Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Aug. 2015 - M 4 K 15.30259
Tenor
I.
Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Staatsangehörige des Kosovo, albanischer Volkszugehörigkeit und islamischer Glaubensrichtung. Sie reiste nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2015 Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am ... 2015 gab die Klägerin im Wesentlichen an, im Kosovo arbeitslos gewesen zu sein; die wirtschaftliche Lage sei sehr schlecht gewesen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Niederschrift der Anhörung Bezug genommen.
Mit Bescheid vom
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin zur Niederschrift vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Vor-aussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
3. Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus anzuerkennen.
4. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz -AufenthG- bestehen.
Gleichzeitig beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 4 S 15.30260).
Zur Begründung verwies die Klägerin auf ihre Angaben gegenüber dem Bundesamt. Außerdem leide sie infolge der Kriegserlebnisse unter psychischen Problemen und Schlafstörungen.
Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom
Das Gericht lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 10. April 2015
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
Die Klage ist als offensichtlich unbegründet abzuweisen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Asyl VfG). Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO), weil der Klägerin offensichtlich kein Aufenthalts- bzw. Bleiberecht zusteht (vgl. § 30 AsylVfG).
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Klage offensichtlich unbegründet, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Gericht geradezu aufdrängt (BVerwG, B. v. 1.3.1979 1 B 24/79 Buchholz 402.24, § 34 AuslG Nr. 1 sowie BVerfG, B. v. 12.7. 1983 1 BvR 1470/82 BVerfGE 65, 76; U. v. 11.12.1985 2 BvR 361/83
Diese Voraussetzungen für die Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet liegen vor. Das Gericht nimmt auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheides, der das Gericht folgt, Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Des Weiteren verweist das Gericht auf seinen Beschluss im Eilverfahren.
Ergänzend ist festzustellen, dass die Gewährleistung des Existenzminimums und der notwendigen medizinischen Versorgung über die (Groß-)Familie sowie über die Möglichkeit der Erlangung von Sozialleistungen grundsätzlich gesichert ist (vgl. VG Münster, U. v. 11.5.2015 4 K 802/13.A juris; VG Oldenburg, U. v. 10.4.2015 5 A 1688/14 juris; VG Regensburg, U. v. 18.2.2015 RO 6 K 14.30903 juris; VG Ansbach, U. v. 17.6.2014 AN 1 K 14.30357 juris). Dabei ist besonders darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung sich im Bundesgebiet nicht in ärztlicher Behandlung befindet. Das Gericht verkennt nicht die schwierigen Lebensverhältnisse im Kosovo. Diese betreffen jedoch jeden Kosovaren bzw. jede Kosovarin in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
Des Weiteren ist die Ausländerbehörde zuständig, über eventuelle inlandsbezogene Abschiebungshindernisse zu entscheiden (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Gleichermaßen darf die Ausländerbehörde gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung vor-übergehend aussetzen, um eine gemeinsame Ausreise mit anderen Familienangehörigen zu ermöglichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in beizutreibender Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d :
2Die 1988 geborene Klägerin stammt aus dem Kosovo und hat dort zuletzt in Ferizaj gelebt. Im März oder im Juni 2010, genau konnte sie das Datum bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 17. Juni 2010 nicht angeben, verließ sie ihr Heimatland und reiste in die Bundesrepublik Deutschland ein.
3Zur Begründung ihres Asylantrags gab sie u. a. an, sie sei Angehörige der Volksgruppe der Roma. Wegen ihrer Volkszugehörigkeit seien sie und ihre Familie malträtiert worden. Ihr Vater sei zusammengeschlagen worden. Sie glaube, dass dies ungefähr 2004 gewesen sei. Konkrete Gründe für ihre jetzige Ausreise gäbe es nicht.
4Durch Bescheid vom 5. Februar 2012 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorlägen. Ferner wurde die Feststellung getroffen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Rechtsmittel gegen den am 20. April 2012 zugestellten Bescheid hat die Klägerin nicht eingelegt.
5Mit Hilfe der gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender beantragte die Klägerin am 18. Juli 2012, den Bescheid vom 5. April 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG abzuändern. Hierzu führte sie u. a. aus, sie sei Angehörige der Minderheit der Ashkali. Sowohl im Kosovo als auch in Serbien, wo sie sich kurzzeitig aufgehalten habe, sei sie vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen. Ihr Vater sei nicht 2004, vielmehr 1999 misshandelt worden. Sie seien dann nach Mazedonien geflohen und von dort 2002 nach Ferizaj zurückgekehrt. Bei einer Rückkehr in den Kosovo drohe ihr als alleinstehende junge Ashkali, nicht menschenwürdig leben zu können. Dies gelte in gleicher Weise im Falle einer Rückkehr nach Serbien. Dort drohe ihr eine menschenunwürdige Behandlung.
