhältnis auch beim Handeltreiben in nicht geringer Menge gilt, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1994 - 3 StR 138/94, BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 1; BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 - 4 StR 222/97, nicht tragend).
7
2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs können die verhängten Einzelstrafen bestehen bleiben. Das Landgericht hat jeweils rechtsfehlerfrei minder schwere Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB angenommen und bei der konkreten Strafzumessung die tateinheitliche Begehung der weggefallenen Straftatbestände nicht strafschärfend berücksichtigt. Im Fall II. 22. der Urteilsgründe hat es zu Lasten des Angeklagten weder das Mitsichführen von zwei Waffen noch die konkrete Gefährlichkeit der Schreckschusspistole gewertet. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Einzelstrafen ausgesprochen hätte.
8
Soweit das Landgericht gemäß § 31 BtMG aF, § 49 Abs. 2 StGB die Untergrenze der Strafrahmen der minder schweren Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB auf das gesetzliche Mindestmaß herabgesetzt und nicht erkennbar geprüft hat, ob § 31 BtMG in der ab 1. September 2009 geltenden Fassung anzuwenden ist, ist der Angeklagte nicht beschwert. Zwar wäre unter der Voraussetzung, dass er vor Eröffnung des Hauptverfahrens sein Wissen über seinen Marihuanalieferanten offenbart haben sollte (§ 46b Abs. 3 StGB), eine für den Angeklagten günstigere Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB mit einer Strafobergrenze von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe möglich gewesen. Angesichts der moderaten Freiheitsstrafen von acht Monaten (Fälle II. 1. bis 20.), von einem Jahr drei Monaten (Fall II. 21.) und von einem Jahr acht Monaten (Fall II. 22.) sowie des Umstandes, dass sich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht an der Obergrenze des Strafrahmens orientiert hat, wären von der Strafkammer geringere Einzelstrafen nicht ausgesprochen worden.
9
3. Nicht bestehen bleiben können die verhängten drei Gesamtstrafen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat nicht berücksichtigt, dass in die erste zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 nicht nur die Strafe aus diesem Strafbefehl und die Strafen für die vorliegend abgeurteilten Taten 1 bis 19 (Tatzeiten: 01.06. bis 31.08.2007, 01.09.2007 bis 15.03.2008) und 21 (Tatzeit: Anfang 2008), sondern auch die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2008, dem eine am 12. Mai 2007 begangene Tat zugrunde lag, einzubeziehen gewesen wären (BGHSt 32, 190, 192 ff.; BGH NStZ-RR 2007, 369 f.; Fischer StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 12 m.w.N.). Daneben könnte die Bildung einer weiteren nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe aus den Einzelfreiheitsstrafen für die Fälle 20 (Tatzeit: 16.05. bis 01.06.2008) und Fall 22 (Tatzeit: Anfang Juni 2008) sowie den Strafen aus den Vorverurteilungen durch das Amtsgericht Hannover vom 10. Juli 2009 und vom 13. November 2009 in Betracht kommen, sofern die Vollstreckung der Strafen aus den betreffenden Vorerkenntnissen zum Zeitpunkt der Entscheidung der Strafkammer nicht bereits erledigt war. Angaben darüber, dass dies nicht der Fall war, weil diese Strafen bereits verbüßt sind oder sonstige Rechtsgründe gegen ihre Einbeziehung vorliegen, enthält das Urteil nicht. Nach §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1b Satz 1 StPO sind die Gesamtstrafen daher mit der Maßgabe aufzuheben, dass über die Frage einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO zutreffen ist. In den Tenor der neuen Gesamtstrafenentscheidung wird dann auch die Anordnung, dass zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwei Monate der zweiten (Gesamt-)Freiheitsstrafe als verbüßt anzusehen sind (UA S. 17), aufzunehmen sein. Infolge der Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer trotz der Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 die darin verhängte Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) nicht aufrechterhalten konnte, weil diese bereits abgelaufen war (UA S. 4; BGHSt 42, 308; Fischer aaO § 55 Rdn. 29 m.w.N.)."
10
Dem schließt sich der Senat an. Wegen des Ablaufs der Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis war auszusprechen, dass diese Maßregel entfällt.
11
4. Die Kosten- und Auslageentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
Becker Pfister von Lienen Schäfer Mayer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 190/17
vom
14. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:140617B5STR190.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 14. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. Februar 2017
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, verurteilt ist,
b) hinsichtlich der Einzelfreiheitsstrafen für die Taten 1 bis 3 sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit (gewerbsmäßigem) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte für die Taten 1 bis 3 auch wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Da der Angeklagte im Rahmen dieser Taten – anders als bei der Tat 4 – Betäubungsmittel nur an Minderjährige abgegeben hat, erfasst die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) auch den im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) liegenden Unrechtsgehalt, weswegen dieses Delikt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktritt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 353/10; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 30 Rn. 127).
3
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Paragraph 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
4
2. Das Landgericht hat strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte jeweils mehr als einen Straftatbestand verwirklicht hat. Im Blick darauf kann der Senat trotz der sehr milden Strafen nicht völlig ausschließen, dass das Landgericht bei rechtlich zutreffender Wertung für die Taten 1 bis 3 geringere Einzelfreiheitsstrafen verhängt hätte. Die Aufhebung der drei Einzelfreiheitsstrafen entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
5
3. Dass die Strafkammer bei Tat 4 ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) wegen einer fehlenden Verwendungsabsicht hinsichtlich des Einhandmessers und des Schlagrings verneint hat (vgl. dazu Weber, aaO, § 30a Rn. 123, 129 mit zahlreichen Nachweisen), beschwert den Angeklagten nicht. Entsprechendes gilt für die Annahme verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB).
6
4. Die Nichtanordnung einer Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hat der Beschwerdeführer von seinem Revisionsangriff ausgenommen.
Schneider Dölp König
Berger Mosbacher

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 4/17
vom
10. Juli 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als
auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen
des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte
zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne.
Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer
zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der
Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte
zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.
BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17 – LG Stade
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100717BGSST4.17.0

Der Große Senat für Strafsachen hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Prof. Dr. Jäger und Dr. Schäfer, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. König, Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach und Gericke am 10. Juli 2017 beschlossen:
Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne. Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.

Gründe:


I.


1
Die Vorlage betrifft die konkurrenzrechtliche Bewertung unterschiedlicher Modalitäten der Abwicklung von aufeinanderfolgenden Betäubungsmittelumsätzen , insbesondere dann, wenn die Bezahlung einer zunächst "auf Kommission" erworbenen Betäubungsmittelmenge im Zeitpunkt der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge noch nicht (vollständig) erledigt ist.
2
1. In einem beim 3. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte in sechs Fällen von derselben Person jeweils mindestens 100 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von mindestens 30 %, um dieses gewinnbringend weiter zu veräußern und sich eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen. Er fuhr deswegen zwischen Mitte August 2011 und Mitte Mai 2012 insgesamt sechs Mal nach vorheriger telefonischer Absprache mit dem Lieferanten in seinem Auto nach Bremen, erwarb dort das Rauschgift "auf Kommission" und bezahlte es jeweils nach gewinnbringendem Weiterverkauf bei Abholung der neuen, zuvor bestellten Betäubungsmittelmenge. Auf welche Weise das Entgelt für die sechste Betäubungsmittelmenge entrichtet wurde, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
4
b) Das Landgericht hat dieses Geschehen ohne weitere Erörterungen als sechs rechtlich selbstständige Fälle des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgeurteilt. Nur insoweit ist die Verurteilung des Angeklagten , gegen die er sich insgesamt mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts wendet, Gegenstand des Vorlageverfahrens. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, das angefochtene Urteil im Strafausspruch wegen unterlassener Berücksichtigung eines eingezogenen Kraftfahrzeugs bei der Strafzumessung aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO) und die weiter gehende Revision des Angeklagten zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Der 3. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten in diesen sechs Verurteilungsfällen zu verwerfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Er ist ebenso wie das Landgericht der Ansicht, dass sechs in Tatmehrheit zueinander stehende Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gegeben seien. Sie würden weder durch das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch durch die Bezahlung der zuvor "auf Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge tateinheitlich miteinander verknüpft.
6
3. Der 3. Strafsenat sieht sich jedoch nach dem Ergebnis des gemäß § 132 Abs. 3 GVG durchgeführten Anfrageverfahrens daran gehindert, in diesem Sinne zu entscheiden.
7
a) Der 2. und der 4. Strafsenat haben mit Beschlüssen vom 31. Mai 2016 (2 ARs 403/15, NStZ-RR 2016, 313) und 1. September 2016 (4 ARs 21/15, NStZ-RR 2016, 373) mitgeteilt, dass sie an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten. Dabei hat der 2. Strafsenat seine Rechtsprechung – in der Sache dem 4. Strafsenat folgend – dahin präzisiert, dass in dem Aufsuchen des Lieferanten, das der Bezahlung der bereits früher erworbenen und der Abholung der weiteren Rauschgiftmenge diene, ein den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllendes Handlungselement liege, welches die Teilidentität der Ausführungshandlungen begründe. Es sei deshalb in sol- chen Fällen von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB auszugehen. Der 2. und der 4. Strafsenat sind der Auffassung, der eindeutige Wortlaut der Vorschrift lasse die Annahme von Tatmehrheit nicht zu. Dem Gewicht oder dem Unrechtsgehalt der jeweiligen Tathandlung komme bei der rechtlichen Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses keine Bedeutung zu.
8
b) Der 5. Strafsenat hat mit Beschluss vom 2. März 2016 (5 ARs 60/15) entschieden, dass seine Rechtsprechung der beabsichtigten Entscheidung des 3. Strafsenats nicht entgegenstehe und er an eventuell früherer, abweichender Rechtsprechung aus den Gründen des Anfragebeschlusses nicht festhalte. Der 1. Strafsenat hat von einer Stellungnahme zu dem Anfragebeschluss abgesehen.

II.


9
1. Mit Beschluss vom 15. November 2016 (3 StR 236/15) hat der 3. Strafsenat die Sache gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt: Verbindet das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten oder die Bezahlung einer zuvor auf "Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiellrechtlichen Sinn?
10
2. Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen: Weder das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für die erste als auch der Übernahme der weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten noch die Bezahlung einer zuvor auf "Kommission" erhaltenen Betäubungsmittelmenge bei Gelegenheit der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge verbindet die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinn.

III.


11
Die Voraussetzungen einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG sind gegeben, da der 3. Strafsenat mit seiner beabsichtigten Entscheidung von Rechtsprechung des 2. und des 4. Strafsenats abweichen würde.

IV.


