Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2020 - 2 StR 5/20

bei uns veröffentlicht am12.02.2020
vorgehend
Landgericht Rostock, 427, Js 3324/19
Landgericht Rostock, 1, KLs 77/19

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 5/20
vom
12. Februar 2020
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2020:120220B2STR5.20.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. auf dessen Antrag – am 12. Februar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 21. August 2019 im Straf- und Adhäsionsausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Neben- und Adhäsionsklägerin entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere für Jugendschutzsachen zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zusätzlich hat es den Angeklagten dem Grunde nach verurteilt, der Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen. Darüber hinaus hat es die Verpflichtung ausgesprochen , der Adhäsionsklägerin alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr durch den sexuellen Übergriff vom 1. Februar 2019 entstehen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergehen. Schließlich hat es festgestellt, dass die Verpflichtung zur Leistung des Schadensersatzes auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig.
3
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt im Schuldspruch – Verurteilung wegen Vergewaltigung – keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
4
3. Hingegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.
5
a) Zutreffend geht die Strafkammer vom Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB aus, der Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsieht. Soweit die Revision beanstandet, das Landgericht habe in Folge unzureichender Abwägung rechtsfehlerhaft einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 9 StGB verneint, verfängt dies schon deshalb nicht, weil das Gesetz für eine Vergewaltigung nach § 177 Abs. 6 StGB einen minder schweren Fall nicht vorsieht. Gründe, etwa die Regelwirkung des Abs. 6 entfallen zu lassen, sind nicht ersichtlich.
6
b) Zutreffend rügt die Revision jedoch, dass dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nicht – wie vom Landgericht angenommen – ein sexueller Missbrauch nach § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB, sondern vielmehr ein sexueller Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB zugrunde liegt. Die erheblich alkoholisierte Nebenklägerin hat sexuelle Handlungen unmissverständlich abgelehnt, war aber nicht in der Lage, sich körperlich gegen den Angeklagten zur Wehr zu setzen. Mangelnde Durchsetzungsfähigkeit unterfällt § 177 Abs. 1 StGB (BGH, Beschluss vom 8. November 2017 – 2 StR 111/17, NStZ-RR 2018, 107 mwN). Der Senat schließt jedoch aus, dass der Strafausspruch auf der fehlerhaften Annahme des Absatzes 2 statt des Absatzes 1 beruht.
7
c) Durchgreifend rechtsfehlerhaft wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Doppelverwertung gemäß § 46 Abs. 3 StGB ist es jedoch, dass die Strafkammer im Rahmen ihrer Strafzumessung zu § 177 Abs. 6 StGB strafer- schwerend gewertet hat, „dass der Angeklagte die Geschädigte für die Befriedi- gung seiner sexuellen Bedürfnisse schamlos ausgenutzt hat“. Diese Erwägungen decken sich mit den Überlegungen, die den Gesetzgeber veranlasst haben, solche Taten überhaupt unter Strafe zu stellen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 StR 186/17, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Sexualdelikte 6; vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 703 f.; LK-StGB/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 260, 264 mwN). Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass die Verhängung der an sich maßvollen Freiheitsstrafe auf dieser fehlerhaften Erwägung beruht. Da es sich insoweit nur um einen Wertungsfehler handelt, können die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben.
8
4. Auch die Adhäsionsentscheidung unterliegt der Aufhebung und Zurückverweisung. Die Strafkammer hat es versäumt, ihre Entscheidung über den Adhäsionsantrag auch nur im Ansatz zu begründen, so dass dem Senat eine Überprüfung der Entscheidung unmöglich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 337). Da das Urteil auch im Übrigen teilweise aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist, ist dem Tatgericht Gelegenheit zu geben , auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2018 – 4 StR 170/18). Dazu weist der Senat auf Folgendes hin:
9
a) Der Antrag der Adhäsionsklägerin, bei dem es sich um eine besondere , von dem Gericht von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung handelt (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 – 3 StR 546/16, NStZ-RR 2017, 255), lautet auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht unter 8.000 Euro. Warum die Strafkammer der Adhäsionsklägerin lediglich dem Grunde nach Schmerzensgeld zugesprochen hat, ist ebensowenig nachvollziehbar wie der Umstand, dass sie dann nicht im Übrigen von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen hat (§ 406 Abs. 1 Sätze 3 bis 6 StPO).
10
b) Was den Ausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden anbelangt, verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts und auf seine dazu ergangenen Entscheidungen (Beschlüsse vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344; vom 23. April 2019 – 2 StR 79/19 und vom 22. Oktober 2019 – 2 StR 397/19, NStZRR 2020, 53).
Franke Appl Zeng Grube Schmidt
Vorinstanz:
Rostock, LG, 21.08.2019 - 427 Js 3324/19 12 KLs 77/19

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 111/17
vom
8. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:081117B2STR111.17.0


Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10. November 2016
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in zwei Fällen sowie Vergewaltigung verurteilt ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte die in den Jahren 1991 bzw. 1994 geborenen Nebenkläger D. und W. , die beide unter einer leichten bis mittelschweren Intelligenzminderung leiden, im Zuge der Aufnahme einer Liebesbeziehung zur Mutter der Nebenklägerin im Jahre 2007 kennen.
4
Ab dem Sommer 2010 kam es erst zum Nachteil der Nebenklägerin W. , ab dem Jahre 2012 auch zum Nachteil des Nebenklägers D. zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten, die bis April 2013 andauerten. Beide Nebenkläger wollten diese sexuellen Kontakte nicht. Aufgrund der jeweils vorliegenden Intelligenzminderung und den damit einhergehenden geistigen Einschränkungen waren sie jedoch nicht in der Lage, die sexuellen Handlungen des Angeklagten abzuwehren. Der Angeklagte, der um die jeweils vorliegende geistige Behinderung der beiden Nebenkläger wusste, nutzte diese Defizite in der Willensdurchsetzungsfähigkeit bei beiden Nebenklägern gezielt zur Tatbegehung aus. Innerhalb des maßgeblichen Tatzeitraums konnte die Kammer folgende drei Taten des Angeklagten feststellen:
5
1. Im Sommer 2010 entkleidete der Angeklagte in seiner Wohnung die Nebenklägerin W. . Sodann führte er seinen Mittelfinger in die Scheide der Nebenklägerin ein und bewegte ihn vor und zurück. Im Anschluss veranlasste der Angeklagte die Nebenklägerin W. dazu, sein erigiertes Glied mit der Hand zu ergreifen und zu reiben (Fall II.1. der Urteilsgründe).
6
2. Am 13. Juli 2012 veranlasste der Angeklagte in seiner Wohnung die Nebenkläger W. und D. dazu, mehrfach den ungeschützten Beischlaf bis zum Samenerguss des Nebenklägers D. in die Scheide der Nebenklägerin W. auszuüben. Der Angeklagte filmte das Geschehen und gab den Nebenklägern mehrfach Anweisungen im Hinblick auf die Beischlafhandlungen. Im Anschluss penetrierte der Angeklagte die Nebenklägerin W. mit einem „Dildo“, den der Nebenkläger D. auf Verlangen des Angeklagten in die Scheide der Nebenklägerin W. eingeführt hatte. Überdies setzte der Angeklagte während des Tatgeschehens eine sogenannte „Penispumpe“ am Glied des Nebenklägers D. und am Busen der Nebenklägerin W. ein (Fall II.2. der Urteilsgründe).
7
3. Um die Weihnachtszeit im Jahre 2012 hielten sich die Nebenkläger W. und D. erneut in der Wohnung des Angeklagten auf. An einem Morgen legte sich der Angeklagte zu den beiden Nebenklägern ins Bett. Sodann führte er seinen Finger in die Scheide der Nebenklägerin W. ein und bewegte ihn vor und zurück. Im Anschluss begab sich der Angeklagte mit dem Nebenkläger D. ins Badezimmer und führte an ihm – in sexuell motivierter Absicht – eine Intimrasur durch (Fall II.3. der Urteilsgründe).
8
Dem Angeklagten war bei allen festgestellten Taten bewusst, dass beide Nebenkläger mit den vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht einverstanden waren. Er nutzte bei der Tatbegehung jeweils aus, dass die Nebenkläger ihren entgegenstehenden artikulierten Willen auf Grund ihrer geistigen Behinderung nicht durchsetzen und infolgedessen die sexuellen Handlungen nicht abwehren konnten.

II.

9
1. Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
10
2. Die Sachrüge führt zu einer Schuldspruchänderung bezüglich Fall II.1. der Urteilsgründe und zur Aufhebung des diesbezüglichen Einzelstrafausspruchs sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
11
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann im Fall II.1. der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben, da die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) neu gestaltete Vorschrift des § 177 StGB bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB hier als mildestes Gesetz anzuwenden ist.
12
a) Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung machte sich strafbar, wer eine Person, die zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Opfer – zumindest vorübergehend – unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen.
Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung , die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in die auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; BGH, Beschluss vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; Beschluss vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZRR 2015, 44, 45; Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund einer umfas13 senden Gesamtbetrachtung rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Nebenkläger W. und D. wegen des Ausmaßes ihrer geistigen Behinderung insoweit widerstandsunfähig waren, als sie zwar in der Lage waren , einen den sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu äußern, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei den Taten nicht durchsetzen konnten.
Angesichts des in Fall II.1. der Urteilsgründe festgestellten Eindringens
14
des Mittelfingers des Angeklagten in die Scheide der NebenklägerinW. hat das Landgericht den Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF angenommen und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen, der einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.
15
Zugleich hat das Landgericht rechtsfehlerfrei begründet, dass bei Anwendung der Neuregelung des § 177 StGB von der Regelwirkung des Absatzes 6 Satz 2 Nr. 1 aufgrund der mildernden Gesamttatumstände abzusehen wäre und eine darüber hinaus gehende Annahme eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 9 StGB nF nicht in Betracht käme. Nach Auffassung des Landgerichts verbliebe es deshalb beim Strafrahmen des Qualifikationstatbestandes des § 177 Abs. 4 StGB nF, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht. Dieser Strafrahmen stelle gegenüber der Altvorschrift des minder schweren Falles aus § 179 Abs. 6 StGB aF nicht das mildere Gesetz dar, womit auch die Tat im Fall II.1. der Urteilsgründe nach § 179 StGB aF – vorliegendmit einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten – zu ahnden sei.
16
b) Diese Wertung des Landgerichts zur Bestimmung und Anwendung des mildesten Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Fall II.1. der Urteilsgründe nicht stand.
17
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Norm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/9097, S. 2 und S. 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 sowie in Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der unter Strafe stehenden Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit grundsätzlich einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17, NStZ 2017, 407; Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
18
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StGB nF sowie die Qualifikationsvorschrift des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter durchzusetzen, von diesen Normen des neuen Rechts aber nicht erfasst. Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung des Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241; Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 345/17, juris; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 177 Rn. 20; MünchKomm- StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60, 69). Der Strafrahmen des neuen Grundtatbestands des § 177 Abs. 1 StGB nF, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, enthält damit eine deutlich niedrigere Strafandrohung als sämtliche Strafrahmen der Altvorschrift des § 179 StGB aF.
19
c) Gemessen hieran ist nach neuem Recht im Fall II.1. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des Zustands der Nebenklägerin W. zunächst lediglich der Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nF gegeben. Da das Landgericht mit nicht zu beanstandenden Erwägungen ein Abweichen von der Regelwirkung des an sich verwirklichten besonders schweren Falles aus § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF angenommen und zugleich einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 9 StGB nF abgelehnt hat, verbleibt es beim Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nF, der nach § 2 Abs. 3 StGB als mildestes Gesetz anzuwenden ist.
20
aa) In Anwendung des mildesten Gesetzes in seiner Gesamtheit (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 StR 314/13, BGHSt 59, 271, 275; Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 167/14, wistra 2015, 148, 150) ändert der Senat im Fall II.1. der Urteilsgründe den Schuldspruch auf eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ab. Dass das Landgericht angesichts der Milderungsgründe von der Indizwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF – trotz Verwirklichung des Regelbeispiels – abgewichen ist, ändert nichts an der Bezeichnung der Tat als Vergewaltigung in der Urteilsformel (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2000 – 1 StR 78/00, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13; Beschluss vom 10. Mai 2001 – 3 StR 90/01, juris; BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 353, 357 mwN). Der Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen.
21
bb) Da der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen kann, dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des milderen Strafrahmens aus § 177 Abs. 1 StGB nF eine niedrigere Strafe im Fall II.1. der Urteilsgründe verhängt hätte, ist der Ausspruch über die Einzelstrafe und in der Folge über die Gesamtstrafe aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
22
3. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verurteilung im Übrigen richtet , bleibt es ohne Erfolg.
23
In den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe ist – bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise – die seit dem 10. November 2016 geltende Neuregelung des § 177 StGB gegenüber der vom Landgericht angewandten Vorschrift des § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.
24
Das Landgericht hat angesichts der Gesamttatumstände in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte sexuelle Handlungen zum Nachteil beider Nebenkläger vorgenommen hat, rechtsfehlerfrei sowohl die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF als auch ein Abweichen von der Indizwirkung des verwirklichten Regelbeispiels aus § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF abgelehnt. Der vom Landgericht folgerichtig zugrunde gelegte Strafrahmen aus § 179 Abs. 5 StGB aF, der Freiheitsstrafe von zwei bis zu 15 Jahren vorsieht, entspricht damit dem Strafrahmen des besonders schweren Falles aus § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB nF. Da die neue Vorschrift bei dieser nicht zu beanstandenden Betrachtungsweise kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt, hat das Landgericht beide Taten im Ergebnis zutreffend nach § 179 StGB aF strafrechtlich geahndet.
Krehl Eschelbach Bartel
Grube Schmidt

