Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 02. Dez. 2015 - 4 A 732/11

bei uns veröffentlicht am02.12.2015

Tenor

1. Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung des Beklagten vom 30.08.2010 und sein Widerspruchsbescheid vom 18.03.2011 werden aufgehoben, soweit sie einen Betrag von 9,03 € übersteigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks…., …, Gemarkung …, Flur …, Flurstück …, eingetragen im Grundbuch von …, Amtsgericht …, Blatt …

3

Mit Trinkwasseranschlussbeitragsbescheid vom 08.04.2009, Bescheidnummer …, setzte der Beklagte für vorgenanntes Grundstück einen Trinkwasseranschlussbeitrag i.H.v. 440,33 € fest. Aufgrund einer Umsatzsteuerkorrektur verminderte er mit Bescheid vom 22.06.2010 den eingeforderten Betrag auf 395,93 €.

4

Mit Verwaltungsgebührenbescheid vom 10.05.2010, Bescheidnummer …, setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für einen Wasserzählerwechsel aufgrund einer Beschädigung eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 36,47 € fest. Den gegen diesen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2010 zurück. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 29.06.2010 Gegenvorstellung.

5

Mit Schreiben vom 28.09.2009 und 22.10.2009, jeweils im Postausgangsbuch des Beklagten verzeichnet am 29.09.2009 und 23.10.2009, mahnte der Beklagte den vorgenannten Anschlussbeitrag an.

6

Mit Schreiben vom 29.07.2010, im Postausgangsbuch des Beklagten am selben Tag verzeichnet, mahnte der Beklagte die vorgenannte Verwaltungsgebühr an.

7

Am 30.08.2010 erließ der Beklagte eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, mit der er Forderungen der Klägerin gegen die Drittschuldnerin aus der bestehenden Geschäftsverbindung bis zu einem Betrag i.H.v. 508,40 € nebst Kosten der Vollstreckung und weiteren Säumniszuschlägen pro angefangenen Monat pro Tag i.H.v. 0,12 € ab dem 30.08.2010 pfändete und die Einziehung der gepfändeten Forderungen anordnete. Der Pfändungsbetrag setzte sich wie folgt zusammen:

8

Kundennummer

Bescheidnummer

 Betrag (EUR)

                 

  395,93
  36,47

Summer der Forderungen

        

 432,40

Säumniszuschläge bis:

8/30/2010

  56,00

Bisherige Nebengebühren

        

  14,40

Kosten der Vollstreckung

(Gebühren, Auslagen)

  5,60

Gesamtbetrag

        

 508.40

9

Wegen der Einzelheiten wird auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, welche sich in den Verwaltungsvorgängen befindet, verwiesen.

10

Der Beklagte ließ die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Drittschuldnerin am 31.08.2010 zustellen. Der Klägerin ist sie am 03.09.2010 zugegangen.

11

Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung legte die Klägerin am 04.10.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass ihr weder Mahnungen über die gepfändeten Beträge zugegangen seien noch dem gepfändeten Betrag vollstreckbare Bescheide zu Grunde lägen. Unklar sei ihr insbesondere der aufgeführte Betrag i.H.v. 395,93 €. Ihr sei niemals ein entsprechender Bescheid zugegangen.

12

Sowohl aus den Verwaltungsvorgängen als auch aus der Gerichtsakte ergibt sich, dass es beim Beklagten und auf Seiten des Gerichts aufgrund mehrerer Adressänderungen der Klägerin mehrfach zu Zustellungsschwierigkeiten gekommen ist. Nachdem der Beklagte zunächst die von der Klägerin angegebene Postfachadresse „Postfach …“ verwendet hatte, änderte er - offenbar erstmals am 18.06.2010 - die Anschrift der Klägerin zu „…“. Nachdem ihm - auf seine Anfrage hin - der Oberbürgermeister der Stadt … am 24.11.2010 mitgeteilt hatte, dass die Klägerin mit der Anschrift „…“ gemeldet sei, änderte er die Anschrift der Klägerin entsprechend. Aufgrund weiterhin gescheiterter Zustellversuche an diese Adresse fragte der Beklagte erneut bei der Stadtverwaltung … zwecks Ermittlung der Adresse der Klägerin an. Daraufhin teilte ihm der Oberbürgermeister der Stadt … am 17.02.2011 mit, dass die Klägerin mit der Anschrift „… / Postfach…“ gemeldet sei.