12
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Aus der Anwendung der Konkurrenzregel des § 52 Abs. 1 StGB auf den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ergibt sich danach Folgendes:
13
Aufeinanderfolgende, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehende Umsatzgeschäfte eines Betäubungsmittelhändlers werden im Sinne des § 52 StGB zu einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verbunden , wenn sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um die vorangegange- ne Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine weitere, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, wenn also das Aufsuchen des Lieferanten zugleich beiden Umsatzgeschäften dient. Kommt es hingegen ohne eine vergleichbare teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel lediglich aus Anlass der Bezahlung zuvor gelieferter Betäubungsmittel, handelt es sich um einen Fall der natürlichen Handlungseinheit.
14
Im Einzelnen:
15
1. Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt materiell-rechtlich Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt:
16
a) Den Begriff "dieselbe Handlung" in § 52 Abs. 1 StGB definiert das Gesetz nicht ausdrücklich. Nach allgemeiner Auffassung wird der Handlungsbegriff in den §§ 52 Abs. 1 ff. StGB vorausgesetzt (MüKo-StGB/von HeintschelHeinegg , 3. Aufl., Vorbemerkung zu § 52 Rn. 8). Da die sachlich-rechtlichen Regelungen des § 52 StGB in erster Linie als Voraussetzung für ein funktionierendes Rechtsfolgensystem dienen, ist der Handlungsbegriff im Sinne der Konkurrenzlehre unabhängig vom jeweils erfüllten Tatbestand allgemein zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1997 – 2 StR 520/96, BGHSt 43, 252, 256; von Heintschel-Heinegg aaO, Rn. 12). Er knüpft an den Vollzug eines Verhaltens im natürlichen Sinne und damit letztlich an eine Körperbewegung an (SSW-StGB/Eschelbach, 3. Aufl., § 52 Rn. 31, 57). Die für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erforderliche Verknüpfung der Tatbestände hat der Bundesgerichtshof dabei allein in der Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen gesehen (BGH, Beschluss vom 11. November 1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67; vgl. dazu auch RG, Urteil vom 28. April 1899 – Rep. 1158/99, RGSt 32, 137, 138 f.). Einen darüber hinausgehenden "inneren Zusammenhang" hat der Bundesgerichtshof dagegen nicht gefordert (BGH aaO). Abzugrenzen ist eine derartige Überschneidung jedoch von einem Zusammenfallen zweier Tatbestände, bei dem der Täter den einen Tatbestand nur gelegentlich der anderen Tat verwirklicht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. April 2004 – 1 StR 466/03, NStZ 2004, 694; Urteil vom 5. August 2010 – 3 StR 210/10, juris Rn. 16). An diesen bereits in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof auch in der Folgezeit festgehalten (vgl. die Darstellung bei LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor § 52 Rn. 9 ff., § 52 Rn. 6 ff; jeweils mwN). Eine Einschränkung der Annahme von Tateinheit ergibt sich auch nicht aus dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs formulierten Erfordernis der Identität in einem für beide Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 1976 – 4 StR 266/76, BGHSt 27, 66, 67 unter Bezugnahme auf Geerds, Zur Lehre von den Konkurrenzen im Strafrecht, 1961, S. 277). Das Kriterium der Notwendigkeit bezieht sich insoweit lediglich auf die Tatbestandsverwirklichung in ihrer konkreten Form, mithin auf den konkreten Tatplan des Täters (BGH aaO).
17
b) Eine mehrfache Gesetzesverletzung durch eine Tat ist zunächst bei einer Handlung im natürlichen Sinne gegeben, also dann, wenn sich ein Willensentschluss in einem Ausführungsakt erschöpft (sog. natürliche Handlung; vgl. LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 9, § 52 Rn. 6; jeweils mwN). Darüber hinaus kann von einer Tat im Rechtssinne auszugehen sein, wenn mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden. Das ist der Fall, wenn zwischen mehreren menschlichen, strafrechtlich erheblichen Verhaltensweisen ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrach- tungsweise (objektiv) auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes Tun darstellt und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind (sog. natürliche Handlungseinheit ; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. März 1953 – 2 StR 801/52, BGHSt 4, 219, 220, vom 21. September 2000 – 4 StR 284/00, BGHSt 46, 146, 153, und vom 29. März 2012 – 3 StR 422/11, NStZ 2012, 525). Eine weitere Fallgruppe stellt die sog. tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinne dar, die sich dadurch auszeichnet, dass mehrere natürliche Handlungen unter – unterschiedlichen – rechtlichen Aspekten zu einer Handlungseinheit zusammengefasst werden, wie dies etwa in Fällen der mehraktigen oder zusammengesetzten Delikte oder bei Dauerdelikten der Fall sein kann (LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 20 ff.). Wiederum darüber hinausgehend können auch der Sinn und Zweck der jeweils verletzten gesetzlichen Tatbestände, die im Wege der Auslegung zu ermitteln sind, zur Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit führen, die – anders als die natürliche Handlungseinheit – vorwiegend normativ bestimmt wird. Solche Handlungseinheiten werden etwa bei Delikten mit pauschalierenden Handlungsbeschreibungen wie z.B. den Organisationsdelikten der §§ 129 ff. StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 311 ff.) sowie in Fällen wiederholter oder fortlaufender Tatbestandsverwirklichungen (sog. tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne; vgl. dazu LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 23 ff., 36 mwN) angenommen.
18
Der Sache nach stellt auch die sog. Bewertungseinheit eine tatbestandliche Zusammenfassung einer Mehrzahl natürlicher Handlungen zu einer Tat im Rechtssinne dar (vgl. LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 39 ff. mwN [Unterfall der tatbestandlichen Handlungseinheit i.w.S:]; anders MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg aaO, § 52 Rn. 39 mwN [Rechtsfigur sui generis]). Haupt- anwendungsfall der Bewertungseinheit ist das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (LK/Rissing-van Saan aaO, Rn. 39).
19
2. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit, wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN). Eine auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit ist auch darin zu sehen, dass sich der Täter zu einer Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor bestellte, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (BGH, Urteil vom 20. August 1991 – 1 StR 273/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
20
Dem – weit auszulegenden (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 262) – Begriff des Handeltreibens mit Betäu- bungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (BGH, Beschluss vom 5. August 2014 – 3 StR 340/14, NStZ-RR 2015, 16; Urteile vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 – 2 StR 294/02, juris; vom 23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42, 43; vom 27. Juni 2008 – 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass auch die bloße Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer an den Lieferanten den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli 1995 – 1 StR 189/95, StV 1995, 641; vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; Beschlüsse vom 5. November 1991 – 1 StR 361/91, StV 1992, 161; vom 17. Mai 1996 – 5 StR 119/96, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50).
21
3. Gemessen daran gilt in Bezug auf die Vorlegungsfrage das Folgende:
22
a) ln der Fallkonstellation des Ausgangsverfahrens liegt Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB vor.
23
aa) Bei aufeinanderfolgenden, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehenden Umsatzgeschäften liegt eine jedenfalls teilweise, Tateinheit begründende Überschneidung der objektiven Ausführungshandlungen darin, dass sich der Täter zu seinem Lieferanten begibt, um einerseits die vorangegangene Lieferung zu bezahlen und dabei zugleich eine neue, zuvor bestellte Lieferung abzuholen, also das Aufsuchen des Lieferanten als verbindendes Element gleichermaßen beiden Umsatzgeschäften dient. Damit sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer teilidentischen Ausführungshandlung und damit für die Annahme von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB erfüllt.
24
bb) Entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats ergeben sich – unterBerücksichtigung des Zwecks der §§ 52 ff. StGB, das verwirklichte Unrecht und die Schuld im Einzelfall sachgerecht zu erfassen – auch aus den Besonderheiten des weiten Tatbegriffs beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei dieser Fallgestaltung keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme von Tateinheit.
25
(1) Wie ausgeführt sind die Voraussetzungen von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB unabhängig von den im jeweiligen Einzelfall verwirklichten Tatbeständen zu bestimmen. Maßgebend ist insoweit allein, ob sich zwei oder mehrere Straftatbestände in ihren Ausführungshandlungen notwendig jedenfalls teilweise überschneiden. Ein darüber hinausgehendes sachlich-rechtliches Kriterium für eine einschränkende Auslegung der Voraussetzungen von Tateinheit ist § 52 Abs. 1 StGB nicht zu entnehmen (vgl. MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg aaO, Vor §§ 52 ff. Rn. 8).
26
(2) Die Auffassung, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte führt, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist und dadurch deren Unwert und die jeweilige Schuld des Täters zumindest mitprägt, was bei dem untergeordneten Teilakt der Fahrt zum Zwecke der Bezahlung eines bereits abgewickelten Betäubungsmittelgeschäfts nicht der Fall sei, findet im Gesetz keine Stütze. Sie beruht vielmehr allein auf einer einschränkenden, auf die jeweilige konkrete Fallgestaltung bezogenen Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Damit steht sie zugleich im Widerspruch zu der vom Bundesgerichtshof in ständiger Recht- sprechung vorgenommenen weiten Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, die ihren Ausdruck schon im Beschluss des Großen Senats vom 26. Oktober 2005 (GSSt 1/05, BGHSt 50, 252) gefunden hat und von der abzuweichen der Große Senat auch weiterhin keinen Anlass sieht.
27
(3) Auch als generelles Abgrenzungskriterium zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ist die Ansicht, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier Handelsgeschäfte führen kann, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist , nicht tragfähig. Mag auch das eigentliche Umsatzgeschäft in Gestalt der Übergabe einer bestellten Betäubungsmittelmenge bereits abgewickelt sein, sind gleichwohl Fallgestaltungen denkbar, in denen die Fahrt des Täters zum Zwecke der Bezahlung des gelieferten Rauschgifts beim Lieferanten nicht lediglich als untergeordneter Teilakt zu bewerten ist. Denkbar ist dies etwa beim Transport hoher Geldsummen oder in Fällen, in denen der Täter die mit sich geführten Geldbeträge auf dem Transport gegen Dritte etwa mit (Waffen-)Gewalt "verteidigt" und dadurch das Handeltreiben gegebenenfalls zu einem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 StGB wird.
28
b) Kommt es im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung ohne eine für beide Umsatzgeschäfte teilidentische Ausführungshandlung zur Entgegennahme weiterer Betäubungsmittel aus Anlass der Bezahlung zuvor bereits "auf Kommission" gelieferter Betäubungsmittel, verbindet dies beide Handelsgeschäfte zu einer Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit.
29
aa) Beide strafrechtlichen Betätigungen sind jeweils für sich genommen Bestandteile zweier unterschiedlicher Umsatzgeschäfte im Sinne des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln; die Annahme einer (einzigen) Bewertungseinheit kommt danach regelmäßig nicht in Betracht. Jedoch stehen beide Betätigungsakte – ohne tatbestandliche Überschneidung in zumindest einem Teil der Ausführungshandlung, sondern aufeinander folgend – in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. In objektiver Hinsicht erscheinen sie daher vor dem Hintergrund der zwischen den Beteiligten bestehenden Lieferbeziehung als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun. In einer solchen Konstellation ist nicht lediglich von einem nur gelegentlichen Zusammentreffen zweier Tatbestände auszugehen.
30
bb) Auch das für die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit weiterhin erforderliche subjektive Element des einheitlichen Willens, von dem die einzelnen Betätigungsakte getragen sein müssen, ist in den Fällen der Bezahlung einer früheren und der Entgegennahme der Betäubungsmittel einer weiteren Lieferung regelmäßig gegeben. Zwar erfüllen beide Betätigungen als gesonderte Handlungen das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nur für die jeweilige Lieferung. Gemeinsame Grundlage ist aber auch hier regelmäßig der über die einzelnen Umsatzgeschäfte hinausreichende Wille von Lieferant und Abnehmer, im Rahmen einer über ein Einzelgeschäft hinausreichenden Lieferbeziehung nicht nur ein Umsatzgeschäft zu tätigen und insgesamt aus mehreren Rauschgiftgeschäften größtmöglichen Gewinn zu erzielen.
Limperg Raum Sost-Scheible Franke
Jäger Schäfer Schneider König
Krehl Eschelbach Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 99/12
vom
13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Dezember
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin - in der Verhandlung -,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
- für den Angeklagten W. -,
Rechtsanwalt
- für den Angeklagten H. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 25. November 2011 werden
a) die Schuldsprüche dahin geändert, dass der Angeklagte W. der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig ist, der Angeklagte H. der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
b) die Aussprüche über die in den Fällen II. 3. und II. 4. der Urteilsgründe verhängten Einzel- sowie die Gesamtstrafen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen schuldig gesprochen, den Angeklagten W. darüber hinaus wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Es hat den Angeklagten W. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten H. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es Verfallanordnungen getroffen. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben hinsichtlich der Verurteilungen in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat zu den bei beiden Angeklagten abgeurteilten Taten im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Die Angeklagten brachten ab dem Jahr 2010 im Auftrag von Drogenhändlern aus den Niederlanden Betäubungsmittel nach Deutschland. Hierzu trafen sie sich in B. (Niederlande) mit dem oder einem der Auftraggeber und luden die Betäubungsmittel in den Pkw des Angeklagten H. , der sie zu seinem Wohnort in Deutschland brachte. Dabei fuhr der AngeklagteW. mit seinem Pkw "zur Absicherung" voraus, um den Angeklagten H. , mit dem er über hierzu mit den Drogen übernommene Mobiltelefone Kontakt hielt, vor Zoll- und Polizeikontrollen warnen zu können. In der Regel am jeweils nächsten Tag trafen sich die Angeklagten in Deutschland und brachten die Betäubungsmittel zu den von ihren Auftraggebern benannten Abnehmern.
4
Auf diese Weise transportierten die Angeklagten am 21. September 2010 mindestens 10 kg Haschisch aus den Niederlanden nach Deutschland und am nächsten Tag zu Abnehmern nach Berlin (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Am 15. Januar 2011 brachten sie 15 kg Marihuana nach Deutschland und anschließend nach Italien (Fall II. 2. der Urteilsgründe).
5
Im Fall II. 3. der Urteilsgründe transportierten die Angeklagten am 10. April 2011 ca. 25 kg Haschisch aus den Niederlanden zum Wohnort des Angeklagten H. in Deutschland und am nächsten Tag in Richtung Berlin. Dort stellte der Angeklagte H. den von ihm gesteuerten Pkw mit den Drogen "wie verabredet" am Prenzlauer Berg ab. "Unvorhergesehen" wurden die Betäubungsmittel dort aber von dem Abnehmer nicht abgeholt, weshalb der Angeklagte H. sie wieder in seine Wohnung zurückbrachte und dort "nach Rücksprache mit seinem Auftraggeber" zunächst lagerte.
6
Am 22. April 2011 übernahmen die Angeklagten von ihren Auftraggebern in den Niederlanden weitere ca. 25 kg Haschisch und brachten die Drogen auf die oben beschriebene Weise nach Deutschland (Fall II. 4. der Urteilsgründe). Dort lud der Angeklagte H. "nach Weisung des Auftraggebers" die noch bei ihm befindlichen ca. 25 kg Haschisch (Fall II. 3. der Urteilsgründe) ebenfalls in seinen Pkw und traf sich am nächsten Tag mit dem Angeklagten W. , um die nunmehr insgesamt ca. 50 kg Haschisch zu Abnehmern nach Italien zu bringen. Noch in Deutschland wurden die beiden Angeklagten festgenommen und das Haschisch (49,7 kg mit einem Wirkstoffanteil von 3,33 kg THC) sichergestellt.
7
Als Vergütung erhielten die Angeklagten - überwiegend von ihren Auftraggebern - jeweils zwischen 750 € und 2.500 €; im Fall II. 4. der Urteilsgründe erhielten sie keine Entlohnung.

