Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 18. Mai 2016 - 9 A 1/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2016:0518.9A1.15.0A
bei uns veröffentlicht am18.05.2016

Tenor

Der Bescheid vom 20.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2014 wird aufgehoben, soweit er einen Ausbaubeitrag von mehr als 81.014,60 € festsetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 16 % und der Beklagten zu 84 % auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich teilweise gegen einen Ausbaubeitragsbescheid in Höhe von 101.134,71 € für die Erneuerung der A-Straße in der Stadt W., 2. Bauabschnitt zwischen G.../V... und B-Straße.

2

Die Klägerin ist Alleineigentümerin des Buchgrundstücks A-Straße … und B-Straße …, … (Flurstücke … und …, Flur …, Gemarkung Sch.; Grundbuch von Sch. Blatt …, laufende Nr. …) mit einer Gesamtgröße von 11.023 m². Das Grundstück ist mit mehreren Gebäuden bebaut, und zwar am 17.09.2010 mit einem Jugendhaus (A-Straße …), zwei Pastoraten (B-Straße … und …) und einem Haupthaus (A-Straße …), in dem sich das Kirchenschiff, ein Gemeindezentrum und ein Kindergarten sowie Wohnungen befinden. Das Gebiet der A-Straße im 2. Bauabschnitt stellt sich zum Teil als ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil dar, zum Teil existieren dort Bebauungspläne. Das klägerische Grundstück liegt im Bereich des nicht qualifizierten Bebauungsplans Nr. 100 g „… Weg“ aus dem Jahr 2004. Die A-Straße wurde erstmalig 1962 endgültig hergestellt.

3

Die Stadtvertretung beschloss am 14.05.2009 die Erneuerung der A-Straße in einem 2. Bauabschnitt zwischen G.../V... und B-Straße. Dabei sollte ein verkehrsgerechter Ausbau der A-Straße mit folgenden Merkmalen erfolgen: die Fahrbahn sollte aus Asphalt mit einer Breite von 4,50 m zuzüglich eines beidseitigen Radfahrerangebotsstreifens (abmarkiert) in einer Breite von je 1,45 m zuzüglich eines Sicherheitsstreifens von je 0,30 m zum nordseitigen Parkstreifen bzw. als Wasserlauf zum südseitigen Gehweg ausgebaut werden. Entlang der Nordseite sollte ein2 m breiter Park-/Grünstreifen angeordnet werden, befestigt mit Fugen- und Betonsteinpflaster. Beidseitig sollte je ein Gehweg mit einer Breite von ca. 1,70 m auf der Südseite und ca. 2 m (inklusive 0,50 m Sicherheitsstreifen zum Parkstreifen) auf der Nordseite in Betonsteinpflaster angeordnet werden.

4

Bisher soll sich der Zustand so dargestellt haben, dass die Fahrbahn große Schadstellen (Risse, Aufbrüche) aufgewiesen hat und der Schichtenaufbau nicht mehr den Anforderungen (Verkehrsbelastung) und Richtlinien entsprochen hat. Die vorhandene Fahrbahnbreite von 7 m soll für eine verkehrsgerechte Fahrzeugnutzung überdimensioniert gewesen sein (Regelbreite 5,5 - 6,5 m). Die Fahrbahn soll stark durch parkende Fahrzeuge in Anspruch genommen worden sein, so dass die verbleibende Fahrbahnbreite für Begegnungsverkehr (PKW/Lkw) zu schmal gewesen sein soll. In den vorhandenen Nebenflächen (Geh-/Radweg) sollen erhebliche Oberflächenschäden festzustellen gewesen sein, die auch auf einen mangelhaften Unterbau schließen lassen sollten. Die vorhandenen Breiten der Nebenflächen sollen für eine komfortable und vor allem sichere Führung der Radfahrer zu schmal und zu uneben gewesen sein.

5

Die Bauarbeiten fanden in der Zeit vom 14.09.2009 bis 17.09.2010 statt. Die Schlussabnahme erfolgte am 17.09.2010.

6

Für die genannte Maßnahme zog die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 20.09.2012 für das hier streitige Grundstück zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von 101.899,95 € heran. Dabei berücksichtigte sie das Grundstück mit 2 Vollgeschossen (Vervielfältiger 160 %) und einem Artzuschlag wegen der mit einem Gewerbe vergleichbaren Nutzung (50 %).

7

Hiergegen legte die Klägerin am 18.10.2012 Widerspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie an, dass die Maßnahme teilweise keinen Vorteil mit sich bringe, zu Unrecht ein Artzuschlag berücksichtigt worden sei, ihr eine Eckgrundstücksermäßigung zu gewähren gewesen sei und der Bescheid an einem Ermessensfehler leide, weil nicht geprüft worden sei, ob unter Billigkeitsgesichtspunkten eine Reduzierung des Beitrages gemäß § 227 AO in Betracht gekommen wäre.

8

Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gab die Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2012 unter Berücksichtigung einer unbilligen Härte bei der Klägerin statt; es wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aussetzung nicht wegen einer vermeintlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides erfolgt sei.

9

Am 04.12.2014 erging ein Widerspruchsbescheid, in welchem auch die Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 33.234,76 € widerrufen wurde. Der Bescheid vom 20.09.2012 wurde insoweit aufgehoben, als darin ein Beitrag von mehr als 101.134,71 € gefordert wurde. Der veränderte Beitrag resultiere aus einer geringfügigen Veränderung des beitragsfähigen Aufwandes sowie der gewichteten Grundstücksfläche des Abrechnungsgebietes. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Grundstück der Klägerin als direkt an die A-Straße anliegendes Grundstück durch die Ausbaumaßnahme einen Vorteil erhalte und die objektive Möglichkeit habe, diese in Anspruch zu nehmen.

10

Das Grundstück werde überwiegend beitragsrechtlich vergleichbar genutzt, weshalb auch der Artzuschlag zutreffend berücksichtigt worden sei. Denn in der Mehrzahl der Geschosse finde eine überwiegende derartige Nutzung statt. Die Pastorate seien eingeschossig, sie würden nur dem Wohnen dienen. Das Jugendhaus sei ebenfalls eingeschossig (ein Vollgeschoss) welches überwiegend beitragsrechtlich vergleichbar genutzt werde. Bei dem Haupthaus gäbe es zwei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss. Das Staffelgeschoss diene dem Wohnen, sei aber beitragsrechtlich nicht relevant. In den zwei Vollgeschossen befänden sich im Kellergeschoss der Kindergarten und im Erdgeschoss das Gemeindezentrum und das Kirchenbüro. Der rechtwinklig zum übrigen Gebäude gebaute Teil habe ebenfalls zwei Geschosse. Das Obergeschoss diene dem Wohnen, das Erdgeschoss beherberge weitere Teile des Gemeindezentrums. In diesem Teil sei das Obergeschoss kein Staffelgeschoss. Die festgestellte überwiegend beitragsrechtlich vergleichbare Nutzung von Kirchengebäude und Jugendhaus in der Mehrzahl der Geschosse gelte für das ganze Buchgrundstück.

11

Daraus ergebe sich auch, dass die Eckgrundstücksvergünstigung zu versagen gewesen sei, da diese nur bei ausschließlicher Wohnnutzung zu gewähren sei.