6Durch Bescheid vom 29. Januar 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 5. April 2012 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG u. a. mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG lägen bereits nicht vor. Gründe, die unabhängig von den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen würden, lägen ebenfalls nicht vor, sie ergäben sich insbesondere nicht aus dem von der Klägerin von der gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. übernommenen Vortrag, nach Serbien erfolglos zurückkehrenden Asylantragstellern würde der Zugang zu Sozialleistungen verwehrt. Hierzu verwies das Bundesamt u. a. auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 6. August 2012 an das Bundesamt.
7Die Klägerin hat am 19. Februar 2013 Klage erhoben und zur Begründung vertiefend ausgeführt, dass sie als alleinstehende junge Frau ohne Schul- oder Berufsabschluss, zudem als Angehörige der Minderheit der Ashkali, im Kosovo nicht in der Lage wäre, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch die Möglichkeit, der Gefahr der Verelendung durch Leistungen der Sozialhilfe zu entgehen, bestehe nicht, denn diese seien derart gering, dass ein Überleben hiervon nicht gesichert werden könne. Würde sie daher in den Kosovo abgeschoben, bedeutete dies, sie sehenden Auges der Gefahr schwerster gesundheitlicher Schädigungen auszusetzen. Nichts anders gelte für ein Abschiebungsverbot bezüglich Serbien. Hierzu nimmt die Klägerin auf das Urteil des VG Stuttgart vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 – sowie der in der mündlichen Verhandlung des dortigen Verfahrens von der als sachverständige Zeugin vernommenen Dr. Karin Waringo gemachten Aussagen Bezug.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Januar 2013 zu verpflichten, unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 5. April 2012 der Klägerin subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung nimmt sie auf den angefochtenen Bescheid Bezug.
13Das Gericht hat zur aktuellen Situation der Roma und Ashkali in Serbien Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften des Auswärtigen Amtes und von Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Auf die Beweisbeschlüsse vom 22. Mai 2014 (Blatt 71 bis 73 der Gerichtsakte) und 18. August 2014 (Blatt 87 f. der Gerichtsakte), die Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 1. Juli 2014 (Blatt 76 bis 81 der Gerichtsakte) und vom 3. September 2014 (Blatt 100 f.) sowie die Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 15. März 2015 (Blatt 116 bis 131 der Gerichtsakte) und vom 26. März 2015 (Blatt 136 bis 150 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 5. April 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
17Maßgeblich für die geltend gemachten Ansprüche auf subsidiären Abschiebungsschutz und Feststellung von Abschiebungsverboten ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 11. Mai 2015 geltende Sach- und Rechtslage. Damit findet das Asylverfahrensgesetz in seiner Fassung durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie 2011/95/EU seit dem 1. Dezember 2013 Anwendung.
18Soweit beantragt wird, subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen und festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo vorliegt, hat die Beklagte auch unter Beachtung der oben genannten rechtlichen Vorgaben zu Recht die Voraussetzungen für das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Rahmen eines Asylfolgeantrages gemäß § 71 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verneint. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder rechtzeitig beachtliche neue Tatsachen zum Beleg der Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes oder zum Bestehen von rechtlich beachtlichen Abschiebungsverboten glaubhaft gemacht. Insoweit wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf den Bescheid des Bundesamtes vom 29. Januar 2013 Bezug genommen. Unabhängig davon ist nach dem Vorbringen der Klägerin und der heutigen Lage im Kosovo (1.) oder Serbien (2.) keine für sie günstigere Entscheidung zu treffen.
191. Nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG). Diese Voraussetzungen liegen hier in Bezug auf den Kosovo nicht vor. Die Klägerin hat keine stichhaltigen Gründe im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für die Annahme vorgebracht, dass ihr im Kosovo ein ernsthafter Schaden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit,
20vgl. zu diesem Maßstab: VG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2015 – 6 K 8197/14.A -, juris, m. w. N.,
21droht. Für die hier allein in Betracht zu ziehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG im Falle der Rückkehr der Klägerin in den Kosovo liegen keine beachtlich wahrscheinlichen Anhaltspunkte vor. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Klägerin im Kern geltend gemachten schlechten allgemeinen wirtschaftlichen und humanitären Lebensbedingungen im Kosovo überhaupt vom Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG erfasst werden.
22Ablehnend etwa Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Juni 2014, § 4 AsylVfG Rdn. 41; ebenfalls offen gelassen: VG Berlin, Urteil vom 29. Januar 2015 – 7 K 13.15.A -, juris, Rdn.34.
23Schlechte wirtschaftliche und humanitäre Verhältnisse können allenfalls in Ausnahmefällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein.
24Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 ‑ 10 C 15.12 ‑, NVwZ 2013, 1167 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. Juli 2013 – A 11 S 697/13 ‑ m. w. N. insbesondere zur einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
25Die Klägerin hat jedenfalls keine stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen, dass ihr im Kosovo konkret und individuell,
26vgl. zu diesen Anforderungen: VG Berlin, Urteil vom 29. Januar 2015 – 7 K 13.15.A -, a. a. O.,
27eine Situation, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Aus den nachfolgenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG bezüglich des Kosovo hat.
28Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Kosovo führen nicht zu der Annahme, dass bei der Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Danach darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Die für das Vorliegen dieser Voraussetzungen geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab sind nicht erfüllt. Eine zu berücksichtigende Gefährdung ergibt sich nicht aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation oder humanitären Lage. Dies hat das Gericht wiederholt unter Bezugnahme auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt. Zwar ist die wirtschaftliche Versorgungssituation im Kosovo weiterhin schwierig; Angehörige ethnischer Minderheiten sind noch immer gravierenden Hindernissen beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen in den Bereichen des Gesundheitswesens, des Schulwesens, der Justiz und der öffentlichen Verwaltung ausgesetzt. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass die Klägerin bei ihrer Rückkehr in den Kosovo alsbald in eine lebensbedrohliche und ausweglose Lage geraten wird. Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen,
29vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25. November 2014; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 2013 – 5 A 2175/12.A -; VG Bayreuth, Urteile vom 15. Dezember 2014 – B 3 K 14.30324 – und ‑ B 3 K 14.30290 – jeweils m. w. N.,
30ist sowohl die Grundversorgung als auch die medizinische Versorgung im Kosovo nach einer Rückkehr grundsätzlich gewährleistet. Sofern die Klägerin nicht von ihren vollziehbar ausreisepflichtigen Eltern bzw. Geschwistern (vgl. VG Münster, Urteil vom 10. Dezember 2012 – 4 K 2708/11.A ‑) unterstützt werden sollte, besteht die Möglichkeit, Sozialleistungen zu beziehen. Auch wenn sich diese auf niedrigem Niveau bewegen, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass das erforderliche Existenzminimum der Klägerin nicht gesichert ist. Dies gilt auch für alleinstehende junge Frauen.
31Vgl. u. a. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2007 ‑ 13 A 4569/05.A – und vom 3. Februar 2011 ‑ 13 A 2499/10.A ‑.
32Auch die Beschaffung von Wohnraum ist Angehörigen der Volksgruppe der Roma bzw. Ashkali grundsätzlich möglich. Zudem bestehen Übergangsunterkünfte und bezugsfertige Wohnmöglichkeiten im groß angelegten Aufbauprojekt der Siedlung „Roma Mahallja“ in Süd-Mitrovica zur Verfügung, wo auch ein „Haus der Gesundheit“ eröffnet worden ist, das eine medizinische Grundversorgung der Bewohner unmittelbar vor Ort sicherstellen kann.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2012 ‑ 13 A 1311/12.A ‑ m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. Februar 2010 – A 11 S 331/07 ‑.
34Zudem können Rückkehrer die in fast allen Gemeinden eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen. Diese sind zuständig für die Entgegennahme von Anträgen für Leistungen aus dem Reintegrationsprogramm sowie für Beratungsleistungen. Sie sollen innerhalb von maximal sieben Tagen über die Bewilligung von Leistungen entscheiden, die im Rahmen einer Soforthilfe gewährt werden müssen, insbesondere Unterkunft und Verpflegung. Leistungen aus dem Reintegrationsprogramm werden grundsätzlich für bis zu 12 Monate gewährt. Darüber hinaus kann die Klägerin auf die Leistungen aus dem Rückkehrer-Projekt „URA II“ zurückgreifen. URA II bietet in seiner Einrichtung in der Innenstadt von Priština Integrations-, Betreuungs- und Unterstützungsmaßnahmen für Rückkehrer aus Deutschland an. Es hilft u. a. bei der Wohnungssuche, zahlt für einen Übergangszeitraum die Miete, stellt Geld für Lebensmittel zur Verfügung, ist bei der Arbeitsplatz- und Ausbildungssuche behilflich und begleitet Zurückgekehrte bei Behördengängen.
35Vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25. November 2014.
36Soweit die Klägerin sich mit Schriftsatz vom 23. August 2013 zur Begründung ihrer Behauptung, ein Überleben sei ihr im Falle einer Rückkehr in den Kosovo dort nicht möglich, auf den Bescheid des Bundesamtes vom 8. Juli 2013 ‑ 5641444‑150 – berufen hat, kann sie aus den Feststellungen dieses Bescheides zu ihren Gunsten nichts herleiten, weil dort ausdrücklich ausgeführt wird, dass es sich aufgrund der bei der dortigen Antragstellerin bestehenden psychischen Erkrankung um einen besonderen Einzelfall gehandelt habe.
