Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Nov. 2019 - 4 StR 390/19

bei uns veröffentlicht am07.11.2019
vorgehend
Landgericht Berlin, 235, Js 5515/18
Landgericht Berlin, 5, 0 KLs 5/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 390/19
vom
7. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:071119B4STR390.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. April 2019 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen des Tatkomplexes unter II.2. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch,
c) im Ausspruch über die Maßregeln. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls und wegen vierfacher versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und mit Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Es hat ihm ferner die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm für die Dauer von vier Jahren ab Rechtskraft des Urteils keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen entwendeten der Angeklagte und ein unbekannt gebliebener Mittäter am 20. November 2018 im Bereich der F. Straße in B. ein Motorrad und verluden dies in einen in der Nähe abgestellten Transporter. Dabei wurden sie von der Polizei beobachtet. Anschließend entfernten sie sich in dem Transporter vom Tatort, wobei der Angeklagte das Fahrzeug steuerte (Tatkomplex II.1. der Urteilsgründe). Darüber hinaus hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen (Tatkomplex II.2. der Urteilsgründe):
3
a) Als der Angeklagte an der Kreuzung K. straße/P. Promenade mit dem von ihm gefahrenen weißen Transporter verkehrsbedingt halten musste, hielt ein Einsatzwagen der Polizei vorne links neben ihm. Ein weiterer stellte sich auf der rechten Seite vor den Transporter, so dass dem Angeklagten der Weg versperrt war. Der Angeklagte, der die Feststellung seiner Identität um jeden Preis verhindern wollte, fuhr zügig an, lenkte leicht nach links und schob den links neben ihm stehenden Einsatzwagen zur Seite, wodurch dieser an Kotflügel und Stoßstange zerkratzt wurde. Einem Polizeibeamten, der den rechts vor dem Transporter stehenden Einsatzwagen bereits fast vollständig verlassen hatte und – wie der Angeklagte erkannte – in dessen Fahrweg stand, gelang es gerade noch rechtzeitig, in den Einsatzwagen zurückzuspringen und die Tür zu schließen, anderenfalls wäre er zwischen dem Transporter und dem Einsatzwagen eingeklemmt worden. Die Gefahr der Verletzung des Polizeibeamten und die Beschädigung des Einsatzwagens hatte der Angeklagte billigend in Kauf genommen.
4
b) Der Angeklagte, der die Kollision bemerkt hatte, fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit entgegen der Fahrtrichtung auf der stadteinwärts führenden Spur der P. Promenade Richtung Bundesautobahn. Vier Einsatzfahrzeuge der Polizei nahmen mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn die Verfolgung auf. Ein Einsatzwagen fuhr auf die Kreuzung P. Promenade /G. -straße, um dem Angeklagten den Weg zu versperren. Der Angeklagte zog den Transporter daraufhin scharf nach rechts und wechselte etwa 200 Meter vor der Kreuzung auf die stadtauswärts führende Fahrspur. Dabei übersah er ein Einsatzfahrzeug auf dieser Spur, so dass es zu einem Zusammenstoß kam. Wenige Meter danach bremste der Angeklagte den Transporter abrupt ab und bog nach rechts in die R. straße ein. Der Fahrer des mit dem Transporter kollidierten Einsatzwagens, PK M. , schaffte es nicht mehr, rechtzeitig zu bremsen, und fuhr auf den Transporter auf. Der Einsatzwagen wurde durch beide Kollisionen beschädigt.
5
c) Der Angeklagte, der beide Kollisionen bemerkt hatte, fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit weiter. PK M. versuchte, den Angeklagten links zu überholen. Als sich der Einsatzwagen auf Höhe des hinteren Drittels des Transporters befand, lenkte der Angeklagte den Transporter scharf nach links, um ihn abzudrängen. Eine nicht nur unerhebliche Verletzung des Polizeibeamten und eine Beschädigung des Einsatzfahrzeuges nahm er billigend in Kauf. PK M. konnte eine Kollision durch eine Gefahrenbremsung verhindern.
6
d) Der Angeklagte bog sodann nach rechts in die Ro. -Ro. -Straße. An der Kreuzung mit der B. Straße überfuhr er eine Rotlicht abstrahlende Lichtzeichenanlage. Anschließend befuhr er mit weiterhin überhöhter Geschwindigkeit die Re. straße in Schlangenlinien, um weitere Überholversuche zu unterbinden.
7
e) An der Kreuzung mit der Roe. straße entschloss sich der Angeklagte , das dortige Rotlicht zu missachten, obwohl die Roe. straße nach links schlecht einsehbar war. Eine mögliche Kollision mit Querverkehr nahm er billigend in Kauf. Kurz bevor der Angeklagte die Kreuzung erreicht hatte, fuhr ein Fahrzeug von links über die Kreuzung. Der Angeklagte fuhr ungebremst weiter, der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen betrug nicht mehr als 10 oder 15 Meter.
8
f) Anschließend bog der Angeklagte nach rechts in die einspurige Pa. straße ein, die er ebenfalls mit überhöhter Geschwindigkeit befuhr. Die Lichtzeichenanlage an der Kreuzung mit der Pi. straße zeigte bereits seit mehreren Sekunden Rotlicht. Der Angeklagte fuhr ungebremst über die Kreuzung , wobei er eine Kollision mit dem Querverkehr erneut billigend in Kauf nahm. Der Fahrer eines von links kommenden bevorrechtigten Kraftfahrzeugs konnte eine Kollision nur durch abruptes Abbremsen und sofortiges Zurücksetzen vermeiden.
9
g) Der Angeklagte bog dann nach rechts in die Be. Allee, fuhr mit stark überhöhter Geschwindigkeit über den A. platz und nach links in die Gü. straße. An der Kreuzung der Be. Allee mit der Gü. straße missachtete er eine weitere Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage. An der Kreuzung Gü. straße/Me. straße, an der die Rechts-Vor-Links-Regel gilt, konnte ein von rechts kommender Fahrzeugführer eine Kollision nur durch starkes Bremsen vermeiden. Der Angeklagte fuhr weiter über verschiedene Straßen bis auf den Ma. -R. -Platz, wobei er eine zwischen zwei Betonpfeilern befestigte Kette durchbrach. Während er auf diesem Platz eine Linkskurve fuhr, sprang der unbekannte Mittäter des Diebstahls aus dem Transporter und flüchtete.
10
h) PK M. setzte sich nun mit seinem Einsatzwagen schräg vor den Transporter. In dem Bewusstsein der damit einhergehenden Gefahr rammte der Angeklagte den Einsatzwagen und schob ihn zur Seite, um flüchten zu können. Der Einsatzwagen wurde so stark beschädigt, dass eine Weiterfahrt nicht mehr möglich war. Die Beschädigung des Fahrzeugs und die Möglichkeit einer erheblichen Verletzung des Fahrzeugführers hatte der Angeklagte billigend in Kauf genommen.
11