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 186/17
vom
7. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070617B4STR186.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 14. Dezember 2016 im gesamten Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Schutzbefohlenen in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit welcher er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
3
2. Der Strafausspruch hat dagegen keinen Bestand. Das Landgericht hat bei der Bestimmung des Strafrahmens für die Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und bei der Strafzumessung in allen Einzelfällen jeweils zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass „zwischen ihm und der Geschädigten ein erhebliches Altersgefälle vorliegt“ [UA 14]. Diese Erwägung stellt einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB dar. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt : „Das Verbot der Doppelverwertung erfasst über den Wortlaut des § 46 Abs. 3 StGB hinaus auch solche Umstände, die – ohne Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu sein – gerade den gesetzgeberischen Anlass für seine Schaffung bildeten oder für die Tat typisch sind (vgl. hierzu etwa Stree in Schönke/Schröder StGB 29. Aufl., § 46 Rn. 45c, 46 mwN). Das Bestehen eines Altersgefälles zwischen Täter und Opfer als solchem ist in dem Schutzzweck des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs eines Kindes und der Schutzaltersgrenze von 14 Jahren angelegt. Eine nicht unerhebliche Höhe dieses Altersgefälles, die im Fall des 1975 geborenen Beschwerdeführers und der 2004 und 2005 geborenen Geschädigten keineswegs auf der Hand liegt, ist für Taten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes zumindest typisch. Allenfalls in einer geringen Altersdifferenz zwischen einem (jugendlichen oder heranwachsenden) Täter und einem kindlichen Opfer kann ein strafzumessungsrechtlicher Sonderfall liegen, dem indes strafmildernde Wirkung zukommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Februar 2016 – 2 StR 9/16, juris Rn. 5 und vom 5. April 2005 – 4 StR 95/15, StV 2005, 387 jeweils mwN; vgl. insbesondere auch BT-Drucks. 13/8567 S. 32, 81; 15/350 S. 18).“
4
Zwar war der Angeklagte nicht nur deutlich älter als die Geschädigten, er nahm auch eine Vaterstellung mit entsprechender Autorität ihnen gegenüber ein. Diesen Umstand hat das Landgericht aber bereits durch die strafschärfend gewürdigte tateinheitliche Verwirklichung des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen berücksichtigt. Der Senat kann daher letztlich nicht ausschließen , dass ohne den Rechtsfehler auf niedrigere Strafen erkannt worden wäre. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt und die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hiervon nicht berührt sind, können diese bestehen bleiben.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Feilcke Paul