12

Eine Billigkeitsentscheidung zu Gunsten der Klägerin habe nicht getroffen werden müssen. Das Grundstück der Klägerin sei in keiner Weise in seiner Nutzung eingeschränkt. Es habe keinen Anlass zum (Teil-) Erlass aus Billigkeitsgründen gegeben, weshalb dies nicht in den Bescheid aufgenommen worden sei. Denn ohne Antrag des Pflichtigen habe die Behörde die Möglichkeit des Erlasses nur zu prüfen, wenn sich dies nach den Umständen des Einzelfalls aufdränge. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Die Beitragserhebung bedeute für die Klägerin keine unbillige Härte. Soweit dennoch eine Ermessensabwägung notwendig gewesen sei, werde diese nunmehr nachgeholt. Den Vorteil, den die Klägerin durch das Betreiben des Jugendhauses und den Kindergarten für die Beklagte erbringe, sei ein Vorteil im allgemeinen Sinn und kein Vorteil, der beitragsrechtlich relevant wäre. Seit 2009 habe die Klägerin zudem Zeit gehabt, Rücklagen zu bilden. Im Übrigen werde nicht aufgeführt, dass die Klägerin nicht nur Kosten, sondern auch Einnahmen habe. Zudem sei sie Grundeigentümerin.

13

Die Klägerin stellte am 02.01.2015 einen weiteren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, welcher mit Bescheid vom 28.01.2015 abgelehnt wurde.

14

Ebenfalls am 02.01.2015 hat die Klägerin Klage erhoben, soweit ein Straßenbaubeitrag von mehr als 77.055,01 € erhoben wurde.

15

Diese begründet sie nur noch unter den Gesichtspunkten der fehlerhaften Berücksichtigung eines Artzuschlages und Ermessensfehlern aufgrund der Nichtberücksichtigung einer Billigkeitsentscheidung gemäß § 11 KAG i.V.m. §§ 163, 227 AO.

16

Auf ihrem Grundstück überwiege keine mit einer gewerblichen oder industriellen Nutzung vergleichbare Nutzung. In dem Kirchengebäude A-Straße ... mit drei zu berücksichtigenden Geschossen finde lediglich im Erdgeschoss eine vergleichbare Nutzung statt, sowohl im Kellergeschoss als auch im Obergeschoss (Staffelgeschoss) finde Wohnnutzung bzw. keine vergleichbare Nutzung statt. Auch Staffelgeschosse seien zu berücksichtigen, da in § 7 a SBBS (im Unterschied zu z.B. § 6 SBBS) keine Differenzierung zwischen Vollgeschossen und sonstigen Geschossen stattfinde. Die Nutzung des gottesdienstlichen Zwecken dienenden Gebäudeteils (sakrale Nutzung) sei keine vergleichbare Nutzung im Sinne des § 7 a SBS. Das Jugendhaus in der A-Straße ... sei mit drei Geschossen zu berücksichtigen, wobei alle eine vergleichbare Nutzung aufweisen würden. In beiden Pastoraten B-Straße ... (eingeschossig) und ... (3-geschossig) würde auf allen Geschossen die Wohnnutzung überwiegen. Im Übrigen würde das Grundstück hauptsächlich durch Fußgängerverkehr erreicht werden. Zu Vorstehendem hat die Klägerin eine tabellarische Übersicht eingereicht.

17

Die erforderliche Prüfung eines Billigkeitserlass habe die Beklagte versäumt und erst im Widerspruchsverfahren nachgeholt. Durch die Nutzung des Grundstücks für Kinder-und Jugendbetreuungseinrichtungen beteilige sich die Klägerin wesentlich an der Erfüllung wichtiger öffentlicher, zumal kommunaler, Aufgaben. Sie habe zudem nur eine begrenzte Möglichkeit zur Rücklagenbildung. Die Beklagte habe eine ermessensfehlerhafte Beurteilung vorgenommen. Im Hinblick auf den Billigkeitserlass nach § 227 AO liege ein Ermessensfehlgebrauch vor, im Hinblick auf eine abweichende Festsetzung gemäß § 163 AO eine Ermessensunterschreitung.

18

Die Klägerin beantragt,

19

den Bescheid der Beklagten vom 20.09.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2014 insoweit aufzuheben, als er der Klägerin einen 77.055,01 € übersteigenden Straßenbaubeitrag auferlegt.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid und führt ergänzend an, dass unabhängig von der Frage, ob es sich bei den in § 7 a SBBS erwähnten Geschossen um Vollgeschosse handeln müsse, in dem Gebäude A-Straße... in der Mehrzahl der Geschosse eine überwiegende vergleichbare Nutzung stattfinde. Bei drei Geschossen würden zwei (Erdgeschoss und Untergeschoss) durch den Kindergarten und das Gemeindezentrum und die Kirche genutzt und damit die Mehrzahl der Geschosse. Auch eine sakrale Nutzung sei eine kirchliche Nutzungsart. Nur das Obergeschoss sei eindeutig dem Wohnen zuzuordnen. Die eingeschossigen Pastorate würden dem Wohnen dienen. Das eingeschossige Jugendhaus werde überwiegend beitragsrechtlich vergleichbar genutzt. Danach sei der Artzuschlag zutreffend berücksichtigt worden. Die Beklagte bezieht sich auf die Wohn-und Nutzflächenberechnung und Baupläne für die Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück.

23

Es habe keine rechtliche Verpflichtung für die Beklagte bestanden, bereits in dem Beitragsbescheid über Billigkeitsgesichtspunkte zu entscheiden. Rechtlich sei geregelt, dass dies sogar in einem nachgeordneten Verfahren erfolgen könne. Sie sei verpflichtet, Ausbaubeiträge zu erheben. Davon zu unterscheiden seien Erlassentscheidungen bei Vorliegen der Voraussetzungen. Sie stehe einem Erlass aus Billigkeitsgründen bzw. einer Stundung keineswegs ablehnend gegenüber. In dem Widerspruchsbescheid und der Entscheidung vom 28.01.2015 habe sie lediglich darauf hingewiesen, dass sie ohne Darlegung und Nachweis der Einnahmen sowie Ausgaben durch die Klägerin nicht prüfen könne, ob die Voraussetzungen für eine Billigkeitsentscheidung oder eine Stundung vorlägen.

24

Die Kammer hat den Rechtsstreit der Einzelrichterin mit Beschluss vom 09.02.2016 zur Entscheidung übertragen.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie den Akten zum Parallelverfahren 9 A 292/14 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

26

Die Klage ist zulässig und im überwiegenden Umfang auch begründet. Der angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig, soweit darin ein Ausbaubeitrag von mehr als 81.014,60 € festgesetzt ist; insoweit ist er aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig.

27

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Ausbaubeiträgen ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. § 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Ausbau, die Erneuerung sowie den Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung) vom i. d. F. der I. Nachtragssatzung vom 26.03.2009 (SBS). Danach erhebt die Beklagte zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau, die Erneuerung und den Umbau von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen (Anlagen), sofern Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch nicht zu erheben sind, Beiträge nach Maßgabe dieser Satzung.

28

Die genannten Voraussetzungen für die Erhebung eines Ausbaubeitrages sind vorliegend erfüllt.