i) Der Angeklagte wollte nun den Ma. -R. -Platz verlassen. Ein anderer Einsatzwagen der Polizei versperrte die Ausfahrt. Der Angeklagte rammte auch dieses Fahrzeug und schob es zur Seite, wobei er billigend in Kauf nahm, die beiden Fahrzeuginsassen nicht nur unerheblich zu verletzen und den Einsatzwagen zu beschädigen. Das Einsatzfahrzeug war nach der Kollision nicht mehr fahrtüchtig.
12
j) Da der Angeklagte durch die Kollisionen an Geschwindigkeit verloren hatte, gelang es einem weiteren Einsatzfahrzeug der Polizei, den Transporter am Bordstein einzuklemmen und dadurch zum Stillstand zu bringen. Beide Fahrzeuge verkeilten sich derart, dass sich weder die Fahrertür des Einsatzwagens noch die Beifahrertür des Transporters öffnen ließen. Der Angeklagte sprang aus dem Fahrzeug, um seine Flucht zu Fuß fortzusetzen. Er konnte festgenommen werden.
13
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten auf der Fluchtfahrt (Tatkomplex II.2. der Urteilsgründe) ohne nähere Begründung als vierfache versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte , vorsätzlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1b 2. Alt. StGB, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2a und 2d StGB, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und mit Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel gewürdigt.
14
2. Das angefochtene Urteil ist im Tatkomplex II.2. der Urteilsgründe auf die Sachrüge hin aufzuheben, weil es insoweit den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht genügt.
15
a) Nach dieser Vorschrift müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Das bedeutet, dass der festgestellte Sachverhalt so darzustellen ist, wie er sich nach Überzeugung des Gerichts abgespielt hat; zum inneren und äußeren Tatgeschehen sind Tatsachen mitzuteilen, so dass dem Revisionsgericht die Überprüfung der rechtlichen Würdigung ermöglicht wird (BGH, Urteil vom 19. Mai 1987 – 1 StR 159/87, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 1; Beschlüsse vom 23. Juni 1993 ‒ 5 StR 326/93 und vom 28. September 2010 – 4 StR 307/10, juris Rn. 3f.). Die Darstellung muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Tatrichter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt hat (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08, juris Rn. 2). Das Revisionsgericht ist nicht gehalten, sich aus einer Fülle erheblicher und unerheblicher Tatsachen diejenigen herauszusuchen, in denen eine Straftat gesehen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2011 – 3 StR 209/11, juris Rn. 10; Beschluss vom 14. Juni 2002 – 3 StR 132/02, NStZ-RR 2002, 263). Vielmehr liegt ein Mangel des Urteiles vor, der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt, wenn aufgrund einer unübersichtlichen Darstellung der Urteilsgründe unklar bleibt, welchen Sachverhalt das Tatgericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, juris Rn. 3; Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08, juris Rn. 2; Urteil vom 12. April 1989 – 3 StR 472/88; KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 267 Rn. 8).
16
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen werden die Urteilsgründe hinsichtlich der tateinheitlich verwirklichten Delikte des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der vorsätzlichen Straßenverkehrsgefährdung nicht gerecht. Denn sie ergeben nicht, durch welche bestimmten Tatsachen die gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestandes dieser Strafvorschriften aus der Sicht des Tatrichters erfüllt werden. Das angefochtene Urteil lässt weder in der rechtlichen Würdigung noch an anderer Stelle erkennen , wie die tatrichterliche Subsumtion vollzogen worden ist. Dies versteht sich angesichts der geschilderten zehn unterschiedlichen Verkehrssituationen auch nicht in einer Weise von selbst, dass es einer Begründung nicht bedurft hätte. Die Erfüllung eines dieser Tatbestände springt für keine der geschilderten Verkehrssituationen unmittelbar ins Auge. So gibt es alleine vier Verkehrssitua- tionen, in denen der Tatrichter naheliegend einen vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gesehen haben könnte (II.2. a), c), h) und i)).
17
c) Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die ausgeurteilten Taten einem der festgestellten Sachverhaltsabschnitte zuzuordnen, in dem es die gesetzlichen Merkmale des äußeren und inneren Tatbestands als erfüllt ansieht. Es bestünde unter den hier gegebenen Umständen zudem die Gefahr, dass das Revisionsgericht eine Zuordnung vornähme, die dem Willen des Tatrichters widerspricht. Die gebotene rechtliche Überprüfung im Revisionsverfahren ist dem Senat so nicht möglich.
18
3. Im Übrigen geben die Urteilsgründe Anlass zu folgenden Hinweisen:
19
a) Zum Konkurrenzverhältnis zwischen § 315b StGB und § 315c StGB verweist der Senat auf die Ausführungen bei König, LK-StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 95.
20
b) Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, genauere Feststellungen zum Tatgeschehen, etwa hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeiten und der genauen Abstände zu treffen. Auch fehlen bisher Feststellungen zum Wert der beschädigten oder gefährdeten Einsatzfahrzeuge. Sowohl § 315b als auch § 315c StGB setzen die Gefährdung von fremden Sachen von bedeutendem Wert voraus (zu den erforderlichen Feststellungen siehe BGH, Beschlüsse vom 27. September 2007 – 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83; vom 20. Oktober 2009 ‒ 4 StR 408/09, NStZ 2010, 216; vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; vom 4. Dezember 2012 – 4 StR 435/12, DAR 2013, 709 m. Anm. Ernst; vom 13. April 2017 – 4 StR 581/16, StraFo 2017, 252; vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 505/18, NJW 2019, 615).
21
c) Zur Erfüllung des Tatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB mittels eines Kraftfahrzeuges ist es erforderlich, dass die Verletzungen des Tatopfers gerade durch eine Einwirkung des Kraftfahrzeugs auf seinen Körper verursacht werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Januar 2007 – 4 StR 524/06, NStZ 2007, 405 und vom 3. Februar 2016 – 4 StR 594/15, juris Rn. 4). Es fehlen bislang konkrete Feststellungen, dass der Angeklagte dies in seinen Vorsatz aufgenommen hatte.
22
d) Für den Fall, dass die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB verhängen sollte, wird sie Feststellungen zum Führerschein des Angeklagten zu treffen haben. Ein deutscher Führerschein ist bei Entziehung der Fahrerlaubnis einzuziehen, § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB. Dies kann auch noch im zweiten Rechtsgang geschehen. Das Verbot der reformatio in peius stünde dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 5. November 1953 – 3 StR 504/53, BGHSt 5, 168, 178 f.; Beschluss vom 4. September 2007 – 4 StR 393/07 Rn. 1, juris).
Quentin Roggenbuck Cierniak Bender Feilcke
Vorinstanz:
Berlin, LG, 03.04.2019 ‒ 235 Js 5515/18 510 KLs 5/19

