Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 24. Aug. 2017 - 12 B 25/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0824.12B25.17.00
bei uns veröffentlicht am24.08.2017

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.07.2017 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Datum vom 07.02.2005 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 Gaststättengesetz (GastG), auf dem Grundstück J.-A.-A-Straße in A-Stadt die Schank- und Speisewirtschaft „…“ zu betreiben. Der Bescheid enthielt unter u.a. folgende Auflagen gemäß § 5 Abs. 1 GastG:

2

02. „Von dem Erlaubnisinhaber sind alle Vorkehrungen zu treffen, damit durch den Betrieb Dritte (Hausbewohner und insbesondere die Nachbarschaft) weder durch Lärm noch durch Gerüche gestört oder belästigt werden. Insbesondere muss die Nachtruhe der Anwohner ab 22.00 Uhr gewährleistet sein.“

3

03b. „ Durch den Gaststättenbetrieb sind die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für ein allgemeines Wohngebiet einzuhalten. Folgende Immissionsrichtwerte sind vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzwürdigen Raumes (Wohnraum, Wohndiele, Schlafraum) einzuhalten. Dieses gilt für alle betriebsfremden Wohnnutzungen, d.h. auch für Wohnungen, die sich im selben Gebäude oberhalb oder neben den Betriebsräumen befinden:

4

- 55 dB(A) in der Tageszeit von 06:00 bis 22:00

5

- 85 dB(A) in der Tageszeit für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen

6

- 40 dB(A) in der lautesten Stunde der Nacht von 22:00 bis 06:00

7

- 60 dB(A) in der Nachtzeit für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen…“ 03c. „… Türen, Fenster und sonstige Schallaustrittsöffnungen dürfen nicht offen stehen, wenn Dritte durch Lärm belästigt werden können. Sonstige Öffnungen (Be- und Entlüftungsöffnungen) sind schallisoliert auszulegen, so dass die zulässigen Immissionsrichtwerte nicht überschritten werden. …“

8

04. „Für eine ausreichende Be- und Entlüftung aller Betriebsräumlichkeiten ist zu sorgen. Berechnungsgrundlagen sind der DIN 1946 Teil 2 „Raumlufttechnik“ zu entnehmen. Be- und Entlüftungsöffnungen sind so anzuordnen, dass Dritte nicht durch Lärm und/oder Geruch (z.B. Zigarettenrauch, Essensgerüche o.a.) beeinträchtigt werden. …“.

9

Der Bescheid enthielt darüber hinaus unter Nrn. 01, 03 und 04 folgende Hinweise: „Bei berechtigten Beschwerden über Lärmbelästigungen ist von dem Erlaubnisinhaber ein Fachgutachten von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Lärmschutz einzuholen. Die danach erforderlichen Schallschutzmaßnahmen sind innerhalb angemessener Frist auf Kosten des Erlaubnisinhabers durchzuführen.“

10

„Sollte es durch den Gaststättenbetrieb zu Geruchsbelästigungen in der unmittelbaren Nachbarschaft durch die Abluftführung aus der Küche kommen, ist der Einbau eines Aktivkohlefilters nachträglich vorzunehmen. Bei Verwendung eines Aktivkohlefilters sind die regelmäßigen Wartungsintervalle der Anlage sicherzustellen. Ein Wartungsvertrag ist der Erlaubnisbehörde vorzulegen.“

11

„Sollte es durch den Gaststättenbetrieb zu Geruchsbelästigungen in der unmittelbaren Nachbarschaft durch die Abluftführung aus der Küche kommen, wird der Einbau einer Weitwurfdüse zwingend erforderlich.“