II.


8
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben Erfolg, soweit sie in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurden. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.
9
1. Im Fall II. 2. der Urteilsgründe begegnet die Feststellung des Landgerichts zum Gewicht des von den Angeklagten transportierten Rauschgifts, die das Landgericht im Wesentlichen darauf stützt, dass die Tasche mit den Drogen nach den Angaben des Angeklagten H. schwerer gewesen sei als im Fall II. 1. der Urteilsgründe, zwar Bedenken. Der Senat kann indes ausschließen , dass das Urteil, dem eine beide Angeklagte betreffende Verständigung gemäß § 257c StPO vorausgegangen ist, hierauf beruht. Denn beidem - auch einschlägig - vorbestraften Angeklagten W. hat die Strafkammer in beiden Fällen trotz des im Fall II. 2. bei gleichem Wirkstoffgehalt jedenfalls höheren Gewichts dieselben Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Beim - nicht vorbestraften - Angeklagten H. ist der Unterschied in der Strafhöhe zwischen Fall II. 1. (zwei Jahre und neun Monate) und Fall II. 2. (drei Jahre) ersichtlich darauf zurückzuführen, dass er im Fall II. 2. nach Rückkehr des Angeklagten W. kurz nach der italienischen Grenze die Fahrt sowie die Übergabe der Drogen alleine durchgeführt hat.
10
2. Keinen Bestand hat das Urteil dagegen, soweit die Angeklagten in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurden. Insofern sind die Angeklagten vielmehr lediglich einer Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.
11
a) Die Angeklagten haben in diesen Fällen lediglich eine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet.
12
aa) Sind an mehreren Taten - insbesondere an einer Deliktserie - mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen , nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (vgl. die Nachweise bei Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 34 ff.). Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber jedenfalls dann nicht, wenn mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen gerade deshalb zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, weil dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Bewertungseinheit bei den Taten des Haupttäters, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, der Fall ist (BGH, Beschlüsse vom 11. Mai 1999 - 4 StR 162/99, NStZ 1999, 451; vom 2. September 2008 - 5 StR 356/06; NStZ-RR 2008, 386; einschränkend für eine hier nicht gegebene Fallkonstellation: BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 375/03, NStZ-RR 2004, 146, 148; wie hier aber Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 3 StR 393/11, NStZ-RR 2012, 280). In solchen Fällen ist mithin auch für die strafrechtliche Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses beim Gehilfen entscheidend, ob eine oder mehrere Haupttaten vorliegen.
13
Da der zwischen Drogenhändlern eingesetzte Kurier mit der Förderung des Betäubungsmittelumsatzes jedenfalls in der Regel objektiv zugleich den Handel sowohl auf Seiten des die Betäubungsmittel Abgebenden als auch auf Seiten des diese Annehmenden unterstützt, ist ferner maßgeblich, wessen Haupttat er in strafbarer Weise fördert. Dies bestimmt sich wesentlich danach, in wessen Auftrag und Interesse er handelt, worin also bei wertender Betrachtung der Schwerpunkt des jeweiligen Rechtsgutangriffs liegt. Die Beihilfe zum Handeltreiben auf der anderen Seite tritt gegenüber dieser Tat dann zurück (BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 3 StR 393/11 aaO mwN).
14
bb) Auf dieser Grundlage haben sich die Angeklagten in den Fällen II. 3. und 4. lediglich wegen einer, auf Seiten der niederländischen Auftraggeber geleisteten Beihilfe zu deren unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.
15
(1.) Für die niederländischen Auftraggeber der Angeklagten liegt hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe nur eine Tat im Rechtssinne vor.
16
Nach den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätzen zur Bewertungseinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist eine einheitliche Tat nämlich auch dann gegeben, wenn - wie hier durch die Fahrt in Richtung Italien - zwei (selbst unabhängig voneinander beschaffte) Rauschgiftmengen zusammen an einen Abnehmer abgegeben und zu diesem transportiert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - 4 StR 421/11, NStZ-RR 2012, 24; Weber, BtMG, 3. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 521 jeweils mwN). Dabei ist ohne Bedeutung, dass zunächst die Übergabe von ca. 25 kg Haschisch an Abnehmer in Berlin beabsichtigt war. Sogar bei abgeschlossenen Teilveräußerungen nimmt die Rechtsprechung eine einheitliche Tat des Handeltreibens an, wenn die nach den Teilveräußerungen verbliebene Menge zusammen mit weiteren Drogen abgegeben wird (BGH aaO).
17
(2.) Zu dieser (einheitlichen) Tat ihrer niederländischen Auftraggeber haben die Angeklagten - auch durch den Transport der Gesamtmenge in Richtung Italien - Beihilfe geleistet. Dabei lag - wovon ersichtlich auch das Landgericht ausgegangen ist - bei wertender Betrachtung der Schwerpunkt ihres Handelns in der Unterstützung der niederländischen Auftraggeber; denn auf deren Auffor- derung hin und entsprechend deren Vorgaben haben sie die Drogen übernommen , gelagert und zu den von diesen bestimmten Abnehmern transportiert, von ihnen haben sie in der Regel auch ihren "Lohn" erhalten.
18
b) Diese (einheitliche) Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht mit beiden Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit.
19
aa) Die Angeklagten sind Täter hinsichtlich der Einfuhren vom 10. und 22. April 2011.
20
Bezüglich des Angeklagten H. steht dies nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen außer Frage. Aber auch hinsichtlich des Angeklagten W. ist das Landgericht zu Recht von Mittäterschaft ausgegangen. Denn der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert nicht den eigenhändigen Transport der Drogen über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr kann ein Beteiligter vielmehr auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person über die Grenze gebracht wird. Maßgeblich sind insofern die nach §§ 25, 27 StGB allgemein geltenden Grundsätze für die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar2012 - 3 StR 470/11, StraFo 2012, 158 mwN), unter deren Beachtung die Strafkammer das Handeln des Angeklagten W. rechtsfehlerfrei als mittäterschaftliches Tun eingeordnet hat.
21
bb) Die (einheitliche) Beihilfe der Angeklagten zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht mit den beiden, an sich selbständigen Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit und verbindet diese zu einer einheitlichen Tat.
22
(1.) Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt. Dabei liegt eine Handlung in diesem Sinne nicht nur bei einer auch tatsächlich einzigen natürlichen Handlung vor, sondern ebenso dann, wenn mehrere Handlungen zu einer Handlungseinheit zusammenzufassen sind (vgl. MüKoStGB/von Heintschel-Heinegg, 2. Aufl., § 52 Rn. 12, 22 ff.; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 31 jeweils mwN). Von einer solchen Handlungseinheit geht die Rechtsprechung aus, wenn - wie hier - mehrere Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 29; MüKoStGB/von HeintschelHeinegg , 2. Aufl., § 52 Rn. 17; LK-Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 67; SSW-StGB/Eschelbach § 52 Rn. 32 jeweils mwN). Verletzen mithin mehrere (natürliche) Handlungen, die zu einer Handlungseinheit verbunden sind, zugleich mehrere Strafgesetze, ist Tateinheit gegeben.
23
(2.) Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall von dieser sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 52 Abs. 1 StGB ergebenden Folge abzuweichen.
24
(a.) Voraussetzung für eine "Entklammerung" und damit Auflösung einer an sich gegebenen Tateinheit ist, dass die Verbindung zu einer gemeinsamen Tat dem Gerechtigkeitsprinzip oder sozial-ethischen Bewertungsgrundsätzen widerspricht (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6). Mehrere selbständige Delikte, die gegenüber einem Dritten einen unverhältnismäßig größeren Unwert verkörpern (LK-Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 30 mwN) bzw. bei denen das verbindende Delikt in seinem Unrechtsgehalt "deutlich" hinter den zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstößen zurückbleibt (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2007 - 3 StR 320/07, NStZ 2008, 209; vom 11. Januar 2012 - 1 StR 386/11, wistra 2012, 310, Tz. 21), werden deshalb durch das leichtere Delikt nicht miteinander verklammert; "annähernd gleichgewichtige" Straftaten bleiben dagegen tateinheitlich miteinander verbunden (BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 291 mwN; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 30). Dabei ist der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierten Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen; minder schwere Fälle oder wegen vertypter Milderungsgründe vorzunehmende Strafrahmenverschiebungen sind mithin zu berücksichtigen (BGH, Urteile vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 7; vom 28. Oktober 2004 - 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262; Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692). Tateinheit durch Klammerwirkung wird von der Rechtsprechung daher bejaht, wenn die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden (Dauer-)Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 4 StR 268/04, NStZ 2005, 262; Beschlüsse vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692; vom 19. April 2011 - 3 StR 230/10, BGHR StGB § 129 Konkurrenzen 3; vom 11. Januar 2012 - 1 StR 386/11, wistra 2012, 310 jeweils mwN).
