Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2009 - 1 StR 382/09

18.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 382/09
vom
18. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2009 beschlossen
:
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen
das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 3. Juli 2008 und
seine Revision gegen dieses Urteil werden als unzulässig verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seiner Revision zu tragen.

Gründe:


I.

1
Das Landgericht Ansbach hat den Angeklagten am 3. Juli 2008 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 33 Fällen und wegen der Abgabe von Betäubungsmitteln und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen unter Auflösung der im Urteil des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. vom 22. Mai 2007 gebildeten Gesamtstrafe und unter Einbeziehung der dort festgesetzten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten, sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Mit Schreiben vom 8. Juni 2009 an das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der Verteidiger des Angeklagten "Revision gegen das der Verurteilung zugrunde liegende Urteil" eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Angeklagte seinen früheren Verteidiger, der ihn in der ersten Instanz vor dem Landgericht vertreten habe, nach der an einem Donnerstag erfolgten Urteilsverkündung beauftragt habe, Revision einzulegen. Der Verteidiger habe dem Angeklagten versprochen, ihn am folgenden Montag in der Haft aufzusuchen. Der Verteidiger habe diesen Termin aber nicht wahrgenommen, sondern den Angeklagten erst acht oder neun Tage nach der Urteilsverkündung, und damit nach Ablauf der Frist zur Revisionseinlegung, in der Haft aufgesucht. Eine Revisionseinlegung sei nicht erfolgt. Der Angeklagte habe aufgrund des bestehenden Mandats und der getroffenen Absprache mit seinem früheren Rechtsanwalt aber darauf vertrauen können, dass dieser innerhalb der gesetzlichen Frist Revision gegen das Urteil des Landgerichts einlegen würde. Die Fristversäumung sei deshalb nicht von dem Angeklagten verschuldet.

II.

2
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist unzulässig.
3
1. Der Angeklagte hat seinen Antrag auf Wiedereinsetzung nicht fristgemäß gestellt. In einem Schreiben vom 11. August 2008 an das Landgericht Darmstadt (Blatt 4 der Beiakte 351 Js - StA Nürnberg-Fürth) legt der Angeklagte nicht nur "Beschwerde" gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 3. Juli 2008 ein, sondern er teilt auch mit, dass ihn sein damaliger Anwalt erst zwei Tage nach Ablauf der "Beschwerdefrist" in der Haftanstalt besucht habe. Danach hatte der Angeklagte spätestens am 12. Juli 2008 Kenntnis von der Versäumung der Rechtsmittelfrist und hätte daher das Wiedereinsetzungsgesuch binnen einer Woche nach Kenntniserlangung bei dem Gericht stellen müssen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das an das Landgericht Nürnberg-Fürth adressierte Wiedereinsetzungsgesuch vom 8. Juni 2009 war daher nicht nur an das unzuständige Gericht gerichtet, sondern - nahezu ein Jahr nach Kenntniserlangung von der Versäumung der Revisionseinlegungsfrist - auch verfristet.
4
2. Der Angeklagte hat den von ihm geltend gemachten Hinderungsgrund, nämlich einen von seinem früheren Verteidiger nicht ausgeführten Auftrag zur Revisionseinlegung, nicht glaubhaft gemacht (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Eine anwaltliche Versicherung seines früheren Verteidigers zur Bestätigung des behaupteten Pflichtverstoßes ist von dem Angeklagten weder vorgelegt noch angeboten worden.
5
3. Ein Verschulden des Angeklagten an der Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) kann schließlich ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere ist nichts dazu vorgetragen, warum der Angeklagte angesichts des unmittelbar bevorstehenden Fristablaufs nicht selbst bei Gericht Revision eingelegt hat. Warum es dem Angeklagten aufgrund seiner Inhaftierung nicht möglich gewesen sein soll, mit seinem Verteidiger telefonisch Kontakt aufzunehmen, nachdem dieser den vereinbarten Besuchstermin innerhalb der Frist ohne Angaben von Gründen nicht wahrgenommen hatte, ist nicht dargelegt worden.

III.

6
Die Revision des Angeklagten ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Da dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann, ist seine Revision nicht fristgerecht eingelegt worden. Außerdem lässt sie nicht erkennen, dass sie gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 3. Juli 2008 gerichtet ist. Dies ergibt sich erst aus dem in der Beiakte befindli- chen Schriftverkehr zwischen dem Angeklagten und dem Landgericht Nürnberg -Fürth. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2009 - 1 StR 382/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2009 - 1 StR 382/09

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2009 - 1 StR 382/09 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 45 Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de

Strafprozeßordnung - StPO | § 341 Form und Frist


(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des A

Referenzen

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Revision muß bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden.

(2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung, sofern nicht in den Fällen der §§ 234, 329 Absatz 2, § 387 Absatz 1, § 411 Absatz 2 und § 434 Absatz 1 Satz 1 die Verkündung in Anwesenheit des Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht stattgefunden hat.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.