13

Den Widerspruch gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2011, der Klägerin nach eigenen Angaben zugegangen am 28.03.2011, zurück. Rechtsgrundlage sei Art. 3 Abs. 1 des Verwaltungsrechtseinführungsgesetzes M-V (nachfolgend EGVwR M-V) i.V.m. §§ 309, 314 AO. Der Anschlussbeitragsbescheid vom 08.04.2009 sei der Klägerin spätestens am 11.04.2009 zugegangen, sodass er spätestens am 11.05.2009 mangels eingelegten Widerspruchs bestandskräftig gewesen sei. Aus seinem Postausgangsbuch ergebe sich unter der laufenden Nummer 1176, dass er den Beitragsbescheid am 08.04.2009 zur Post aufgegeben habe. Der Verwaltungsgebührenbescheid sei einen Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides bestandskräftig geworden.

14

Die Drittschuldnerin hat auf die Pfändungs- und Überweisungsverfügung in zwei Raten insgesamt einen Betrag in Höhe von 9,03 € an den Beklagten überwiesen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einer Überweisung i.H.v. 6,02 € und dem ausweislich einer Mitteilung der Drittschuldnerin an den Beklagten vom 31.05.2013 nach Auflösung des Kontos verbliebenen Guthaben der Klägerin i.H.v. 3,01 €.

15

Am 28.04.2011 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen unter Wiederholung ihrer Begründung des Widerspruchs vertiefend vorträgt:

16

Der Verwaltungsgebührenbescheid vom 10.05.2010 sei weder bestandskräftig noch fällig noch vollstreckbar.

17

Die Klägerin beantragt der Sache nach,

18

die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 30.08.2010 und seinen Widerspruchsbescheid vom 18.03.2011 aufzuheben.

19

Der Beklagte beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Zur Begründung trägt der Beklagte unter Wiederholung seiner Begründung des Widerspruchsbescheids ergänzend vor:

22

Er habe seit dem 28.11.2008 versucht, der Klägerin den Anschlussbeitragsbescheid zuzustellen. Nachdem die Zustellung mehrfach gescheitert sei, habe man den Bescheid schließlich unter Verwendung der von der Klägerin ausdrücklich gewünschten Postfachadresse am 08.04.2009 zur Post aufgegeben. Dies ergebe sich aus dem Postausgangsbuch. An die gleiche Adresse sei auch das Schreiben zur Umsatzsteuerberichtigung vom 22.06.2009 gegangen. Beide Schreiben hätten sich nicht unter den Postrückläufern befunden. Der Beweis des Zugangs könne auf Indizien gestützt werden. Der Beklagte habe den Nachweis über die Absendung erbracht. Damit bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Schriftstück den Empfänger auch erreicht habe (vgl. BFH, Az. VII R 75/85, Bundessteuerbl. II 1989, 334). Zudem habe der Beklagte im Zeitraum Februar bis Mai 2008 den gesamten Schriftverkehr über die von der Klägerin benannte Postfachadresse abgewickelt und es seien nachweislich Schreiben bei ihr angekommen. Der Verwaltungsgebührenbescheid sei bestandskräftig, da die Klägerin hiergegen keine Klage erhoben habe, nachdem sie den Widerspruchsbescheid erhalten gehabt habe. Für die Vollstreckung seien 5,60 € an tatsächlichen Kosten für die Postzustellungsurkunde angefallen.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24

Die Kammer kann trotz des unmittelbar vor dem Verhandlungstermin schriftsätzlich gestellten Befangenheitsantrags der Klägerin gegen das Verwaltungsgericht Schwerin insgesamt, weiter gegen sechs namentlich benannte Richter dieses Gerichts, die allerdings nach dem Geschäftsverteilungsplan und Gesetz aktuell nicht zur Entscheidung in diesem Verfahren berufen sind, und gegen die drei Berufsrichter der Kammer (Wittchow, Röh, Hinkel-Ruff) in der Sache ohne Durchführung eines Zwischenverfahrens über die Befangenheitsrügen entscheiden. Es ist höchstrichterlich anerkannt, dass auch im Verwaltungsprozess der abgelehnte Richter ein rechtsmissbräuchliches oder gänzlich untaugliches Ablehnungsgesuch selbst ablehnen kann, ohne dass es der Durchführung des Verfahrens nach § 54 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 44 f. ZPO bedarf (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2013 – BvR 2853/11 – juris; BVerwG, Beschluss vom 23.04.2015 – 4 BN 10/15 –, juris).

