Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 28. Juni 2017 - 7 B 33/17
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die künftige Unterlassung von Äußerungen.
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Der Antragsteller ist Karikaturist und Illustrator.
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Er plante, am 16.5.2017 beginnend in der Zeit vom 16.- 27.05.2017 jeweils für drei Stunden politische Karikaturen unter der Überschrift „Lügenpresse-Fake News“ im Modul 1 in der A Straße in A-Stadt auszustellen. Die Räume des Modul 1 werden vom … der Antragsgegnerin genutzt und verwaltet, wobei Kooperationen mit Universitätsexternen möglich sind, wenn sie in den Lehrauftrag der Universität eingebunden sind, insbesondere wenn Studierende daran beteiligt sind.
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Zur Anbahnung der Ausstellung kam es über den „A.“, dem auch der Antragsteller und Herr … , der stellvertretende Leiter für die Abteilung Kunst&visuelle Medien des … der Beklagten, angehören. Herr … griff die entsprechende Anregung eines Mitglieds des Stammtischs auf, ohne zu diesem Zeitpunkt die Werke des Antragstellers zu kennen.
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Der Antragsteller kündigte die Ausstellung öffentlich an. Jedenfalls eine Verteilung eines Flyers über den Medienstammtisch durch den Antragsteller erfolgte mit Kenntnis des Herrn … . Eine öffentliche Verlautbarung der Antragsgegnerin erfolgte nicht.
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Presseanfragen zu der geplanten Veranstaltung bei der Antragsgegnerin führten zu einer Recherche der erstmals mit der Sache befassten Pressesprecherin der Antragsgegnerin, Frau .. Sie besuchte die Internetseite des Antragstellers. Über ihre Erkenntnisse informierte sie das Präsidium und u.a. Prof. Dr. … und Herrn … . Professor Dr. … sagte daraufhin die Ausstellung auf der Facebook-Seite des … am 01.5.2017 ab.
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Das einberufene Präsidium der Antragsgegnerin kam nach Anhörung des Allgemeinen Studentenausschusses zu der Entscheidung, die Ausstellung abzusagen. Aufgrund zahlreicher Medienanfragen entschied sich die Antragsgegnerin, die Absage gegenüber der Öffentlichkeit am 02.05.2017 wie folgt zu begründen.
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„Die für den 16. Mai angekündigte einwöchige Ausstellung des Karikaturisten A. im Modul 1 der … wird nicht stattfinden. An der … , die sich in ihrem Leitbild auf „Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Vielfalt“ verpflichtet hat, gibt es keinen Raum für antisemitische, fremden-, frauen- und islamfeindliche Inhalte. Die Karikaturen von A. machen sich für Positionen stark, die an der … keine Heimat haben; die Universität ist nicht bereit, die Position durch eine Ausstellung zu unterstützen.“
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Hierauf reagierte der Antragsteller noch am 02.05.2017 mit einer Pressemitteilung, in der er sich zu dem Vorgang u.a. wie folgt äußert:
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„Die politische Korrektheit in Deutschland läßt auch hier ihre pluralistische Maske fallen und zeigt ihre wahre totalitäre floskelspeiende Fratze. Im Jahr 2017 wohlgemerkt, nicht 1937.
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Der Gesinnungsterror kippt vorliegend ein Ausstellungsprojekt mit kritischer Grafik, welche die medialen Herrschaftsinstrumente ebendieser Korrektheit thematisieren will.“
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Hinsichtlich des weiteren Textes wird auf das Anlagenkonvolut der Antragsgegnerin - AG 19 - Bezug genommen.
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Am Folgetag, dem 03.05.2017, kam es zu weiteren Medienanfragen. So bat der NDR bei der Pressesprecherin der Antragsgegnerin um eine Stellungnahme, die Gegenstand des streitgegenständlichen Eilantrags ist. In der NDR-Welle Nord Sendung „Von Binnenland und Waterkant“ wurden am 03.5.2017 die Äußerung der Pressesprecherin ausgestrahlt.
