Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 06. Jan. 2014 - 9 B 40/13

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2014:0106.9B2013.40.00
06.01.2014

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Juli 2013 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 3.836,55 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 und 6 VwGO zulässig; er ist auch begründet.

2

Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage regelmäßig nur in Betracht, wenn gemäß § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Abgaben- und Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und der Kammer schon dann, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg (vgl. zuletzt OVG Schleswig, Beschluss vom 16.10.2013 - 4 MB 53/13 -).

3

Dies ist hier der Fall. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Erhebung einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag noch zulässig ist.

4

Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG können auf Beiträge angemessene Vorauszahlungen gefordert werden, sobald mit der Ausführung der Maßnahme begonnen wird. Zweck der Vorauszahlung ist die Vorfinanzierung von Ausbaumaßnahmen. Daraus folgt, dass die Erhebung von Vorauszahlungen nur bis zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht für eine Maßnahme zulässig ist, denn danach ist die Gemeinde gehalten, endgültige Beiträge zu erheben (Habermann in Habermann/Arndt, KAG, Stand Dez. 2012, § 8 Rn. 367; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 07.10.2003 - 1 M 34/03 - und VGH München, Urteil vom 01.03.2012 - 20 B 11.1723 -, beide juris). Im vorliegenden Fall war die sachliche Beitragspflicht zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides vom 12. Juli 2013 noch nicht entstanden. Nach dem Vortrag des Antragstellers in einem Parallelverfahren, dem die Antragsgegnerin nicht entgegen getreten ist, ist dies inzwischen jedoch mit Abschluss und Abnahme der vorgesehenen Bauarbeiten in der Dorfstraße der Fall. Dieser Umstand wird bei der noch ausstehenden Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen sein, denn entgegen der im Parallelverfahren geäußerten Ansicht der Antragsgegnerin ist für die Frage der Rechtmäßigkeit auch eines Vorauszahlungsbescheides auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (Habermann a.a.O. Rn. 372, 85). Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid sind eine einheitliche Verwaltungsentscheidung; nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gibt der Widerspruchsbescheid dem Bescheid die für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche Gestalt. Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sind deshalb bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheides bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen (VGH München a.a.O.; VG Greifswald, Urteil vom 26.07.2012 - 3 A 229/09 -, juris; vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 22.11.2010 - 9 S 29.10 - und OVG Koblenz, Urteil vom 19.03.2009 - 6 A 10750/08 -, beide juris, zur Höhe des einzubeziehenden Aufwandes). Es ist nicht ersichtlich, warum dies beim Vorauszahlungsbescheid anders sein sollte. Das OVG Weimar (Hinweisbeschluss vom 01.08.2000 - 4 VO 711/99 -; ihm ohne weitere Begründung folgend OVG Greifswald, Beschluss vom 07.10.2003 - 1 M 34/03 -, beide juris) verweist zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf den engen Zusammenhang zwischen Vorausleistungsbescheid und endgültigem Bescheid. Es sei sinnwidrig, den Vorauszahlungsbescheid aufzuheben, wenn die Behörde andererseits verpflichtet sei, umgehend einen Beitragsbescheid zu erlassen. Insoweit sei die Situation ähnlich gelagert wie in dem Fall, in dem die Beitragspflicht bei Erlass eines endgültigen Bescheids noch nicht bestanden habe, aber im Laufe des Widerspruchsverfahrens oder des gerichtlichen Verfahrens gegen den Beitragsbescheid entstehe. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass sich Vorauszahlungsbescheid und endgültiger Bescheid hinsichtlich der Voraussetzungen und der Folgen wesentlich unterscheiden. Ein Vorauszahlungsbescheid kann daher auch nicht als endgültiger Bescheid aufrechterhalten werden (vgl. im Einzelnen Habermann a.a.O. Rn. 84, 77).