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 170/18
vom
18. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:180718B4STR170.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 1. a) und 3. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 18. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 14. November 2017
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte bezüglich der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße in der Gemeinde M. des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung schuldig ist;
b) aufgehoben aa) im Schuldspruch und Strafausspruch (1) soweit der Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist mit den zugehörigen Feststellungen; (2) soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin verurteilt worden ist; insoweit bleiben die Feststellungen aufrechterhalten;
bb) in den Einzelstrafaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte schuldig ist (1) des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung ; (2) der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin ; (3) der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin; cc) im Gesamtstrafenausspruch, im Maßregelausspruch und hinsichtlich der getroffenen Adhäsionsentscheidungen , jeweils mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Brandstiftung in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von einem Jahr festgesetzt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen zugunsten von drei Adhäsionsklägern getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte und die Nebenklägerin lebten seit 2015 als Paar in dem mit drei Wohnungen ausgestatteten Haus F. Straße in der Gemeinde M. . Der Angeklagte und die Nebenklägerin nutzten eine der beiden im Obergeschoss gelegenen Wohnungen. Die andere Wohnung im Obergeschoss wurde von der Zeugin S. S. und ihrem Sohn, dem Zeugen B. S. , genutzt. Die Zeugin K. lebte in der einzigen Wohnung im Untergeschoss.
4
Zu Beginn des Jahres 2017 beendete die Nebenklägerin die Beziehung zu dem Angeklagten. Der Angeklagte bezog auf dem Nachbargrundstück ein Zimmer im Haus der Familie Ka. . Aufgrund der örtlichen Nähe kam es weiterhin zu fast täglichen Kontakten zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten. Dieser zeigte sich eifersüchtig und vermutete zunächst ein Verhältnis zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen B. S. . Als in der Folge der Zeuge Ba. bei der Nebenklägerin einzog, ging der Angeklagte trotz anderslautender Beteuerungen der Nebenklägerin ebenfalls von einer intimen Beziehung aus.
5
Am Abend des 4. März 2017 gegen 22:00 Uhr beobachte der Angeklagte , wie sich die Nebenklägerin und der Zeuge Ba. auf dem Balkon ihrer Wohnung in aufgeheiterter Stimmung unterhielten, wobei es zu Körperkontakten kam. Der Angeklagte war enttäuscht und verärgert, da er seine Vermutung einer intimen Beziehung bestätigt sah. Gegen 23:00 Uhr begab er sich außer Haus, wobei er zwei Flaschen Wodka mitnahm, von denen er in der Folge in erheblicher Menge trank.
6
Im Laufe der Nacht fasste er den Entschluss, sich an der Nebenklägerin und deren mutmaßlichen Liebhabern – den Zeugen Ba. und B. S. – durch Inbrandsetzung ihrer Wohnungen zu rächen. Gegen 5:30 Uhr verschaffte er sich Zugang zu dem Haus F. Straße . Dort vergoss er im ersten Obergeschoss Benzin und entzündete dieses. Hierdurch kam es zu Flammenbildung und Rauchentwicklung. Am unteren Ende der in das erste Obergeschoss führenden Holztreppe verteilte und entzündete der Angeklagte weiteres Benzin. Zudem setzte er außerhalb des Hauses den Pkw der Nebenklägerin in Brand, ebenso wie eine ihr gehörende Kutsche und einen ihr gehörenden Bauwagen , der zur Aufbewahrung von Reitutensilien diente.
7
Die Zeugin K. bemerkte den Brand im Treppenhaus zeitnah und konnte das Haus noch rechtzeitig verlassen. Die vier Bewohner des ersten Obergeschosses mussten dagegen durch die herbeigerufene Feuerwehr vom Balkon gerettet werden. Sämtliche Hausbewohner erlitten gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das eingeatmete Rauchgas.
8
Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass er für alle Hausbewohner eine lebensbedrohliche Situation schuf. Bezüglich der Nebenklägerin, des Zeugen Ba. sowie des Zeugen B. S. wollte er dies auch. Den Tod der ZeuginnenK. und S. S. nahm er jedenfalls billigend in Kauf.
9
Nachdem er die Brände gelegt hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw davon – „wahrscheinlich“ in Richtung S-Bahnhof L. . Nunmehr bemühte er sich um ein Alibi, indem er verschiedenen Personen Mitteilungen machte über vermeintliche Unternehmungen in der vergangenen Nacht. Hierbei trank er weiter von dem mitgeführten Alkohol. Schließlich trat er mit dem Pkw den Heimweg an, wobei ihm bewusst war, dass er aufgrund des zuvor genossenen Alkohols fahruntüchtig war. Da er an seiner Wohnanschrift infolge der von ihm auf dem Nachbargrundstück gelegten Brände Polizeikräfte vermutete und er nicht die Fahrerlaubnis verlieren wollte, hielt er kurz hinter L. an, stellte sein Fahrzeug auf einem Waldweg ab und bat um 7:27 Uhr seinen Mitbewohner J. Ka. , ihn dort abzuholen. Dieser informierte jedoch die vor Ort anwesenden Polizeikräfte, so dass der Angeklagte kurze Zeit später im Bereich des Abstellortes seines Fahrzeuges festgenommen wurde. Dem Angeklagten um 8:41 Uhr und 9:11 Uhr entnommene Blutproben wiesen Blutalkoholkonzentrationen von 1,69 ‰ bzw. 1,59 ‰ aus.

II.