25
(b.) Werden aber wegen der Akzessorität der Beihilfe mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen gerade deshalb zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst, weil dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Bewertungseinheit bei den Taten des Haupttäters, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, der Fall ist, so ist es auch unter Beachtung des eine Entklammerung rechtfertigenden Gerechtigkeitsprinzips oder sozial-ethischer Bewertungsgrundsätze nicht geboten, die einheitliche Beihilfe wieder aufzulösen und die einzelnen Beihilfehandlungen sodann als materiell-rechtlich selbständige Taten - hier jeweils gemeinsam mit einer täterschaftlichen Einfuhr - abzuurteilen. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsprinzip vielmehr, beim Haupttäter Tateinheit zwischen täterschaftlichem Handeltreiben und mehreren Einfuhrfällen anzunehmen, bei ihm mithin nur eine Strafe zu verhängen, beim Gehilfen des Handeltreibens und Täter der Einfuhren dagegen wegen einer Auflösung der an sich gegebenen Tateinheit mehrere Einzelstrafen zu verhängen, die in ihrer Summe sogar höher sein können als die gegen den Haupttäter ausgesprochene Strafe.
26
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn (auch) bei den niederländischen Auftraggebern der Angeklagten liegt hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der beiden Fälle der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine einheitliche Tat vor.
27
Das Handeln der niederländischen Auftraggeber der Angeklagten ist sowohl im Fall II. 3. als auch im Fall II. 4. der Urteilsgründe als mittäterschaftliche Einfuhr der Betäubungsmittel zu bewerten. Mittäter einer Einfuhr kann nämlich auch derjenige sein, der Betäubungsmittel von anderen Personen über die Grenze transportieren lässt, sofern insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft belegen, dass der Betreffende auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen lässt (vgl. Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 3 StR 371/11, NStZ-RR 2012, 120 mwN). Dies ist vorliegend der Fall, zumal die niederländischen Auftraggeber der Angeklagten nicht nur ein herausragendes Interesse am Erfolg der Einfuhrfahrten hatten, sondern auch deren Zeitpunkte sowie die Menge der nach Deutschland zu verbringenden , von ihnen in Taschen transportfähig verpackten Drogen bestimmt und für jede Einfuhrfahrt etwa auch die Mobiltelefone zur Verfügung gestellt haben, mittels derer die Angeklagten während der Fahrt Kontakt zueinander halten sollten.
28
Der von den niederländischen Auftraggebern der Angeklagten in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe - infolge Bewertungseinheit nur einmal (mit-) täterschaftlich verwirklichte (vgl. oben S. 9) - Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen stehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Denn beim (Haupt-)Täter verbindet eine Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zwei zu dessen Verwirklichung vorgenommene Einfuhrfahrten zu einer Tat; eine Entklammerung findet insofern nicht statt (BGH, Beschlüsse vom 5. November 1993 - 2 StR 534/93, NStZ 1994, 135; vom 22. Oktober 1996 - 1 StR 548/96, NStZ 1997, 136; zu § 29 Abs. 3 Nr. 4 BtMG a.F. auch BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 ff.; hiervon abweichend für Fälle einer Überschneidung von Übernahme neuer Betäubungsmittel und Zahlung der früher gelieferten Drogen: BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 - 3 StR 3/11).
29
(c.) Zur in Fällen der vorliegenden Art gebotenen einheitlichen Bewertung des Konkurrenzverhältnisses bei Haupttäter und Gehilfen kommt hinzu, dass die von den Angeklagten geleistete Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und deren Einfuhr jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung "annähernd gleichgewichtig" sind. Sie sind in den Grundtatbeständen mit derselben Strafrahmenobergrenze (zu deren Bedeutung : BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 - 1 StR 386/11, wistra 2012, 310, Tz. 22) versehen, weisen als - hier vom Landgericht indes in keinem Fall angenommene - minder schwere Fälle denselben Strafrahmen auf und verfolgen einen aufeinander abgestimmten Rechtsgüterschutz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2012 - 2 BvL 8/11, 2 BvL 9/11). Auch bei einer Milderung des Strafrahmens des § 29a Abs. 1 BtMG für das Handeltreiben gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB kommt der von den Angeklagten geleisteten Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Blick auf die konkreten Umstände der Tat ein den Einfuhrfällen entsprechendes Gewicht zu. Denn die Beihilfehandlungen der Angeklagten haben sich nicht auf das Verbringen der Drogen nach Deutschland beschränkt. Vielmehr haben die Angeklagten ihre Kuriertätigkeit mit dem später erfolgten bzw. begonnenen Transport zu den Abnehmern weitergeführt und auch und vor allem hierdurch das Inverkehrbringen der Drogen wesentlich gefördert (vgl. zu einer dem vorliegenden Fall ähnlichen Verklammerung bei gleicher Strafrahmenobergrenze und Versuchsmilderung für das verbindende Delikt auch: BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692). Vor diesem Hintergrund steht angesichts des bei Tateinheit nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB maßgeblichen, hier auf die Obergrenze von 15 Jahren gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 StGB auch bei Tatmehrheit begrenzten Strafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG nicht in Frage, dass selbst bei einer Aburteilung der Taten II. 3. und 4. als einheitliche Tat für beide Angeklagte innerhalb dieses Strafrahmens eine dem Gerechtigkeitsprinzip entsprechende Strafe gefunden werden kann, zumal das Landgericht für diese Taten für sich genommen rechtsfehlerfreie Einzelstrafen von jeweils drei Jahren und drei Monaten (Angeklagter H. ) bzw. vier Jahren (Angeklagter W. ) verhängt hat.
30
(d.) Der Senat weicht damit nicht von der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 22. August 2012 (2 StR 530/11) ab, da der dort entschiedene Fall eine andere Sachverhaltskonstellation betrifft, nämlich die Überschneidung mehrerer Betäubungsmittelgeschäfte allein in den Zahlungsvorgängen bzw. durch die "gleichzeitige" Zahlung einer früheren Drogenlieferung mit der Übergabe neu bestellter Betäubungsmittel. Darin liegt - wovon ersichtlich auch der 3. Strafsenat für die Fälle täterschaftlichen Handeltreibens und täterschaftlicher Einfuhr ausgeht (vgl. oben S. 14) - eine besondere Fallgestaltung, die sich von der vorliegend zu beurteilenden insbesondere dadurch unterscheidet, dass sich hier die Beihilfehandlungen in dem gemeinsamen Transport(versuch) hin zu dem Abnehmer in Italien vereinigt haben, mithin ein Fall gegeben ist, in dem ein einziger, lediglich aus Konkurrenzgründen zurücktretender Besitz an der Gesamtmenge der Betäubungsmittel aus beiden Einfuhrfahrten vorliegt, bei dem die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zudem beim Haupttäter des Handeltreibens Tateinheit mit beiden Einfuhrtaten annimmt.
31
3. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Angeklagten aus den vom Generalbundesanwalt in den Antragsschriften vom 27. März 2012 dargelegten Gründen unbegründet. Auch hinsichtlich der gegen die Angeklagten wegen der weiteren Taten verhängten Strafen sowie der von dem Rechtsfehler in den Fällen II. 3. und 4. nicht betroffenen Verfallanordnungen bestehen keine rechtlichen Bedenken, zumal die von den Angeklagten erlangten Beträge - auch nach Abzug vergleichsweise geringer "Spesen" (zu diesen: BGH, Beschluss vom 5. Juli 2012 - 3 StR 210/12, NStZ-RR 2012, 313) - deutlich nach § 73c StGB reduziert wurden.
32
4. Der Senat kann die Schuldspruchänderung auf der Grundlage der vollständigen und tragfähigen Feststellungen der Strafkammer selbst vornehmen , da auszuschließen ist, dass sich die geständigen (Angeklagter H. ) bzw. im Wesentlichen geständigen (Angeklagter W. ) Angeklagten nach einem Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 StPO erfolgreicher als bisher gegen den Schuldvorwurf hätten verteidigen können (vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 354 Rn. 22). Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nach sich. Einer Aufhebung der auch insofern rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es dagegen nicht (vgl. Meyer-Goßner aaO § 353 Rn. 16 mwN).
33
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen überschritten werden darf; das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) hindert lediglich an einer die Summe der bisherigen Einzelstrafen überschreitenden neu festzu- setzenden Einzelstrafe (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, NStZ-RR 2008, 168).
Mutzbauer Roggenbuck Schmitt
Quentin Reiter

Tenor

Dem Großen Senat für Strafsachen wird gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Verbindet eine - infolge tateinheitlicher Verknüpfung mehrerer Bewertungseinheiten - einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mehrere zu deren Verwirklichung vorgenommene Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge?

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.

I.