372. Die Klägerin hat auch in Bezug auf Serbien keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG. Sie hat auch insoweit keine stichhaltigen Gründe im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG für die Annahme vorgebracht, dass ihr in Serbien ein ernsthafter Schaden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG) ist nach der serbischen Verfassung verboten.
38Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 12.
39Folter (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) ist seit dem 1. Januar 2006 im serbischen Strafgesetzbuch ein Straftatbestand. Vereinzelte Fälle von Misshandlungen durch Angehörige der serbischen Polizei betreffen nicht Personen mit einer bestimmten Volkszugehörigkeit, sondern ausschließlich Personen, die wegen krimineller Delikte verdächtig sind. In einzelnen Fällen derartiger Misshandlungen von Verdächtigen sind die misshandelnden Polizisten vom Dienst suspendiert worden. In mehreren Fällen wurde Folteropfern von serbischen Gerichten staatliche Entschädigung zugesprochen.
40Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien vom 15. Dezember 2014, a. a. O.
41Für eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG) bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Klägerin selbst hat keine dahingehenden Aspekte geltend gemacht.
42Der Klägerin droht in Serbien auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG. Dabei kann auch insoweit dahinstehen, ob schlechte allgemeine wirtschaftliche oder humanitäre Lebensbedingungen überhaupt vom Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG erfasst werden. Die Klägerin hat jedenfalls keine stichhaltigen Gründe dafür vorgetragen, dass ihr in Serbien konkret und individuell eine Situation, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Aus den nachfolgenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Serbien hat.
43a. Die von der Klägerin angeführten Ausreisebeschränkungen in Serbien stellen keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung dar.
44Art. 17 der serbischen Verfassung garantiert das Recht auf Bewegungsfreiheit. Dieses Recht betrifft sowohl die Freizügigkeit innerhalb Serbiens und die freie Wahl des Wohnortes als auch das Recht, Serbien zu verlassen und nach dort zurückzukehren.
45Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 42.
46Diese verfassungsrechtliche Garantie wird in Serbien weder durch die geltenden melderechtlichen (a) und strafrechtlichen (b) Regelungen noch durch die tatsächliche Rechtsanwendung (c) in einer für die Bestimmung Serbiens zum sicheren Herkunftsstaat beachtlichen Weise aufgehoben.
47(a) Nach den serbischen melderechtlichen Vorschriften müssen sich serbische Staatsangehörige vor einem Auslandsaufenthalt von mehr als 90 Tagen bei den zuständigen serbischen Behörden melden. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann nach der Rückkehr mit einer Geldbuße zwischen 10.000 und 50.000 Dinar (83 bis 415 Euro) geahndet werden.
48Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 10.
49Die Meldepflicht und die Sanktionierung ihrer Nichtbefolgung bewirken aber keinen unmittelbaren Eingriff in die Ausreisefreiheit. In Betracht kommt allein eine mittelbare Beeinflussung der Ausübung der Ausreisefreiheit im Einzelfall, die die Rechtsstaatlichkeit der serbischen melderechtlichen Vorschriften nicht in Frage stellt. Soweit Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 41, unter Bezugnahme auf einen Bericht des serbischen Regional Center for Minorities ausführt, die melderechtlichen Bestimmungen fänden selektiv auf Roma Anwendung, gibt es dafür keine hinreichenden Belege oder aussagekräftiges Datenmaterial.
50Ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 ‑ 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 19; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 – 1 K 1667/12.DA.A -, S. 16 des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 ‑ A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 21; a. A. VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 -, S. 9 f. des Urteilsabdrucks.
51Dahin gehende belastbare Erkenntnisse hat auch die Beweisaufnahme im vorliegenden Verfahren nicht ergeben. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet zwar von einer Kontaktperson des Regional Center of Minorities, die im März 2015 angegeben habe, sie sei 2012 von verschiedenen Roma wegen Schwierigkeiten mit den serbischen melderechtlichen Vorschriften kontaktiert worden. Allerdings hätten die Personen meist den Kontakt abgebrochen und seien anschließend nicht mehr zu erreichen gewesen.
52Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 10 f..
53Soweit die Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O., in diesem Zusammenhang außerdem von einer erfolglosen Beschwerde einer Roma-Familie gegen einen erstinstanzlichen Entscheid berichtet, ist unabhängig davon, dass Einzelheiten dieses Falles nicht angeführt werden, ein Einzelfall nicht geeignet, eine rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechende selektive Anwendung der serbischen melderechtlichen Vorschriften auf Roma zu belegen.
54b. Eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung in Serbien lassen sich weiter nicht mit Blick auf Art. 350 und 350 a des serbischen Strafgesetzbuches feststellen.