10
1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB verurteilt worden ist. Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung stand.
11
a) Die Verurteilung wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin unterliegt der Aufhebung, da sich aus den Feststellungen nicht ergibt, dass es sich bei dem in Brand gesetzten Bauwagen, wie von der Strafkammer angenommen, um eine Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelte.
12
Hütten sind Bauwerke, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist (vgl. RGSt 17, 179, 184; RGSt 73, 204, 205 f.; BayObLG, NJW 1989, 2704; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 25; MüKo-StGB/Radtke, 2. Aufl., § 306 Rn. 25; NK-StGB/Kargl, 5. Aufl., § 306 Rn. 3). Ein Bauwagen ist daher nur dann als Hütte von § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB erfasst, wenn er durch sein Eigengewicht auf dem Boden ruht, nicht jedoch, wenn er mit Rädern ausgestattet und jederzeit bewegbar ist (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1981, 482; hierauf Bezug nehmend BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 – 5 StR 182/05; vgl. auch Fischer, StGB, 65. Aufl., § 306 Rn. 3a; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 306 Rn. 4; MüKo-StGB/Radtke, aaO, § 306 Rn. 25).
13
Da das angefochtene Urteil keine näheren Feststellungen zur Beschaffenheit des Bauwagens enthält und insbesondere unklar bleibt, ob der Bauwagen durch das Vorhandensein von Rädern mobil war, sind die Voraussetzungen einer Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB nicht ausreichend dargetan. Da hierzu aber noch – ergänzende – Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen objektiven und subjektiven Feststellungen können bestehen bleiben.
14
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB – die Strafkammer ist ersichtlich von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen, was im Tenor hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1995 – 4 StR 189/95, DAR 1996, 175; Fischer, aaO, § 316 Rn. 42) – hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sich für die hierzu getroffenen Feststellungen kein Beleg findet.
15
In dem angefochtenen Urteil fehlt es an jeglicher Beweiswürdigung dazu, dass und zu welchem Zeitpunkt die Trunkenheitsfahrt stattgefunden hat. Ausführungen dazu, auf welcher Tatsachengrundlage die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte sein Fahrzeug noch kurz vor seiner Festnahme führte und somit ein die Fahruntüchtigkeit in Frage stellender Nachtrunk nicht stattgefunden hatte, enthält das Urteil nicht. Erörterungsbedarf bestand insoweit schon deshalb, weil es nach den Feststellungen jedenfalls nicht fernlag, dass sich der Angeklagte nach den Brandlegungen zeitnah an den Ort seiner späteren Festnahme begab, er dort weiteren Alkohol – mit Auswirkungen auf die Bewertung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit – zu sich nahm und sein Fahrzeug bis zu der Festnahme nicht mehr führte.
16
c) Im Übrigen begegnet der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken.
17
aa) Dies gilt auch für die Annahme tatmehrheitlichen Handelns des Angeklagten in Bezug auf die vier Brandlegungen. Nach den Feststellungen wurden die Brände nacheinander und unabhängig voneinander gelegt, so dass unter den gegebenen Umständen die Annahme von Tatmehrheit tragfähig belegt ist.
18
bb) Bezüglich der durch die Inbrandsetzung des Hauses F. Straße begangenen Delikte des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung ist lediglich aufgrund der Betroffenheit von fünf Tatopfern im Schuldspruch das Vorliegen von gleichartiger Tateinheit zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 169).
19
2. Soweit die Schuldsprüche Bestand haben, unterliegen die Strafaussprüche insgesamt der Aufhebung.
20
a) Hinsichtlich der gegen den Angeklagten wegen der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Das Landgericht hat das Vorliegen zweier Mordmerkmale – Heimtücke und Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels – straferschwerend berücksichtigt. Zwar begegnet die Annahme von Heimtücke keinen rechtlichen Bedenken, so dass der Schuldspruch wegen versuchten Mordes nicht in Frage steht. Die Annahme einer Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel wird von den Urteilsgründen mit Blick auf die hierfür erforderliche Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Menschen jedoch nicht getragen.
21
aa) Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 1. September 1992 – 1 StR 487/92, BGHSt 38, 353, 354; vom 4. Februar 1986 – 5 StR 776/85, BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005; vom 1. September 1992; jeweils aaO). Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine bestimmte Anzahl von ihm individualisierter Opfer richtet (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 16. März 2006 – 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504; vom 14. Januar 2010 – 4 StR 450/09, NStZ-RR 2010, 373, 374; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, aaO, § 211 Rn. 29; SK-StGB/ Sinn, 9. Aufl., § 211 Rn. 61; Rengier, Strafrecht – Besonderer Teil II, 19. Aufl., § 4 Rn. 47c; Zieschang, FS Puppe, 2011, S. 1301, 1318 ff.).
22
bb) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte den Tod der Nebenklägerin sowie der Zeugen B. S. und Ba. , während er den Tod der Zeuginnen S. S. und K. jedenfalls billigend in Kauf nahm. In diesem Sinne verhält sich auch die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten.
23
In der rechtlichen Würdigung zum Tötungsvorsatz führt die Strafkammer – hiervon abweichend – aber aus, dass der Angeklagte den Tod „jedenfalls der Bewohner der im ersten Obergeschoss liegenden Wohnungen“ gewollt habe; aus dem Umstand, dass er die in das erste Obergeschoss führende Treppe entzündet habe, um den dortigen vier Bewohnern die Fluchtmöglichkeit zu nehmen, sei direkter Tötungsvorsatz zu folgern gewesen.
24
Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst. Die Reichweite der Tötungsabsicht des Angeklagten ist somit unklar, so dass nicht auszuschließen ist, dass jedenfalls bezüglich aller im ersten Obergeschoss aufhältigen Personen eine dem Mordmerkmal nicht unterfallende versuchte („schlichte“) Mehrfachtötung vorlag. Die Urteilsgründe bieten auch keinen An- halt dafür, dass der Angeklagte damit rechnete und billigte, dass sich neben den üblichen Bewohnern zur Tatzeit weitere Menschen in dem Haus aufhielten oder dass das Feuer auf Nachbargebäude überzugreifen drohte, was die Annahme des Mordmerkmals hätte rechtfertigen können. Die Gefährdung nur einer weiteren, nicht als Tatopfer anvisierten Person, der Zeugin K. , reicht zur Begründung der Gemeingefährlichkeit indes nicht aus, da sich hieraus gerade nicht eine – über die versuchte Mehrfachtötung hinausgehende – Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Personen ergibt.