5

Auch eine Umdeutung des Vorauszahlungsbescheides in einen endgültigen Beitragsbescheid ist unzulässig. Mit der Umdeutung wird dem Bescheid rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe ein anderer Regelungsgehalt beigemessen, d.h. der ursprüngliche Vorauszahlungsbescheid würde als endgültiger Bescheid qualifiziert. Eine solche Umdeutung ist nach § 11 Abs. 1 KAG i.V.m. § 115a Abs. 2 LVwG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Es erscheint schon fraglich, ob der Erlass eines endgültigen Bescheides der Absicht der Antragsgegnerin entspräche. Zweck eines Vorausleistungsbescheides ist die Vorfinanzierung einer Maßnahme, für die Schätzungen ausreichen, während der endgültige Bescheid die abschließende „centgenaue“ Abrechnung zum Ziel hat. Für die hier in Rede stehende Maßnahme dürften zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch noch keine Schlussrechnungen vorliegen, die eine endgültige Abrechnung ermöglichen würden. Jedenfalls sind die Rechtswirkungen eines endgültigen Beitragsbescheides für die Betroffenen regelmäßig ungünstiger als die eines Vorausleistungsbescheides. Der Vorausleistungsbescheid regelt die Zahlungspflicht für den Adressaten nicht endgültig. Nach Erlass des endgültigen Bescheides ist die gezahlte Summe zu verrechnen, Überzahlungen sind zu erstatten. Dies ist für den Grundstückseigentümer nicht selten Anlass, trotz rechtlicher Bedenken den Vorausleistungsbescheid bestandskräftig werden zu lassen und zunächst die endgültige Veranlagung abzuwarten. Darüber hinaus hat die nachträgliche Qualifizierung als endgültiger Bescheid zur Folge, dass rückwirkend auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides die persönliche Beitragspflicht entsteht, die grundsätzlich eine Nachveranlagungsmöglichkeit wegen nicht ausgeschöpfter Beitragsanteile auch im Fall des Eigentümerwechsels ermöglicht. Dies ist bei einem Vorauszahlungsbescheid nicht der Fall (Habermann a.a.O., Rn. 96). Stellt somit der endgültige Beitragsbescheid wegen der abschließenden Regelung der Zahlungspflicht und der persönlichen Beitragspflicht eine stärkere Belastung des Beitragspflichtigen dar als ein Vorausleistungsbescheid, scheidet dessen Umdeutung in einen endgültigen Bescheid aus (OVG Koblenz, Urteil vom 01.04.2003 - 6 A 10778/02 - juris, auch VGH München a.a.O.; anders Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. § 21 Rn. 27 m.w.N.).

6

Nach den o.g. Maßstäben bestehen deshalb ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheides, so dass die aufschiebende Wirkung des dagegen eingelegten Widerspruchs anzuordnen war.

7

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin gem. § 154 Abs. 1 VwGO.

8

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in ständiger Rechtsprechung für den vorläufigen Rechtsschutz in Abgabensachen ein Viertel des Wertes der Hauptsache zugrundelegt.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist 1. der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,2. der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. (2) Der

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Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 26. Juli 2012 - 3 A 229/09

bei uns veröffentlicht am 26.07.2012

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2007 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 09.02.2009 wird aufgehoben. 2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. 3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollst

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist

1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat,
2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 19.11.2007 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 09.02.2009 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Straßenbaubeitrag für die Gemeindestraße „Am Seeufer“ in Waren (Müritz). Die Straße verläuft östlich der Binnenmüritz in nördliche Richtung. Sie beginnt an der Einmündung in die Papenbergstraße und verläuft dann in nördliche Richtung. Auf Höhe der Einmündung der Großen Gasse geht die Straße „Am Seeufer“ in die Müritzstraße über. Die Müritzstraße liegt im Geltungsbereich der Satzung der Stadt Waren Müritz über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Südliche Innenstadt“ vom 05.01.1993. Durch Satzung vom 04.07.2002 wurde die Sanierungssatzung lediglich im Bereich westlich der Müritzstraße aufgehoben.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücks Flurstück G1 in einer Größe von 12.542.780 m², das aus dem Grundstück G2 hervorgegangen ist. Das Grundstück besteht überwiegend aus Wasserflächen der Müritz bzw. Binnenmüritz. Es liegt westlich des zwischen den Knoten Papenbergstraße und Große Gasse verlaufenden Abschnitts der Gemeindestraße „Am Seeufer“. Das Grundstück grenzt nicht an diese Straße an, sondern ist durch Grundstücke, die im Eigentum Dritter stehen, von der Straße getrennt.