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 69 Entziehung der Fahrerlaubnis


(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine

Strafgesetzbuch - StGB | § 69a Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis


(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß

Strafgesetzbuch - StGB | § 315c Gefährdung des Straßenverkehrs


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Strafgesetzbuch - StGB | § 315b Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr


(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er 1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,2. Hindernisse bereitet oder3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,und dadurch Leib oder Leben

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 307/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 28. September 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der Strafkammer des Landgerichts Bochum beim Amtsgericht Recklinghausen vom 27. Januar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Nachstellung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, wegen Verleumdung, Hausfriedensbruchs und Betruges, Urkundenfälschung in zwei Fällen sowie wegen versuchter Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel hat bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg; einer Erörterung der Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.

3
1. Das angefochtene Urteil ist auf die Sachrüge hin aufzuheben, weil es in mehrfacher Hinsicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht genügt. Nach dieser Vorschrift müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Das bedeutet, dass der festgestellte Sachverhalt – in einem geschlossenen Abschnitt – so darzustellen ist, wie er sich nach Überzeugung des Gerichts abgespielt hat; zum inneren und äußeren Tatgeschehen sind Tatsachen mitzuteilen, so dass dem Revisionsgericht die Überprüfung der rechtlichen Würdigung ermöglicht wird (BGH, Urteil vom 19. Mai 1987 – 1 StR 159/87, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 1; Beschluss vom 23. Juni 1993 - 5 StR 326/93).
4
Dem Zusammenhang der Urteilsgründe kann im vorliegenden Fall zwar noch entnommen werden, dass sich der Angeklagte der in der Urteilsformel genannten Straftaten schuldig gemacht haben kann. Durch welche konkreten Handlungen welcher Tatbestand erfüllt sein soll, bleibt jedoch insbesondere im Hinblick auf die Tatvorwürfe zum Nachteil der Geschädigten T. , G. und Ge. unklar. Dabei wird die rechtliche Überprüfung nicht nur durch eine teilweise unzureichende Konkretisierung der einzelnen, von der Strafkammer festgestellten Lebenssachverhalte erschwert, es fehlt vor allem an einer nachvollziehbaren rechtlichen Zuordnung zu den als erfüllt angesehenen Straftatbeständen. Die rechtliche Würdigung beschränkt sich vielmehr auf eine bloße Wiederholung der Urteilsformel (UA 42). Eine Subsumtion unter die infrage kommenden Tatbestände hat das Landgericht nicht vorgenommen; sie wird auch durch die im Rahmen der Strafzumessung in die Urteilsgründe aufgenommene tabellarische Auflistung (UA 44) nicht ersetzt.
5
2. Zu diesen grundsätzlichen Mängeln des angefochtenen Urteils kommen weitere Rechtsfehler hinzu:
6
a) Im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Taten zum Nachteil der Geschädigten G. ) hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte in der Kanzlei der Bevollmächtigten der Nebenklägerin anrief und diese zu sprechen wünschte, anderenfalls er in seinem Besitz befindliche Nacktfotos der Geschädigten flächendeckend verteilen und anderweitig veröffentlichen werde. Am nächsten Tag rief er erneut an und wiederholte der Kanzleiangestellten Ty. gegenüber seine Drohung, woraufhin diese einen Aktenvermerk anfertigte. Dass die Geschädigte von dem Inhalt des Anrufs in Kenntnis gesetzt wurde, ist nicht festgestellt. Ob damit der objektive Tatbestand der versuchten Nötigung hinreichend dargetan ist, wie der Generalbundesanwalt meint, kann letztlich dahinstehen. Jedenfalls belegen die Urteilsgründe nicht, dass der Angeklagte auch in der Vorstellung handelte, die Kanzleiangestellte, die das Telefonat entgegennahm , werde dessen Inhalt unmittelbar an die Geschädigte G. weiterleiten.
7
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe (Taten zum Nachteil der Geschädigten Ge. ) nur wegen versuchter und wegen vollendeter vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt hat, steht dies nicht in Übereinstimmung mit den getroffenen Feststellungen, wonach der Angeklagte die Geschädigte nicht nur im Oktober 2007 bei einem Streit schlug und zu Boden warf, sondern sie auch im Januar 2008 in den Rücken boxte, obwohl sie im achten Monat schwanger war, und es darüber hinaus am 21. Januar 2008 zu dem Versuch einer weiteren Misshandlung kam, der von der Zeugin D. verhindert werden konnte (UA 28). Zudem ist aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich , ob das Landgericht die Absendung eines gefälschten Telefax-Schreibens an die Sparkasse V. (UA 30) oder die Fälschung eines Überweisungsträgers der Sparkasse B. (UA 31) rechtlich als Urkundenfälschung im Sinne des § 267 StGB gewürdigt hat.
8
c) Das Urteil des Landgerichts begegnet auch hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Betruges zum Nachteil der Bundesagentur für Arbeit (Fall II. 4 der Urteilsgründe) durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer teilt in den Feststellungen lediglich mit, dass der Angeklagte für einen Zeitraum von etwa zwei Monaten Arbeitsentgelt erhalten und deshalb Arbeitslosenunterstützung in Höhe von 1.411 Euro zu Unrecht bezogen habe. Diesem nur umrisshaft mitgeteilten Geschehen ist nicht zu entnehmen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit erfolgten, ob der Angeklagte möglicherweise nur gesetzlich vorgesehene Hinzuverdienstmöglichkeiten ausgeschöpft hat und welchen genauen Inhalt ihn gesetzlich treffende Mitteilungspflichten hatten. Was der als Zeuge gehörte Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit in der Hauptverhandlung dazu ausgesagt hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Auch die subjektive Seite des Betrugstatbestandes im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ist nicht hinreichend belegt. Die Strafkammer beschränkt sich insoweit auf die Feststellung, der Angeklagte habe es „vorsätzlich“ und „pflichtwidrig“ unterlassen, der Agentur für Arbeit die Arbeitsaufnahme anzuzeigen. Die bloße Benennung gesetzlicher Merkmale kann die Darlegung der zugrunde liegenden Tatsachen zum äußeren und inneren Tatgeschehen jedoch nicht ersetzen. Die gebotene rechtliche Überprüfung im Revisionsverfahren ist dem Senat so nicht möglich.

II.

9
Für den Fall, dass die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung im Sinne des § 238 Abs. 1 StGB gelangen sollte, wird sie die durch den Angeklagten jeweils verwirklichte Tatbestandsvariante des § 238 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StGB genau zu bezeichnen haben. Sie wird hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Geschädigten Ge. in den Blick nehmen müssen, dass die Beeinträchtigung der Lebensgestaltung bei diesem als Erfolgsdelikt ausgestalteten Straftatbestand kausal durch die jeweilige Nachstellungshandlung herbeigeführt werden muss und lediglich bei § 238 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch der Versuch der Kontaktaufnahme (mit Telekommunikationsmitteln ) ausreicht. Sie wird ferner bedenken müssen, dass bereits der objektive Tatbestand gravierende und ernstzunehmende Folgen für das Opfer voraussetzt, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung erheblich und objektivierbar hinausgehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2009 - 3 StR 244/09, NJW 2010, 1680, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Der straferschwerenden Berücksichtigung dieses Umstandes sind daher schon im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB Grenzen gesetzt.

III.

10
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO). Ernemann Solin-Stojanović Cierniak Franke Bender
2
1. Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil es hinsichtlich der Angeklagten S. keine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollzieh- bare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhaltes, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Richter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des Urteils , der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3, geschlossene Darstellung). So verhält es sich hier.
10
3. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei der rechtlichen Würdigung darzulegen, in welcher Handlung des Beschuldigten er welchen Straftatbestand verwirklicht sieht. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich aus einer Fülle erheblicher und unerheblicher Tatsachen diejenigen herauszusuchen , in denen eine Straftat gesehen werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2002 - 3 StR 132/02, NStZ-RR 2002, 262). Bei Fall II. 4 der Urteilsgründe kommt, sofern sich das Landgericht bei gleichen Feststellungen zum objektiven Sachverhalt erneut nicht vom Erpressungsvorsatz überzeugen kann, anstelle der Bedrohung eine versuchte Nötigung in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 2005 - 1 StR 455/05, NStZ 2006, 342).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 132/02
vom
14. Juni 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Menschenhandels u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. Juni 2002 gemäß
§ 154 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 30. Oktober 2001 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall C II. 23 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Unterschlagung im Fall C II. 23 der Urteilsgründe entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1. Die auf Antrag des Generalbundesanwalts erfolgte Teileinstellung des Verfahrens im Fall C II. 23 der Urteilsgründe läût die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter Unterschlagung und die dafür verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten entfallen. Angesichts der verbleibenden 22 Einzelstrafen kann der Senat indes ausschlieûen, daû die Strafkammer ohne Berücksichtigung der weggefallenen Einzelstrafe auf eine niedrigere als die - ohnehin maûvolle - Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten erkannt hätte.
2. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Urteil gibt dem Senat jedoch Anlaû zu folgenden Hinweisen:

a) Die "groûzügige" Zubilligung verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ist mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vereinbar. Die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln begründet für sich allein noch keine erhebliche Verminderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit. Derartige Folgen sind bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuû zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder wenn der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt wird (BGHR StGB § 21 BtMAuswirkungen 12 m. w. N.; BGH NStZ 2002, 31). Hierzu hat das Landgericht keine zureichenden Feststellungen getroffen. Psychodiagnostische Beweisanzeichen für Entzugserscheinungen oder Hinweise auf eine akute Intoxikation
bei Begehung der Straftaten sind für die abgeurteilten Fälle nicht dargelegt (vgl. UA S. 167).

b) Selbst wenn die Anwendung des § 21 StGB in den Einzelfällen gerechtfertigt gewesen wäre, hätte die Strafkammer die Vorschrift des § 21 StGB "mit der dort vorgegebenen Strafmilderungsmöglichkeit" (UA S. 166) nicht erneut bei der Bildung der Gesamtstrafe anwenden dürfen. Die Milderungsmöglichkeit nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB führt lediglich dazu, daû der Strafrahmen für die betreffende Einzelstrafe ermäûigt wird. Dagegen bleibt der Rahmen des § 54 Abs. 1 und 2 StGB für die Bildung der Gesamtstrafe unverändert. Lediglich bei der zusammenfassenden Bewertung des gesamten Schuldumfanges aller Taten im Rahmen der Gesamtstrafenbildung (vgl. BGHSt 24, 268, 270) wird auch der Umstand einer verminderten Schuldfähigkeit Bedeutung erlangen.

c) Der durch die Besonderheiten des Falles nicht gebotene auûerordentliche Umfang der Entscheidungsgründe von 168 Seiten gibt Anlaû zu dem Hinweis , daû nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die Urteilsgründe neben den für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, nur solche Feststellungen enthalten müssen, die zum Verständnis und zur Beurteilung der Tat notwendig sind. Überflüssige Ausführungen zum Randgeschehen machen die Darstellung unübersichtlich und können die Gefahr sachlichrechtlicher Mängel begründen. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts , sich aus einer Fülle erheblicher und unerheblicher Tatsachen diejenigen herauszusuchen, in denen eine Straftat gesehen werden kann. Mit der Beweiswürdigung soll der Tatrichter - unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten - lediglich belegen, warum er bestimmte bedeutsame tatsächliche Umstände so festgestellt hat. So ist es beispielsweise nicht erfor-
derlich, die der Feststellung von Betäubungsmittelgeschäften vorausgehenden Telefonüberwachungsmaûnahmen in allen Einzelheiten zu schildern und über mehrere Seiten den Inhalt der geführten Telefongespräche wörtlich wiederzugeben.
VRiBGH Prof. Dr. Tolksdorf ist infolge Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Miebach Miebach Winkler Pfister Becker
3
a) Danach sind die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Hierzu hat der Tatrichter auf der Grundlage einer vorausgegangenen rechtlichen Subsumtion die Urteilsgründe so abzufassen, dass sie in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2007 – 4 StR 386/07, NStZ-RR 2008, 83, 84; Beschluss vom 13. Januar 2005 – 3 StR 473/04, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 13). Ein Urteil weist daher einen auf die Sachrüge hin zu beachtenden Rechtsfehler auf, wenn die Darstellung des strafbaren Verhaltens in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich ist und deshalb unklar bleibt, welche Tatsachen das Gericht aufgrund der Hauptverhandlung für erwiesen hält und welchen Sachverhalt es seiner rechtlichen Beurteilung eigentlich zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08).
2
1. Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil es hinsichtlich der Angeklagten S. keine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollzieh- bare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhaltes, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Richter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des Urteils , der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3, geschlossene Darstellung). So verhält es sich hier.