55Nach Art. 350 Abs. 1 wird bestraft, wer bewaffnet oder unter Anwendung von Gewalt ohne vorschriftsmäßige Erlaubnis die Grenze Serbiens überquert oder versucht, diese zu überqueren. Gemäß Art. 350 Abs. 2 wird bestraft, wer eine nicht erlaubte Überquerung der serbischen Grenze erlaubt oder einen nicht erlaubten Aufenthalt in Serbien oder Transit durch Serbien ermöglicht. Nach Art. 350 a wird bestraft, wer versucht, in der Absicht, sich selbst oder jemand anderen einen Vorteil zu verschaffen, einen Transport, eine Verlegung, eine Aufnahme, eine Unterkunft, ein Versteck organisiert oder auf eine andere Weise ermöglicht, dass serbischen Staatsangehörigen durch falsche Angaben über die Bedrohung ihrer Menschenrechte oder fundamentalen Freiheiten die Asylantragstellung in einem ausländischen Staat ermöglicht wird. Diese Strafvorschriften bezwecken nicht, Roma und Ashkali an der Ausreise in Serbien zu hindern,
56so aber Dr. Waringo in ihrer Zeugenaussage vor dem VG Stuttgart im Verfahren A 11 K 5036/13 -, S. 3 des Protokolls,
57oder Asylbewerber zu kriminalisieren,
58so aber Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 40,
59und richten sich nicht speziell gegen Roma.
60So aber VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 ‑ A 11 K 5036/13 -, S. 11 des Urteilsabdrucks; a. A. Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 – 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 21 ff.; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 17 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 21.
61Zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 31. Dezember 2014 waren nach Angaben der serbischen Organisation „Praxis“, die auf Befragungen serbischer Gerichte beruhen, bei den serbischen High Courts 350 Verfahren und bei den serbischen Basic Courts 223 Strafverfahren wegen Verstößen gegen Art. 350 des serbischen Strafgesetzbuches anhängig, wobei ein High Court und ein Basic Court auf die Anfrage der Organisation „Praxis“ nicht antworteten. Strafverfahren gemäß Art. 350 a waren in dem Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 nicht anhängig, wobei zwei Gerichte der Organisation „Praxis“ keine Auskunft erteilt hatten. Nach Mitteilung von „Praxis“ waren bei Verfahren nach Art. 350 mehrheitlich serbische Staatsangehörige angeklagt oder verurteilt, die Drittpersonen die illegale Durchreise (Transit) durch Serbien ermöglichten oder ausländischen Personen, die die Staatsgrenzen ohne gültige Papiere überquerten, eine Unterkunft organisiert oder zur Verfügung gestellt hatten. Serbische Staatsangehörige, die im Ausland aus berechtigten oder vorgetäuschten Gründen Asyl beantragt haben, werden nach Einschätzung von „Praxis“ nicht nach Art. 350 a des serbischen Gesetzbuches sanktioniert. Nur Personen, die Hilfeleistung („Enabling“) diesbezüglich leisten, sind von Art. 350 a betroffen.
62Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 12 f.
63Mit Rücksicht darauf, dass die Einschätzungen von „Praxis“ auf Anfragen bei serbischen Gerichten beruhen, sieht die Kammer keinen Anlass, die Einschätzungen in Zweifel zu ziehen. „Praxis“ ist eine der wichtigsten serbischen Flüchtlingsorganisationen.
64Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 34.
65c. Es besteht weiter kein hinreichender Anlass zu der Annahme, dass die serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen und ihre Anwendung auf ausreiswillige serbische Staatsangehörige eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung darstellen.
66Nach Art 6 des serbischen Gesetzes zum Grenzschutz aus 2008 kann die Grenzpolizei überprüfen, ob eine die Grenze überquerende Person die Kriterien zur Ein- und Ausreise erfüllt und was der Zweck der Reise ist. Nach der im Juni 2011 in Kraft getretenen serbischen Verordnung zur näheren Regelung der Art der Ausübung der polizeilichen Befugnisse der Grenzpolizisten und den Pflichten der Personen, die die Grenze überqueren, darf die Grenzpolizei von serbischen Staatsangehörigen außerdem folgende Unterlagen anfordern: Dokumente, welche den Zweck der Reise belegen (Hotelreservierungen, Rückreiseticket, schriftliche Einladung, Garantieerklärung, Bestätigung eines Reiseveranstalters und weitere Dokumente), Belege für genügende finanzielle Mittel für den Auslandsaufenthalt (Bargeld, Kreditkarten, Schecks und andere Belege) sowie Einladungen oder weitere Beweise bezüglich des Reisezwecks. Das Vorweisen dieser Unterlagen kann zusätzlich zu den normalen Reisedokumenten gefordert werden. Insoweit hat die Grenzpolizei einen weiten Ermessensspielraum. Die Verordnung enthält keine Angaben dazu, welche Personen kontrolliert werden sollen und welche Belege nötig sind, um die Grenzpolizei von der Legitimität der Ausreise zu überzeugen. Die Höhe der für den Aufenthalt in der Europäischen Union ausreichenden Geldsumme ist ebenfalls nicht definiert.
67Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 2 f.
68Diese Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen stehen für sich gesehen mit rechtsstaatlichen Grundsätzen in Einklang. Sie zielen weder auf eine generelle Ausreisebeschränkung noch auf bestimmte Personen, wie etwa Roma und Ashkali. Die Bestimmungen gelten für alle serbischen Staatsangehörigen in gleicher Weise und zielen darauf ab, die Interessen der Republik Serbien und ihrer Staatsangehörigen zu schützen und den Missbrauch der Regelungen der Visafreiheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Serbien zu verhindern.
69Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3.
70Eine derartige Zielrichtung und die Anwendung der Regelungen mit dieser Zielrichtung lassen keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafung erkennen.
71Allerdings gibt es nicht nur vereinzelte Äußerungen des Leiters der ehemaligen serbischen Grenzpolizei gegenüber der Presse bzw. in den Medien,
72so Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508-516.80/48127 -,
73sondern zudem von Vertretern der serbischen Regierung, dass die Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen auch dazu dienen und angewandt werden, um die Zahl „falscher“ Asylsuchender zu reduzieren.
74Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3 f.
75Die Bestimmungen stehen nämlich im Zusammenhang mit dem von verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den letzten Jahren auf Länder des Westbalkans ausgeübten Druck, präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Asylgesuchen ihrer Staatsangehörigen in Westeuropa zu ergreifen.
76Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 1; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 – 508-516.80/48127 -.
77Maßnahmen gegen Asylmissbrauch waren auch von der deutschen Regierung gefordert worden.
78Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -.
79Bei der gebotenen Gesamtschau haben aber die serbischen Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen sowie deren Anwendung nicht die Intensität einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung.
80Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 16 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 23, m. w. N.; a. A. VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 ‑ A 11 K 5036/13 -, S. 9 des Urteilsabdrucks.
81Vorrangig sind die Bestimmungen im Hinblick auf schengenkonforme Grenzkontrollen im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien beschlossen worden.
82Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -.
83Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien haben am 21. Januar 2014 begonnen.
84www.auswaertiges-amt.de/DE/Europa/Erweiterung/Serbien.html
85Es gibt auch keine hinreichenden Belege dafür, dass die große Zahl der Ausreiseverweigerungen an den serbischen Grenzen in beachtlicher Zahl der Verhinderung der Asylantragstellung in der Europäischen Union dient oder sich gezielt gegen nationale Minderheiten wie Roma und Ashkali richtet. Nach Angaben des serbischen Innenministeriums wurden seit dem Inkrafttreten der verschärften Ausreise- und Grenzkontrollbestimmungen am 2. Juni 2011 bis zum 31. Dezember insgesamt 7656 Personen an der Ausreise aus Serbien gehindert, „um den Missbrauch der Visafreiheit der EU-Staaten zu verhindern“.
86Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3.
87Soweit vermutet wird, dass diese Praxis mit Menschenrechtsstandards und den Prinzipien der Nichtdiskriminierung nicht vereinbar sei, weil „die soziale Gruppe der Roma das klare Ziel“ sei,
88Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 3; Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 40,
89gibt es dafür keine hinreichenden Erkenntnisse.
90Ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 ‑ 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 29; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 – 1 K 1667/12.DA.A -, S. 17 f. des Urteilsabdrucks, m. w. N.
91Es gibt lediglich vereinzelte Fälle, die darauf hindeuten, dass vor allem Roma von der serbischen Grenzpolizei an der Ausreise willkürlich gehindert worden sind.
92Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 5.
93Eine belastbare Dokumentation von Fällen dieser Art gibt es aber nicht. Verschiedene von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe kontaktierte nichtstaatliche Organisationen, die im Bereich Migration, Roma-Rechte oder Grenzkontrollen arbeiten, haben angegeben, dass ihnen die Problematik bezüglich der neuen Grenz- und Ausreisebestimmungen bekannt sei, sie jedoch keine Falldokumentationen vorweisen könnten.
94Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 6.
95Die serbischen Behörden haben keine Gründe für die zahlreichen Ausreiseverweigerungen genannt. Vor diesem Hintergrund kann zwar eine Ausreiseverweigerung aufgrund des Verdachts der missbräuchlichen Asylantragstellung im Ausland nicht ausgeschlossen werden. Sie ist aber auch nicht erwiesen, so dass auch andere Gründe für die Ausreiseverweigerung wie nicht gültige Reisedokumente oder abgelaufene Reisepässe maßgeblich gewesen sein können.