25
b) Soweit der Angeklagte gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB wegen der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, hat der Strafausspruch ebenfalls keinen Bestand, da es insoweit im angefochtenen Urteil an jeglichen tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlt. Sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 306 Abs. 2 StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer lediglich pauschal auf die Strafzumessungs- erwägungen, die sie zu dem versuchten Mord angestellt hat, verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind aber überwiegend auf das versuchte Tötungsdelikt zugeschnitten und ohne Bezug zu dem Brandstiftungsdelikt. Dagegen bleiben bezüglich der Brandstiftung am Pkw der Nebenklägerin relevante Strafzumessungsgesichtspunkte unerörtert, wie etwa die Schadenshöhe (vgl. BeckOKStGB /von Heintschel-Heinegg, Stand: 1. Mai 2018, § 306 Rn. 46; LK-StGB/ Wolff, aaO, § 306 Rn. 50; zum Schutzzweck der Norm zuletzt BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 598/17 mwN).
26
c) Zudem hat die wegen der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin (§ 303 Abs. 1 StGB) verhängte Einzelstrafe von 90 Tagessätzen keinen Bestand, da auch hier jegliche tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlen und nur pauschal festgehalten wird, dass die Strafe „nach Abwä- gung aller Umstände“ für tat- und schuldangemessen gehalten worden ist.
27
3. Die teilweise Aufhebung der Schuldsprüche und der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Aufhebung des Schuldspruchs nach § 316 Abs. 1 StGB führt auch zur Aufhebung der Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB.
28
4. Die Adhäsionsentscheidungen haben insgesamt keinen Bestand.
29
a) Soweit das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin getroffen hat, mangelt es bereits an dem nach § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Adhäsionsantrag, was von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 StR 536/16, StraFo 2017, 285; vom 16. Dezember 2008 – 4 StR 542/08, NStZ 2009, 586; KK-StPO/Zabeck, 7. Aufl., § 404 Rn. 1).
30
aa) Dieser Adhäsionsentscheidung liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
31
Die Nebenklägerin hat zunächst schriftsätzlich einen Adhäsionsantrag „unter der Bedingung der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe“ gestellt und dabei auf einen anliegenden „Antragsentwurf“ verwiesen. Am vorletzten Hauptverhandlungstag ist der Nebenklägerin – unter Beiordnung von Rechtsanwalt Fe. – Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Hieran anschließend ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Sach- und Rechtslage erörtert worden, wobei der Verteidiger für den Angeklagten erklärt hat, der Anspruch der Nebenklägerin werde dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Weitere Erklärungen der Nebenklägerin oder ihres Vertreters zum Adhäsionsverfahren ergeben sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht.
32
bb) Damit liegt ein ordnungsgemäß gestellter Adhäsionsantrag nicht vor. Wird nämlich ein solcher unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung angebracht, so ist nach erfolgter Bewilligung gleichwohl noch eine Antragstellung gemäß § 404 Abs. 1 StPO erforderlich; allein das Prozesskostenhilfeverfahren führt noch nicht zur Rechtshängigkeit der Adhäsionsanträge (BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 StR 536/16, aaO; vom 23. Juli 2015 – 3 StR 194/15; vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Antragstellung 1; jeweils mwN).
33
Der Adhäsionsantrag der Nebenklägerin ist indes unmissverständlich unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden, was sich auch aus dem Verweis auf einen bloßen „Antragsentwurf“ ergibt. Nachdem durch das Gericht Prozesskostenhilfe gewährt worden war, ist eine Antragstellung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht mehr erfolgt. Ein sol- cher Antrag wäre gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO zu protokollierengewesen (BeckOK-StPO/Ferber, Stand: 1. Juni 2018, § 404 Rn. 5; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5). Die bloße Erörterung der Sach- und Rechtslage ersetzt die erforderliche Antragstellung nicht.
34
b) Die Anträge der Adhäsionskläger S. S. und B. S. genügen nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO, da beide Adhäsionskläger nur beantragt haben, den Angeklagten zu einer Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen, ohne den begehrten Betrag näher einzugrenzen.
35
Ein Adhäsionsantrag hat jedoch inhaltlich den Anforderungen an eine Zivilklage (§ 253 ZPO) zu genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 9; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Wenn der Umfang der beantragten Geldleistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden; das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe einer Größenordnung, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1981 – VI ZR 162/80, NJW 1982, 340; vom 30. April 1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350; Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, 224; vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, aaO; BeckOK-StPO/Ferber, aaO, § 404 Rn. 1). Deshalb fehlt es an der von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO geforderten Bestimmtheit, wenn – wie hier – der Adhäsionskläger keine Angaben zur Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, und vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15 , jeweils aaO).
36
c) Der Senat verweist die Sache auch bezüglich des Adhäsionsverfahrens zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Zwar soll regelmäßig eine Zurückverweisung allein zur Entscheidung über einen Adhäsionsantrag unterbleiben; in diesen Fällen soll vielmehr von einer Entscheidung über die Entschädigung des Verletzten ganz abgesehen werden (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 27. März 1987 – 2 StR 106/87, NStZ 1988, 237, 238; vom 29. Juli 2003 – 4 StR 222/03, juris Rn. 5; vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 337). Jedoch hebt der Senat das Urteil auch im Übrigen teilweise auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Damit hat das neue Tatgericht Gelegenheit – nach entsprechender Antragstellung –, auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, aaO; vom 14. September 2017 – 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25).