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Die Pressesprecherin der Antragsgegnerin, Frau ., rechtfertigte die Entscheidung der Antragsgegnerin u.a. mit der Bösartigkeit der Karikaturen und nahm dabei beispielhaft auf die Karikatur „Unter der Zuchtrute des Deutschaufsichtsministerium“ Bezug. Zudem führte sie aus, dass Satire und Meinungsfreiheit beachtet würden, diese aber eine Grenze finden und für sie der schmale Grat überschritten sei.
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Sie sagte weiter: „… ist bekannt als Karikaturist. Mir war nicht bekannt, dass er diesen – ich würde schon sagen- rechten bis rechtsextremen Hintergrund hat.“
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Der Antragsteller hat am 16.05.2017 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
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Er ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin mit ihren Äußerungen gegen die Neutralitätspflicht verstoßen habe. Sie seien geeignet, ihn in seiner Ehre und in der Ausübung seines freien Berufs herabzusetzen und zu diskreditieren und medial zu vernichten.
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Der Antragsteller führt ergänzend aus, dass die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr indiziere. Zudem seien die Karikaturen in Anknüpfung an im Einzelnen näher bezeichnete öffentlich bekanntgemachte Nachrichtenereignisse entstanden. Unter Berücksichtigung dieses Hintergrundes seien seine Werke von der Kunstfreiheit gedeckt, und damit handle es sich eben nicht um antisemitische, frauen-, fremden- oder islamfeindliche Äußerungen.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 20.06.2017 Bezug genommen.
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Der Antragsteller beantragt,
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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Präsidenten und/oder dessen Vertreter, über den Antragsteller zu behaupten und/oder zu verbreiten, wie gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk am 03.05.2017 und 04.05.2017 auf NDR Welle Nord in der Sendung „Von Binnenland und Waterkant“ (Autorin …), insbesondere um 20:05 Uhr, unter der Überschrift „Uni A-Stadt sagt Karikaturen-Ausstellung ab“ geschehen,
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1. der Antragsteller würde antisemitische, fremdenfeindliche, frauenfeindliche und/oder islamfeindliche Inhalte verbreiten,
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2. der Antragsteller habe einen eindeutig rechten bis rechtsextremistischen Hintergrund.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragsgegnerin behauptet, dass es Recherchen über den Antragsteller und seine Karikaturen im Vorfeld nicht gegeben habe.
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Sie ist der Auffassung, die beanstandeten Äußerungen seien unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Forschung und Lehre rechtmäßig. Da die Ausstellung im Bereich der Lehrtätigkeit der Antragsgegnerin geplant gewesen sei, sei die Absage von der Lehrfreiheit gedeckt. Dabei verweist sie insbesondere darauf, dass im Rahmen der Ausstellung eine Diskussionsveranstaltung mit den Studierenden der Antragsgegnerin geplant gewesen sei und eine Betreuung der Ausstellung durch studentische Hilfskräfte erfolgen sollte.
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Aus den auf der Homepage des Antragstellers dargestellten Karikaturen ergebe sich ein antisemitischer Inhalt unter anderem aus den Karikaturen „Unter der Zuchtrute des Deutschaufsichtsministeriums“, „Sie spielen jüdisches Leid runter Herr …! Treten Sie zurück!“, „Im deutschen Übereifer gestrandet“, „Rechte werden hier nicht bedient.“, „Sofort von Meinungsgeiern umringt“,
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ein fremdenfeindlicher Inhalt aus der Karikatur „Flüchtlingshelfer wissen immer eine Lösung. Auch für das Raumproblem.“, „In der Toleranzmühle“,
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ein frauenfeindlicher Inhalt aus der Karikatur „Die Rettung naht“, „oder ihren Mann polizeilich vor die Tür setzen können“
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und ein islamfeindlicher Inhalt aus den Karikaturen „Kindheit in Multikulti-Europa“, „Flüchtlingsregistrierung“.