96Auswärtiges Amt, Auskunft vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -.
97Dafür spricht auch, dass Zahl der Asylanträge von serbischen Staatsangehörigen in Deutschland in den letzten Jahren massiv angestiegen ist (2012: 12.812 und 2013 18.001 Asylanträge) und die serbischen Asylbewerber überwiegend legal mit Reisebussen in das Schengengebiet einreisen.
98Auswärtiges Amt, Auskünfte vom 1. Juli 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -, und vom 3. September 2014 ‑ 508‑516.80/48127 -; VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 – 1 K 1667/12.DA.A -, S. 17 des Urteilsabdrucks.
99Soweit in Einzelfällen tatsächlich willkürliche Ausreiseverweigerungen erfolgen, kann daraus eine nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG relevante konkrete und individuelle Gefährdung der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit hergeleitet werden. Zum einen ist das Versagen von Amtswaltern im Einzelfall asylrechtlich prinzipiell ohne Bedeutung.
100BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 – 9 C 60.89 -, juris, Rdn. 31.
101Zum anderen folgt aus der Subsidiarität des Asyls und Flüchtlingsschutzes, dass ein Asylsuchender auf bestehende und zumutbare Rechtsschutzmöglichkeiten im Herkunftsstaat verwiesen werden kann.
102BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 – 2 BvR 502/86 u. a. -, juris, Rdn. 65.
103Im Falle von Ausreisebeschränkungen, die die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung und Behandlung nicht allgemein und unmittelbar, d. h. ohne Rücksicht auf die Dauer der Maßnahme und die Umstände des Einzelfalls überschreiten, ist die Inanspruchnahme von Rechtsschutz im Herkunftsstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte regelmäßig zumutbar.
104OVG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2013 ‑ 5 A 2439/12.A -; VG Hamburg, Beschluss vom 6. März 2015 ‑ 5 AE 270/15 -, juris, Rdn. 12.
105Das gilt auch für serbische Staatsangehörige. Sie können sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden und machen von dieser Rechtsschutzmöglichkeit auch Gebrauch. So waren am 30. Januar 2014 1.256 Verfahren serbischer Staatsangehöriger beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.
106Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 27.
107Serbische Staatsangehörige haben außerdem die Möglichkeit, gegen Beschränkungen ihrer Ausreisefreiheit durch die serbische Grenzpolizei um Rechtsschutz nachzusuchen. Nach Einschätzung der serbischen nichtstaatlichen Organisation „Praxis“ könnten auch mündliche Anordnungen der Grenzpolizei als Verwaltungsakte anzusehen sein, gegen die Beschwerde bei dem serbischen Verwaltungsgericht eingelegt werden kann. Soweit es sich bei den Maßnahmen der Grenzpolizei nicht um Verwaltungsakte handeln sollte, besteht die Möglichkeit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
108Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 8 bis 10.
109Gegen die Zumutbarkeit dieser Rechtsschutzmöglichkeiten spricht nicht die zumeist lange Verfahrensdauer gerichtlicher Verfahren in Serbien.
110Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 6 und 10; Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 28.
111Eine auch in Rechtsstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland nicht unübliche lange Verfahrensdauer überschreitet nicht generell die Schwelle zur unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Hinzu kommt, dass der serbische Staat erkennbar bemüht ist, das dortige Justizsystem zu verbessern. Nachdem eine zum 1. Januar 2010 in Kraft getretene umfassende Justizreform nicht zu der gewollten Verbesserung des Justizsystems geführt hatte, wurde im Juli 2013 eine neue Justizreformstrategie verabschiedet.
112Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 6.
113Soweit noch kein Gesetz zur Gewährleistung kostenlosen Rechtsschutzes verabschiedet worden ist, ergibt sich auch hieraus nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG relevante Gefährdung. Denn es ist weder ersichtlich noch belegt, dass dadurch der Rechtsschutz in Serbien für die ärmeren Bevölkerungsschichten, insbesondere für Roma, unmöglich ist oder in einer die Menschenrechte verletzenden Weise unzumutbar erschwert wird. Ein Viertel der serbischen Gemeinden verfügt über Rechtshilfebüros und bei nichtstaatlichen Organisationen und weiteren Anbietern kann kostenlose Rechtsberatung in Anspruch genommen werden.
114Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 7.
115Soweit die Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln gegen Ausreisebeschränkungen als gering eingeschätzt werden, hat diese Einschätzung schon deshalb kein Gewicht, weil derzeit nach Angaben von „Praxis“ die Entscheidungspraxis der serbischen Gerichte nicht bekannt und absehbar ist. So fehlen in der Entscheidungsdatenbank des serbischen Verwaltungsgerichts Urteile hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der serbischen Grenzpolizei.
116Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 6 und 8.