25

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

26

Bezogen auf den Kammervorsitzenden wurde die Besorgnis der Befangenheit schwerpunktmäßig damit begründet, dass nach den Recherchen der Klägerin Daten über dessen beruflichen Ausbildungs- und Werdegang erst ab dem 01.07.1994 veröffentlicht seien, was für die Klägerin den Verdacht begründe, „dass es sich bei Richter Wittchow um einen der Richter und Staatsanwälte handelt, der in der früheren DDR seine ´juristische Ausbildung´ genossen hat und in dem Unrechtsstaat DDR, dieser Diktatur, auch schon als Richter, Staatsanwalt etc.“ gedient habe. Sie selbst sei in dieser „sog. DDR“ groß geworden und dort 1986/87 als politische Gefangene inhaftiert gewesen, weshalb eine Tätigkeit eines DDR-Richters in diesem Verfahren für sie unerträglich sei. Dieser pauschale Ansatz in der Befangenheitsbegründung am (allein vermuteten) beruflichen Werdegang eines Richters, der auf mehr als ein viertel Jahrhundert zurückliegende Geschehnisse zurückgreift, ist mit Händen zu greifen ungeeignet, bei maßgeblicher verobjektivierter Sicht eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Im Übrigen ist die Recherche der Klägerin unzulänglich ausgefallen, da der Richter … in Marburg und Tübingen studiert hat und vor seinem Wechsel nach Mecklenburg-Vorpommern zehn Jahre lang Richter des Landes Baden-Württemberg gewesen ist.

27

Genauso substanzlos ist die Herleitung von Besorgnis der Befangenheit aus einem aktenkundigen Schreiben des Richters vom 05.08.2015. Nach der Prozessordnung vorgeschriebene oder sich ohne weiteres aus seiner Stellung sich ergebende Handlungen und Äußerungen des Richters begründen grundsätzlich keine Besorgnis der Befangenheit.

28

Soweit wegen eines behaupteten „Korpsgeistes“ unter den Berufsrichtern in der Kammer die Richterablehnung auch auf die beisitzenden Berufsrichter Röh und Hinkel-Ruff erstreckt wird, gilt ebenso, dass insoweit eine hinreichende Substantiierung der Richterablehnung fehlt.

29

Gleiches gilt hinsichtlich der Ablehnung des Verwaltungsgerichts Schwerin als Ganzes als auch hinsichtlich namentlich individualisierter sechs (weiterer) Verwaltungsrichter. Bezogen auf Letztere fehlt es auch bereits an einer erkennbaren möglichen Auswirkung der Richterablehnung auf die konkrete Kammerbesetzung für die heutige Urteilsentscheidung.

30

Die Klage hat zum weit überwiegenden Teil Erfolg.

31

1. Die Klage ist zulässig, soweit sie den einen Betrag i.H.v. 9,03 € übersteigenden Teil der Pfändung- und Einziehungsverfügung und den daraufhin ergangenen Widerspruchsbescheid betrifft. Hinsichtlich eines Betrages i.H.v. 9,03 € ist die Klage mangels Rechtschutzinteresses unzulässig. Denn in Höhe dieses Betrages ist Teilerledigung eingetreten. Aufgrund der Überweisung des vorgenannten Betrages durch die Drittschuldnerin an den Beklagten ist die Zwangsvollstreckung in dieser Höhe beendet. Die der Sache nach erhobene Anfechtungsklage ist für diesen Teil auch nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO – wegen Erledigung nach Klageerhebung – analog fortzuführen. Denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin ist nicht ersichtlich. Insbesondere hat sich die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vorliegend nicht derart kurzfristig erledigt, dass der Klägerin ansonsten gar kein Rechtsschutz hätte gewährt werden können. Vielmehr erfolgte die Mitteilung der Drittschuldnerin über die Auflösung des Kontos der Klägerin und die abschließende Überweisung des Guthabens erst am 31.05.2013, mithin zwei Jahre und neun Monate nach Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung.