3

Der nördliche Teil des Uferbereichs auf Höhe der Anliegergrundstücke Flurstücke G3 und G4 von den Nutzern dieser Grundstücke (Fischereibetrieb bzw. Marina) genutzt. Eine vertragliche Grundlage für die Nutzung besteht nach den Angaben der Klägerin nicht. In diesem Bereich des Ufers befinden sich Bootsschuppen und Freiterrassen. Die Zufahrt erfolgt über die Anliegergrundstücke Flurstücke G3 bzw. G4. Ein vertragliche Absicherung der Zufahrt besteht nicht.

4

Der südlich daran anschließende Teil des Uferbereichs auf Höhe der Grundstücke Flurstücke G5 und G6 wird auf vertraglicher Grundlage von einem Angelsportverein genutzt, der dort sei ca. 100 Jahren eine Bootsschuppenanlage betreibt. Die Zuwegung erfolgt über das im Eigentum der Stadt Waren (Müritz) (künftig: Stadt) stehende Grundstück Flurstücke G5 und G6. Die Zuwegung ist durch einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Angelsportverein und der Stadt gesichert. Am 25.03.2008 bewilligte die Stadt ohne Mitwirkung der Klägerin die Eintragung eines Wegerechtes in Form einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten der Klägerin für die Grundstücke Flurstücke G5 und G6, die in der Folgezeit im Grundbuch von Waren – Blatt … – eingetragen wurde.

5

Für den weiter südlich gelegenen Teil der Uferbereichs auf Höhe der Grundstücke Flurstücke G7, G8, G9, G10 und G11 besteht ein Nutzungsvertrag mit der Stadt, die dort einen Uferwanderweg anlegen will.

6

In dem Zeitraum 1997 bis 2005 ließ die Stadt die Straße „Am Seeufer“ in allen vorhandenen Teileinrichtungen ausbauen. Die letzte Unternehmerrechnung ging im Jahre 2006 beim Beklagten ein. Für die Baumaßnahme wurden Fördermittel aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Verbindung mit Mitteln des „Europäischen Fonds für regionale Entwicklung“ ausgereicht. Das Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung liegt dem Beklagten seit dem 11.07.2008 vor.

7

Mit Änderungsbescheid zum Vorausleistungsbescheid vom 19.11.2007 hatte der Beklagte die Klägerin für den zwischen den Knoten Papenbergstraße und Große Gasse verlaufenden Abschnitt der Straße „Am Seeufer“ zu einer Vorausleistung (100 v.H.) auf den Straßenausbaubeitrag (Teileinrichtung Fahrbahn) i.H.v. 43.998,31 EUR herangezogen. Unter dem 27.11.2007 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.11.2007 ein, der vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2009 zurückgewiesen wurde.

8

Am 05.03.2009 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Das Grundstück Flurstück 1/33 sei Bestandteil einer Bundeswasserstraße und damit nicht bevorteilt. Ungeachtet dessen sei es aus Sicht des abgerechneten Abschnitts der Straße „Am Seeufer“ ein nicht bevorteiltes Hinterliegergrundstück. Die Benutzung der Anlage sei ohne dingliche Sicherung der vorhandenen Zuwegungen nicht auf Dauer gewährleistet. Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit sei mangels einer entsprechenden Einigung der Beteiligten nicht entstanden. Ihre Eintragung im Grundbuch sei daher fehlerhaft. Ein Notwegerecht bestehe ebenfalls nicht, weil die Klägerin zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks nicht auf eine Straßenanbindung angewiesen sei. Bei dem Grundstück Flurstück G2 handele es sich nicht um ein gefangenes Hinterliegergrundstück, da es an das ebenfalls im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück Flurstück G12 angrenze. Auf diesem Grundstück (G.-Allee in W.) befinde sich die Außenstelle des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lauenburg. Schließlich habe die Klägerin ein etwaiges Notwegerecht nicht geltend gemacht, so dass es an der für seine Entstehung erforderlichen Willenserklärung fehle.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 19.11.2007 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 09.02.2009 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er ist der Auffassung, die Heranziehung der Klägerin sei im Wesentlichen rechtmäßig. Das Grundstück der Klägerin sei von der abgerechneten Maßnahme bevorteilt, da zumindest die Zuwegung zur Straße „Am Seeufer“ über die Grundstücke Flurstücke G5 und G6 durch die beschränkt persönliche Grunddienstbarkeit dauerhaft gesichert sei. Deren Bestellung bedürfe nicht der Mitwirkung der Klägerin. Zudem sei der öffentliche Glaube des Grundbuchs zu berücksichtigen. Etwaige Fehler im Rahmen der Beitragsermittlung könnten im Rahmen des Erlasses des endgültigen Beitragsbescheides behoben werden.