29

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die abgerechneten Maßnahmen eine beitragspflichtige Erneuerung und zum Teil auch eine beitragspflichtige Verbesserung darstellen, dass öffentliche Einrichtung die A-Straße zwischen G.../V... und B-Straße (2. Bauabschnitt gem. § 12 SBS) ist und dass die A-Straße als im wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr dienende Straße einzustufen ist. Bedenken gegen diese Annahmen bestehen nicht. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Höhe des umlagefähigen Aufwandes von 492.678,91 € und der Entstehung der persönlichen und sachlichen Beitragspflicht der Klägerin als Grundstückseigentümerin gem. § 9 Abs. 1 S. 2 2. Alt., § 10 SBS mit der Schlussabnahme der Maßnahmen am 17.09.2010 (sachlich) und dem Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides am 20.09.2012 (persönlich).

30

Diesen Aufwand hat die Beklagte auf das Abrechnungsgebiet i. S. v. § 5 S. 2 SBS umgelegt, welches in seiner räumlichen Ausdehnung (insbesondere was die zu berücksichtigenden Grundstücke anbelangt) ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Dabei hat sie zwar zutreffend auch das an der öffentlichen Einrichtung direkt anliegende und damit bevorteilte Grundstück der Klägerin in das Abrechnungsgebiet einbezogen; dieses hat sie jedoch durch die Berücksichtigung des Artzuschlages gemäß § 7 a Abs. 1 SBS unzutreffend gewichtet, was insgesamt auf die gewichtete Fläche des Abrechnungsgebietes und somit auch auf den Beitragssatz durchschlägt.

31

Nach § 7 a Abs. 1 S. 1, 3 SBS werden bei überwiegend gewerblich, industriell oder in beitragsrechtlich vergleichbarer Weise nutzbaren Grundstücken in anderen Baugebieten als Kern-, Gewerbe-, Industrie oder Sondergebieten die nach §§ 6 und 7 ermittelten Nutzflächen um 50 v. H. erhöht. Eine überwiegend gewerbliche, industrielle oder sonstige Nutzung liegt vor, wenn in der Mehrzahl der Geschosse eine überwiegende derartige Nutzung vorliegt. Im Vergleich zu den sonstigen Satzungsregelungen ergibt sich für die erkennende Einzelrichterin, dass mit „Geschossen“ im Sinne dieser Vorschrift all jene des § 2 Abs. 6 LBO umfasst sind, nämlich alle Geschosse, die mit ihren Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 m über die festgelegte Geländeoberkante hinausragen (oberirdische Geschosse); im Übrigen sind sie Kellergeschosse. Oberirdische Geschosse sind Staffelgeschosse, wenn sie gegenüber mindestens einer Außenwand des jeweils darunter liegenden Geschosses um mindestens zwei Drittel ihrer Wandhöhe zurücktreten. Diese müssen keine Vollgeschosse im Sinne von § 2 Abs. 7 LBO sein. Denn anders als z. B. § 6 SBS spricht § 7 a Abs. 1 SBS allgemein von „Geschossen“, ohne nähere Definition, wohingegen in § 6 Abs. 5 und § 6 Abs. 6 SBS ausdrücklich „Vollgeschosse“ benannt werden und diesbezüglich jeweils ausdrücklich auf die Definition der Landesbauordnung verwiesen wird („Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, die nach bauordnungsrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind.“).

32

Nach der so verstandenen Regelung über den Artzuschlag handelt es sich bei dem Grundstück der Klägerin bereits nach den Annahmen der Beklagten nicht um eine Nutzung, die in der Mehrzahl der Geschosse eine beitragsrechtlich überwiegend vergleichbare Nutzung darstellt – eine gewerbliche oder industrielle Nutzung scheidet bei einer Kirche, einem Jugendzentrum, einem Kindergarten und einem Gemeindezentrum von vornherein aus. Denn auch unter Zugrundelegung der von ihr berücksichtigten sechs Geschosse (drei Geschosse im Haupthaus A-Str. ..., zwei jeweils eingeschossige Pastorate B-Straße. ... und ..., und das eingeschossige Jugendhaus A-Str. ...) werden drei Geschosse vergleichbar (Unter- und Erdgeschoss Haupthaus, Jungendzentrum) und drei Geschosse zum Wohnen (zwei Pastorate, Obergeschoss/Staffelgeschoss Haupthaus) genutzt. Dies ergibt bereits nach ihrer Berechnung eine Pattsituation, jedoch keine – von der Satzung geforderte – überwiegend vergleichbare Nutzung in der Mehrzahl der Geschosse.

33

Die Berechnung der Beklagten leidet darüber hinaus an einer fehlerhaften Einordnung der Kirche (nebst ausschließlich ihr dienender Räume wie z. B. Sakristei, für den Küster, die Altargeräte) als überwiegend vergleichbare Nutzung; diese ist vielmehr bei ausschließlich „sakraler Nutzung“ dem Wohnen zuzuordnen, unabhängig davon, ob in demselben Gebäude noch anderweitige Nutzungen stattfinden. Auch bei Kirchen ist maßgeblich darauf abzustellen, wie stark die öffentliche Einrichtung vom Kirchengrundstück aus erfahrungsgemäß und typischerweise tatsächlich genutzt wird. In diesem Zusammenhang wird in der Rechtsprechung darauf abgestellt, dass Kirchengrundstücke über einen längeren Zeitraum gesehen regelmäßig nicht intensiver genutzt werden als der Wohnnutzung dienende Grundstücke, da die Besucherzahlen an Sonn- und Feiertagen höher, dafür an Werktagen aber niedriger liegen als bei Wohngrundstücken (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 16.04.1992 - 9 M 1742/92 - ; OVG Koblenz, U. v. 12.09.1995 - 6 A 11051/95 -; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 23.02.2009 - OVG 9 S 53.08 -, alle zitiert nach juris; VG Schleswig, U. v. 27.04.2016 - 9 A 244/14 -). Dies gilt selbst für den Fall, dass ein Kirchengrundstück - wie vorliegend - nicht ausschließlich zu sakralen Zwecken genutzt wird, sondern auch für andere Zwecke (z. B. als Gemeindezentrum, Kindergarten, Jugendraum, Büroräume) ausgestaltet ist (vgl. Bay. OVG, U. v. 17.11.1998 - 6 B 95.2307 -, juris). Die Nutzungen als Gemeindezentrum, Jugendhaus, Kindergarten oder Mehrzweckraum sind insgesamt, wie schon aus der jeweiligen Bezeichnung hervorgeht, geeignet, typischerweise einen erheblich stärkeren Ziel- und Quellverkehr auszulösen, als dies bei einer Wohnnutzung der Fall ist. Kindergärten und Jugendräume sind von ihrer Nutzung her mit Unterrichtsräumen vergleichbar. Ebenso wie Gemeindesäle sind diese Nutzungen regelmäßig mit höherem Verkehrsaufkommen verknüpft (vgl. Bay. OVG, U. v. 17.11.1998, a.a.O.). Dies führt vorliegend dazu, dass tatsächlich auch das Erdgeschoss des Haupthauses A-Str. ... keine überwiegend vergleichbare Nutzung erfährt und somit in insgesamt vier Geschossen Wohnnutzung und in lediglich zwei Geschossen eine überwiegend vergleichbare Nutzung stattfindet. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten aus der Bauakte eingereichten Wohn- und Nutzflächenberechnung und Bauplänen für die Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück (Beiakte A Bl. 658 ff.) ergibt sich nämlich, dass im Erdgeschoss zumindest auf 647,11 m² (ohne Empore im Kirchenschiff 592,58 m²) sakrale Nutzung bzw. Wohnnutzung stattfindet und nur auf 528,78 m² eine vergleichbare Nutzung. Dabei sind der Berechnung jeweils folgende Räume zugrunde gelegt worden: Raumnummern 2.01-2.06, 2.09-2.11, HG 2.33-2.42 und mit/ohne Empore Kirchenschiff als sakrale Nutzung bzw. Wohnnutzung sowie Raumnummern 2.07, 2.08, 2.12 und 2.15-2.32 als überwiegend vergleichbare Nutzung. Daraus folgt, dass auch im Erdgeschoss des Haupthauses keine überwiegende vergleichbare Nutzung stattfindet. Im Ergebnis ergibt sich daraus, dass in vier Geschosse eine Wohnnutzung und nur in zwei Geschossen eine vergleichbare Nutzung zu berücksichtigen waren, mithin nicht in der Mehrzahl der Geschosse eine überwiegende vergleichbare Nutzung stattfindet. Nichts anderes ergibt sich dann, wenn mit der Klägerin angenommen wird, dass sowohl das Jugendhaus als auch ein Pastorat mit jeweils drei Geschossen zu berücksichtigen gewesen wären. Unter dieser Annahme würden zu der Wohnnutzung noch zwei Geschosse des Pastorats B-Straße. ... hinzuzuzählen sein (ergibt sechs Geschosse Wohnnutzung) und als vergleichbare Nutzung noch zwei Geschosse des Jugendhauses A-Str. ... (ergibt vier Geschosse vergleichbare Nutzung).