32

2. Die zulässige Klage ist im zulässigen Umfang begründet.

33

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

34

Die Vollstreckungsvoraussetzungen sind vorliegend weder für den der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu Grunde liegenden Trinkwasseranschlussbeitragsbescheid (a) noch für den Verwaltungsgebührenbescheid (b) erfüllt. Auch die mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung zur Vollstreckung gegebenen Nebenforderungen erfüllen die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht (c).

35

a) Voraussetzung für die Vollstreckung ist gem. § 251 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 111 Abs. 1 VwVfG M-V das Vorliegen eines vollstreckbaren Verwaltungsakts. Soweit der Beklagte die Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 1 EGVwR M-V sieht, ist festzustellen, dass diese Vorschrift durch § 111 Abs. 1 VwVfG M-V jedenfalls in der Fassung seit 10.07.2006 abgelöst wurde. Ein vollstreckbarer Verwaltungsakt liegt nur in Form des Verwaltungsgebührenbescheids und nicht im Falle des Trinkwasseranschlussbeitragsbescheids vor. Erstgenannter ist auch bestandskräftig, da die Klägerin auf den Widerspruchsbescheid vom 15.06.2010 hin keine Klage erhoben hat. Den Widerspruchsbescheid hat sie jedenfalls bis zum 29.06.2010 erhalten, da sie in ihrem auf diesen Tag datierten Schreiben „Gegenvorstellung“ gegen diesen erhob.

36

Der Trinkwasseranschlussbeitragsbescheid vom 08.04.2009 ist mangels Bekanntgabe nicht wirksam i.S.d. § 124 Abs. 1 AO. Die Klägerin bestreitet den Zugang. Gem. § 122 Abs. 2 letzter Hs. AO hat der Beklagte den Zugang im Zweifel zu beweisen. Wird der Zugang überhaupt bestritten, kann eine weitere Substantiierung nicht verlangt werden, da dies objektiv unmöglich ist (vgl. BFH, Urteil vom 22.09.1966, Az.: III 226/63, juris, Rn. 15; Klein / Ratschow, AO 12. Auflage 2014, § 122, Rn. 60). Vorliegend ist der Beklagte beweisfällig geblieben. Den Zugang selbst hat er nicht nachgewiesen. Zwar kann der Beweis des Zugangs auch durch Indizienbeweis geführt werden. Eine bestimmte Verhaltensweise des Empfängers innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Bescheids kann im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung unter Berücksichtigung der hohen Wahrscheinlichkeit, dass ein abgesandtes Schriftstück seinen Empfänger auch erreicht, im Wege der freien Beweiswürdigung dahingehend gewürdigt werden, dass von einem Zugang ausgegangen wird (BFH, Urt. v. 14.03.1989, Az. VII R 75/85, juris, Rn. 18). Der Beklagte weist vorliegend allerdings nur den Postausgang nach und trägt vor, dass es mehrere Zustell- und Adressermittlungsversuche gegeben habe. Letzteres bestärkt nach Ansicht der Kammer aber gerade die Möglichkeit, dass der Beitragsbescheid trotz der ausgeführten hohen Wahrscheinlichkeit des Zugangs tatsächlich nicht zugegangen ist. Zwar fallen der häufige Adresswechsel der Klägerin und die von ihr lediglich benannte und für den typischen Bürger nicht gewählte Postfachadresse auf. Für die Annahme einer Zugangsvereitelung genügt dies vorliegend allerdings noch nicht. Eine darüber hinausgehende Verhaltensweise der Klägerin, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung dazu führen könnte, dass zusammen mit dem nachgewiesenen Postausgang der Zugang angenommen werden kann, ist nicht ersichtlich.