(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er

1.
Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2.
Hindernisse bereitet oder
3.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Handelt der Täter unter den Voraussetzungen des § 315 Abs. 3, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(4) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer im Straßenverkehr

1.
ein Fahrzeug führt, obwohl er
a)
infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b)
infolge geistiger oder körperlicher Mängel
nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder
2.
grob verkehrswidrig und rücksichtslos
a)
die Vorfahrt nicht beachtet,
b)
falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,
c)
an Fußgängerüberwegen falsch fährt,
d)
an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,
e)
an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,
f)
auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht oder
g)
haltende oder liegengebliebene Fahrzeuge nicht auf ausreichende Entfernung kenntlich macht, obwohl das zur Sicherung des Verkehrs erforderlich ist,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2.
fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 1/07
vom
27. September 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
zu 2.: Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. September 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten Olaf E. wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 9. August 2006, soweit es ihn betrifft, aufgehoben,
a) soweit er in den Fällen II. B 5 und 19 der Urteilsgründe verurteilt worden ist mit den Feststellungen,
b) soweit der Angeklagte in den Fällen II. B 2, 3, 7 bis 10, 12, 14 bis 18, 20 und 21 der Urteilsgründe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist mit den zur Gefährdung anderer Personen, zum Wert der durch die jeweiligen Verkehrsunfälle gefährdeten fremden Sachen und den insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen ; die übrigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle durch den Angeklagten bleiben jedoch aufrechterhalten;
c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Auf die Revision der Angeklagten Manuela Carmen E. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit sie im Fall II. B 5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in 20 Fällen und wegen Betruges in 21 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und gegen ihn eine Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB festgesetzt. Die Angeklagte hat es wegen Betruges in 21 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Soweit das Landgericht im Fall II. B 5 der Urteilsgründe den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und beide Angeklagte wegen eines mittäterschaftlich begangenen Betruges zum Nachteil der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners verurteilt hat, haben die Rechtsmittel der Angeklagten mit einer zulässig erhobenen, auf die Verletzung des § 261 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
3
Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte den Unfall mit dem von ihm geführten Pkw, dessen Halterin die Angeklagte gewesen ist, absichtlich herbeigeführt hat, indem er das Fahrzeug ohne verkehrsbedingten Grund plötzlich bis zum Stillstand abgebremst hat, auf die Bekundungen des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Unfallgegners und einer Zeugin , die den Unfall als Fußgängerin beobachtet hat, gestützt.
4
Die Angeklagten rügen zu Recht, das Landgericht habe entgegen § 261 StPO die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt, weil es unterlassen habe, die in der Hauptverhandlung verlesene Schadensanzeige des Unfallgegners vom 1. Dezember 2000 und die von diesem gefertigte Unfallskizze, die in Augenschein genommen wurde, in seine Beweiswürdigung einzubeziehen. In seiner Schadensanzeige hatte der Unfallgegner angegeben, ein Bus habe durch Blinkzeichen angezeigt, den Haltestellenbereich verlassen zu wollen, worauf die drei vor ihm fahrenden Pkw abrupt abgebremst worden seien, so dass er nicht rechtzeitig habe halten können und auf den vor ihm befindlichen Pkw aufgefahren sei. Diese mit der von dem Zeugen gefertigten Unfallskizze in Einklang stehende Schilderung des Unfallhergangs lässt sich mit den Bekundungen des Zeugen in der Hauptverhandlung nicht vereinbaren. Das Landgericht hätte sich deshalb in den Urteilsgründen mit diesem Widerspruch auseinandersetzen müssen (vgl. BGH StV 1993, 115; BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 107/05).
5
2. Soweit der Angeklagte im Fall II. B 19 der Urteilsgründe wegen Betruges verurteilt worden ist, hat sein Rechtsmittel ebenfalls mit einer auf die Verletzung des § 261 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg.
6
Nach den Feststellungen brachte die Zeugin F., die mit ihrem Pkw aus einer untergeordneten Straße kommend nach rechts in die Hauptstraße abbiegen wollte, den Pkw vor der Kreuzung an der Sichtlinie zum Halten. Der Angeklagte , der sich mit seinem Fahrrad der Kreuzung auf dem Bürgersteig – aus der Sicht der Zeugin – von links näherte, erkannte, dass die Zeugin mit ihrem Pkw so weit vorgefahren war, dass sie den Bürgersteig nicht mehr im Blick hatte. Als die Zeugin anfuhr, steuerte er sein Rad vor den Pkw der Zeugin und kam, wie von ihm beabsichtigt, zu Fall. Die Haftpflichtversicherung der Zeugin zahlte als Schadensersatz und Schmerzensgeld insgesamt 902,20 Euro an den Angeklagten, weil sie aufgrund der Unfallschilderung in dem Schreiben des vom Angeklagten beauftragten Rechtsanwalts davon ausging, die Zeugin sei mit ihrem Pkw plötzlich und unvermittelt angefahren, als der Angeklagte den Einmündungsbereich bereits nahezu vollständig überquert gehabt habe. Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte den Unfall absichtlich herbeigeführt hat, auf die Bekundungen der Zeugin F. in der Hauptverhandlung gestützt. Aus der Sicht der Zeugin sei die Vorfahrtsstraße in beide Richtungen gerade und gut einsehbar gewesen. Da die Zeugin sich sicher gewesen sei, keinen Radfahrer auf der Fahrbahn gesehen zu haben, müsse sich der Angeklagte , wie die Zeugin „bereits vermutet“ habe, außerhalb ihres Sichtfeldes befunden haben und sich mithin über den Bürgersteig angenähert haben.
7
Die Revision des Angeklagten rügt zu Recht, dass das Landgericht sich entgegen § 261 StPO nicht mit der in der Hauptverhandlung am 18. Januar 2006 verlesenen, von der Zeugin und vom Angeklagten unterschriebenen Unfallanzeige vom 16. November 2002 und mit der in Augenschein genommenen Unfallskizze auseinandergesetzt hat. Dies war deshalb geboten, weil sich sowohl aus der von der Zeugin für die Schadensanzeige bei der Haftpflichtversicherung gefertigten Skizze als auch aus der Beschreibung der Unfallsituation in der Unfallanzeige ergibt, dass der Angeklagte sich der Kreuzung auf dem für Radfahrer freigegebenen Gehweg nicht – wie aufgrund der Bekundungen der Zeugin festgestellt – von links, sondern von rechts näherte. Nach der von der Zeugin gefertigten Skizze war die Sicht nach rechts aus dem auf die Kreuzung zufahrenden Pkw aber durch eine Hecke am Rand des Geh- und Radweges eingeschränkt.
8
3. Die aufgezeigten Verfahrensfehler führen zur Aufhebung der Verurteilungen in den Fällen II. B 5 und 19 der Urteilsgründe. Das Landgericht hat die Verurteilung in diesen Fällen entscheidend auf die Bekundungen der Unfallgegner gestützt, von deren Glaubhaftigkeit es sich insbesondere auch im Hinblick darauf überzeugt hat, dass sie „auch nicht im Widerspruch zu früheren Angaben und Vernehmungen“ standen (UA 107). Es ist deshalb nicht auszuschließen , dass das Landgericht, hätte es die Beweisergebnisse umfassend gewürdigt , zu anderen, für die Angeklagten günstigeren Feststellungen gelangt wäre. Dass sich die Verfahrensfehler auch auf die der Verurteilung der Angeklagten in den übrigen Fällen zu Grunde liegende Beweiswürdigung ausgewirkt haben können, schließt der Senat aus. Soweit das Landgericht seine Überzeugung, dass der Angeklagte die Unfälle absichtlich herbeigeführt hat, unter anderem auf die Vielzahl der Unfälle, an denen der Angeklagte beteiligt war, die Vergleichbarkeit der jeweiligen Verkehrslage an den Unfallorten und die stets glei- che Abwicklung der Schadensfälle gestützt hat, steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte in den Fällen II. B 5 und 19 der Urteilsgründe die Unfälle möglicherweise nicht provoziert hat. Denn der Unfallhergang in diesen Fällen unterscheidet sich deutlich von dem Unfallgeschehen in den übrigen Fällen, die zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen, die für eine Unfallprovokation durch den mit den Verhältnissen an den Unfallorten vertrauten Angeklagten sprechen.