12

Ab November 2006 kam es wiederholt zu Beschwerden aus der Nachbarschaft über von der Gaststätte der Antragstellerin ausgehende Geruchsbelästigungen. Mit Schreiben vom 27.03.2007 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, einen Nachweis über die Installation eines Aktivkohlefilters und die Wartungsintervalle zu übersenden, und wies darauf hin, dass der Einbau einer nach oben führenden Ablufteinrichtung unumgänglich sei. Die Neugestaltung der Ablufteinrichtung solle bis Juni 2007 abgeschlossen sein. Mit Schreiben vom 25.04.2007 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, das Küchenfenster geschlossen zu halten und nur in größeren Abständen stoßweise zu lüften. Nachdem sich erneut ein Nachbar über Geruchsbelästigungen beschwert hatte, ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 05.06.2007 an, die Abluftführung der Lüftungsanlage in der Küche der Gaststätte derart umzubauen, dass die Abluft nach oben und mindestens einen Meter über die benachbarten Dachfirste entweicht.

13

Mit Bescheid vom 04.06.2008 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die Bewirtschaftung auf nicht konzessionierten Flächen zu unterlassen. Mit Bescheid vom 18.08.2009 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin erneut auf, die Bewirtschaftung auf nicht konzessionierten Flächen zu unterlassen, und verlangte darüber hinaus, das Fenster in der Küche nach dem Einbau der Be- und Abluftanlage nicht mehr zu öffnen sowie sämtliche Beschallungen so auszuführen, dass die Nachbarschaft nicht davon gestört werde. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.

14

Nachdem die Antragstellerin im Frühjahr 2016 eine neue Lüftungsanlage mit Abluftführung über das Dach des Nachbarhauses eingebaut hatte, beschwerten sich ab Mai 2016 erneut Nachbarn aus der … über von der Gaststätte der Antragstellerin ausgehende Geruchsbelästigungen und von der Lüftungsanlage verursachte Lärmbelästigungen. Unter dem 02.06.2016 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Beschwerden auf, ihre Lüftungsanlage gemäß den Richtlinien der TA Lärm überprüfen und ggf. auf ein für Anlieger annehmbares Maß an Geräusch- und Geruchsemmissionen nachrüsten zu lassen. Am 07.06.2016 sagte die Antragstellerin zu, einen unabhängigen Sachverständigen mit der Erstellung des von der Antragsgegnerin geforderten Lärmgutachtens zu beauftragen. Mit Bescheid vom 18.07.2016 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Auflagen, das Küchenfenster ständig geschlossen zu halten und bis zum 05.08.2016 die Lüftungsanlage so umzurüsten, dass die Lärmemissionen auf ein für die Nachbarschaft erträgliches Maß reduziert werden. Die entsprechenden Nachweise seien nach der Umstellung unverzüglich zu übersenden. Unter dem 07.12.2016 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass für eine behördliche Anerkennung der Messwerte eine Messung durch einen öffentlich bestellten und unabhängigen Sachverständigen gefordert werde. Eine Messung durch die Firma, die die Lüftungsanlage eingebaut habe, sei für den Nachweis der Geräuschimmissionen nicht geeignet. Im Übrigen sei der Bereich Richtung … als reines Wohngebiet ausgewiesen. Daher seien dort die entsprechend festgelegten Richtwerte einzuhalten.

15

Unter dem 08.03.2017 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass die Firma, die die Lüftungsanlage eingebaut habe, am 02.02.2017 an drei verschiedenen Messpunkten Schallpegelmessungen durchgeführt habe mit dem Ergebnis, dass die festgestellten Werte im Normbereich der TA-Lärm lägen. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sehe sie daher derzeit keinen Ansatz. Am 27.04.2017 übersandte die Antragstellerin das Protokoll der Schallpegelmessung. Anfang Mai beschwerten sich erneut Nachbarn aus der … über von der Gaststätte der Antragstellerin ausgehende Lärm- und Geruchsbelästigungen.