34

Danach ergibt sich eine gewichtete Grundstücksfläche der Klägerin von 17.636,80 m² (11.023 m² x 160%). Ist die Grundstücksfläche der Klägerin nur mit 17.636,80 m² zu gewichten (anstelle von 23.148,30 m² (11.023 m² x 50% = 5.511,50 m² + 17.636,80 m²)), ergibt sich insgesamt lediglich eine gewichtete Fläche des Abrechnungsgebiets von 107.255,71 m² (112.767,21 m² ./. 5.511,50 m²). Unter Berücksichtigung des oben genannten umlagefähige Aufwands von 492.678,91 € und der gewichteten Abrechnungsfläche von 107.255,71 m² ergibt sich ein Straßenbaubeitrag in Höhe von 4,5934981 €/m². Dieser m²-Beitrag multipliziert mit der gewichteten Grundstücksfläche der Klägerin ergibt rechnerisch den tenorierten Beitrag in Höhe von 81.014,60 €.

35

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen Beitragserlass aus Billigkeitsgründen bzw. Aufhebung des angefochtenen Bescheides aufgrund fehlender Ermessensausübung der Beklagten und daraus resultierender Rechtswidrigkeit des Bescheides.

36

Nach § 11 Abs. 1 S. 2 KAG findet im Ausbaubeitragsrecht die Abgabenordnung (AO) sinngemäß Anwendung. Entsprechend § 163 AO ist eine abweichende Festsetzung von Beiträgen, nach § 227 AO ein (Teil-)Erlass von Beiträgen aus Billigkeitsgründen zulässig. Tatbestandliche Voraussetzung beider Vorschriften ist das Vorliegen einer unbilligen Härte. Ob eine unbillige Härte gegeben ist, unterliegt im vollen Umfang der Überprüfung durch das Gericht. Erst die unbillige Härte eröffnet der Gemeinde die Ermessensentscheidung, den Beitrag abweichend von den Satzungsregelungen festzusetzen oder den Beitrag (teilweise) zu erlassen. Billigkeitsgründe können sich aus der Sache oder den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Abgabenschuldners ergeben (vgl. Habermann in: Habermann/Arndt, KAG, Stand 01/2016, § 8 Rn. 22). Zwar hat die Gemeinde offensichtlich erkennbare Umstände, die dazu führen, dass aus sachlichen Gründen ein (teilweiser) Billigkeitserlass geboten ist, von Amts wegen bereits im Heranziehungsverfahren diese zu berücksichtigen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, führt ein Verstoß gegen diese Berücksichtigungspflicht allerdings nicht zur Rechtswidrigkeit eines gleichwohl (ungekürzt) ergehenden Abgabenbescheides, weil es sich lediglich um eine verfahrensrechtliche Pflicht handelt (vgl. BVerwG, U. v. 12.09.1984, - 8 C 124/82 -, juris; OVG Schleswig, U. v. 30.11.2005 - 2 LB 81/04 -). Üblicherweise findet die Billigkeitsentscheidung als eigenständiger Verwaltungsakt in einem nachgeordnetes Verfahren durch die Behörde im Nachgang zu dem bestandskräftigen Beitragsbescheid statt, in dem dann der Beitragsschuldner auf Antrag insbesondere seine Einnahme-/Ausgabensituation für eine persönliche Härte darzulegen hat und auch im Übrigen geprüft werden kann, ob die Anwendung einer an sich vorteilsgerechten Satzungsregelung in dem konkreten Einzelfall eine unbillige Härte darstellen könnte. Die Nichtberücksichtigung von sachlichen Billigkeitsgesichtspunkten durch die Beklagte in dem angefochtenen Beitragsbescheid vom 20.09.2012 macht diesen mithin nicht rechtswidrig; die hilfsweise nachgeholten Ermessenserwägungen in dem Widerspruchsbescheid stellen keine eigenständige Billigkeitsentscheidung dar.

37

Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten im Verhältnis ihres jeweiligen Unterliegens gem. § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO auferlegt, wobei die Klägerin mit einer Quote von 16 % und die Beklagte mit 84 % zu berücksichtigen waren.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder an

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(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mi

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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 30. Nov. 2005 - 2 LB 81/04

bei uns veröffentlicht am 30.11.2005

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 9. Kammer - vom 24. Mai 2004 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. D

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Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichterin der 9. Kammer - vom 24. Mai 2004 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Sie ist Eigentümerin des unbebauten, landwirtschaftlich genutzten Grundstücks der Gemarkung ..., Flur 3, Flurstück 151, das mit seiner Westseite an einen Wirtschaftsweg und mit seiner Südseite an das im Eigentum ihres Vaters stehende Grundstück mit der Flurbezeichnung 152 grenzt. Letzteres liegt unmittelbar am .... Der . ist ein die Stadt ... mit der Gemeinde ... verbindender Weg.

3

Im Jahr 2001 ließ die Beklagte im ... Straßenbaumaßnahmen durchführen. Die vorher zum Teil stark beschädigte Straße wurde mit neuer Linienführung verbreitert und erhielt erstmals einen abgesetzten zweispurigen Radweg. Außerdem wurde die Oberflächenentwässerung geregelt und die Beleuchtung ausgebaut.

4

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2002 zog die Beklagte die Klägerin für ihr Grundstück mit der Flurstücksbezeichnung 151 zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von 14.891,11 Euro heran.