2

Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte am 21. Mai 2012 mit seinem Pkw zu seinem Betäubungsmittellieferanten in R.     , von dem er 1.000 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % Kokainhydrochlorid erhielt, ohne die Ware sofort bezahlen zu müssen. Das Geld sollte er erst nach dem Verkauf des Kokains bei Übernahme der nächsten Lieferung übergeben. Der Lieferant baute das Kokain in den Radkasten des Pkws des Angeklagten ein und übergab diesem 1.500 € als Anzahlung auf seinen (Gewinn-)Anteil. Weitere 1.000 € sollte er nach dem Abverkauf bekommen. Der Angeklagte führte das Kokain nach Deutschland ein und verkaufte es nach Portionierung der jeweiligen Verkaufsmengen an verschiedene Abnehmer weiter (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Am 31. Mai 2012 fuhr der Angeklagte, nachdem er bei dem Lieferanten 500 Gramm Kokain bestellt hatte, erneut nach R.     . Er übergab dem Lieferanten den Verkaufserlös von 44.000 € aus der vorangegangenen Lieferung und erhielt von diesem seinen Anteil sowie die bestellten 500 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 80 % Kokain-hydrochlorid. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland verkaufte er das eingeführte Kokain nach Portionierung an verschiedene Abnehmer weiter (Fall II. 2 der Urteilsgründe). Nachdem der Lieferant in einem Telefonat am 8. Juni 2012 mitgeteilt hatte, dass er wieder über Kokain verfüge, begab sich der Angeklagte am 11. Juni 2012 mit seinem Pkw und den aus den letzten Abverkäufen stammenden 22.000 € nach R.     . Dort übergab der Angeklagte dem Lieferanten das Geld und erhielt neben seinem Anteil 1.088 Gramm Kokain mit einem Mindestwirkstoffgehalt von 86 % Kokainhydrochlorid. Nachdem der Angeklagte aus den Niederlanden kommend die Grenze nach Deutschland passiert hatte, wurde er einer Kontrolle unterzogen, bei der das Kokain aufgefunden und sichergestellt wurde (Fall II. 3 der Urteilsgründe).

II.

3

Der Senat möchte den Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahin ändern, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit drei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. Da sich die Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Kokaingeschäfte teilweise überschneiden, sind die drei auf die jeweilige Handelsmenge bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verknüpft (II. 1). Diese einheitliche Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbindet nach Ansicht des Senats die drei zu deren Verwirklichung unternommenen Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (II. 2).

4

1. a) Die Annahme von Tateinheit kommt in Betracht, wenn mehrere Tatbestandsverwirklichungen dergestalt objektiv zusammentreffen, dass die Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Dagegen reichen ein einheitliches Motiv, die Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel-Zweck-Verknüpfung oder eine Grund-Folge-Beziehung nicht aus, Tateinheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 1997 - 5 StR 526/96, BGHSt 43, 317, 319; Urteil vom 16. Juli 2009 - 3 StR 148/09, NStZ 2011, 97; vgl. Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 20 mwN). Eine Teilidentität der Tatbestandsverwirklichungen ist hier gegeben, weil die objektiven Ausführungshandlungen der unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte sich in den Beschaffungsfahrten des Angeklagten nach R.      am 31. Mai und 11. Juni 2012 teilweise überschneiden.

5

b) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN), wobei verschiedene Betätigungen, die auf die Förderung ein und desselben Güterumsatzes abzielen, eine tatbestandliche Bewertungseinheit bilden (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., vor §§ 29 ff. Rn. 562 ff. mwN). Eine solche auf den gewinnorientierten Umsatz von Betäubungsmitteln ausgerichtete Tätigkeit liegt auch darin, dass sich der Zwischenhändler zu der Örtlichkeit begibt, an welcher er von seinem Lieferanten eine zuvor abgesprochene, zur gewinnbringenden Weiterveräußerung bestimmte Betäubungsmittellieferung vereinbarungsgemäß übernehmen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 1997 - 1 StR 472/97; Urteil vom 20. August 1991 - 1 StR 273/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 28; Weber, aaO, § 29 Rn. 442). Das Aufsuchen des Lieferanten zur Abholung einer bereits zuvor verabredeten Lieferung zur Weiterveräußerung vorgesehener Betäubungsmittel verwirklicht daher den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.

6

Dem - weit auszulegenden (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 GSSt 1/05, aaO, 262) - Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen aber nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Übertragung von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge, ohne dass danach differenziert wird, ob der Handelnde auf Seiten des Abnehmers oder des Lieferanten tätig geworden ist (vgl. Urteile vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NStZ 2008, 465; vom 17. Juli 1997 - 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, 162; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 2. Oktober 2002 - 2 StR 294/02; vom 23. Mai 2007 - 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42, 43; vom 27. Juni 2008 - 3 StR 212/08, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 7). So hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass die Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer zum Lieferanten zum Handel gehört und den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 1985 - 2 StR 861/84; Beschluss vom 5. November 1991 - 1 StR 361/91, StV 1992, 161; Urteil vom 11. Juli 1995 - 1 StR 189/95, StV 1995, 641; Beschlüsse vom 17. Mai 1996 - 5 StR 119/96, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 50; vom 21. Mai 1999 - 2 StR 154/99, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 52; Urteil vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, aaO).

7

c) Nach den Feststellungen des Landgerichts dienten die Fahrten des Angeklagten nach R.      am 31. Mai und 11. Juni 2012 jeweils sowohl der Übermittlung des Geldes für die vorangegangene als auch der Abholung der abgesprochenen neuerlichen Kokainlieferung. In diesem Teilakt überschneiden sich die objektiven Ausführungshandlungen der jeweils unmittelbar aufeinander folgenden Umsatzgeschäfte, was eine tateinheitliche Verknüpfung der drei auf die einzelnen Handelsmengen bezogenen tatbestandlichen Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 418/12, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 14, Rn. 6; Beschluss vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; offen gelassen im Beschluss vom 15. Februar 2011 - 3 StR 3/11).

8

2. Der Senat ist der Ansicht, dass die - infolge der tateinheitlichen Verknüpfung der drei Bewertungseinheiten im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz - einheitliche Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die drei zu deren Verwirklichung unternommenen Einfuhren von Kokain in nicht geringer Menge zu einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verklammert.

9

a) Voraussetzung für die Annahme von Tateinheit durch Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 99/12, NStZ-RR 2013, 147, 149 mwN; Beschluss vom 11. Januar 2012 - 1 StR 386/11, wistra 2012, 310; Rissing-van Saan, aaO, § 52 Rn. 28 ff.). Als Maßstab hierfür dient die Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 99/12, aaO; Beschlüsse vom 19. April 2011 - 3 StR 230/10, NStZ 2011, 577, 578; vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 ff.).

10

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Bundesgerichtshof - unbeschadet der Einstufung der Delikte als Vergehen oder Verbrechen - die annähernde Wertgleichheit eines besonders schweren Falls des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BtMG in der bis 21. September 1992 geltenden alten Fassung mit einer Tat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, aaO). Auch der durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I S. 1302) geschaffene Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist im Verhältnis zu § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG nicht als minder schwere Tat angesehen worden mit der Folge, dass eine Verklammerung mehrerer Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch eine jeweils teilidentische Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bejaht worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. November 1993 - 2 StR 534/93, NStZ 1994, 135; vom 22. Oktober 1996 - 1 StR 548/96, StV 1997, 471; Urteil vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 99/12, aaO).

11

c) Der Senat sieht auch auf die Einwände des 3. Strafsenats keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die Straftatbestände des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG weisen die gleiche Strafrahmenobergrenze auf, die Strafandrohungen für minder schwere Fälle gemäß § 29a Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG sind identisch. Die mit zwei Jahren gegenüber einem Jahr bei § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG höhere Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG hat zwar zur Folge, dass die zum Zwecke des Handeltreibens vorgenommene unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - anders als im Rahmen des Grundtatbestandes des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG bei Rauschgiftmengen unter dem Grenzwert zur nicht geringen Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2005 - 3 StR 133/05, NStZ 2006, 172, 173; Weber, aaO, § 29 Rn. 984) - nicht als unselbständiger Teilakt im unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufgeht, sondern zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in Tateinheit steht (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 StR 366/07, NStZ-RR 2008, 88; Urteil vom 24. Februar 1994 - 4 StR 708/93, BGHSt 40, 73, 74 f.). Durch die erhöhte Mindeststrafe wird aber - wie die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt - die annähernde Wertgleichheit im deliktischen Unrechtsgehalt der beiden Tatbestände nicht in Frage gestellt. Auch bei konkreter Betrachtung ergeben sich keine Gesichtspunkte dafür, dass der auf die gehandelte Gesamtmenge bezogene Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge seinem strafrechtlichen Unwert nach deutlich hinter dem Unrechtsgehalt der sich jeweils nur auf Teilmengen erstreckenden Einfuhrtaten nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zurückbleibt. Da Bezugspunkt für den Wertevergleich die einheitliche Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in ihrer Gesamtheit ist, kann das Ergebnis des Vergleichs schließlich nicht von den Umständen abhängen, die zu der tateinheitlichen Verknüpfung zu einer Tat des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG geführt haben. Diese Umstände sind für die hier in Rede stehende Verklammerung vielmehr ohne Bedeutung.

12

d) Der beabsichtigten Entscheidung des Senats steht, soweit es die Verklammerung der drei Einfuhren von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch die einheitliche Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Tat des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG betrifft, der Beschluss des 3. Strafsenats vom 15. Februar 2011 - 3 StR 3/11 entgegen. In dieser Entscheidung hat der 3. Strafsenat für den Fall einer tateinheitlichen Verknüpfung mehrerer Bewertungseinheiten zu einer Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ohne nähere Ausführungen angenommen, dass das einheitliche Delikt des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht die Kraft hat, die nach Ansicht des 3. Strafsenats schwerer wiegenden Taten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Tateinheit zu verklammern.

13

Auf die Anfrage des Senats nach § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG hat der 3. Strafsenat (Beschluss vom 6. Februar 2014 - 3 ARs 7/13) mitgeteilt, dass er unter Verweis auf die gegenüber § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG höhere Mindeststrafe des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG an seiner Rechtsauffassung festhält. Soweit der 3. Strafsenat im Übrigen eingewandt hat, dem im Anfragebeschluss mitgeteilten Sachverhalt sei eine innere Verknüpfung der Bezahlung der Altlieferung mit der Abholung der Neulieferung nicht zu entnehmen, bemerkt der Senat - unabhängig davon, dass nach seiner Ansicht die Vorlegungsfrage hiervon nicht berührt wird -, dass sich eine innere Verknüpfung beider Vorgänge daraus ergibt, dass die Bezahlung der vorausgegangenen Lieferung vereinbarungsgemäß bei Übernahme der nächsten Lieferung erfolgen sollte.

14

e) Der Senat legt daher die streitige Rechtsfrage gemäß § 132 Abs. 2 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vor.