16

Daraufhin erinnerte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 03.07.2017 an die mit Schreiben vom 05.06.2007 erteilte Auflage, die Abluftführung der Lüftungsanlage derart umzubauen, dass die Abluft nach oben und mindestens einen Meter über die benachbarten Dachfirste entweichen kann, und bat um Übersendung der entsprechenden Nachweise bis zum 31.07.2017. Darüber hinaus erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Auflagen, das Küchenfenster ständig geschlossen zu halten (Nr. 1) und bis zum 31.07.2017 einen öffentlich bestellten unabhängigen Gutachter für den Bereich Lärmschutz zu beauftragen sowie den Auftrag unverzüglich nachzuweisen (Nr. 3). Bei Verstößen gegen Nr. 1 werde der Antragstellerin für jeden Fall der Nichtbefolgung letztmalig ein Zwangsgeld in Höhe von 200,- Euro angedroht.

17

Zur Begründung ihres gegen den Bescheid eingelegten Widerspruchs vom 12.07.2017 machte die Antragstellerin im Wesentlichen geltend: Da die Auseinandersetzung bereits seit Mitte 2016 andauere, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Maßnahme, das Küchenfenster geschlossen zu halten, scheinbar nicht erforderlich gewesen, da es eine solche Anordnung zumindest während dieses Zeitraums nicht gegeben habe. Es sei nicht zutreffend, dass sie das Küchenfenster permanent offen halte. Sie lüfte - wenn überhaupt - lediglich für kurze Dauer (sog. Stoßlüften). Die Antragsgegnerin nenne keine nachvollziehbaren Gründe, die die Vollziehung der angeordneten Auflagen unaufschiebbar erscheinen ließen. Die Nachbarschaft ihrer Gaststätte werde nicht durch Lärm belästigt. Insoweit lägen ihr keine prüffähigen Nachweise vor. Die Antragsgegnerin könne nicht den Inhalt von Beschwerden von Anwohnern als gegebene Tatsache übernehmen. Sie müsse vielmehr zuvor ein Gutachten einholen. Sie würde durch die Befolgung der Auflagen erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Die Antragsgegnerin versuche seit Jahren, darüber zu bestimmen, welche Fenster und Türen in der Gaststätte geöffnet werden und wo sich Gäste aufhalten dürften. Sie könne die Gaststätte unter diesen Bedingungen nicht wirtschaftlich betreiben. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei nicht beachtet worden, da zugunsten persönlicher Befindlichkeiten von Anwohnern ihre wirtschaftliche Existenz zugrunde gerichtet werden solle. Darüber hinaus handelten die Behörden widersprüchlich. Das Bestehen eines Fensters sei baurechtlich genehmigt. Der Betrieb, wie er in bisheriger Form stattgefunden habe, werde unmöglich gemacht. In der Küche herrschten im Sommer Temperaturen, die für das Personal unzumutbar seien. Sie habe auch nur begrenzten Einfluss darauf, ob das Küchenpersonal die Fenster öffne. Ihr Vertrauen darauf, dass sie entsprechend der ihr erteilten Genehmigungen ihre Gaststätte führen, somit auch Fenster in dem Haus öffnen dürfe, sei schutzwürdig. Das von ihr vorgelegte Gutachten stelle nachvollziehbar dar, dass es durch die Lüftungsanlage nicht zu Lärmbelästigungen kommen könne. Wenn danach schon in unmittelbarer Nähe der Gaststätte keine Störungen vorgelegen hätten, gebe es in weiterer Entfernung, d.h. auf den Grundstücken der Nachbarn, erst recht keinen störenden Lärm. Die erneute Einholung eines Gutachtens sei nicht zumutbar, da hierdurch erhebliche Kosten anfallen würden.

18

Am 13.07.2017 hat die Antragstellerin beim hiesigen Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre Ausführungen in der Widerspruchsbegründung.

19

Die Antragstellerin beantragt,

20

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03.07.2017 wiederherzustellen.

21

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag unter Übersendung der Verwaltungsvorgänge entgegengetreten.