5

Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass ihr Grundstück nicht zum Kreis der beitragsfähigen Grundstücke gehöre. Es grenze nicht an die ausgebaute Straße an. Die einheitliche Nutzung mit dem Nachbargrundstück, Flurstück 152, das am ... anliege, sei irrelevant, weil dieses nicht in ihrem Eigentum stehe. Es gelte insoweit der bürgerlich-rechtliche Grundstücksbegriff. Ihr Grundstück sei auch kein sogenanntes Hinterliegergrundstück, weil von ihm aus nicht in rechtlich zulässiger Weise auf Dauer Zugang zum ausgebauten Weg genommen werden könne.

6

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08. Mai 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, das streitbefangene Grundstück sei durch Teilung aus dem ursprünglichen Grundstück der Flur 3, Flurstück 15, in der Absicht entstanden, die Beitragsbelastung zu reduzieren. Beide nach der Teilung vorhandenen Grundstücke mit den Flurbezeichnungen 151 und 152 würden wie vor der Teilung weiterhin als einheitliche landwirtschaftliche Fläche genutzt. Der Ausbau des ...es sei deshalb auch für das Grundstück der Klägerin vorteilhaft.

7

Die Klägerin hat am 26. Mai 2003 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie ergänzend ausgeführt: Die Grundstücksteilung stelle keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO dar. Bei der Übertragung des Eigentums handele es sich um ein objektiv nachvollziehbares und unabhängig von den Motiven rechtmäßiges Rechtsgeschäft. Die Teilung des Grundstücks sei im Hinblick auf etwaige künftige Entwicklungen der Bebaubarkeit vorgenommen worden. Der beim ursprünglichen Eigentümer verbliebene Streifen (Flurstück 152) sei entsprechend der Tiefe von Baugrundstücken geschnitten worden, so dass ihr Vater, bei einer sich später möglicherweise ergebenden Bebaubarkeit, weiterhin den Zugriff auf diese Flächen habe. Die Übertragung des Restgrundstücks an sie sei im Vorgriff auf ihr späteres Erbrecht erfolgt, da insoweit eine anderweitige Nutzung als die bestehende landwirtschaftliche nicht zu erwarten sei.

8

Die Klägerin hat beantragt,

9

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2002 und den Widerspruchsbescheid vom 08. Mai 2003 aufzuheben.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie hat ergänzend vorgetragen: Die Grundstücksteilung sei missbräuchlich gewesen, weil dafür keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe vorgelegen hätten. Wenn ein Eigentümer sein Grundstück teile und es einem nahen Angehörigen unentgeltlich zum Eigentum übertrage und dies nach Ankündigung des Entstehens einer künftigen Beitragspflicht geschehe, könne der einzige Sinn nur das Sparen von Beiträgen sein; denn beide Grundstücke würden weiterhin einheitlich genutzt und die im Eigentum des Vaters verbliebene Restfläche werde im Erbfall ebenfalls an die Klägerin übertragen, weil es testamentarisch bereits so vorgesehen sei. Die übrigen Voraussetzungen der Beitragserhebung lägen vor.

13

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 24. Mai 2004 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das Grundstück der Klägerin unterliege nicht der Beitragspflicht, weil dem Grundstück durch den Ausbau des ... kein Vorteil erwachsen sei. Die Zugänglichkeit des streitbefangenen Grundstücks werde durch die Straßenbaumaßnahme nicht erleichtert, weil es nicht unmittelbar am ... anliege und auch nicht als Hinterliegergrundstück zum Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke gehöre. Eigentümer von Hinterlieger- und Anliegergrundstück (ein solches stelle das am ... anliegende Grundstück des Vaters der Klägerin dar) seien nicht identisch und die Klägerin sei mangels dinglicher Sicherung eines Zugangsrechts nicht dauerhaft berechtigt, die ausgebaute Straße über das Vorderliegergrundstück zu betreten.

14

Zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht sei die Klägerin bereits Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten liege nicht vor. Ein solcher sei gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt werde, die überhaupt keinem wirtschaftlichen Zweck diene, wenn ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund überhaupt fehle, wenn sie der Steuerminderung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei. Die Klägerin habe das Eigentum am streitbefangenen Grundstück auf der Grundlage eines notariellen Überlassungsvertrages vom 20. November 2000 von ihrem Vater erworben. Aus der notariellen Verhandlungsniederschrift ergebe sich, dass der Vater der Klägerin bereits zuvor testamentarisch verfügt habe, dass sie im Erbfalle das Gesamtgrundstück erhalten solle und durch den Überlassungsvertrag im Vorwege die Übertragung einer Teilfläche geregelt werden solle. Auch wenn es sich als ungewöhnlicher Weg darstellen möge, dass lediglich eine Teilfläche, die wesentlich größer sei als der verbleibende Rest, vertraglich übertragen werde, sei die Überlassung nicht missbräuchlich, weil dieser Rechtsgestaltung ein wirtschaftlicher Zweck beigemessen werden könne. Die Teilung des ursprünglichen Grundstücks sei im Hinblick auf etwaige zukünftige Entwicklungen der Bebaubarkeit erfolgt. Dem ursprünglichen Eigentümer sei ein Streifen verblieben, der entsprechend der Tiefe von Baugrundstücken geschnitten sei, so dass er bei einer sich später noch möglicherweise ergebenden Bebaubarkeit weiterhin den Zugriff auf diese Flächen habe. Im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin sei auch langfristig eine anderweitige Nutzung als die bestehende landwirtschaftliche nicht zu erwarten. Insoweit sei unerheblich, dass das im Eigentum des Vaters der Klägerin verbliebene Teilgrundstück derzeit nicht bebaubar sei; denn die unentgeltliche Übertragung von Eigentum habe für sich gesehen einen wirtschaftlichen - nicht zu missbilligenden - Zweck, der im Vermögenszuwachs zu Gunsten der Klägerin liege.

15

Das Urteil ist der Beklagten am 26. Mai 2004 zugestellt worden.

16

Die Beklagte hat am 24. Juni 2004 den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und am 21. Juli 2004 begründet. Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 15. November 2004 zugelassen. Die Berufungsbegründung ist am 14. Dezember 2004 bei Gericht eingegangen.

17

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren bisherigen Vortrag. Sie macht geltend, die zukünftige Bebaubarkeit auch des beim Vater der Klägerin verbliebenen Grundstücksteils sei auszuschließen. Das Grundstück sei im Flächennutzungsplan als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen. Gründe des Naturschutzes und der Landschaftspflege stünden zudem einer Bebaubarkeit entgegen. Einziger Grund der Grundstücksteilung sei es gewesen, eine höhere Abgabenbelastung zu vermeiden. Dies ergebe sich auch aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Grundstücksteilung und der anstehenden Beitragsveranlagung, die Gegenstand eines informatorischen Gesprächs mit den Eltern der Klägerin im März 2000 gewesen sei. Der Beitrag sei auch zu Recht gegenüber der Klägerin festgesetzt worden, weil zwar die abgabenrechtlichen Wirkungen des Umgehungsgeschäfts gemäß § 42 AO neutralisiert würden, die zivilrechtliche Wirksamkeit der Grundstücksüberlassung hiervon aber unberührt bleibe.