Sost-Scheible                       Roggenbuck                          Mutzbauer

                        Bender                               Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 230/10
vom
19. April 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
wegenMitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.;
hier: Revisionen der Angeklagten W. , P. , R. und M.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu III. auf dessen Antrag - am 19. April
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 Satz 1 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. November 2009 werden I. die Schuldsprüche - auch soweit es die Mitangeklagten F. , B. und Br. betrifft - wie folgt abgeändert und klarstellend neu gefasst: 1. Der Angeklagte W. ist schuldig der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit - Anleitung zur Herstellung von in § 40 Abs. 1 WaffG genannten Gegenständen, - Volksverhetzung in neun Fällen, - Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen in fünf Fällen, - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zehn Fällen und - Gewaltdarstellung in zwei Fällen sowie des Besitzes von zwei nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenständen in Tateinheit mit Besitz einer Schusswaffe und Munition; 2. der Angeklagte P. der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit - Beihilfe zur Anleitung zur Herstellung von in § 40 Abs. 1 WaffG genannten Gegenständen, - Volksverhetzung in vier Fällen, - Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in drei Fällen und - Beihilfe zur Volksverhetzung, zum Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und zur Gewaltdarstellung; 3. der Angeklagte M. der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit - Volksverhetzung in zwei Fällen, - Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in zwei Fällen und - Gewaltdarstellung; 4. der Angeklagte R. der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit - Volksverhetzung, - Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und - Beihilfe zur Volksverhetzung, zum Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und zur Gewaltdarstellung in zwei Fällen; 5. die Mitangeklagte F. der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit - Beihilfe zur Anleitung zur Herstellung von in § 40 Abs. 1 WaffG genannten Gegenständen, - Volksverhetzung in fünf Fällen, - Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in sechs Fällen und - Beihilfe zur Volksverhetzung, zum Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; 6. der Mitangeklagte B. der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit - Beihilfe zur Anleitung zur Herstellung von in § 40 Abs. 1 WaffG genannten Gegenständen, - Volksverhetzung in zwei Fällen, - Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; 7. die Mitangeklagte Br. der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit - Beihilfe zur Anleitung zur Herstellung von in § 40 Abs. 1 WaffG genannten Gegenständen, - Volksverhetzung in 14 Fällen, - Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen in drei Fällen, - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in sechs Fällen und - Gewaltdarstellung; II. das vorgenannte Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, 1. soweit es den Angeklagten W. betrifft im Ausspruch über die Einziehung, 2. soweit es den Angeklagten R. betrifft im Ausspruch über die Einziehung der Webcam. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen III. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
IV. Die Angeklagten P. und M. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten W. , P. , M. undR. sowie die nicht revidierenden Mitangeklagten F. , B. und Br. jeweils wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Volksverhetzung in Tateinheit mit Gewaltdarstellung in Tateinheit mit Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Anleitung zur Herstellung von in § 40 Abs. 1 Waffengesetz genannten Gegenständen" , den Angeklagten W. zudem tatmehrheitlich wegen des "vorsätzlichen Besitzes zweier verbotener Gegenstände […] in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe und Munition" schuldig gesprochen. Für den Angeklagten W. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, für den Angeklagten P. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten, für den Angeklagten M. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und für den Angeklagten R. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Die Vollstreckung der beiden letztgenannten Freiheitsstrafen hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt; zudem hat es eine Vielzahl von Gegenständen der Angeklagten W. , P. und R. eingezogen.
2
Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die sowohl mehrere Verfahrensrügen erheben als auch mit Einzelbeanstandungen die Verletzung sachlichen Rechts geltend machen. Die Revisionen der Angeklagten führen zu den aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderungen der Schuldsprüche sowie zur teilweisen Aufhebung der Entscheidungen über die Einziehung; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen und Wertungen vorgenommen:
4
1. Die Angeklagten W. , P. , M. und R. bildeten im Juni 2008 einen auf Dauer angelegten, organisatorisch fest gefügten Verband, um gemeinsam über Internet-Radiostream vornehmlich volksverhetzende oder sonst strafbare Lieder zu verbreiten. Bei der Einrichtung und dem Betrieb von Internetseite und Radio gingen sie wie folgt arbeitsteilig vor:
5
Der Angeklagte W. , der im Lauf des Sommers 2007 zum Organisator und führenden Kopf der Gruppierung aufgestiegen war, mietete einen Server an und richtete die verfahrensgegenständliche Internetseite "European Brotherhood Radio" ein. Über diese lief der Radiostream, darüber hinaus waren über die Unterseite "Sprengmeister" im Internet Bauanleitungen für die Herstellung von Sprengstoffen sowie Spreng- und Brandvorrichtungen abrufbar. Für den technischen Ablauf der Radiosendungen stattete der Angeklagte W. zunächst die Angeklagten P. und M. sowie später die nicht revidierenden Mitangeklagten B. , Br. und F. mit einem Programm aus, über das die Angeklagten W. , P. und M. dem jeweiligen Moderator der Radiosendung den Stream entziehen und die Sendung damit unterbrechen konnten. Die Angeklagten W. und P. moderierten zudem selbst Radiosendungen , im Rahmen derer sie teils alleine, teils gemeinsam eine Vielzahl von rechtsextremen Liedern mit volksverhetzendem oder sonst strafbarem Inhalt abspielten. Darüber hinaus rekrutierten sie weitere Personen, die Radiomoderationen übernahmen - darunter die Mitangeklagten B. , Br. und F. - und warben u.a. mit Aufklebern und Bannern sowie einem - von der Mitangeklagten Br. hergestellten - Werbejingle für das Radio und die "Sprengmeisterseite". Des Weiteren organisierten sie am 21. Februar 2009 eine Werbeveranstaltung für das Radio.
6
Der Angeklagte M. mietete den Radiostream an, über den die Radiosendungen im Internet an eine Hörerschaft von etwa 20 bis 50 Personen ausgestrahlt wurden, und moderierte vom 24. bis 26. Februar 2009 eine Dauersendung , in der er ebenfalls rechtsextreme Lieder mit volksverhetzendem oder sonst strafbarem Inhalt abspielte. Der Angeklagte R. beteiligte sich finanziell an der Miete des Radiostreams mit Zahlungen von 6 € im August 2008 und 24 € im November 2008 sowie mit einem am 15. Februar 2009 entrichteten Betrag von 20 € an der Fertigung eines Banners für das Radio; zudem betreute er im gesamten Tatzeitraum den Chatbereich der Internetseite.
7
Darüber hinaus verwahrten alle vier Angeklagten sowie die Mitangeklagten F. , B. und Br. jeweils mehrere tausend Dateien mit rechtsextremen , zumindest teilweise die Tatbestände der Volksverhetzung, des Verbreitens von Propagandamitteln sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erfüllenden Liedern, um sie den Hörern des gemeinsam betriebenen Radios zugänglich zu machen.
8
Unabhängig vom gemeinsamen Betrieb des Radios war der Angeklagte W. im März 2009 im Besitz eines Butterflymessers, eines Schlagrings sowie einer Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalpistole ohne PTBZulassungszeichen mit Magazin und Manöverkartusche, ohne über eine entsprechende waffenrechtliche Erlaubnis zu verfügen.
9
2. Das Landgericht hat den Zusammenschluss der Angeklagten als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung bewertet (§ 129 Abs. 1 StGB). Die von den Angeklagten im einzelnen im Rahmen der vom Vereinigungszweck getragenen Radiomoderationen begangenen Äußerungs- und Propagandadelikte des Verbreitens von Propagandamitteln und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 Abs. 1 Nr. 2 und 4, § 86a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB), der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) und d), Abs. 3, 4 und 5 StGB), der Gewaltdarstellung (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) sowie die vom Angeklagten W. durch die "Sprengmeisterseite" begangene Anleitung zur Herstellung von nach § 40 WaffG verbotenen Gegenständen (§ 52 Abs. 1 Nr. 4, § 40 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 WaffG) hat es den jeweils anderen Mitgliedern als mittäterschaftlich begangene Taten zugerechnet (§ 25 Abs. 2 StGB). Dabei hat es alle Äußerungs- und Propagandadelikte jeweils als eine einheitliche Tat im Rechtssinne angesehen.
10
II. Die von den Angeklagten W. , P. und R. erhobenen Verfahrensrügen zeigen aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf.
11
III. Der sachlich-rechtlichen Nachprüfung hält das Urteil nur teilweise stand.
12
1. Zutreffend hat das Landgericht allerdings den Zusammenschluss der Angeklagten als kriminelle Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) und das Abspielen der Lieder - abhängig vom jeweiligen Liedtext - als Volksverhetzung, Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder Gewaltdarstellung gewürdigt.
13
Ebenfalls zutreffend hat das Landgericht den Betrieb der "Sprengmeisterseite" - auch wenn diese vom Angeklagten W. durch Rückgriff auf fremde , im Internet verfügbare Anleitungen zusammengestellt wurde - als Anleitung zur Herstellung von nach § 40 WaffG verbotenen Gegenständen bewertet, weil sich der Angeklagte W. die Inhalte der verbotenen Beschreibungen zu eigen machte (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11. November 1997 - 4 St RR 232/ 97, NJW 1998, 1087).
14
2. Nicht frei von Rechtsfehlern erweisen sich indes die vom Landgericht vorgenommene mittäterschaftliche Zurechnung der von den Vereinigungsmitgliedern im Einzelnen begangenen Taten zu Lasten aller Angeklagten sowie die konkurrenzrechtliche Bewertung der einzelnen Taten. Hierzu im Einzelnen:
15
a) Schließen sich mehrere Täter zu einer kriminellen Vereinigung zusammen , hat dies - entsprechend den bei einem Zusammenschluss als Bande geltenden Grundsätzen - nicht zur Folge, dass jede von einem Vereinigungsmitglied begangene Tat den anderen Mitgliedern ohne weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Mitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juli 2008 - 3 StR 243/08, StV 2008, 575; vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, StV 2004, 21, 22; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 25 Rn. 12).
16
b) Haben bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie einzelne Angeklagte einen Tatbeitrag zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer auf die Begehung von Straftaten ausgerichteten Infrastruktur erbracht, sind die Einzeltaten der Mittäter zu einem uneigentlichen Organisationsdelikt zusammenzufassen, durch welches mehrere Einzelhandlungen rechtlich verbunden und hiermit die auf Grundlage dieser Infrastruktur begangenen Straftaten in der Person der im Hintergrund Tätigen zu einer einheitlichen Tat oder gegebenenfalls zu wenigen einheitlichen Taten im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184; Beschluss vom 21. Dezember 1995 - 5 StR 392/95, NStZ 1996, 296 f.; Beschluss vom 26. August 2003 - 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342 f.).
