Verwaltungsgericht Münster Urteil, 29. Mai 2015 - 7 K 1965/13
Verwaltungsgericht Münster
Tenor
Der Gebührenbescheid des beklagten Landes vom 23. April 2013 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Gebühr von mehr als 70,00 Euro festgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Land.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem beklagten Land wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Gebühr für eine landschaftsrechtliche Genehmigung.
3Der Kläger ist Eigentümer von Wald. Unter dem 22. März 2013 reichte er beim Landesbetrieb Wald und Holz O. (Landesbetrieb) eine Anzeige für eine forstwirtschaftliche Wegebaumaßnahme nach § 6 b Landesforstgesetz ‑ LFoG ‑ ein. Dieser lag die geplante (und inzwischen fertig gestellte) Schotterung eines vorhandenen Waldweges mit Baselith zu Grunde.
4Der Landesbetrieb erteilte nach Beteiligung der Unteren Landschaftsbehörde sowie der Unteren Wasserbehörde durch Bescheid vom 23. April 2013 eine mit „Nebenbestimmungen“ versehene Genehmigung des Wegeausbaues. Zugleich erhob er hierfür durch Bescheid gleichen Datums eine Gebühr in Höhe von 260,00 Euro.
5Mit der Klage hiergegen macht der Kläger geltend: Der Beklagte sei nicht berechtigt, ohne Anlass Verwaltungsakte zu erlassen. Der Genehmigungsbescheid beinhalte nur Selbstverständlichkeiten, so dass es an Regelungen und echten Nebenbestimmungen fehle. Auch die Gebührenhöhe sei zu beanstanden. Die Beteiligung der Unteren Wasserbehörde sei nicht erforderlich gewesen, er habe seinerseits die wasserrechtliche Erlaubnis beantragt. Alleine die Beteiligung dritter Behörden ohne besondere inhaltliche Schwierigkeiten bei der Prüfung rechtfertige nur die Mindestgebühr in Höhe von 70,00 Euro, dagegen nicht die in Ansatz gebrachte Mittelgebühr.
6Der Kläger beantragt,
7den Gebührenbescheid des Beklagten vom 23. April 2013 insoweit aufzuheben, als darin eine Gebühr von mehr als 70,00 Euro festgesetzt ist.
8Das beklagte Land beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Es macht geltend: Der Landesbetrieb sei durch § 6 Abs. 1 Landschaftsgesetz NRW – LG – zum Erlass eines entsprechenden Genehmigungsbescheides ermächtigt. Sehe er das Erfordernis einer Genehmigung, sei er kraft seiner Eigenschaft als Sonderordnungsbehörde im Wald zu ihrer Erteilung berufen. Hier sei die beabsichtigte Einbringung von Recyclingmaterial als Eingriff zu werten, der die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erfordere. Die Mittelgebühr sei wegen des umfassenden Beteiligungsverfahrens, daneben wegen der erforderlichen Nebenbestimmungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt. Die Inaugenscheinnahme nach Abschluss der Arbeiten durch den örtlichen Forstbediensteten bedeute sogar einen überdurchschnittlichen Aufwand. Ferner sei eine interne Beteiligung des zuständigen Forstbetriebsbeamten erforderlich. Dies alles rechtfertige die Mittelgebühr des im Gebührentarif vorgesehenen Gebührenrahmens.
11Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes Bezug genommen.
12E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
13Die Klage ist begründet.
14Der angefochtene Gebührenbescheid des Landesbetriebes ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Umfange des Klageantrages war er deshalb aufzuheben (§ 88 VwGO).
15Mögliche Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung ist allein die Tarifstelle 8.1.4.11 des Allgemeinen Gebührentarifs der Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung vom 3. Juli 2001 in der hier zu Grunde zu legenden Fassung. Danach wird für die Entscheidung über die Genehmigung eines Eingriffs nach § 6 Abs. 1 LG auf Grund einer Wegebauanzeige nach § 6 b LFoG eine Gebühr in Höhe von 70 bis 450 Euro erhoben.
16Eine Gebührenfestsetzung wegen der vom Beklagten erteilten Genehmigung auf eine bloße Anzeige hin ist nicht möglich:
17Eine Genehmigung ist als Reaktion der Behörde auf die Anzeige einer Wegebaumaßnahme vom Gesetz nicht vorgesehen. Die vom Kläger geplante und durchgeführte Maßnahme ist als Wegebaumaßnahme gemäß § 6 b LFoG ‑ dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig – lediglich anzeigepflichtig. Welche Entscheidungsmöglichkeiten die Behörde in einem derartigen Fall hat, ist in § 6 Abs. 1 Satz 1 LG geregelt. Danach spricht bei einem Eingriff, für den nach anderen Rechtsvorschriften u. a. eine Anzeige an eine Behörde vorgeschrieben ist, die nach den anderen Rechtsvorschriften zuständige Behörde die Verpflichtung nach § 4 a Abs. 2 LG oder § 5 LG oder die Untersagung nach § 4 a Abs. 4 LG im Benehmen mit der Landschaftsbehörde ihrer Verwaltungsebene aus. Als Entscheidungsmöglichkeiten kommen ausschließlich die enumerativ aufgezählten Maßnahmen (Kompensation, Ersatzgeld, Untersagung) in Betracht. Für eine Genehmigung der grundsätzlich genehmigungsfreien – und eben nur anzeigepflichtigen - Tätigkeit gibt § 6 Abs. 1 LG keine Rechtsgrundlage her. Eine solche ergibt sich auch nicht aus anderen Rechtsvorschriften oder ungeschriebenem Recht.
18Stehen im Falle der Anzeige nach § 6 b LFoG die fachrechtlichen Bestimmungen der Erteilung einer Genehmigung entgegen, so kann eine gleichwohl erteilte Genehmigung keine gebührenpflichtige Amtshandlung darstellen. Die Tarifstelle 8.1.4.11 ist rechtswidrig und damit nichtig. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes ist diese auch keiner Auslegung zugänglich. Der Begriff der „Genehmigung“ ist klar und mit einem eindeutigen Bedeutungsgehalt belegt. Insbesondere kann er nicht etwa in die weiteren nach § 6 Abs. 1 möglichen Maßnahmen umgedeutet werden. Dem stehen bereits die hohen Anforderungen an die Rechtssicherheit und –klarheit gebührenrechtlicher Bestimmungen entgegen.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
20Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
21Die Zulassung der Berufung erfolgt wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.