37

b) Als weitere Vollstreckungsvoraussetzung ist der fällige Betrag gem. § 3 Abs. 3 VwVG i.V.m. § 111 Abs. 1 VwVfG M-V mit einer Zahlungsfrist von einer Woche zu mahnen. Diese Voraussetzung ist hinsichtlich des Verwaltungsgebührenbescheids nicht erfüllt. Zwar mahnte der Beklagte mit Schreiben vom 29.07.2010, im Postausgangsbuch am selben Tag verzeichnet, die vorgenannte Verwaltungsgebühr an. Jedoch bestreitet die Klägerin auch hier den Zugang. Der Beklagte konnte den Zugang der Mahnung nicht beweisen. Zwar ist die Regelung des § 122 AO in Bezug auf den Zugang eines Mahnschreibens nicht direkt anwendbar, da eine Mahnung kein Verwaltungsakt ist. Sachgerecht ist es allerdings, bezüglich der Fristenberechnung § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO analog anzuwenden (vgl. Sadler, VwVG, 9. Auflage 2014, § 3, Rn. 67). Bei sachgerechter Auslegung muss § 122 Abs. 2 AO dann aber auch bezüglich der darin enthaltenen Beweislastregel analog anwendbar sein. Denn nach Sinn und Zweck soll eine Mahnung dem Vollstreckungsschuldner letztmalig vor Einleitung der Zwangsvollstreckung die Möglichkeit zur freiwilligen Zahlung geben. Diese Möglichkeit kann der Vollstreckungsschuldner aber nur wahrnehmen, wenn ihm die Mahnung auch zugeht. Damit kommt dem Zugang hier eine wesentliche Bedeutung vergleichbar mit der des Zugangs eines Verwaltungsaktes zu.

38

Ebenso verhält es sich mit dem Zugang der Schreiben vom 28.09.2009 und 22.10.2009, jeweils im Postausgangsbuch des Beklagten verzeichnet am 29.09.2009 und 23.10.2009, mit welchen er den Anschlussbeitrag anmahnte.

39

c) Zwar ist für die weiterhin mit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung geltend gemachten Säumniszuschläge, Kosten der Vollstreckung - vorliegend die Kosten für eine Postzustellungsurkunde - und „Nebengebühren“ - der Sache nach Mahngebühren und damit ebenfalls Kosten der Vollstreckung - das Vorliegen der vorgenannten Vollstreckungsvoraussetzungen nicht erforderlich, soweit sie zusammen mit der Hauptforderung beigetrieben werden. Dies ergibt sich hinsichtlich des Leistungsgebots aus § 254 Abs. 2 AO, für die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen aus deren Sinn und Zweck im Zusammenhang mit dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 2 AO. Sind allerdings, wie vorliegend, die Vollstreckungsvoraussetzungen schon für die Hauptforderung nicht gegeben, können die vorgenannten Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten nur bei Vorliegen aller Vollstreckungsvoraussetzungen vollstreckt werden.

40

Die Säumniszuschläge und Mahngebühren sind aber bereits dem Grunde nach nicht entstanden.

41

Für die Säumniszuschläge in Bezug auf den Verwaltungsgebührenentscheid trifft dies deshalb zu, weil die darin festgesetzte Gebühr unter 50 € liegt. Bei Abgaben unter 50 € entsteht kein Säumniszuschlag (vgl. Tipke / Kruse, AO 141. Ergänzungslieferung, § 240, Rn. 45). In Bezug auf den Anschlussbeitragsbescheid sind keine Säumniszuschläge verwirkt i.S.d. § 240 Abs. 1 AO, da dieser mangels Bekanntgabe nicht wirksam ist.

42

Die Mahngebühren können mangels wirksamer Mahnungen, für welche sie erhoben worden, nicht geltend gemacht werden.

43

Die Portoauslage i.H.v. 5,60 € für eine Postzustellungsurkunde kann, soweit sie die Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung betrifft, nicht vollstreckt werden, da diese mangels Vorliegens der Vollstreckungsvoraussetzungen rechtswidrig ist. Betrifft sie die Zustellung eines anderen Bescheids, hätte sie ihrerseits angemahnt werden müssen. Hieran fehlt es vorliegend.

44

3. Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, da die Klägerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

45

Von der Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens sieht das Gericht ab (vgl. § 167 Abs. 2 VwGO), da auf Beklagtenseite ein insolvenzunfähiger Verband und damit ein kraft Gesetzes stets zahlungsfähiger Schuldner steht.