II.


9
Soweit es die Angeklagte betrifft, hat die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu deren Nachteil ergeben. Die Revision des Angeklagten hat jedoch mit der Sachrüge Erfolg, soweit er in den Fällen II. B 2, 3, 7 bis 10, 12, 14 bis 18, 20 und 21 jeweils wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist.
10
1. Zwar hat der Angeklagte nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Verkehrsunfall jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB) und mithin die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen hat (vgl. BGHSt 48, 233). Der Straftatbestand des § 315 b Abs. 1 StGB setzt darüber hinaus aber voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Dass in den genannten Fällen Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet worden sind, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Auch die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist in den genannten Fällen nicht belegt. Dass eine Sache von bedeutendem Wert nur in (wirtschaftlich) unbedeutendem Maße gefährdet wird, reicht hierfür nicht aus; vielmehr muss der konkret drohende Schaden bedeutenden Umfanges sein (vgl. BGH NJW 1990, 194, 195; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 315 Rdn. 16 m.w.N.). Für die Berechnung des Gefährdungsschadens kommt es auf die am Marktwert zu messende Wertminderung an (vgl. BGH NStZ 1999, 350, 351; Barnickel in MünchKomm StGB § 315 Rdn. 71). Die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB lag zu dem für die Wertbestimmung maßgeblichen Gefährdungszeitpunkt (vgl. Barnickel in MünchKomm StGB aaO Rdn. 69 m.N.) bei mindestens 1.500 DM bzw. 750 Euro (BGHSt 48, 14, 23; vgl. Barnickel aaO). Dass in den oben genannten Fällen ein Schaden (zumindest) in dieser Höhe drohte, ist durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt:
11
Soweit im Fall II. B 20 der Urteilsgründe der eingetretene Fremdsachschaden mit 375 Euro beziffert wird, liegt es nach den bisherigen Feststellungen eher fern, dass ein darüber hinausgehender Schaden drohte. In den übrigen Fällen hat die Strafkammer die Höhe des entstandenen Sachschadens nicht genannt. Weder das Schadensbild in den Fällen II. B 8 der Urteilsgründe (Kratzer an der vorderen Stoßstange rechts), II. B 9 ("zwei Punkte" am Fahrzeug des Unfallgegners), II. B 10 (Beschädigung der Stoßstange vorne rechts) und II. B 17 (eine etwa einen Zentimeter tiefe Einbeulung des vorderen Kennzeichens ) noch die Feststellungen zum Unfallhergang in diesen und den übrigen Fällen belegen eine zweifelsfrei die Wertgrenze überschreitende konkrete Gefährdung der an dem Unfall beteiligten Fremdfahrzeuge.
12
2. Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den genannten Fällen lässt jedoch die Verurteilung der Angeklagten in diesen Fällen wegen eines mittäterschaftlich zum Nachteil der Haftpflichtversicherungen der jeweiligen Unfall- gegner begangenen Betruges unberührt. Sie zieht nur die Aufhebung der zur Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen, zur Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert und der insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen nach sich. Im Übrigen halten die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle und zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten rechtlicher Nachprüfung stand und können deshalb bestehen bleiben.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 408/09
vom
20. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 20. Oktober 2009 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten vom 11. Mai 2009 aufgehoben,
a) soweit sie in den Fällen II. 2. und 5. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, mit den zum Wert der durch die jeweiligen Verkehrsunfälle gefährdeten fremden Sachen, im Fall II. 5. der Urteilsgründe zusätzlich mit den zur Gefährdung anderer Personen sowie in beiden Fällen mit den insoweit zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen; die übrigen Feststellungen bleiben jedoch aufrechterhalten;
b) in den Aussprüchen über die in den Fällen II. 2. und 5. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in fünf Fällen, in vier Fällen tateinheitlich mit Betrug und in einem Fall tateinheitlich mit versuchtem Betrug, unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Der Angeklagten wurde des Weiteren die Fahrerlaubnis entzogen, ihr Führerschein wurde eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihr vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2
Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen II. 2. und 5. der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
4
Zwar hat die Angeklagte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB) und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs entweder durch Hindernisbereiten (§ 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB) oder durch einen „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff“ (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) beeinträchtigt (vgl. BGH NZV 1992, 325; 2001, 265). Der Straftatbestand des § 315b Abs. 1 StGB setzt darüber hinaus aber voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden. Hierzu hat die Strafkammer keine hinreichenden Feststellungen getroffen.
5
a) Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass in den genannten Fällen Leib oder Leben eines anderen Menschen konkret gefährdet worden sind. Im Fall II. 2. wurde dies von der Strafkammer im Hinblick auf das konkrete Unfallgeschehen offensichtlich von vorneherein ausgeschlossen. Im Fall II. 5. der Urteilsgründe wurde die Zeugin P. zwar nicht verletzt, allerdings sei - so die Strafkammer - bei dieser Art von Unfall regelmäßig ein HWS-Trauma zu erwarten (UA 9). Eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen ist damit jedoch nicht hinreichend belegt; insbesondere fehlen Angaben zu den Geschwindigkeiten der Pkws im Zeitpunkt der Kollision und der Intensität des Aufpralls zwischen den beteiligten Fahrzeugen.
6
b) Auch die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist in den Fällen II. 2. und 5. nicht festgestellt.
7
Bei der Prüfung, ob einer fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, sind stets zwei durch entsprechende Feststellungen gestützte Prüfungsschritte erforderlich: Zunächst ist zu klären, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert handelte. Dies kann etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein. Handelte es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der maßgebliche Gefährdungsschaden (vgl. Beschluss des Senats vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07 m.w.N.).
8
Solche Feststellungen enthält das Urteil zu den Fällen II. 2. und 5. nicht. In beiden Fällen ist an den nicht von der Angeklagten geführten Fahrzeugen kein Sachschaden entstanden. Allein aus der Höhe der von der Angeklagten bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung bzw. der Zeugin P. für die Beschädigung des eigenen Fahrzeugs betrügerisch erlangten oder geforderten Beträge kann nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass den jeweils beteiligten Fahrzeugen der anderen Unfallbeteiligten ein bedeutender Sachschaden drohte. Darüber hinaus fehlen bezogen auf den Fall II. 5. der Urteilsgründe auch Feststellungen dazu, ob das Fahrzeug der Geschädigten P. zum Unfallzeitpunkt einen „bedeutenden Wert“ hatte (vgl. dazu BGH aaO m.w.N.; vgl. zur Wertgrenze auch Heine in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. Vorbem. §§ 306 ff. Rdn. 15).
9
2. In Bezug auf das weitere Revisionsvorbringen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 7. September 2009. Ergänzend bemerkt der Senat:
10
a) Die Verfahrensrüge, mit der die Verletzung des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO geltend gemacht wird, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn die Revision teilt die Gutachten nicht vollständig mit, obwohl sie in der Revisionsbegründung auf deren Skizzen und Schadensfotos verweist (RB S. 18 f., 44). Dem Revisionsgericht bleibt damit eine Überprüfung der erhobenen Behauptung , dem gehörten Sachverständigen habe die Sachkunde gefehlt, verschlossen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 2009 – 5 StR 215/09 und vom 19. Oktober 2000 – 4 StR 411/00).
11
b) Dass das Landgericht rechtsfehlerhaft angenommen hat, der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr stehe in Tateinheit zu dem mit der Tat bezweckten Betrug (vgl. BGH NZV 1992, 325), beschwert die Angeklagte nicht.