II.

22

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.

23

Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Hat die Behörde die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, kommt es darauf an, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens den Verwaltungsakt nicht befolgen zu müssen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Prüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, ist zu differenzieren zwischen dem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug und den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde. Im letztgenannten Falle bedarf es neben der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses.

24

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches abzulehnen.

25

In formeller Hinsicht genügt die in der angefochtenen Verfügung vom 03.07.2017 erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat den Sofortvollzug damit begründet, dass in der derzeitigen warmen Jahreszeit der Nachbarschaft die Fortsetzung der Lärm- und Geruchsbelästigung nicht zugemutet werden könne, im Sinne einer Gleichbehandlung gegenüber anderen Gaststättenbetreibern, die sich an Auflagen hielten, eine weitere Duldung des gegenwärtigen Zustandes nicht zu rechtfertigen wäre und das Geschlossenhalten eines Fensters keinerlei finanziellen Aufwand erfordere. Auf die Notwendigkeit der Beauftragung eines unabhängigen, öffentlich bestellten Gutachters sei mehrfach hingewiesen worden. Da die Meinungen derart auseinandergingen, sei keine andere Möglichkeit geeignet, um den Grad der Belästigung auf Dauer objektiv festzustellen. Diese Erwägungen genügen den Anforderungen an die geschuldete Begründung.

26

In materieller Hinsicht wiegt das von der Antragsgegnerin vertretene öffentliche Interesse schwerer als das private Interesse der Antragstellerin, die Vollziehung der angegriffenen Verfügung bis zur endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit aufzuschieben. Die angefochtene Verfügung dürfte einer sich ggf. anschließenden gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich standhalten.

27

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG. Danach können Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, jederzeit Auflagen zum Schutze gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit erteilt werden. Unter schädlichen Umwelteinwirkungen sind Immissionen zu verstehen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder für die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). Umwelteinwirkungen sind „schädlich“ und „erheblich“ in diesem Sinne, wenn sie unzumutbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.10.1988 - 1 C 72/86 - zitiert nach juris Rn. 31). Was der Umgebung an nachteiligen Wirkungen zugemutet werden darf, bestimmt sich nach der aus ihrer Eigenart herzuleitenden Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.1992 - 1 C 7/90 - zitiert nach juris Rn. 16).