18

Auch das Abrechnungsgebiet sei rechtmäßig gebildet worden. Der Bahnübergang bilde eine deutliche Zäsur. Er begrenze die Einrichtung ... und stelle zugleich die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich dar. An dieser Stelle ändere sich auch die Verkehrsfunktion der Straße. Durch die Fahrbahnverbreiterung habe sich der Charakter der Straße nicht verändert. Sie sei auch schon vor Durchführung der Maßnahme eine Gemeindeverbindungsstraße gewesen. Der Ausbauzustand habe diesen Anforderungen allerdings nicht entsprochen. Zudem sei die Fahrbahn erneuerungsbedürftig gewesen. Auch mit dem Ausbau einer Gemeindeverbindungsstraße seien Anliegervorteile verbunden. Der Anliegervorteil von 25 % sei der geringste der Satzung und liege in dem von der Rechtsprechung entwickelten Rahmen.

19

Sie beantragt,

20

das angefochtene Urteil vom 24. Mai 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 Satz 2 AO nicht vorliege. Die Grundstücksteilung habe nicht zur Folge, dass überhaupt keine Beitragspflicht für den ... mehr bestehe, lediglich die Größe der beitragspflichtigen Fläche werde vermindert. Die beim früheren Grundstückseigentümer verbliebene Fläche sei auch nicht derart schmal, dass sie jedweder Nutzung entzogen sei. Es habe sehr wohl die Erwartung bestanden, dass im Hinblick auf den jetzt vorgenommenen Ausbau der Straße die an die Straße angrenzenden Flächen in absehbarer Zeit Bauland werden würden. Diese Fläche habe sich der Grundstückseigentümer erhalten wollen, während er die dahinter liegenden Flächen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schon an die Klägerin, seine Tochter, übertragen habe.

24

Die Klägerin sei auch dann nicht beitragspflichtig, wenn die Voraussetzungen des § 42 Satz 2 AO vorlägen. Bei einer missbräuchlichen Umgehung des Abgabentatbestandes werde der Abgabenschuldner grundsätzlich so behandelt, als habe der Umgehungstatbestand nicht stattgefunden; es werde gewissermaßen gesetzlich die Sachlage fingiert, die vor der Vornahme der Umgehung bestanden habe. Werde die Übertragung des hinteren Grundstücks auf die Klägerin als nicht eingetreten fingiert, so könne dies nur zur Folge haben, dass der Vater der Klägerin für das gesamte Grundstück den Beitrag zu zahlen habe.

25

Das Abrechnungsgebiet sei falsch gebildet worden. Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg komme einem Bahnübergang keine Trennfunktion zu. Dies möge im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein, eine Ortsbesichtigung würde jedoch zeigen, dass überzeugend nur eine Abschnittsbildung beim Übergang der Straße vom Innenbereich in den Außenbereich zu finden sei, so dass die Flurstücke 113 und 158 in die Abrechnung mit einbezogen werden müssten.

26

Schließlich biete die Ausbaumaßnahme keine Anliegervorteile. Die Straße habe mit dem Ausbau ihren Charakter als Anliegerstraße für die angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen völlig eingebüßt. Von einer bestimmten Breite der Straße an führe eine zusätzliche Verbreiterung nicht mehr zu positiven verkehrlichen Auswirkungen für die Anlieger. Nach dem Erläuterungsbericht der Beklagten hätten kein Gründe vorgelegen, die irgendeinen Bezug zu den an dem ... gelegenen landwirtschaftlich genutzten Flächen hätten. Diese Flächen hätte ohne Einschränkungen hinreichend durch die vorhandene Straße in ihrem ursprünglichen Zustand erreicht werden können.

27

Insgesamt werde für die ursprünglich ungeteilte Fläche in einer Größe von 17.410 m² ein Beitrag von 23.172,-- Euro geltend gemacht. Das sei mehr als die landwirtschaftliche Fläche überhaupt wert sei.

28

Auf jeden Fall sei der Gemeindeanteil zu niedrig angesetzt worden. Der Anliegeranteil müsse deutlich unter 5 % liegen.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die zugelassene Berufung ist begründet.

31

Der Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2002 ist rechtmäßig.

32

Die Straßenbaumaßnahme, die die Beklagte im Jahr 2001 im ... hat durchführen lassen, ist eine beitragsfähige Maßnahme i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG. Die Hinzufügung einer neuen Teileinrichtung (hier Radweg) ist ein Ausbau im Sinne einer Vervollständigung der Einrichtung. Die neue Linienführung der Straße, die Verbreiterung der Fahrbahn, die Regelung der Oberflächenentwässerung und die Erweiterung der Straßenbeleuchtung sind ein verbessernder Ausbau. Soweit die Klägerin meint, die Fahrbahnverbreiterung diene nicht den Anliegern, sondern allein der Allgemeinheit, ist dem nicht zu folgen. Eine Fahrbahnverbreiterung ist regelmäßig auch für den Anliegerverkehr vorteilhaft, weil dadurch die Zugänglichkeit zu den Anliegergrundstücken ebenfalls verbessert wird. Nur wenn der Ausbau allein zum Zwecke der Funktionsänderung der Einrichtung erfolgt, d.h. eine bisherige (reine) Anliegerstraße als Innerorts- oder gar als Durchgangsstraße ausgebaut wird und deshalb Gebrauchsvorteile für die Anlieger schlechthin nicht erkennbar sind, ist eine Maßnahme, obwohl die technischen Voraussetzungen eines Ausbaus i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG erfüllt sind, beitragsfrei, weil der Beitrag ein Vorteilsentgelt ist. In sonstigen Fällen, in denen eine Straße ihrer Funktionsbestimmung gemäß ausgebaut wird, ist ein erweiternder und ergänzender Straßenausbau regelmäßig sowohl für die Anlieger als auch für die Allgemeinheit vorteilhaft. So liegt der Fall hier. Der ... hatte schon vor dem Ausbau die Funktion einer Gemeindeverbindungsstraße. Er wurde dieser Funktion aufgrund seiner Ausbaubreite von lediglich 4,50 m und seiner Linienführung allerdings nur unzureichend gerecht. Die Straßenverbreiterung und die Anlage eines Radwegs erleichtern den Begegnungsverkehr und tragen auch dazu bei, die landwirtschaftlich genutzten Anliegergrundstücke besser erreichen zu können. Dem Umstand, dass der Ausbau im wesentlichen der Verbesserung des Verkehrs zwischen der Stadt ... und der Gemeinde ... dient, wird pauschal dadurch Rechnung getragen, dass der Anliegeranteil nicht wie bei einer Anliegerstraße mit 75 %, sondern nur mit 25 % bemessen wird (vgl. § 4 Abs. 1 Ziffer 1.3 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten - ABS -).

33

Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass der Ausbauaufwand, gemessen an der Funktion der Straße nicht erforderlich war. Der Senat brauchte daher dem nicht weiter nachzugehen.

34

Ein Anliegeranteil von 25 % am beitragsfähigen Aufwand bei Straßen mit Gemeindeverbindungsfunktion ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Soweit wegen Besonderheiten des Einzelfalls (hoher erforderlicher Aufwandgeringe Verteilungsfläche) Beitragsbelastungen der Eigentümer der anliegenden Grundstücke außergewöhnlich hoch sind, begründet dies keine Verpflichtung der Gemeinde, abweichend von ihrer Satzung, für eine bestimmte Maßnahme einen geringeren Anliegeranteil der Bemessung des umlagefähigen Aufwandes zugrunde zu legen. Abgabenüberlastungen ist vielmehr durch Billigkeitserlass im Einzelfall (ggf. auch in zahlreichen Einzelfällen) zu begegnen.