12
3. Mit den Teilaufhebungen in den Fällen II. 2. und 5. der Urteilsgründe entfallen auch die insoweit verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe. Der Maßregelausspruch kann hingegen bestehen bleiben, da er durch die aufrechterhaltenen Feststellungen zu den Unfallgeschehen und die Verurteilung wegen der übrigen, durch die Urteilsaufhebung nicht betroffenen Taten getragen wird.
13
Die Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten in den genannten Fällen zieht nur die Aufhebung der zur Gefährdung von Leib und Leben anderer Personen im Fall II. 5. und zur Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert sowie der insoweit zur inneren Tatseite in beiden Fällen getroffenen Feststellungen nach sich. Die übrigen Feststellungen - insbesondere zum äußeren Tatgeschehen, zur absichtlichen Herbeiführung der Verkehrsunfälle und zum Schädigungsvorsatz der Angeklagten - sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben.
14
Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) lediglich auf Art und Höhe der Rechtsfolgen, nicht aber auf eine Veränderung und Verschärfung des Schuldspruchs bezieht (st. Rspr.; vgl. Kuckein in KK 6. Aufl. § 358 Rdn. 18; Paul in KK 6. Aufl. § 331 Rdn. 2; Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 358 Rdn. 11, § 331 Rdn. 8, jeweils m.w.N.). Der neue Tatrichter wäre daher nicht daran gehindert, den Schuldspruch in den Fällen II. 2. und 5. dahingehend zu ändern, dass die Angeklagte des (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tatmehrheit mit (versuchtem) Betrug schuldig ist. In diesem Fall würde das Verschlechterungsverbot aber dazu führen, dass die Summe der Einzelstrafen, die dann jeweils zu verhängen wären, die in dem betreffenden Fall bisher verhäng- te Einzelstrafe nicht überschreiten darf (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2001 - 3 StR 314/01; BGHR StPO § 331 Abs. 1 Einzelstrafe, fehlende 1).
Tepperwien Maatz Solin-Stojanović
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 245/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. September 2010
einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 3. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in sieben Fällen, wegen Sachbeschädigung in 14 Fällen, wegen Betruges in 26 Fällen und wegen versuchten Betruges in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt; außerdem hat es eine Maßregel nach §§ 69, 69a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat - unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Erörterung bedarf nur die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen II. 7, II. 19, II. 50 und II. 60 der Urteilsgründe.
3
1. Nach den hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte im Zeitraum von September 2007 bis September 2008 vier Verkehrsunfälle jeweils absichtlich herbeigeführt (§ 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB) und die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen "ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff" im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen hat. Dabei sind an den Fahrzeugen der Unfallgegner Schäden in Höhe von 1.062,11€, 792,30 €, 800 € bzw. 885,84 € verursacht worden; dass ein darüber hinausgehender Sachschaden oder sogar ein Personenschaden konkret gedroht haben, ist in keinem dieser Fälle festgestellt.
4
2. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass eine Gefährdung für fremde Sachen von bedeutendem Wert im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB zur Tatbestandserfüllung nur ausreicht, wenn auch der konkret drohende Schaden bedeutenden Umfangs war (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07, NStZ-RR 2008, 83 m.w.N.), und hat diese Voraussetzung in den fraglichen vier Fällen als erfüllt angesehen. Dabei hat es sich an der Rechtsprechung des Senats ausgerichtet, wonach die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert bei mindestens 750 € liegt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 121; Beschlüsse vom 27. September 2007 - 4 StR 1/07; vom 29. April 2008 - 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289; vom 20. Oktober 2009 - 4 StR 408/09, NZV 2010, 261). Gegenstand der letztgenannten Entscheidung war unter anderem ein Unfallgeschehen vom Januar 2008.
5
3. Für eine Anhebung dieser Wertgrenze sieht der Senat keinen Anlass.
6
a) Allerdings wird in der Literatur teilweise eine höhere Wertgrenze von bis zu 1.300 € angenommen, die der Grenze des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB angeglichen ist (vgl. Heine, in: Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., Vorbem. zu §§ 306 ff. Rn. 15; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 315 Rn. 16a; Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 21. Aufl., § 315c StGB Rn. 7; MünchKommStGB/Barnickel § 315 Rn. 69: ca. 850 € für Januar 2006; wie die Senatsrechtsprechung dagegen: König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315 Rn. 95; SSW-StGB/Ernemann § 315c Rn. 25; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 315c Rn. 24).
7
Vereinzelt haben auch Oberlandesgerichte eine Wertgrenze von 1.300 € für die konkrete Gefährdung fremder Sachen von bedeutendem Wert angenommen. Das Thüringer OLG hat dies mit der Angleichung an die Grenze zum bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB begründet (Beschluss vom 17. September 2008 - 1 Ss 167/08, OLGSt StGB § 315c Nr. 16); das OLG Hamm hat ohne weitere Begründung lediglich auf die Kommentierung von Fischer, StGB, 55. Aufl., § 315 Rn. 16a verwiesen (Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 4 Ss 466/08, NStZ-RR 2009, 185, 186).
8
b) Eine Angleichung an die Wertgrenze des bedeutenden Schadens im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nicht angezeigt, weil die Vorschriften unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen.
9
Der Schadensbegriff des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist nach dem Normzweck des § 142 StGB zu bestimmen, der dem Interesse der Unfallbeteiligten an der Aufklärung der Unfallursachen zur Klarstellung der privatrechtlichen Verantwortlichkeit und damit an der Sicherung bzw. Abwehr zivilrechtlicher Ersatzansprüche dient (vgl. Geppert in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 69 Rn. 84, § 142 Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder aaO § 142 Rn. 1a m.w.N.). Maßgeblich ist daher nicht der reine Sachschaden, sondern der Geldbetrag, der erforderlich ist, den Geschädigten so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (vgl. MünchKommStGB/Athing § 69 Rn. 70 m.w.N.). Deswegen sind neben den Reparaturkosten auch Bergungsund Abschleppkosten einzubeziehen.
10
Bei §§ 315b, 315c StGB ist demgegenüber allein auf den (drohenden) Schaden an der Sache selbst abzustellen, wobei der Wert der Sache nach deren Verkehrswert, die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 - 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 m.w.N.; vgl. auch König aaO § 315 Rn. 82a, 90). Die Vorschriften bezwecken den Schutz des Allgemeininteresses an der Sicherheit des Straßenverkehrs, der in ihnen verwirklichte Schutz auch des Einzelnen ist nur eine Nebenwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 - 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40; Beschluss vom 15. Dezember 1998 - 4 StR 576/98, NStZ-RR 1999, 120). Das Schwergewicht der Vorwerfbarkeit liegt dementsprechend - ungeachtet der Ausgestaltung der Straftatbestände als Erfolgsdelikte (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119) - in der besonderen Gefährlichkeit der Tathandlung für die Allgemeinheit und damit im Handlungsunrecht; der Erfolgsunwert - der Niederschlag der abstrakten Gefährdung in einer konkreten Gefahr für Individualrechtsgüter - hat lediglich strafbarkeitsbegrenzende Funktion (vgl. König aaO § 315 Rn. 5), der auch die weitere Einschränkung des bedeutenden Wertes dient (vgl. Barnickel aaO § 315 Rn. 69). Insofern rechtfertigt der Schutzzweck der §§ 315b, 315c StGB die Bestimmung eines niedrigeren Grenzwertes als bei § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB auch losgelöst von der unterschiedlichen Berechnungsgrundlage (zur Abhängigkeit verschiedener Wertgrenzen vom jeweiligen Norm- zweck vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2002 - 4 StR 165/02, BGHSt 48,