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Auf die Anlagenkonvolute der Antragsgegnerin - AG 6-12 - wird Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Auffassung, dass die angegriffenen Bewertungen zulässig und verhältnismäßig seien, da die Äußerungen anlassbezogen erfolgt seien und lediglich der Rechtsverteidigung gedient hätten. Insbesondere habe sie aufgrund der scharfen öffentlichen Pressemitteilung des Antragstellers vom 02.05.2017 als Hoheitsträgerin ein „Recht auf Gegenschlag“ gehabt.
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Die Antragsgegnerin behauptet, der Antragsteller publiziere nicht in klassischen Medien, sondern im rechtsextremen Milieu. So habe er einen „Islamkritischen Karikaturenwettbewerb von pro NRW“ unterstützt, einer Gruppierung, die vom Verfassungsschutz beobachtet werde.
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Die Antragsgegnerin beruft sich zudem darauf, dass dem Antragsteller der befürchtete Verlust potentieller Aufträge nicht drohe, da Medien, wie der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag, die Zusammenarbeit mit dem Antragsteller schon vor der streitgegenständlichen Äußerungen eingestellt hätten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten – auch zum Hauptsacheverfahren 7 A 608/17 - und den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg.
- 38
Zweifel bestehen bereits hinsichtlich der Zulässigkeit des Eilverfahrens.
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Das für den Antrag notwendige Rechtsschutzbedürfnis kann fehlen, wenn die Hauptsache offensichtlich unzulässig ist oder der Antragsteller es versäumt hat, sich vor seinem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz mit seinem Begehren an die Antragsgegnerin zu wenden. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich vor dem Beschreiten des Rechtsweges an die Antragsgegnerin gewandt hätte, um diese zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufzufordern.
- 40
Die Frage kann jedoch offen bleiben, denn jedenfalls hat der Antrag in der Sache keinen Erfolg.
- 41
Nach § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor oder bei Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen, nötig erscheint.
- 42
Erforderlich ist, dass der Antragsteller die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und sein subjektives öffentliches Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft macht (§ 123 VwGO i.V.m. § 920 Abs.2 ZPO).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
- 44
Der Antragsteller hat bereits einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
- 45
Er hat nicht dargelegt, warum ihm nicht zugemutet werden kann, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die von ihm als rechtswidrig und abträglich erachtete Äußerung der Antragsgegnerin über ihn hinzunehmen.
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Der Hinweis des Antragstellers, dass die erste Begehung die Wiederholungsgefahr indiziere, genügt insoweit jedenfalls nicht. Hieraus ergibt sich insbesondere nicht, inwiefern erneut das Auftreten einer vergleichbaren Situation und eine damit im Zusammenhang stehende vergleichbare Äußerungen zu erwarten ist. Zwar wird im Wettbewerbsrecht die Wiederholung aufgrund der geschehenen Rechtsverletzung indiziert. Für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes genügt die Vermutungswirkung der rechtswidrigen Erstbegehung hingegen nicht. Die Frage, ob sich eine Wiederholung der beanstandeten Äußerungen mit hinreichender Sicherheit nicht ausschließen lässt, ist vielmehr anhand der Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden.
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Insoweit ist von Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung der Antragsgegnerin bereits am 03.05.2017 erfolgte, also mehr als eineinhalb Monate zurück liegt. Dass die Antragsgegnerin sich in der Folgezeit weiter entsprechend geäußert habe, trägt der Antragsteller nicht vor.
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Auch ist der Termin für die ursprünglich geplante Ausstellung schon seit mehreren Wochen abgelaufen. Die Ausstellung wurde endgültig abgesagt. Eine mediale Befassung gab es nach der Äußerung der Antragsgegnerin vom 03.5.2017 nicht mehr und ein von den Medien zu bedienendes allgemeines Interesse kann damit nicht mehr unterstellt werden.
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Vor diesem Hintergrund ist auch nicht anzunehmen, dass die Antragsgegnerin Veranlassung sieht, sich noch einmal zu den Karikaturen des Antragstellers und seiner Person zu äußern.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 53 Abs. 2 Nr.1, 63 i.V.m. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Referenzen - Gesetze
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.