17
c) Die im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangenen Taten stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit, da die mitgliedschaftliche Beteiligung in einer solchen Vereinigung zu deren Verklammerung führt. Voraussetzung für eine solche Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier oder mehrerer an sich selbstständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbstständigen Delikte und dem sie verbindenden, sich über einen gewissen Zeitraum hinziehenden (Dauer-)Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; Rissing-van Saan in LK, 12. Aufl., § 52 Rn. 27, 29 jeweils mwN). Als Maßstab hierfür dient die Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt unter Orientierung an den Strafrahmen, wobei der Wertevergleich nicht nach einer abstrakt-generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen ist (BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 f.; vgl. auch Stree/SternbergLieben in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 52 Rn. 16).
18
3. Danach haben sich die Angeklagten im Einzelnen wie folgt schuldig gemacht:
19
a) Alle Angeklagten haben sich mitgliedschaftlich an der kriminellen Vereinigung beteiligt (§ 129 Abs. 1 StGB). Ein Schuldspruch auch wegen hierzu in Tateinheit stehender Gründung der Vereinigung kommt nicht in Betracht. Zwar steht das Gründen einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB zu der weiteren Tatbestandsalternative der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung jedenfalls dann im Verhältnis der Tateinheit, wenn sich die Beteiligung als Mitglied wie hier unmittelbar an das Gründen der Vereinigung anschließt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 unter Aufgabe von BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2003 - 3 StR 43/03, NStZ 2004, 385). Indes kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht die Gründung der Vereinigung nicht schon vor dem Juni 2008 für möglich angesehen hat (UA S. 54). Taten in diesem Zeitraum hat das Landgericht nach § 154 Abs. 2, § 154a Abs. 2 StPO von der Verfolgung ausgenommen (UA S. 50).
20
b) Der Angeklagte W. hat täterschaftlich zum Herstellen von nach § 40 WaffG verbotenen Gegenständen angeleitet, indem er die "Sprengmeisterseite" eigenhändig zusammenstellte und im Internet zum Abruf bereitstellte. Demgegenüber ist der Angeklagte P. nur der Beihilfe zum Anleiten schuldig , indem er durch Abspielen von Werbejingles im Rahmen der von ihm moderierten Sendungen auf die Seite aufmerksam machte. Die Angeklagten M. und R. haben zur "Sprengmeisterseite" keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet.
21
c) Hinsichtlich der Radiosendungen haben sich die Angeklagten W. , P. und M. der in der Beschlussformel genannten Äußerungs- und Propagandadelikte jeweils durch eigenhändiges Moderieren von Sendungen sowie dem Abspielen der im einzelnen vom Landgericht festgestellten Lieder schuldig gemacht, und zwar der Angeklagte W. durch die Sendungen am 16. Januar, 3., 5., 10., 12., 13., 27. und 28. Februar sowie 11. März 2009, der Angeklagte P. durch die Sendungen am 16. Januar, 7. und 12. Februar sowie 11. bis 12. März 2009 und der Angeklagte M. durch die unmoderierte Dauersendung vom 24. bis 26. Februar 2009. Der Angeklagte R. hat keine Sendung eigenhändig moderiert, so dass er die Delikte der Volksverhetzung, des Verbreitens von Propagandamitteln und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen jeweils nur in der Tatalternative des Vorrätighaltens zum Zwecke deren Verbreitung begangen hat (§ 86 Abs. 1 Nr. 4 3. Alt., § 86a Abs. 1 Nr. 2 2. Alt., § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) 4. Alt., Abs. 5 StGB).
22
d) Darüber hinaus können den Angeklagten W. und M. , die durch Zur-Verfügung-Stellung von Internetseite und Radiostream einen wesentlichen Beitrag zur tatnotwendigen Infrastruktur geleistet haben, die von anderen Moderatoren abgespielten Lieder als jeweils ein einheitliches Äußerungs- oder Propagandadelikt im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdeliktes zugerechnet werden. Den Angeklagten P. und R. sind die von anderen Beteiligten durchgeführten Moderationen nach den allgemeinen Kriterien nur als eine einheitliche Beihilfe zu deren Äußerungs- oder Propagandadelikten zuzurechnen, und zwar weil der Angeklagte R. die Infrastruktur finanziell unterstützte und der Angeklagte P. am 21. Februar 2009 eine Werbeveranstaltung für das Radio mitorganisierte.
23
e) Die solchermaßen von den Angeklagten verwirklichten Delikte der Volksverhetzung, des Verbreitens von Propagandamitteln und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie der Gewaltdarstellung bzw. der Beihilfe hierzu werden durch die Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung, deren Tätigkeit auf die Begehung dieser Straftaten gerichtet war, jeweils miteinander zur Tateinheit verklammert. Das Vergehen gemäß § 129 Abs. 1 StGB ist hier auch geeignet, sämtliche Propagandadelikte einschließlich der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB zu verklammern, weil auch insoweit die erforderliche Wertgleichheit gegeben ist. Dass die Untergrenze des Strafrahmens der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB (drei Monate Freiheitsstrafe ) geringfügig höher ist als diejenige der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (Geldstrafe), steht einer Verklammerung der Taten mit Blick auf die konkreten Umstände nicht entgegen.
24
f) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden können, die zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Taten führen. Er ändert deshalb die Schuldsprüche (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegen die geänderten Schuldvorwürfe nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
25
4. Die Änderungen der Schuldsprüche führen nicht zur Aufhebung der Strafaussprüche, da der Senat ausschließen kann, dass das Landgericht jeweils auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
26
IV. Die Schuldspruchberichtigung ist entsprechend § 357 StPO auf die nicht revidierenden Mitangeklagten F. , Br. und B. zu erstrecken. Auch ihnen wurden die durch andere Vereinigungsmitglieder verwirklichten Ta- ten, d.h. die Anleitung zur Herstellung von in § 40 WaffG genannten Gegenständen sowie die im Rahmen einzelner Moderationen begangenen Äußerungsund Propagandadelikte, rechtsfehlerhaft als in Mittäterschaft begangen zugerechnet. Nach den obigen Ausführungen sind die drei Mitangeklagten indes nur der Beihilfe an dem Waffendelikt des Angeklagten W. schuldig, indem sie ein Werbejingle für die Seite produzierten (Br. ) bzw. dieses in den von ihnen moderierten Sendungen abspielten (F. und B. ). Darüber hinaus sind sie nur derjenigen, aus der Beschlussformel ersichtlichen Äußerungs- und Propagandadelikte schuldig, die sie eigenhändig im Rahmen der von ihnen selbst gestalteten Radiosendungen begangen haben, d.h. für die Mitangeklagte F. in den Sendungen am 29. September 2008, 22., 27. und 30. Januar sowie 1., 9. und 18./19. Februar 2009, für den Mitangeklagten B. in den Sendungen am 16. Januar und 3. Februar 2009 sowie für die Mitangeklagte Br. in den Sendungen am 5., 8., 11., und 12. Oktober, 25. und 27. November, 11., 14., 19. und 20. Dezember 2008, 10., 11., 15. und 29./30. Januar sowie 16. und 26. Februar 2009. Ferner ist die Mitangeklagte F. wegen der Mitorganisation einer Werbeveranstaltung für das Radio am 21. Februar 2009 der Beihilfe an den darauf folgend von anderen Beteiligten begangenen Äußerungs- und Propagandadelikten schuldig.
27
Dass die Berichtigung des Schuldspruchs auch im Fall der Mitangeklagten F. , Br. und B. keine Auswirkungen auf den Strafausspruch hat, weil der Senat auch insoweit die Verhängung einer milderen Strafe ausschließen kann, steht der Erstreckung der Revision nach § 357 StPO nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 31. Juli 1996 - 3 StR 269/96, bei Kusch NStZ 1997, 376; Beschluss vom 14. Mai 1996 - 1 StR 245/96, NStZ 1996, 507). § 265 StPO steht ebenfalls nicht entgegen, da sich die Betroffenen nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.
28
V. Die Entscheidungen über die Einziehung von "1078 CDs, DVDs, MCs und LPs" beim Angeklagten W. sowie beim Angeklagten R. über die Einziehung einer Webcam sind rechtsfehlerhaft, da die Begründungen so unspezifisch sind, dass eine revisionsrechtliche Nachprüfung nicht möglich ist (BGH, Beschluss vom 22. Januar 1993 - 3 StR 536/92, StV 1993, 245 dort nur red. Leitsatz). Beim Angeklagten R. war nicht ersichtlich, in welcher Weise die Webcam zur Vorbereitung oder Begehung der von ihm verwirklichten Delikte gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist; beim Angeklagten W. kam eine pauschale Einziehung von 1078 CDs, DVDs, MCs und LPs unterschiedlichen Inhalts als Sachgesamtheit nicht in Betracht, da es sich schon nicht um eine wirtschaftliche Einheit und damit nicht um eine Sammlung handelte (vgl. Vieweg in: jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 90 Rn. 22 mwN).
29
Über die Einziehung muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden.
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 203/08
vom
2. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Volksverhetzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) und zu 2. auf dessen Antrag,
zu 1. b) mit dessen Zustimmung - am 2. Dezember 2008 gemäß § 154 Abs. 1
Nr. 1, Abs. 2, § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4, § 354
Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14. Januar 2008 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagte im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot verurteilt worden ist;
b) die Strafverfolgung im ursprünglichen Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung beschränkt;
c) das vorgenannte Urteil aa) im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe aufgehoben und die Angeklagte freigesprochen; bb) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte der Volksverhetzung in zwei Fällen, der Beleidigung sowie der versuchten Strafvereitelung in Tateinheit mit Volksverhetzung in zwei Fällen, Nötigung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole und Beleidigung in zwei Fällen schuldig ist; cc) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Soweit das Verfahren eingestellt und die Angeklagte freigesprochen wird, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Volksverhetzung in vier Fällen , davon in einem Fall tateinheitlich mit versuchter Nötigung, Beleidigung, versuchter Strafvereitelung und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, sowie in einem weiteren Fall tateinheitlich mit Beleidigung, versuchter Strafvereitelung und Nötigung, wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot in zwei Fällen, wegen Beleidigung sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihr die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes für die Dauer von fünf Jahren verboten. Hinsichtlich einer weiteren Tat hat es die Angeklagte freigesprochen. Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Auf Antrag des Generalbundesanwalts bzw. mit dessen Zustimmung stellt der Senat das Verfahren im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO ein und beschränkt im ursprünglichen Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe die Strafverfolgung gemäß § 154 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der versuchten Strafvereitelung.