14).


11
c) Schließlich gebietet auch die in den letzten Jahren eingetretene wirtschaftliche Entwicklung eine Anhebung des Grenzwertes für Sachwert und Schadenshöhe nicht. Bei der Wertgrenze handelt es sich zwar um eine veränderliche Größe, die maßgeblich von der Entwicklung der Preise und Einkommen abhängig ist (vgl. König aaO § 315 Rn. 94). Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere im Hinblick auf die Tatbestandsbestimmtheit, kommt eine Anhebung der Wertgrenze aber nur bei einer grundlegenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht. Eine derartige Veränderung vermag der Senat nicht zu erkennen.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 581/16
vom
13. April 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:130417B4STR581.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. April 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 18. Juli 2016 – unter Aufrechterhaltung sämtlicher Feststellungen sowie mit Ausnahme des den Nebenkläger T. betreffenden Adhäsionsausspruchs – aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es zugunsten des Neben- und Adhäsionsklägers T. eine Adhäsions- entscheidung getroffen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat im Wesentlichen Erfolg.
2
1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne dieser Vorschrift erst dann vor, wenn durch eine der in § 315b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert verdichtet hat (vgl. nur Senatsurteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; Senatsbeschluss vom 9. September 2014 – 4 StR 251/14, NStZ 2015, 278). Dabei liegt die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung einer Sache von bedeutendem Wert bei mindestens 750 €, wobei die Gefährdung des vom Täter geführten Fahrzeugs außer Betracht zu bleiben hat (Senatsbeschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Gefährdung 5; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, 3. Aufl., § 315c Rn. 25 mwN).
4
b) Gemessen daran ist weder die konkrete Gefährdung von Leib und Leben noch die einer Sache von bedeutendem Wert hinreichend belegt. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, welchen Wert das von der Zeugin K. geführte Fahrzeug hatte, in welcher Höhe ein Sachschaden entstand und ob für die Zeugin K. die konkrete Gefahr des Eintritts von Verletzungen bestand. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat die insoweit er- forderlichen Feststellungen auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.
5
Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Urteils. Zwar hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass sich der Angeklagte eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht hat; diese Delikte stehen jedoch jeweils in Tateinheit mit dem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, sodass die Aufhebung auf diese zu erstrecken war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2011 – 3 StR 231/11, NJW 2012, 325, 328). Zudem hat das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung von drei Straftatbeständen ausdrücklich straferschwerend berücksichtigt, weshalb der Senat auch ein Beruhen des Strafausspruchs auf dem aufgezeigten Mangel nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen konnte. Die vom Landgericht insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter kann zum Wert des betreffenden Kraftfahrzeugs ergänzende Feststellungen treffen.
6
2. Da dem Senat eine Entscheidung gemäß § 354 Abs. 1a StPO in Verbindung mit einer Verfolgungsbeschränkung im Sinne von § 154a Abs. 2 StPO in der vorliegenden Fallkonstellation verwehrt ist (vgl. BVerfGE 118, 212, 242), obgleich die Angemessenheit der verhängten Strafe angesichts des Tatbildes hier auf der Hand liegt, bedarf die Sache im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
7
Auch die – ersichtlich nicht angefochtene, auf der Grundlage eines Anerkenntnisses des Angeklagten getroffene – Adhäsionsentscheidung bleibt von der Aufhebung unberührt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 2010 – 3 StR 265/10, StV 2011, 160 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 505/18
vom
5. Dezember 2018
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:051218B4STR505.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 5. Dezember 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 25. Juli 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt worden ist;
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung sowie wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Anrechnungsentscheidung getroffen. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen stellte sich der Angeklagte am Abend des 2. Januar 2018 gegen 21.20 Uhr auf einem Bahnsteig drohend vor den dort wartenden Geschädigten R. und verlangte von ihm Geld. Dabei hielt er eine 40 cm lange Axt schlagbereit in der rechten Hand, um seine Drohung zu bekräftigen. Der Geschädigte verstand die Aufforderung des Angeklagten zutreffend so, dass dieser ihn mit der Axt verletzen würde, wenn er ihm kein Geld gebe und warf Geldscheine in einem Wert von 25 Euro vor dem Angeklagten zu Boden. Dieser nahm die Geldscheine an sich.
3
Gegen 21.40 Uhr desselben Tages legte der Angeklagte sein Fahrrad in einem Waldstück auf eine unbeleuchtete Straße, um ein Hindernis für Kraftfahrer zu bereiten und diese zu veranlassen, deswegen anzuhalten. Sein Ziel war es, die Insassen zum Verlassen des Fahrzeugs zu veranlassen, um mit diesem dann davonzufahren. In der Nähe des Hindernisses verbarg er sich mit seiner Axt. Gegen 21.40 Uhr erreichte die Geschädigte I. mit ihrem Pkw Opel Corsa (Wert: mindestens 3.000 Euro) in Begleitung des Zeugen E. die Stelle, an der der Angeklagte das Fahrrad platziert hatte. Es regnete stark und es herrschte nur geringfügiger Fahrzeugverkehr. Die Geschädigte I. bemerkte plötzlich, dass sich ein Hindernis auf der Fahrbahn befand und leitete eine Vollbremsung ein. Der Bremsweg war aber zu kurz, sodass sie mit ihrem Fahrzeug an das Fahrrad stieß. Unmittelbar nachdem das Fahrzeug zum Stehen gekommen war, während der Motor noch lief und die Geschädigte das Bremspedal betätigte, begab sich der Angeklagte an die Beifahrerseite und schlug mit seiner Axt wuchtig gegen die B-Säule. Gleich darauf schlug er ein weiteres Mal in die Scheibe der Beifahrertür, die dadurch zersprang. Dabei schrie er: „Aussteigen!“ Unmittelbar danach führte der Angeklagte einen weiteren Schlag mit der Axt ins Fahrzeuginnere. Dabei traf er den Geschädigten E. am Arm und fügte ihm eine Schnittverletzung zu, was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm. Der Geschädigte E. wollte dem Angeklagten das Fahrzeug nicht überlassen. Er stieg deshalb aus und schrie den Angeklagten an, der daraufhin die Flucht ergriff.
4
Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil des Geschädigten R. als besonders schwere räuberische Erpressung und das Vorgehen gegen die Geschädigten I. und E. als räuberischen Angriff auf einen Kraftfahrer in Tateinheit mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gewertet. Es hat weiter angenommen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei beiden Taten aufgrund einer krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen sei und von ihm aufgrund dieser Störung weitere erhebliche rechtswidrige Taten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten seien.

II.