14

Mit Beschluss vom 12.01.2012 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der streitgegenständliche Vorausleistungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO). Der Vorausleistungsbescheid verstößt gegen § 7 Abs. 4 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V), da die sachliche Beitragspflicht für die Baumaßnahme an der Straße „Am Seeufer“ vor Erlass des Widerspruchsbescheides entstanden war (1.). Ungeachtet dessen ist die Einbeziehung des Grundstücks der Klägerin in den Vorteilsausgleich fehlerhaft (2.).

17

1. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 KAG M-V können auf die künftige Beitragsschuld Vorausleistungen bis zur Höhe der voraussichtlichen Beitragsschuld verlangt werden, sobald mit der Durchführung der Maßnahme begonnen worden ist. Daraus folgt, dass die Vorausleistung nicht mehr verlangt werden darf, wenn die Beitragsschuld nicht mehr „künftig“, sondern „aktuell“ ist. „Aktuell“ ist die Beitragsschuld, sobald die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Von diesem Zeitpunkt an ist der Erlass eines Vorausleistungsbescheides unzulässig.

18

Vorliegend ist die sachliche Beitragspflicht mit dem Eingang des Ergebnisses der Verwendungsnachweisprüfung für die für die Baumaßnahme ausgereichten Fördermittel am 11.07.2008 entstanden. Ausweislich des Eingangsstempels lag der diesbezügliche Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 08.07.2008 dem Beklagten seit diesem Zeitpunkt vor. Zwar entsteht die Beitragspflicht nach § 8 Abs. 5 erste Var. KAG M-V mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Das Merkmal „endgültige Herstellung“ wird in § 9 Satz 1 der Satzung der Stadt Waren (Müritz) über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 16.08.2000 (Straßenbaubeitragssatzung – SBS). Danach entsteht die Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Dies ist nach Satz 2 l.cit. frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung. Allerdings führt das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht in allen Fällen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Vielmehr gibt es nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern (vgl. nur OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.10.2008 - 1 L 104/05 - n.V.; Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabenrecht, Stand Juli 2009, § 8 Anm. 1.7) über die in § 8 Abs. 5 KAG M-V unmittelbar bzw. ausdrücklich im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale hinausgehende - ungeschriebene - Tatbestandsmerkmale, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht. Bei der Gewährung von Zuwendungen, die - wie hier - auch den Beitragspflichtigen zu Gute kommen können, entsteht die sachliche Beitragspflicht erst, wenn der maßgebliche umlagefähige Aufwand bestimmt werden kann, also erst, wenn der Zuschussgeber mit dem Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung die endgültige Zuschusshöhe mitgeteilt hat. Dies ist vorliegend mit dem Bescheid vom 08.07.2008 erfolgt. Diesem Umstand trägt § 9 Satz 2 SBS mit der Wendung Rechnung, dass die Beitragspflichtfrühestens mit dem Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung entsteht. Damit ist die sachliche Beitragspflicht für die Baumaßnahme an der Straße „Am Seeufer“ am 11.07.2008 entstanden.

19

Der Vorausleistungsbescheid vom 19.11.2007 ist zwar vor diesem Zeitpunkt erlassen worden, der Widerspruchsbescheid datiert jedoch vom 09.02.2009 und ist nach der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erlassen worden. Er ist daher fehlerhaft. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Falle der Anfechtungsklage gegen einen beitragsrechtlichen Vorausleistungsbescheid der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (so OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.11.2010 – 9 S 29.10 – juris [zum Erschließungsbeitragsrecht] und VG Magdeburg, Beschl. v. 10.05.2010 – 9 B 435/09 – juris [zum Anschlussbeitragsrecht]). Der Auffassung, wonach maßgeblicher Zeitpunkt bereits der des Erlasses des Ausgangsbescheides ist (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2009, § 8, Rn. 133, 142), folgt das erkennende Gericht nicht (noch offen gelassen von VG Greifswald, Urt. v. 19.08.2011 – 3 A 309/09 – juris Rn. 23). Denn sie übersieht, dass Gegenstand der Anfechtungsklage nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Damit sind Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheids bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen.