35

Die Beklagte hat auch das Abrechnungsgebiet rechtsfehlerfrei gebildet. Die Einrichtung „...“ beginnt östlich des Bahnübergangs.

36

Wie im Erschließungsbeitragsrecht ist auch für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung einer Einrichtung im Straßenausbaubeitragsrecht, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise und ungeachtet einer wechselnden Straßenbezeichnung, auf das Erscheinungsbild eines Straßenzuges (z.B. Straßenführung, Straßenbreite, Straßenlänge, Straßenausstattung, die Zahl der „erschlossenen“ Grundstücke) seine Verkehrsfunktion sowie die vorhandenen Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die die Verkehrsfläche augenfällig als ein eigenständiges Element des Straßenzuges erscheinen lassen, abzustellen.

37

Ob eine Bahnunterführung geeignet ist, einen Straßenzug in zwei Einrichtungen zu teilen (so OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.06.1989 - 9 M 4690 -), einem Bahnübergang dagegen eine solche Trennfunktion nicht zukommt (so OVG Lüneburg, Urt. v. 20.11.1989, KStZ 1990, 173 zum Erschließungsbeitragsrecht), lässt sich nicht allgemein beantworten. Auch insoweit ist auf das Erscheinungsbild des Straßenzuges abzustellen. Jedenfalls ist auch ein Bahnübergang ein Abgrenzungsmerkmal, das im Vergleich zu Kreuzungen und Einmündungen eine deutlichere Zäsur darstellen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die Funktion des Straßenzuges dies- und jenseits des Bahnübergangs sowie die Nutzung der angrenzenden Grundstücke deutlich unterscheiden. An den Straßenzug „... Straße“, der westlich des Bahnübergangs gelegen ist, grenzen zunächst beidseitig Dauerkleingärten an, wobei im nördlichen Bereich der ... Straße die Bebauung fast bis an den Bahnübergang heranreicht. Die Straßenfront des zwischen der Bebauung und der Bahnlinie gelegenen Kleingartengeländes (Flurstück 113) beträgt nach dem vorliegenden Kartenmaterial weniger als 40 m und entspricht in etwa der des daneben liegenden Baugrundstücks. Das südlich der ... Straße zwischen der Bebauung und der Bahnlinie gelegene Kleingartengelände (Flurstück 58) hat dagegen eine Straßenfront von nahezu 300 m. Unmittelbar vor dem Bahnübergang befindet sich auf der Südseite der ... Straße eine Buskehre. Ungeachtet der baurechtlich zu beurteilenden Frage, ob die Flächen der Kleingärten bereits dem Außenbereich zuzuordnen sind, dient die ... Straße im Wesentlichen der Erschließung der Anliegergrundstücke, während der Straßenzug ... östlich des Bahnübergangs eine davon deutlich zu unterscheidende andere, die Gemeinden ... und ... verbindende Funktion hat. Die an den ... angrenzenden Grundstücke werden landwirtschaftlich (im Wesentlichen ohne Bebauung) genutzt. Erst in einer Entfernung von über 400 m von dem Bahnübergang (außerhalb des Gemeindegebietes) befindet sich ein vereinzeltes Gebäude auf der Südseite des ...es. Bei dieser Sachlage ist die Bahntrasse eine deutliche Zäsur, die die Straßenzüge ... Straße und ... als eigenständige Elemente des Straßennetzes der Beklagten erscheinen lassen. Die bereits aus den Katasterkarten ersichtliche Trennungswirkung der Bahntrasse wird durch das vorliegende Luftbild verdeutlicht, so dass für den Senat keine Zweifel an der Trennfunktion der Bahntrasse bestehen und eine Ortsbesichtigung sich erübrigt. Im Übrigen verfügt das Gericht über Ortskenntnis.

38

Die Beklagte hat auch das Grundstück der Klägerin zu Recht in den Kreis der beitragspflichtigen Grundstücke einbezogen.

39

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lag das Grundstück der Klägerin zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht weder am ... an noch war es ein Hinterliegergrundstück. Die Einbeziehung des Grundstücks der Klägerin in das Abrechnungsgebiet ist gleichwohl rechtmäßig, weil es ein Teilstück eines ehemaligen Gesamtgrundstücks ist, das am ... gelegen war und die Übereignung des rückwärtigen Grundstücksteils auf die Klägerin ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 11 Satz 2 KAG a.F. (jetzt § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG) i.V.m. § 42 AO war, durch den das Abgabenrecht nicht umgangen werden kann.

40

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 19.09.1996 - 2 L 12695 -) ist die Teilung eines Grundstücks und die Übereignung einer Teilfläche gemäß § 11 Satz 2 KAG a.F. i.V.m. § 42 AO ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts, wenn sie der Abgabenminderung oder -vermeidung dienen sollen und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen sind. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Für den Senat steht außer Zweifel, dass die Teilung des ehemaligen Grundstücks des Vaters der Klägerin und die Übereignung einer Teilfläche auf die Klägerin in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entstehung von Beitragspflichten wegen des Ausbaus des ...es stand und allein dem Zweck diente, die Abgabenpflicht zu verkürzen. Dass die Abgabenverkürzung Motiv der Grundstücksteilung war, ist auch von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht in Abrede gestellt worden. Wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe sind nicht ersichtlich. Das Grundstück war und ist auch nach der Teilung landwirtschaftliche Nutzfläche und wird auch einheitlich entsprechend genutzt. Soweit die Klägerin geltend macht, die Absicht ihres Vaters, den Bereich am ... in der Tiefe einer Einfamilienhausbebauung zu behalten und nur den Rest (17.732 m² von insgesamt 27.593 m²) auf die Klägerin zu übertragen, sei beachtlich, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass im Hinblick auf die gegenwärtige und absehbare Nutzbarkeit des Grundstücks die Teilung und Übereignung einer Teilfläche wirtschaftlich ohne Sinn ist. Der Sinn besteht allein darin, eine höhere Abgabenbelastung zu vermeiden. Auch die Vorwegnahme der Erbfolge, die nach der Präambel des Überlassungsvertrages vom 22. November 2000 Grund für die Grundstücksaufteilung war, gibt keinen anderen Sinn als den der Abgabenverkürzung. Die Eltern der Klägerin hatten bereits testamentarisch verfügt, dass ihre Tochter das Gesamtgrundstück zu gegebener Zeit erhalten soll. Eine tragfähige Begründung, die Erbfolge zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur und gerade hinsichtlich des rückwärtigen Grundstücksteils vorzunehmen, ist nicht ersichtlich. Eine Nutzungsänderung war - wie ausgeführt - damit nicht verbunden. Eine Verwertung des vorderen, beim Vater verbliebenen Grundstücksteils war, jedenfalls zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung nicht beabsichtigt. Eine Verwertung als Bauland ist - wenn nicht ausgeschlossen - auf absehbare Zeit nicht möglich. Auf die Bebaubarkeit ist die Grundstücksteilung ohne Einfluss. Ein Grund für die Vorwegnahme der Erbfolge unterstellt, hätte es nahe gelegen, für den - unwahrscheinlichen - Fall der zukünftigen Bebaubarkeit des vorderen Grundstücksteils vor Eintritt des Erbfalls sich einen möglichen Verwertungserlös auf andere Weise rechtlich zu sichern, wenn die Eltern der Klägerin nicht gewillt waren, ihrer Tochter diesen Erlös zu überlassen.