5
Die Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
6
1. Der Schuldspruch wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen weder eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen, noch für fremde Sachen von bedeutendem Wert belegen. Auch der erforderliche Gefährdungsvorsatz ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.
7
a) Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert, dass durch eine der in den Nummern 1 bis 3 des § 315b Abs. 1 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist, die sich zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert verdichtet hat. Dabei muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiven nachträg- lichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 4 StR 334/17, Rn. 4; Beschluss vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NZV 1996, 37; Beschluss vom 15. Februar 1963 – 4 StR 404/62, BGHSt 18, 271, 272 f.). Die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist dabei nicht schon dann gegeben, wenn eine werthaltige Sache in einer solchen Weise gefährdet worden ist. Vielmehr ist auch erforderlich, dass ein bedeutender Schaden gedroht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – 4 StR 22/11, Rn. 5; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 mwN). Dessen Höhe ist nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 mwN).
8
Die Urteilsgründe belegen nicht, dass Leib oder Leben der Geschädigten I. und E. in einer diesen Vorgaben entsprechenden Weise konkret gefährdet waren. Die Feststellung, dass die Geschädigte I. eine Vollbremsung einleiten musste und es zu einem Anstoß an das als Hindernis ausgelegte Fahrrad kam, reicht dafür nicht aus. Angaben zu der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit enthält das Urteil nicht. Ob die konkrete Gefahr einer Fehlreaktion der Zeugin I. und eines dadurch bedingten Abkommens von der Fahrbahn bestand, lässt sich den Urteilsgründen ebenfalls nicht entnehmen. Für die Annahme eines drohenden bedeutenden Sachschadens fehlt es an den erforderlichen Angaben zu dem zu erwartenden Schadensbild, das mit dem entstandenen Schaden nicht identisch sein muss, und dessen Bewertung. Die bloße Angabe des Fahrzeugwertes ist dafür nicht ausreichend.
9
b) In subjektiver Hinsicht setzt § 315b Abs. 1 StGB bei einem sog. Außeneingriff lediglich voraus, dass die Herbeiführung der konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert vom Vorsatz des Täters umfasst war (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237; Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95, BGHSt 41, 231, 239). Dabei ist ein bedingter Vorsatz ausreichend, sodass bereits vorsätzlich handelt, wer die Umstände kennt, die zu der bestimmten Gefährdung geführt haben und den Eintritt der daraus folgenden (konkreten ) Gefahrenlage zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1967 – 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 74; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315b Rn. 18).
10
Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, welches Vorstellungsbild der Angeklagte hatte, als er das Fahrrad auf die Straße legte. Die Feststellung, dass es ihm darum ging, Kraftfahrer zum Anhalten zu veranlassen, um deren Fahrzeug an sich zu bringen, deutet – für sich genommen – nicht auf einen Gefährdungsvorsatz hin.
11
c) Die Aufhebung betrifft auch den tateinheitlich und in Bezug auf die Geschädigte I. rechtsfehlerfrei erfolgten Schuldspruch wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer gemäß § 316a Abs. 1 StGB (zur Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs im Hinblick auf den Geschädigten E. als Mitfahrer vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2004 – 4 StR 53/04, VRS 107, 38, 40; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 316a Rn. 15 mwN). Damit verliert auch der Gesamtstrafenausspruch seine Grundlage. Der Senat hebt auch die für die besonders schwere räuberische Erpressung verhängte Einzelstrafe mit auf, um dem neuen Tatrichter eine einheitliche Strafbemessung zu ermöglichen.
12
2. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht seine Annahme, der Angeklagte habe beide Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen , nicht rechtsfehlerfrei begründet hat.
13
a) Bei der Frage, ob sich ein medizinisch-psychiatrischer Befund in der Tatsituation „erheblich“ auf das Steuerungsvermögen im Sinne des § 21 StGB ausgewirkt hat, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Gericht in eigener Verantwortung und ohne Bindung an die Ausführungen des Sachverständigen zu entscheiden hat. Zu beurteilen ist, ob der Täter defektbedingt motivatorischen und situativen Tatanreizen wesentlich weniger Widerstand entgegensetzen konnte als ein Durchschnittsbürger (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12, NStZ 2013, 53 Rn. 25; Urteil vom 19. Oktober 2011 – 2 StR 172/11 Rn. 4; Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221 Rn. 15 ff. mwN). Hierzu bedarf es einer konkretisierenden und widerspruchsfreien Darlegung, aus der sich ergibt, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2018 – 4 StR 446/17 Rn. 7; Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 521/15, NStZ-RR 2016, 135, 136; Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 146 mwN).
14
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
15
Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte an einer krankhaften seelischen Störung in Form einer „atypischen Schizophrenie gepaart mit einer posttraumatischen Belastungsstörung“ (UA 12) leide. Aufgrund dessen habe er sich „allgemein vor Verfolgern gefürchtet“ (UA 14) und sei davon überzeugt gewesen, dass er fliehen müsse. Seine Flucht habe er sich mit dem erbeuteten Geld und dem Fahrzeug erleichtern wollen. Dabei sei seine Einsichtsfähigkeit voll erhalten und seine Steuerungsfähigkeit zwar beeinträchtigt, aber nicht aufgehoben gewesen. Denn der Angeklagte habe die Situationen jeweils erkannt und adäquat gehandelt. Seine Taten hätten eine rationale Vorplanung und ein überlegtes Verhalten gefordert, wozu er in der Lage gewesen sei. Äußerliche Zeichen einer Verwirrtheit hätten sich nicht ergeben (UA 13/14).
16
Damit hat das Landgericht zwar begründet, warum es nicht von einer Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgegangen ist. Dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB sicher erheblich vermindert war, hat es dagegen nicht dargelegt. Hierzu wären aber gerade mit Rücksicht auf das festgestellte „rationale und überlegte Verhalten“ (UA 14) des Angeklagten nähere Ausführungen erforderlich gewesen. Die Feststellung, dass die Tatmotivation des Angeklagten psychotisch beeinflusst war, begründet für sich genommen noch nicht, dass er den sich daraus ergebenden Tatanreizen wesentlich weniger Widerstand entgegensetzen konnte als ein Durchschnittsbürger.
17
c) Damit bedarf auch der Maßregelausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Der neue Tatrichter wird – mit Blick auf das atypische Krankheitsbild gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen – dabei Gelegenheit haben, auch das Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung näher darzulegen (zum mehrstufigen Prüfungsaufbau vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2018 – 4 StR 446/17 Rn. 7 mwN).

III.


18
Die weitere Überprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Seine Täterschaft bei der Tat zum Nachteil des Geschädigten R. wird – trotz der knappen Darlegung des Ergebnisses der Wahllichtbildvorlagen – durch den Gesamtzusam- menhang der Urteilsgründe noch belegt. Dass der neue Tatrichter insoweit noch zu einer Schuldunfähigkeit des Angeklagten gelangen könnte, schließt der Senat aus.
Sost-Scheible Cierniak Bender
Quentin Bartel

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 524/06
vom
16. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. Januar 2007 gemäß § 349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. März 2006 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe der tateinheitlich begangenen vorsätzlichen (einfachen) Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (Fall II. 1 der Urteilsgründe, Einzelstrafe: zwei Jahre Freiheitsstrafe) sowie wegen hierzu in Tatmehrheit stehender weiterer tateinheitlich zusammentreffender Straftaten (Fall II. 2 der Urteilsgründe, Einzelstrafe: neun Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und gegen ihn eine isolierte Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von drei Jah- ren angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, führt lediglich zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung im Fall II. 1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und dem sich in das Fahrzeug des Angeklagten beugenden Polizeibeamten G. , der den Angeklagten an einer Weiterfahrt hindern wollte, zunächst zu einer Rangelei. G. versuchte die Handbremse zu ziehen und kam hierbei quer im vorderen Innenraum des Fahrzeugs zu Liegen. Im weiteren Verlauf der körperlichen Auseinandersetzung gelang es dem Angeklagten, sein Fahrzeug rückwärts in Gang zu setzen, so dass es schließlich gegen eine Böschung stieß. Durch den Anstoß fiel der Polizeibeamte aus dem Fahrzeug auf einen Gehweg; er erlitt „bei diesem Vorgang“ unter anderem einen Bruch des Brustbeins, eine Schwellung am rechten Auge, Schürfwunden am Armgelenk und Prellungen mehrerer Rippen.
4
b) Damit ist das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung nicht belegt. Die hier allein in Betracht kommende Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB („mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs“ ) setzt voraus, dass die Körperverletzung durch ein von Außen auf den Körper des Tatopfers einwirkendes gefährliches Tatmittel verursacht wird (vgl. Senat NZV 2006, 270, 271/272; NZV 2006, 483, 484 [zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB]; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 224 Rdn. 7; a.A. KG NZV 2006, 111 mit Anm. Krüger). Zwar ist ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung ei- ner Person eingesetzt wird, als ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Die Feststellungen ergeben jedoch nicht, dass die Verletzungen des Polizeibeamten durch eine Einwirkung des Kraftfahrzeugs auf seinen Körper verursacht worden sind. Soweit er sich diese - was unklar bleibt - bei dem Sturz aus dem Fahrzeug zugezogen hat, wäre der Körperverletzungserfolg erst durch den nachfolgenden Aufprall auf den Gehsteig und nicht „mittels“ des Kraftfahrzeugs eingetreten (vgl. Senat aaO).
5
c) Das Verhalten des Angeklagten erfüllt jedoch den Tatbestand einer (einfachen) Körperverletzung gemäß § 223 StGB. Der nach § 230 StGB zur Verfolgung erforderliche Strafantrag ist vom Verletzten form- und fristgerecht gestellt worden (vgl. Bl. 28 d.A.). Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab.
6
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler hat auf den Bestand des Strafausspruchs keine Auswirkung. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Körperverletzungshandlung die im Fall II. 1 der Urteilsgründe festzusetzende Einzelstrafe, die dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 315 b Abs. 3 StGB zu entnehmen war, niedriger bemessen hätte. Zwar hat das Landgericht insoweit rechtsfehlerhaft den Strafrahmen des § 315 Abs. 3 StGB zu Grunde gelegt und damit verkannt , dass § 315 b Abs. 3 StGB nur bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen auf diese Vorschrift verweist, im Übrigen aber über einen eigenen, im Höchstmaß niedrigeren (zehn statt fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe) Strafrahmen verfügt. Da das Landgericht sich bei der Bemessung der Einzelstrafe jedoch ersichtlich an dem unteren Mindestmaß des Strafrahmens orientiert hat, welches in beiden Bestimmungen gleich ist, ist nicht zu besorgen, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Jedenfalls erachtet der Senat die festgesetzte Einzelstrafe für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann
4
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats erfordert eine Verurteilung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass die Körperverletzung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eingetreten ist. Wird ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt, muss die körperliche Misshandlung also bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst worden sein. Erst infolge eines anschließenden Sturzes erlittene Verletzungen sind dagegen nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen (Senatsbeschlüsse vom 14. Januar 2014 – 4 StR 453/13, VD 2014, 137; vom 25. April 2012 – 4 StR 30/12, NStZ 2012, 697; vom 12. Februar 2015 – 4 StR 551/14).

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

1
1. Der Maßregelausspruch im angefochtenen Urteil ist dahin zu ergänzen , dass der Führerschein des Angeklagten eingezogen wird. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht der Nachholung dieser gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB zwingenden Anordnung nicht entgegen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 5, 168, 178).