28

Die unter Nrn. 1 und 3 der angefochtenen Verfügung erteilten Auflagen dienen dazu, Nachbarn vor von der Gaststätte ausgehenden Geruchs- und Lärmbelästigungen zu schützen. Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Betrieb der Gaststätte der Antragstellerin in der jetzigen Form, d.h. nach Einbau der neuen Lüftungsanlage mit Abluftführung über das Dach des Nachbarhauses im Frühjahr 2016 zu unzumutbaren Geruchs- und Lärmbelästigungen für einige Anwohner der führt. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Beschwerdeschreiben vom 31.05.2016 (Bl. 79 „A“), in dem die Zeiten, in denen es nach dem 13.05.2016 zu erheblichen Geruchs- und Lärmbelästigungen gekommen sein soll, im Einzelnen dokumentiert sind. Weitere, zum Teil massive Beschwerden mehrerer Nachbarn erreichten die Antragsgegnerin im Juli, August und September 2016 sowie im Mai und Juni 2017. Das von der Antragstellerin vorgelegte „Protokoll Schallpegelmessung“ vom 02.02.2017 (Bl. 145 ff „A“) ist nicht geeignet, das Vorliegen unzumutbarer Lärmbelästigungen für die Nachbarn in der auszuschließen. Zwar wurden danach nicht die unter der Auflage Nr. 03b in der Gaststättenerlaubnis niedergelegten, nach der einschlägigen TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet gültigen Immissionsrichtwerte erreicht (vgl. Nr. 6.1 Buchst. e) der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm; vgl. zu deren Anwendbarkeit etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 06.07.2017 - 6 B 11.17 - zitiert nach juris Rn. 29). Den Messergebnissen kommt jedoch nur eine geringe Aussagekraft zu. Die Messung wurde nicht, wie von der Antragsgegnerin 2016 mehrfach gefordert und von der Antragstellerin am 07.06.2016 zugesagt, von einem unabhängigen Sachverständigen durchgeführt, sondern von der Firma, die die Lüftungsanlage in der Gaststätte eingebaut hatte. Ob die Messung nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der TA Lärm vorgenommen wurde, ergibt sich aus dem Messprotokoll nicht. Ferner waren bei der Messung weder ein Mitarbeiter der Gemeinde noch einer der Nachbarn anwesend. So wurde denn auch keine Messung auf einem Nachbargrundstück durchgeführt. Schließlich erfolgte die Messung in der eher ruhigen Mittagszeit von 14.15 bis 14.45 Uhr. Darauf weist die Antragsgegnerin in der angefochtenen Verfügung zu Recht hin. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Forderung der Antragsgegnerin, einen öffentlich bestellten, unabhängigen Gutachter für den Bereich Lärmschutz zu beauftragen, nicht als ermessensfehlerhaft dar. Ein von einem unabhängigen Sachverständigen erstelltes Gutachten, das insbesondere unter Zugrundelegung der im Anhang der TA Lärm niedergelegten Bestimmungen zur Ermittlung der Geräuschimmissionen erstellt wird, ist geeignet festzustellen, ob die Antragstellerin mit dem Betrieb ihrer Gaststätte die maßgeblichen Immissionsrichtwerte einhält. Die Antragstellerin irrt, wenn sie meint, es sei zunächst Sache der Gemeinde, ihr mittels eines Gutachtens nachzuweisen, dass die Nachbarschaft durch Lärm belästigt wird. Die der Antragstellerin erteilte Gaststättenerlaubnis enthielt unter Nr. 01 bereits den Hinweis, dass die Antragstellerin bei berechtigten Beschwerden über Lärmbelästigungen ein Fachgutachten von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Lärmschutz einzuholen habe. Es kann nicht angenommen werden, dass die Beschwerden sämtlicher Nachbarn unberechtigt waren. Vielmehr barg die unmittelbare Nähe der Gaststätte, insbesondere der im rückwärtigen Bereich gelegenen Küche zur Wohnbebauung in der … von Anfang an Konfliktpotential - bereits kurz nach Eröffnung der Gaststätte kam es zu Beschwerden aus der Nachbarschaft wegen Lärm- und Geruchsbelästigungen - und verpflichtete die Antragstellerin zu besonderer Rücksichtnahme. Darüber hinaus verpflichtet § 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn 1 und 2 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) den Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage, diese so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, bzw. danach unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Den Nachweis, dass die neu installierte Lüftungsanlage der Gaststätte ohne schädliche Umwelteinwirkungen, d.h. ohne Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), betrieben wird, hat die Antragstellerin bislang nicht erbracht. Einen entsprechenden Nachweis für die Umrüstung der Lüftungsanlage zwecks Reduzierung der Lärmemissionen hatte die Antragsgegnerin bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.07.2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Fristsetzung bis zum 05.08.2016 gefordert. Ein milderes Mittel als die Einholung eines Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen ist nicht ersichtlich, um nach mehr als einem Jahr seit Einbau der neuen Lüftungsanlage nunmehr eine für alle Beteiligten akzeptable Klärung der Lärmsituation herbeizuführen. Die schutzwürdigen Belange der Nachbarn sind höher zu gewichten als der Hinweis der Antragstellerin auf die damit verbundenen Kosten.