II.

3
Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen dringen - soweit sie sich durch die teilweise Einstellung und Beschränkung des Verfahrens nicht ohnehin erledigt haben - aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführten Gründen nicht durch. Zur Rüge, dass die Feststellungen zum Verhalten der Angeklagten während der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe am 27. März 2006 nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft (§ 261 StPO) und unter Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Vernehmung erhoben seien (§ 250 StPO), bemerkt der Senat ergänzend:
4
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. März 2006 wurde ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesen. Dies war rechtlich zulässig. Gerichtsbeschlüsse sind Urkunden im Sinne des § 249 Abs. 1 StPO, deren Verlesung auch dann nicht gegen das Verbot des § 250 Satz 2 StPO verstößt, wenn die Entscheidung Wahrnehmungen von Personen wiedergibt (BGHSt 6, 141, 142 f.; 31, 323, 331 f.). Den zulässigerweise verlesenen Beschluss durfte die Strafkammer bei der Urteilsfindung jedenfalls mitberücksichtigen (BGHSt 31, 323, 332), zumal sich das verteidigungsfremd obstruierende Verhalten der Angeklagten auch aus anderen Beweisen ergibt.

III.


5
Die Sachrüge führt zum Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot (Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe) sowie zur teilweisen Abänderung des Schuldspruchs (Fälle IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe). Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen hält das Urteil materiellrechtlicher Prüfung stand. Im Einzelnen:
6
1. Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe
7
Nach den Feststellungen war die Angeklagte in einem Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim Pflichtverteidigerin des dortigen Angeklagten Z. . Vor Beginn der Hauptverhandlung veranlasste sie ihren Lebensgefährten , den zum damaligen Zeitpunkt mit einem vorläufigen Berufsverbot belegten Rechtsanwalt M. , neben ihr auf der Verteidigerbank Platz zu nehmen , um sie bei der Verteidigung zu unterstützen. Unmittelbar nach Aufruf der Sache bemerkte der Vorsitzende die Anwesenheit Rechtsanwalt M. s und forderte diesen unter Androhung von Zwangsmaßnahmen umgehend auf, die Verteidigerbank zu verlassen. Daraufhin entfernte sich Rechtsanwalt M. und ließ sich im Zuschauerbereich nieder.
8
Dieser Sachverhalt trägt den Schuldspruch der Beihilfe zum Verstoß gegen das Berufsverbot (§§ 145 c, 27 Abs. 1 StGB) nicht, da eine Haupttat, bei deren Begehung die Angeklagte unterstützend hätte tätig werden können, nicht vorliegt. Das festgestellte Verhalten Rechtsanwalt M. s erfüllt die tat- bestandlichen Voraussetzungen des § 145 c StGB nicht. Zwar kommt als Ausübung des Berufs im Sinne der genannten Vorschrift grundsätzlich jede Tätigkeit in Betracht, auf die sich das Berufsverbot erstreckt; bereits die einmalige, ohne Wiederholungsabsicht vorgenommene und nicht zwingend entgeltliche Betätigung in dem untersagten Bereich reicht aus, wenn schon diese ein Tätigwerden im verbotenen Beruf darstellt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1966, 410; Zopfs in MünchKomm-StGB § 145 c Rdn. 11; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 145 c Rdn. 4; aA Kretschmer NStZ 2002, 576, 577; vgl. auch Fischer, StGB 56. Aufl. § 145 c Rdn. 5). Das kurzzeitige Platznehmen auf der Verteidigerbank zu Beginn einer Hauptverhandlung noch vor Feststellung der Präsenz (§ 243 Abs. 1 Satz 2 StPO) stellt indes noch keine Tätigkeit dar, die bereits als Ausübung des Rechtsanwaltsberufs bewertet werden könnte. Der Versuch eines Verstoßes gegen das Berufsverbot und damit auch eine Beihilfe hierzu sind nicht strafbar.
9
2. Fälle IV. Taten 4, 5, 6 der Urteilsgründe
10
a) Es begegnet durchgreifenden Bedenken, dass die Strafkammer im Fall IV. Tat 4 der Urteilsgründe das Verlesen der "Schöffenbelehrung" in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 9. Februar 2006 als versuchte Nötigung (§ 240 Abs. 1, 2, 3, §§ 22, 23 StGB) gewertet hat.
11
Nach den Feststellungen führte die Angeklagte aus, dass sich die Schöffen und Berufsrichter durch ihre Amtsausübung in dem Strafverfahren gegen Z. wegen Volksverleumdung und Feindbegünstigung im Sinne des früheren Reichsstrafgesetzbuches und damit zweier Verbrechen gegen das noch fortbestehende Deutsche Reich schuldig machten. Sie könnten deswegen im Falle eines Systemwechsels hin zu einem erneuten nationalsozialistischen Regime zur Verantwortung gezogen werden. Auf diese Weise wollte die Ange- klagte die Schöffen und Berufsrichter dazu bringen, das Verfahren gegen Z. einzustellen oder ihn freizusprechen.
12
Diese Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass die Angeklagte durch die vorsätzliche Drohung mit einem empfindlichen Übel die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer versuchten Nötigung verwirklicht hat. Eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt und dessen Verwirklichung er nach dem Inhalt seiner Äußerung für den Fall des Bedingungseintritts will. Das Übel muss gerade als vom Willen des Drohenden abhängig dargestellt werden (vgl. Fischer aaO § 240 Rdn. 31, 36). Zwar kann für eine (versuchte) Nötigung auch die Ankündigung der Zufügung eines Übels durch Dritte genügen, dies jedoch nur, wenn der Drohende damit zum Ausdruck bringt, er sei willens und in der Lage, den oder die Dritten zu einem entsprechenden Tätigwerden veranlassen zu können (vgl. BGHSt 7, 197, 198; 16, 386, 387; 31, 195, 201). Gemessen an diesen Maßstäben ist das Verhalten der Angeklagten lediglich als straflose Warnung anzusehen; denn nach dem festgestellten Sachverhalt vermittelte sie - auch unter Zugrundelegung ihres verblendeten Geschichtsbildes und ihrer realitätsfremden Vorstellungswelt, nach der eine Wiederherstellung der Verhältnisse des 3. Reiches aufgrund zunehmender Zustimmung in der Bevölkerung realistisch sei - bei ihrer Ansprache an die Schöffen nicht den Eindruck, dass sie selbst Einfluss auf den Eintritt des angekündigten Übels habe.
13
b) Die von der Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 9., 15. und 16. Februar 2006 vorgenommenen Handlungen sind entgegen der Annahme des Landgerichts nicht als drei selbstständige, tatmehrheitlich begangene Taten der versuchten Strafvereitelung zu werten; vielmehr liegt eine einheitliche Tat vor. Die weiteren, an diesen Hauptverhandlungstagen verwirklichten Delikte stehen hierzu und untereinander im Verhältnis der Tateinheit.
14
aa) Nach den Feststellungen erstrebte die Angeklagte in den genannten Verhandlungsterminen mit zahlreichen Anträgen und vornehmlich an das Publikum gerichteten, lang andauernden Ansprachen beleidigenden und volksverhetzenden Inhalts, den zügigen Fortgang des Verfahrens aufzuhalten und damit eine Bestrafung ihres Mandanten Z. wenn nicht gänzlich zu vereiteln, so doch zumindest auf geraume Zeit zu verzögern.
15
bb) Diese stetigen, aufgrund eines einheitlichen "Verteidigungskonzepts" unternommenen Störungen der Hauptverhandlung sind in ihrer Gesamtheit als eine Tat im Rechtssinne anzusehen, weil sie sämtlich darauf gerichtet waren, die Bestrafung einer Person in einem laufenden Hauptverfahren zu verhindern. Somit stellen sie bei deliktsbezogener Betrachtung (vgl. BGHSt 40, 138, 163 f.) nach den Grundsätzen der tatbestandlichen Handlungseinheit nur einen einheitlichen Versuch der Strafvereitelung dar. Eine rechtlich bedeutsame Zäsur nach Abschluss eines jeden Hauptverhandlungstages ist nicht eingetreten; denn die Versuche der Strafvereitelung durch "Verfahrenssabotage" waren weder erfolgreich noch an jedem Verhandlungstag gescheitert (vgl. BGHSt 8, 310, 312; 41, 368, 369; Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. vor § 52 Rdn. 37). Vielmehr bedurfte es nach dem "Verteidigungskonzept" gerade der über einen Sitzungstag hinausgehenden , mehrfachen Beeinträchtigung der Hauptverhandlung, um auf diese Weise sukzessive den erstrebten tatbestandlichen Erfolg zu erreichen. Der Versuch der Strafvereitelung scheiterte erst, als die Angeklagte als Verteidigerin durch Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. März 2006 (JZ 2006, 1129) und des Bundesgerichtshofes vom 24. Mai 2006 (NJW 2006, 2421) rechtskräftig aus dem Verfahren ausgeschlossen wurde.
16
cc) Die Bewertung des Verhaltens der Angeklagten an den drei Hauptverhandlungstagen als einheitlicher Versuch der Strafvereitelung führt zur Annahme von Tateinheit auch bezüglich der im Zuge dieses Handelns begangenen weiteren Delikte durch Verklammerung. Voraussetzung für eine solche Klammerwirkung ist, dass die Ausführungshandlungen zweier oder mehrerer an sich selbstständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und dass zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbstständigen Delikte und dem sie verbindenden, sich über einen gewissen Zeitraum hinziehenden (Dauer-) Delikt zumindest annähernde Wertgleichheit besteht (RGSt 68, 216, 218; BGHSt 28, 18, 20; BGH NJW 1975, 985, 986; NStZ 1984, 262; 2008, 209; BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 5, 6; vgl. auch Fischer aaO vor § 52 Rdn. 30; Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 27, 29 jeweils m. w. N.).
17
Dies ist hier der Fall. Sämtliche verteidigungsfremden Ausführungen, mit denen die Angeklagte den Holocaust leugnete, den Staat verunglimpfte, die Mitglieder des Gerichts beleidigte und den Vorsitzenden nötigte, dienten zugleich dem Zweck, entsprechend ihrer Verteidigungsstrategie den Ausgang des Verfahrens dauerhaft zu verzögern. Die versuchte Strafvereitelung ist auch geeignet, die anderen Delikte zur Tateinheit zu verklammern, weil die erforderliche Wertgleichheit gegeben ist. Als Maßstab hierfür dient neben der Abstufung der einzelnen Delikte nach ihrem Unrechtsgehalt in Verbrechen oder Vergehen insbesondere eine Orientierung an den Strafrahmen, wobei einer Wertgleichheit grundsätzlich nicht entgegensteht, dass das verklammernde Delikt nur das Versuchsstadium erreicht hat. Denn der Wertevergleich ist nicht nach einer abstrakt -generalisierenden Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen (vgl. BGHSt 33, 4 f.; vgl. auch Stree/Sternberg-Lieben aaO § 52 Rdn. 16), wobei berücksichtigt werden kann, ob im konkreten Fall eine versuchsbedingte Milderung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nahe liegt (BGH, Urt. vom 28. Oktober 2004 - 4 StR 268/04 - insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2005, 262). Sieht man von einer Milderung hier ab, entspricht der Strafrahmen der versuchten Strafvereitelung mit einer Strafobergrenze von fünf Jahren demjenigen der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) und überschreitet diejenigen der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90 a Abs. 1 StGB), der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) sowie der Beleidigung (§ 185 StGB). Auch bei einer Milderung des Strafrahmens kommt dem Versuch der Strafvereitelung - auf den die Ausschließung der Angeklagten als Verteidigerin gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO gestützt war - mit Blick auf die konkreten Umstände der Tat ein den übrigen Delikten entsprechendes Gewicht zu.
18
3. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe zu einer Verurteilung der Angeklagten und in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe zu einer abweichenden rechtlichen Bewertung führen. Er spricht deshalb die Angeklagte im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe frei und ändert den Schuldspruch in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe ab (§ 354 Abs. 1 StPO). § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich die Angeklagte gegen den geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
19
4. Die Einstellung des Verfahrens im Fall IV. Tat 2 der Urteilsgründe, die Beschränkung der Strafverfolgung im Fall IV. Tat 6 der Urteilsgründe, der Teilfreispruch im Fall IV. Tat 1 der Urteilsgründe sowie die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen IV. Taten 4, 5 und 6 der Urteilsgründe führen zum Wegfall bzw. zur Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe. Der Senat hebt auch die Einzelstrafen in den Fällen IV. 3, 7 und 8 der Urteilsgründe auf, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, über die Strafzumessung insgesamt neu und damit einheitlich zu entscheiden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen durch das neue Tatgericht, die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
20
5. Die rechtsfehlerfreie Anordnung des Berufsverbots (§ 70 Abs. 1 Satz 1 StGB) wird durch den Teilerfolg der Revision nicht berührt.
Becker Miebach Sost-Scheible
Hubert Schäfer

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.