III.


37
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
38
1. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung und der Bestimmung des Schuldumfangs bezüglich des versuchten Tötungsdelikts auch das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe in den Blick zu nehmen (vgl. zu einer aus Eifersucht erfolgten Tötung BGH, Urteile vom 22. März 2017 – 2 StR 656/13; vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692; Beschluss vom 21. Dezember 2000 – 4 StR 499/00, StV 2001, 571; vgl. zur Tötung des „Nebenbuhlers“ BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 5 StR 99/14, juris Rn. 13). Diesbezüglich sind ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, zulässig.
39
2. Bezüglich der Inbrandsetzung des Bauwagens wird für den Fall des Nichtvorliegens einer Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB darauf hingewiesen , dass es für die Annahme einer Sachbeschädigung sowohl an einem Strafantrag als auch an der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses fehlt (§ 303c StGB).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Quentin Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 546/16
vom
23. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
ECLI:DE:BGH:2017:230217B3STR546.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 20. Juli 2016 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu Jugendstrafe verurteilt. Außerdem hat es beiden Nebenklägerinnen im Adhäsionsverfahren ein Schmerzensgeld zugesprochen. Mit seiner auf den Strafausspruch beschränkten Revision beanstandet der Angeklagte , gestützt auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts, die Bemessung der Jugendstrafe. Die Überprüfung des Strafausspruchs hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
1. Entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts hat auch die Adhäsionsentscheidung Bestand.
3
Zwar führt er zutreffend aus, dass es hier an von den Nebenklägerinnen wirksam gestellten Adhäsionsanträgen mangelt. Der Adhäsionsantrag des Verletzten ist eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung für den Ausspruch über die Entschädigung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Oktober 2007 - 3 StR 426/07, StV 2008, 127; vom 16. Dezember 2008 - 4 StR 542/08, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 6; LR/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 404 Rn. 1 mwN). Nach dem eindeutigen Wortlaut seines - auf die Aufhebung des Strafausspruches gerichteten - Revisionsantrags hat der Angeklagte die Adhäsionsentscheidung jedoch nicht angefochten (s. auch § 406a Abs. 3 Satz 2 StPO), so dass diese gemäß § 352 StPO nicht der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegt. Die Beschränkung des Rechtsmittels hat dazu geführt, dass die Adhäsionsentscheidung in Rechtskraft erwachsen ist (vgl. - für die Anfechtung des Schuld- und Strafausspruchs durch die Staatsanwaltschaft - BGH, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98; so auch Radtke/Hohmann/Merz, StPO, § 406a Rn. 3; enger - nur bei Rechtskraft auch des Schuldspruchs - OLG Celle, Beschluss vom 23. Februar 2015 - 32 Ss 184/14, StraFo 2015, 327 f.; LR/Hilger aaO, § 406a Rn. 9; Meyer-Goßner /Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 406 Rn. 6 mwN).
4
Eine Fallgestaltung, in der trotz Teilrechtskraft das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu berücksichtigen ist, ist hier nicht gegeben. Insoweit ist von Folgendem auszugehen:
5
Wenn im Verfahren wegen einer oder mehrerer Taten nur einzelne Bestandteile des Urteils, etwa der Strafausspruch, angefochten werden (sog. horizontale Teilrechtskraft), sind Verfahrensvoraussetzungen stets zu prüfen; denn sie betreffen unmittelbar auch die angefochtenen Bestandteile. Wenn im Verfahren wegen mehrerer Taten das Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen einzelner Taten beschränkt wird (sog. vertikale Teilrechtskraft), ist danach zu differenzieren, ob die Einzelstrafen, gegen die sich die Revision wendet, mit den rechtskräftigen Einzelstrafen auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen waren. In diesem (Regel-)Fall ist durch die Beschränkung des Rechtsmittels auch hin- sichtlich der von ihm ausgenommenen Taten insoweit keine Rechtskraft eingetreten , als die Gesamtstrafe in Frage steht, so dass Verfahrensvoraussetzungen zu prüfen sind. Hatte das Tatgericht eine solche Gesamtstrafe indes nicht zu bilden, wirkt sich das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung, soweit Rechtskraft eingetreten ist, nicht mehr aus (so BGH, Urteil vom 11. November 1955 - 1 StR 409/55, BGHSt 8, 269, 270 f.; vgl. zum Ganzen - weitergehend gegen die Beachtlichkeit von Verfahrenshindernissen in den Fällen vertikaler Teilrechtskraft - LR/Franke aaO, § 337 Rn. 26, § 344 Rn. 66; MeyerGoßner /Schmitt aaO, Einl Rn. 151 ff., jew. mwN).
6
Übertragen auf die hier zu beurteilende Verfahrenskonstellation bedeuten diese Grundsätze, dass das Fehlen der Verfahrensvoraussetzung der wirksamen Antragstellung nicht mehr zu prüfen ist, wenn die Adhäsionsentscheidung in Rechtskraft erwachsen ist. Bei dem teilangefochtenen strafrechtlichen Teil des Urteils einerseits und seinem nicht angefochtenen bürgerlich-rechtlichen Teil andererseits handelt es sich um voneinander verschiedene Prozessgegenstände , wobei die Verfahrensvoraussetzung ausschließlich den Adhäsionsausspruch betrifft, für den Strafausspruch indes keine Bedeutung gewinnen kann.
7
2. Dass der Generalbundesanwalt gemäß § 349 Abs. 4 StPO beantragt hat, das teilangefochtene Urteil im Adhäsionsausspruch aufzuheben und von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abzusehen, hindert den Senat nicht, die Revision insgesamt gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen; denn der Aufhebungsantrag bezieht sich allein auf den von der Revision nicht angefochtenen Teil des Urteils. Insoweit bedarf es keiner Entscheidung des Senats. Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 79/19
vom
23. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:230419B2STR79.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 1.a) auf dessen Antrag – und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. April 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen :
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 31. Oktober 2018 wird als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe, dass
a) Zinsen auf das Schmerzensgeld für die Nebenklägerinnen jeweils ab dem 14. September 2018 zu zahlen sind und
b) der Ausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung von Schadenersatz für alle materiellen und immateriellen Schäden, die der Nebenklägerin

R.

aus den Taten zukünftig entstehen, aufgehoben wird. Insoweit wird von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Neben- und Adhäsionsklägerinnen hierdurch verursachten besonderen Auslagen zu erstatten. Jedoch trägt die Staatskasse die durch den Feststellungsausspruch für die Nebenklägerin R. entstandenen zusätzlichen Auslagen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in fünf Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mitvorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den Vorwegvollzug von zwei Jahren und drei Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet. Ferner hat das Landgericht den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerin R. ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro und an die Nebenklägerin K. ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. September 2018 zu zahlen. Dazu hat es festgestellt, dass die Ansprüche der Nebenklägerin R. aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühren. Schließlich hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin R. sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die zukünftig aus dem schweren sexuellen Missbrauch entstehen, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergangen sind.
2
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen die strafrechtliche Verurteilung richtet. Hinsichtlich der Aussprüche im Adhäsionsverfahren führt es zu den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderungen.
3
1. Der Ausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes nebst Zinsen an die Adhäsionsklägerinnen ist rechtlich im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Jedoch ist der Zeitpunkt des Zinsbeginns dahin zu ändern, dass die Verpflichtung des Angeklagten zur Zinszahlung nicht am 13. September 2018, dem Tag des Eingangs der Antragsschriften bei Gericht, sondern am 14. September 2018 beginnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Verpflichtung zur Zinszahlung gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 96 mwN).
4
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet der Ausspruch über die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin

R.

sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen hat, die aus dem schweren sexuellen Missbrauch zukünftig entstehen, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergegangen sind.
5
a) Dieser Ausspruch ist wegen Fehlens einer auf den Einzelfall bezogenen Begründung rechtsfehlerhaft.
6
aa) Auch der Feststellungsausspruch bedarf grundsätzlich einer – gegebenenfalls kurzen – Begründung mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344), soweit sich der Ausspruch nicht ohne weiteres aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erklärt. Daran fehlt es hier.
7
bb) Die Urteilsgründe enthalten nur die floskelhafte Bemerkung, es sei festzustellen, dass der Angeklagte „alle immateriellen Schäden zu ersetzen habe“. Das reicht nicht aus.