29

Auch die Anordnung unter Nr. 1 des angefochtenen Bescheides, das Küchenfenster ständig geschlossen zu halten, lässt keine Ermessensfehler erkennen. Der Bescheid dürfte insoweit einen sog. Zweitbescheid darstellen, da die Antragsgegnerin dieselbe Auflage bereits mit unanfechtbarem Bescheid vom 18.07.2016 erlassen und nunmehr eine neue Sachentscheidung mit Rechtsbehelfsbelehrung getroffen hat (vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 51 Rn. 46 ff). Die Auflage ist geeignet, das Entweichen von Kochdünsten durch ein geöffnetes Küchenfenster zu verhindern. Darüber hinaus verhindert das geschlossene Fenster, dass Lärm aus der Küche nach außen dringt. Dass es infolge des geöffneten Küchenfensters zu Belästigungen der Nachbarschaft kommt, gesteht auch die Antragstellerin zu, bewertet diese aber zu Unrecht nur als Befindlichkeiten. Das Interesse der Nachbarn, in ihrem körperlichen Wohlbefinden nicht von Kochdünsten und Geräuschen aus der Küche beeinträchtigt zu werden, ist vielmehr gegenüber den von der Antragstellerin geltend gemachten wirtschaftlichen Erwägungen als vorrangig anzusehen. Ein milderes Mittel, um das Entweichen von Kochdünsten und Lärm aus dem geöffneten Küchenfenster zu verhindern, ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann der Antragstellerin auch ein sog. Stoßlüften nicht gestattet werden, da eine Kontrolle insoweit kaum möglich ist und die Nachbarschaft gleichwohl zeitweise Belästigungen ausgesetzt wäre. Eine Abluftführung über das geöffnete Küchenfenster ist im Hinblick auf die unmittelbare Nähe des Küchenfensters zu den Nachbargrundstücken in der B-Straße nicht zulässig, dazu bedarf es vielmehr einer (Ent-)Lüftungsanlage. Eine Belüftung der Küche hat über eine entsprechende Belüftungsanlage zu erfolgen. Dementsprechend verlangt die Auflage Nr. 04 der Gaststättenerlaubnis eine ausreichende Be- und Entlüftung, wobei Berechnungsgrundlage die DIN 1946, Teil 2 „Raumlufttechnik“ sein soll. Ein dauerhaftes Verschließen des Fensters lässt sich ohne großen Aufwand durch einfache Vorrichtungen, etwa einen abschließbaren Fenstergriff erreichen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin nicht die Vollstreckung aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 18.07.2016 einleitete, sondern nahezu ein Jahr zuwartete, bevor sie unter dem 03.07.2017 einen inhaltsgleichen (Zweit-)Bescheid erließ, kann die Antragstellerin schließlich nicht folgern, die Angelegenheit sei auch heute noch nicht dringlich. Vielmehr muss sich die Antragstellerin entgegenhalten lassen, dass sie ein Jahr Zeit hatte, ihren Gaststättenbetrieb so einzurichten, dass die Nachbarschaft nicht unzumutbar belästigt wird. Schließlich schließt der Umstand, dass das Küchenfenster baurechtlich genehmigt ist, nicht aus, dass einem Gaststättenbetreiber nachträglich auf der Grundlage spezieller gesetzlicher Regelungen, nämlich § 5 Abs. 1 GastG Auflagen zum Schutz der Nachbarschaft erteilt werden.

30

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der beiden Auflagen ergibt sich hier daraus, dass den Nachbarn in der … nicht länger zugemutet werden kann, von der Gaststätte der Antragstellerin ausgehenden Geruchs- und Lärmbelästigungen ausgesetzt zu sein. Demgegenüber haben die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten der geforderten Maßnahmen zurückzustehen.

31

Rechtsgrundlage für das von der Antragsgegnerin angedrohte Zwangsgeld sind §§ 235 Abs. 1 Nr. 1, 237, 236 Landesverwaltungsgesetz (LVwG).

32

Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

33

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.


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(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Gaststättengesetz - GastG | § 5 Auflagen


(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze 1. der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,2. der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit o

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(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.