20

Abweichendes folgt auch nicht aus § 7 Abs. 4 Satz 3 KAG M-V. Nach dieser Vorschrift ist die Vorausleistung mit der endgültigen Beitragsschuld zu verrechnen, auch wenn der Vorausleistende nicht endgültig beitragspflichtig ist. Zwar betrifft die Bestimmung (nachträgliche) Veränderungen in der Person des Beitragspflichtigen, ohne danach zu differenzieren, ob die Veränderungen vor oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eingetreten sind. Allerdings ist ihr Anwendungsbereich auf den Fall des Eigentümerwechsels bzw. den Wechsel des dinglich Berechtigten (§ 7 Abs. 2 Sätze 3 und 4 KAG M-V) beschränkt. Für die hier interessierende Fragestellung gibt die Bestimmung nichts her.

21

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten darf das Grundstück der Klägerin nicht als Hinterliegergrundstück in den Vorteilsausgleich einbezogen werden. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 SBS. Danach bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Dies trifft auf das Grundstück Flurstück 1/30 nicht zu.

22

Die Rechtfertigung, ein Grundstück zu einem Ausbaubeitrag zu veranlagen und es demgemäß bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu berücksichtigen, ergibt sich aus einer Sondervorteile vermittelnden, vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit. Vorteilsrelevant in diesem Sinne ist eine Inanspruchnahmemöglichkeit, die für bestimmte Grundstücke im Verhältnis zu allen anderen deshalb besonders vorteilhaft ist, weil aufgrund der räumlich engen Beziehung dieser Grundstücke zur ausgebauten Anlage erfahrungsgemäß angenommen werden kann, diese werde von ihnen aus in stärkerem Umfang in Anspruch genommen als von anderen Grundstücken, führe also für sie zu einer Steigerung ihres Gebrauchswerts, die für die anderen Grundstücke nicht in vergleichbarer Weise eintritt.

23

Dabei kann auch sog. Hinterliegergrundstücken eine vorteilsrelevante qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt werden. Allerdings liegt eine Inanspruchnahmemöglichkeit - sofern Anlieger- und Hinterliegergrundstücke (wie hier) im Eigentum verschiedener Personen stehen - nur dann vor, wenn die Zuwegung über ein unmittelbar an der Straße gelegenes Grundstück voraussichtlich auf Dauer besteht (zum Erschließungsbeitragsrecht vgl. BVerwG, Urt. v.08.05.2002 - 9 C 5/01 - NVwZ-RR 2002, 770), denn bei dem beitragsrelevanten Vorteil handelt es sich um einen Dauervorteil. Daher ist es erforderlich, dass die Verbindung des Hinterliegergrundstücks zur betreffenden Straße rechtlich gesichert. Diese Sicherung kann regelmäßig durch eine Grunddienstbarkeit oder die Eintragung einer Baulast erfolgen. Weiter kann die erforderliche Absicherung der Zugangsmöglichkeit durch ein Notwegerecht im Sinne des § 917 BGB vermittelt werden (VG Greifswald, Urt. v. 16.09.2002 - 3 A 1621/01 - juris Rn. 15).

24

Vorliegend fehlt es an der erforderlichen Sicherung. Eine entsprechende Baulast existiert unstreitig nicht. Die im Grundbuch von Waren – Blatt 10041 – für das Grundstück Flurstücke G5 und G6 eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Wegerecht der Klägerin) ist unwirksam (a.). Ein Anspruch der Klägerin auf Einräumung einer Grunddienstbarkeit oder beschränkt persönlichen Dienstbarkeit an dem Grundstück Flurstücke G5 und G6 nach § 116 Abs. 1 Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) besteht ebenso wenig (b.) wie ein Notwegerecht nach § 917 BGB (c.).