46

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 VwGO).

47

Beschluss

48

Der Streitwert wird auf bis zu 900,00 € Euro festgesetzt, § 52 Abs. 3 GKG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 02. Dez. 2015 - 4 A 732/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 02. Dez. 2015 - 4 A 732/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 02. Dez. 2015 - 4 A 732/11 zitiert 19 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 54


(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend. (2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwal

Abgabenordnung - AO 1977 | § 124 Wirksamkeit des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 240 Säumniszuschläge


(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 251 Vollstreckbare Verwaltungsakte


(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG | § 3 Vollstreckungsanordnung


(1) Die Vollstreckung wird gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet; eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht. (2) Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind: a) der Leistungsbescheid, durch d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 309 Pfändung einer Geldforderung


(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 254 Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung


(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung

Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG | § 5 Anzuwendende Vollstreckungsvorschriften


(1) Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich im Falle des § 4 nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327). (2) Wird die Vollstreckung

Abgabenordnung - AO 1977 | § 314 Einziehungsverfügung


(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden. (3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinsti

Referenzen

(1) Soll eine Geldforderung gepfändet werden, so hat die Vollstreckungsbehörde dem Drittschuldner schriftlich zu verbieten, an den Vollstreckungsschuldner zu zahlen, und dem Vollstreckungsschuldner schriftlich zu gebieten, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Pfändungsverfügung). Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(2) Die Pfändung ist bewirkt, wenn die Pfändungsverfügung dem Drittschuldner zugestellt ist. Die an den Drittschuldner zuzustellende Pfändungsverfügung soll den beizutreibenden Geldbetrag nur in einer Summe, ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnen. Die Zustellung ist dem Vollstreckungsschuldner mitzuteilen.

(3) Bei Pfändung des Guthabens eines Kontos des Vollstreckungsschuldners bei einem Kreditinstitut gelten die §§ 833a und 907 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Die Vollstreckungsbehörde ordnet die Einziehung der gepfändeten Forderung an. § 309 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Die Einziehungsverfügung kann mit der Pfändungsverfügung verbunden werden.

(3) Wird die Einziehung eines bei einem Geldinstitut gepfändeten Guthabens eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, angeordnet, so gelten § 835 Absatz 3 Satz 2 und § 900 Absatz 1 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(4) Wird die Einziehung einer gepfändeten nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütung eines Vollstreckungsschuldners, der eine natürliche Person ist, für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitslohn sind, angeordnet, so gilt § 835 Absatz 4 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Das Verwaltungszwangsverfahren und der Vollstreckungsschutz richten sich im Falle des § 4 nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 77, 249 bis 258, 260, 262 bis 267, 281 bis 317, 318 Abs. 1 bis 4, §§ 319 bis 327).

(2) Wird die Vollstreckung im Wege der Amtshilfe von Organen der Länder vorgenommen, so ist sie nach landesrechtlichen Bestimmungen durchzuführen.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Die Vollstreckung wird gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet; eines vollstreckbaren Titels bedarf es nicht.

(2) Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung sind:

a)
der Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist;
b)
die Fälligkeit der Leistung;
c)
der Ablauf einer Frist von einer Woche seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides oder, wenn die Leistung erst danach fällig wird, der Ablauf einer Frist von einer Woche nach Eintritt der Fälligkeit.

(3) Vor Anordnung der Vollstreckung soll der Schuldner ferner mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden.

(4) Die Vollstreckungsanordnung wird von der Behörde erlassen, die den Anspruch geltend machen darf.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, darf die Vollstreckung erst beginnen, wenn die Leistung fällig ist und der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (Leistungsgebot) und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Ein Leistungsgebot ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt gegen den Vollstreckungsschuldner wirkt, ohne ihm bekannt gegeben zu sein. Soweit der Vollstreckungsschuldner eine von ihm auf Grund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht hat, bedarf es eines Leistungsgebots nicht.

(2) Eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen bedarf es nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Dies gilt sinngemäß für die Vollstreckungskosten, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Die gesonderte Anforderung von Säumniszuschlägen kann ausschließlich automationsgestützt erfolgen.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.