41

Der Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten steht nicht entgegen, dass infolge der Grundstücksteilung der Beitrag nicht für das ehemalige Gesamtgrundstück überhaupt in Frage gestellt wird. Ausreichend ist vielmehr die Absicht der Abgabenverkürzung.

42

Die Klägerin ist auch beitragspflichtig. Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 KAG ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Dies war die Klägerin.

43

Nach § 42 Satz 2 AO entsteht bei einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts der Abgabenanspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht. Dies bedeutet - wie bereits ausgeführt - im vorliegenden Fall, dass die sachliche Beitragspflicht im Hinblick auf die abgetrennte und der Klägerin übereignete Teilfläche ungeachtet der trennenden Wirkung des (Rest-) Grundstücks des Vaters der Klägerin entstanden ist (siehe Urt. d. Senats v. 19.09.1996, a.a.O.).Von Bedeutung ist ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nur in der sogenannten Verteilungsphase. Wer persönlich beitragspflichtig ist (Heranziehungsphase), ist dagegen abschließend durch Gesetz gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 KAG geregelt. Danach ist die Klägerin zu Recht als Grundstückseigentümerin in Anspruch genommen worden. § 42 Satz 2 AO verhindert den Umgehungserfolg dadurch, dass er die Wirkungen der Umgehung neutralisiert. Er lässt jedoch die zivilrechtliche Wirksamkeit der unangemessenen Gestaltung unberührt. Deshalb kann, obwohl in der Übereignung das Umgehungsgeschäft zu sehen ist, die Übereignung als solche nicht „hinweg gedacht“ werde (so aber OVG Koblenz, Urt. v. 11.10.1990 - 12 A 1130390 -, NVwZ-RR 1991, 321 zum Rh.-Pf. KAG), sondern ist der Beitrag gegen die Klägerin als Grundstückseigentümerin festzusetzen (so auch Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 42 Textziffer 50 und 53 unter Berufung auf BFH, Urt. v. 12.12.1996 - II R 6193 -, BFHE 181, 520 = Bundessteuerblatt III 1997, 299). Soweit unter Hinweis auf den Beschluss des BFH vom 07. Juni 1989 (- II B 11188 -, BFHE 156, 527 = Bundessteuerblatt II 1988, 803) Abweichendes vertreten wird (siehe Koch/Scholtz, Kommentar zur AO, 5. Aufl., § 42 S. 326 und Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO, § 42 Rdnr. 112), lässt sich dies wegen der Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 1 KAG jedenfalls nicht auf das Straßenausbaubeitragsrecht Schleswig-Holsteins übertragen. Das KAG Schleswig-Holstein unterscheidet im Hinblick auf den Entstehungszeitpunkt zwischen sachlicher und persönlicher Beitragspflicht. Im Gegensatz zum Grunderwerbsteuerrecht wäre deshalb im Straßenausbaubeitragsrecht ein (weiterer) Eigentumswechsel auch noch nach Entstehung der Abgabenforderung bis zum Erlass des Abgabenbescheides für die Frage, wer Abgabenschuldner ist, beachtlich.

44

Der Heranziehungsbescheid vom 31. Oktober 2001 ist schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil - wie die Klägerin meint - auf das ehemalige Gesamtgrundstück von 17.410 m² (tatsächlich hatte das Gesamtgrundstück eine Fläche von 27.593 m²) ein Beitrag von 23.172,-- Euro entfällt, der höher als der Wert der landwirtschaftlichen Fläche sei. Letzteres als richtig unterstellt, ist der Bescheid gleichwohl nicht zu beanstanden.

45

Entspricht die Festsetzung des Beitrags - wie im vorliegenden Fall - den Regelungen des Kommunalabgabengesetzes und der Satzung und stehen diese Regelungen weiterhin mit höherrangigem Recht in Einklang, ist einer gleichwohl festzustellenden Abgabenüberlastung durch Gewährung eines Billigkeitserlasses zu begegnen (siehe BVerwG, Urt. v. 22.05.1992 - 8 C 50.90 -, BVerwG 90, 202).

46

Ein Billigkeitserlass kann nicht mit der hier allein erhobenen Anfechtungsklage verfolgt werden, die sich unmittelbar gegen die Abgabenfestsetzung richtet. Die Abgabenfestsetzung (vgl. § 155 Abs. 1 AO) enthält als solche nicht gleichzeitig die Ablehnung einer Zulassung abweichender (niedrigeren) Abgabenfestsetzung i.S.d. § 163 Abs. 1 AO. Die Entscheidung nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO ist vielmehr ein gegenüber der Abgabenfestsetzung selbständiger Verwaltungsakt. Das folgt aus dem Regelungsgehalt dieser Entscheidung, die darin besteht, eine niedrigere Abgabenfestsetzung zuzulassen, und daraus, dass diese Entscheidung über die abweichende Festsetzung mit der Abgabenfestsetzung zwar (äußerlich) verbunden werden kann (§ 163 Abs. 1 Satz 3 AO), nicht aber verbunden werden muss (vgl. BVerwGE, Urt. v. 04.06.1982 - 8 C 199081 -, NJW 1982, 2682).

47

Selbst wenn man mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 12.09.1984 - 8 C 12482 -, BVerwGE 70, 96) die Auffassung vertritt, dass die Gemeinde offensichtlich erkennbare Umstände, die dazu führen, dass aus sachlichen Gründen ein (teilweiser) Billigkeitserlass geboten ist, von Amts wegen bereits im Heranziehungsverfahren zu berücksichtigen hat, und diese Voraussetzungen als erfüllt ansieht, führt ein Verstoß gegen diese Berücksichtigungspflicht nicht zur Rechtswidrigkeit eines gleichwohl (ungekürzt) ergehenden Abgabenbescheides, weil es sich lediglich um eine verfahrensrechtliche Pflicht handelt (BVerwG, Urt. v. 12.09.1984, a.a.O.).

48

Nicht nur die Rechtmäßigkeit der Festsetzung, sondern auch die des Leistungsgebotes bleibt von einem Anspruch auf Billigkeitserlass unberührt. Das Leistungsgebot gemäß § 11 Satz 2 KAG a.F. i.V.m. § 218 AO dient der Erfüllung des festgesetzten Anspruchs (Tipke/Kruse, a.a.O., § 218 Rdnr. 2). Es ist Teil des Erhebungsverfahrens, das Maßnahmen zur Tilgung des festgesetzten Abgabeanspruchs zum Gegenstand hat (Koch/Scholtz, a.a.O., § 218 Rdnr. 2). Die Höhe des Leistungsgebotes richtet sich demnach nach der Höhe des festgesetzten Abgabenanspruchs, soweit dieser nicht bereits getilgt ist. Gemäß § 47 AO erlischt der Abgabenanspruch u.a. erst mit dem Erlass aus Gründen der Billigkeit. Voraussetzung für ein reduziertes Leistungsgebot aus Billigkeitsgründen ist mithin, dass ein begünstigender Erlassbescheid bereits ergangen ist.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

51

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.