25

a. Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit i.S.d. § 1090 Abs. 1 BGB ist bereits deshalb nicht entstanden, weil es an der zu ihrer Entstehung erforderlichen (dinglichen) Einigung der Klägerin und der Stadt i.S.d. § 873 Abs. 1 BGB fehlt. Unstreitig hat die Klägerin an der Bewilligung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nicht mitgewirkt. Daher fehlt es an einer entsprechenden Willenserklärung der Klägerin. Eine einseitige Erklärung des Eigentümers reicht lediglich dann aus, wenn nur ein Eigentümerrecht – eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zu Gunsten des Eigentümers des belasteten Grundgrundstücks – begründet werden soll. So liegt der Fall hier aber nicht. Der Hinweis des Beklagten auf den „öffentlichen Glauben des Grundbuchs“ hilft ihm ebenfalls nicht weiter, denn die Richtigkeitsvermutung der Grundbucheintragung (§ 891 Abs. 1 BGB) ist vorliegend widerlegt.

26

b. § 116 Abs. 1 SachenRBerG bietet ebenfalls keine Anspruchsgrundlage, die eine dauerhafte Sicherung der Zuwegung zu dem klägerischen Grundstück bieten könnte. Dabei kann dahin stehen, ob das Sachenrechtsbereinigungsgesetz in Ansehung der Zuwegung zu der Bootsschuppenanlage überhaupt Anwendung findet, denn der Anspruch auf Einräumung einer Dienstbarkeit oder beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG würde nur dem Anglerverein, nicht aber der Klägerin zustehen. Die Entstehung der Vorteilslage für ein Hinterliegergrundstück setzt aber voraus, dass der Eigentümer des Hinterliegergrundstücks die Zuwegung über ein unmittelbar an der Straße gelegenes Grundstück dauerhaft nutzen kann.

27

c. Schließlich steht der Klägerin weder gegen die Stadt noch einen anderen Eigentümer eines an die Straße „Am Seeufer“ gelegenen Grundstücks ein Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts zu. Nach § 917 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer den Zugang zu seinem Grundstück über ein fremdes Grundstück nur verlangen, wenn er zur ordnungsgemäßen unmittelbaren Nutzung seines Grundstücks hierauf angewiesen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin trägt vor, dass sie zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks nicht auf eine Anbindung zur Straße am Seeufer angewiesen ist. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks G.- Allee in W. Dieses Grundstück verfügt über einen unmittelbaren Zugang zur Müritz.

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Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin vertraglich eine Teilfläche der Binnenmüritz an einen Angelsportverein überlassen hat, der dort eine Bootsschuppenanlage unterhält. Dabei kann dahin stehen, ob eine ordnungsgemäße Verbindung unter heutigen Verhältnissen voraussetzt, dass diese Anlage mit Pkw erreichbar ist (für Bootshäuser bejaht vom OLG Rostock, Urt. v. 04.11.1999 – 7 U 361/98 – juris Rn. 7). Denn jedenfalls ist das Bestehen eines Notwegerechts über das Grundstück Flurstücke G5 und G6 entsprechend § 918 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass die Verpflichtung zur Duldung des Notweges nicht eintritt, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. Sie enthält nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein Notwegerecht nicht mit einem Zustand begründet werden kann, den der Eigentümer durch Maßnahmen auf seinem Grundstück erst herbeiführt (Urt. v. 05.05.2006 – V ZR 139/05 – juris Rn. 13 m.w.N.). Daher ist der Umstand, dass ein Nutzungsvertrag mit dem Angelsportverein besteht, von vornherein nicht geeignet, ein Notwegerecht zu begründen. Die vorstehenden Ausführungen geltend entsprechend für die Fläche, die von dem mit der Stadt geschlossenen Nutzungsvertrag erfasst wird. Mit den übrigen Nutzern des Areals (Fischereibetrieb, Betreiber der Marina) hat die Klägerin nach eigenem Bekunden keine ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen geschlossen.

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3. Auf die Frage, ob die Teilflächen des Grundstücks Flurstück G2, für die der Beklagte die Vorausleistung erhoben hat, Bestandteile der Bundeswasserstraße Müritz (vgl. Nr. 35 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 und § 2 Abs. 2 Bundeswasserstraßengesetz – WaStrG) sind und damit von der wegerechtlichen Widmung in § 1 Abs. 1 Nr. WaStrG erfasst werden, kommt es entscheidungserheblich nicht mehr an.

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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.