8
(1) Bezüglich künftiger materieller Schäden der am 6. Oktober 2006 geborenen Nebenklägerin R. findet sich im Urteil kein Anhaltspunkt für die Wahrscheinlichkeit solcher Zukunftsschäden der Adhäsionsklägerin aufgrund der Straftaten des Angeklagten.
9
(2) Auch die Wahrscheinlichkeit künftiger immaterieller Schäden, die nicht bereits von dem Ausspruch über die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000 Euro umfasst sind, erschließt sich nicht.
10
Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld , so werden nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes davon alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden können (st. Rspr., BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15, NJW-RR 2018, 1426, 1427 mwN). Daher war auch die Feststellung des Landgerichts, dass sich die Adhäsionsklägerin R. seit Juli 2018 weiterhin in psychotherapeutischer Behandlung befindet, bereits in die Bemessung des Umfangs der Zahlungspflicht des Angeklagten aufgrund der Leistungsklage einzubeziehen. Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit anderer zukünftiger immaterieller Schäden enthalten die Urteilsgründe nicht.
11
b) Der Feststellungsausspruch ist daher aufzuheben. Danach ist auszusprechen , dass von einer Entscheidung über den geltend gemachten Feststellungsanspruch abzusehen ist (§ 406 Abs. 3 Satz 3 StPO). Eine Zurückverweisung der Sache nur zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens scheidet aus (vgl. Senat, Beschluss vom 27. März 1987 – 2 StR 106/87, BGHR StPO § 405 Feststellungsmangel 1; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011 – 5 StR 471/11, BeckRS 2012, 1453).
12
3. Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Revision zum Adhäsionsausspruch Erfolg hat, aus § 472a Abs. 2 StPO, im Übrigen aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.
Franke Krehl Eschelbach Zeng Meyberg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 397/19
vom
22. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
ECLI:DE:BGH:2019:221019B2STR397.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 1. a) auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 22. Oktober 2019 gemäß § 349 Abs. 2 undAbs. 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 28. März 2019 wird als unbegründet verworfen , jedoch mit der Maßgabe, dass
a) Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf das Schmerzensgeld für die Nebenklägerinnen A. A. und F. A. jeweils ab dem 16. März 2019 zu zahlen sind und
b) der Ausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz für alle immateriellen Schäden , die den Nebenklägerinnen U. V. , A. A. und F. A. aus den Taten zukünftig entstehen, aufgehoben wird. Insoweit wird von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abgesehen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Neben- und Adhäsionsklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Jedoch trägt die Staatskasse die durch den Feststellungsausspruch für die Nebenklägerinnen entstandenen zusätzlichen Auslagen, soweit jeweils von einer Entscheidung abgesehen worden ist.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen undwegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat das Landgericht den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerinnen U. V. und F. A. ein Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 8.000 Euro und an die Nebenklägerin A. A. ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. März 2019 (Nebenklägerin U. V. ) bzw. seit dem 15. März 2019 (Nebenklägerinnen A. und F. A. ) zu zahlen. Es hat festgestellt, dass die Ansprüche der Nebenklägerinnen jeweils aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühren, und dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Nebenklägerinnen sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aufgrund der abgeurteilten Taten entstehen werden, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.
2
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel ist im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen die strafrechtliche Verurteilung richtet. Hinsichtlich der Aussprüche im Adhäsionsverfahren führt es zu den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderungen.
3
1. Der Ausspruch über die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes nebst Zinsen an die Adhäsionsklägerinnen ist recht- lich im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Jedoch ist der Zeitpunkt des Zinsbeginns dahin zu ändern, dass die Verpflichtung des Angeklagten zur Zinszahlung , soweit es die Nebenklägerinnen A. und F. A. betrifft, nicht am 15. März 2019, dem Tag des Eingangs der Antragsschriften bei Gericht, sondern am 16. März 2019 beginnt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Verpflichtung zur Zinszahlung gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 96 m. Anm. DehneNiemann ; Senat, Beschlüsse vom 23. April 2019 – 2 StR 79/19, juris Rn. 3, und vom 26. Juni 2019 – 2 StR 190/19, juris Rn. 2, jeweils mwN).
4
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet der Ausspruch über die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, allen drei Nebenklägerinnen sämtliche immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus den abgeurteilten Taten zukünftig entstehen, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergegangen sind.
5
a) Dieser Ausspruch ist wegen Fehlens einer auf den Einzelfall bezogenen Begründung rechtsfehlerhaft.
6
aa) Auch der Feststellungsausspruch bedarf grundsätzlich einer – gegebenenfalls kurzen – Begründung mit Blick auf die Umstände des Einzelfalls (vgl. Senat, Beschlüsse vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344 und vom 23. April 2019 – 2 StR 79/19, juris Rn. 6), soweit sich der Ausspruch nicht ohne Weiteres aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erklärt. Daran fehlt es hier.
7
bb) Anders als hinsichtlich künftiger materieller Schäden ist weder dem Feststellungsausspruch noch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen, dass künftig immaterielle Schäden, die nicht bereits von dem Ausspruch über die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung der Schmerzensgeldbeträge umfasst sind, wahrscheinlich entstehen werden.
8
Verlangt der Geschädigte für erlittene Verletzungen ein Schmerzensgeld, so werden nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes davon alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten undobjektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden können (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15, NJW-RR 2018, 1426, 1427 mwN; Senat, Beschluss vom 23. April 2019 – 2 StR 79/19, juris Rn. 10). Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit anderer als bereits bei der Bemessung der Schmerzensgelder in den Blick genommener zukünftiger immaterieller Schäden enthalten die Urteilsgründe nicht.
9
b) Der Feststellungsausspruch ist daher aufzuheben. Danach ist auszusprechen , dass von einer Entscheidung über den geltend gemachten Feststellungsanspruch abzusehen ist (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO). Eine Zurückverweisung der Sache nur zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsverfahrens scheidet aus (vgl. Senat, Beschluss vom 27. März 1987 – 2 StR 106/87, BGHR StPO § 405 Feststellungsmangel 1; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011 – 5 StR 471/11, BeckRS 2012, 1453).
10
3. Die Kostenentscheidung folgt, soweit die Revision zum Adhäsionsausspruch Erfolg hat, aus § 472a Abs. 2 StPO, im Übrigen aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO.
Franke Eschelbach Zeng Meyberg Grube