117Soweit die serbische Regierung vor allem auf Roma und die ethnisch albanische Bevölkerung aus Südserbien ausgerichtete Kampagnen durchgeführt hat, um die Stellung von Asylgesuchen serbischer Staatsangehöriger im Ausland zu verhindern,
118Dr. Waringo, Gutachten zum Gesetzentwurf zur Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten, Ausschussdrucksache 18 (4) 92 B, S. 33; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Ausreisebeschränkungen für Roma und Ashkali, 26. März 2015, S. 4 f.
119beschränken die Kampagnen die Ausreisefreiheit nicht unmittelbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kampagnen faktisch die Ausreisefreiheit eingeschränkt haben, indem serbische Staatsangehörige als Folge der Kampagnen von einer Ausreise aus Serbien abgesehen haben.
120Nds. OVG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 ‑ 8 LA 129/14 -, juris, Rdn. 28.
121Dahin gehende Erkenntnisse ergeben sich aus den genannten Gutachten von Dr. Waringo und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht.
122d. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass Roma und Ashkali in Serbien politisch verfolgt (a) oder sonst unmenschlich oder erniedrigend bestraft oder behandelt (b) werden
123(a) Roma und Ashkali sind in Serbien keiner Gruppenverfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt. Gruppenverfolgung setzt unabhängig davon, ob sie durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure erfolgt, voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Es müssen Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe vorliegen, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes Mitglied der Gruppe die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann.
124Vgl. nur VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 10 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 23, jeweils m. w. N.
125Eine solche Verfolgungsdichte lässt sich für Angehörige der Roma und Ashkali in Serbien nicht feststellen.
126Anzeichen für systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma und Ashkali gibt es nicht, auch wenn in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Minderheitenangehörige nach wie vor weit verbreitet sind. Die serbische Regierung bemüht sich vielmehr, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik wie auch entsprechende Strukturen zu verbessern. Regierungshandeln zur Verbesserung der Lage der Roma ist ausgerichtet an der Strategie für Verbesserung der Situation der Roma, insbesondere in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Arbeitsaufnahme, Wohnbedingungen, amtliche Registrierung und soziale Sicherung. Staatliche Programme haben zu einem verbesserten Zugang im Gesundheitsbereich und bei der Bildung geführt
127Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 9.
128Zwar geht die Polizei nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten, vor allem Roma, vor. Anzeigen von Roma wegen Körperverletzungen führen aber in der Praxis zu Gerichtsprozessen und Verurteilungen.
129Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 3 f.; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 17.
130Das im Dezember 2012 angepasste serbische Strafgesetz stellt Straftaten aus Hass, die Anstiftung von nationalistischem, ethnischem oder religiösem Hass oder Intoleranz, rassistische und weitere Diskriminierungen sowie die Herabsetzung einer Person wegen ihrer Rasse, Hautfarbe, Religion, Nationalität, ethnischer Herkunft und persönlicher Merkmale unter Strafe.
131Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 2 f.
132Es fehlt ferner an Anhaltspunkten dafür, dass die immer wieder vorkommenden verbalen und physischen Übergriffe auf Roma durch Private ein Ausmaß erreicht haben, dass für jeden Roma ohne Weiteres eine aktuelle Gefährdung eigener Betroffenheit besteht. Das tatsächliche Ausmaß der Übergriffe auf Roma und andere Minderheiten in Serbien ist unklar. Nach einem Bericht der serbischen Regierung von August 2014 an den Europarat sind 2012 158 und 2013 157 Übergriffe gemeldet worden, die im weitesten Sinne als inter-ethnisch oder inter-konfessionell bezeichnet werden können. Nach den Angaben der serbischen Regierung waren 19 von insgesamt 34 physischen Attacken und insgesamt 20 Sachbeschädigungen gegen Roma gerichtet. Nichtstaatliche Organisationen gehen jedoch davon aus, dass das tatsächliche Ausmaß der Übergriffe nicht verlässlich durch die serbischen Stellen ermittelt worden sei.
133Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 1 f.; Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 16 ff.,
134Angesichts der Zahl der in Serbien lebenden Roma, die nach Schätzungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zwischen 300.000 und 500.000 und nach Schätzungen von Verbänden der Roma zwischen 700.000 bis 800.000 liegt,
135Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 9; Dr. Waringo, Serbien - ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland?, April 2013, S. 26,
136sind jedoch die quantitativen und qualitativen Anforderungen an die Annahme einer Gruppenverfolgung der Roma nicht erfüllt.
137VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 11 f. des Urteilsabdrucks; VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 18.
138Zwar werden die staatlichen Bemühungen zur Prävention bzw. Ermittlung und Strafverfolgung bei Angriffen Dritter gegenüber Roma teilweise als unzureichend bewertet.
139Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 3 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 9.
140Es liegen aber keine belastbaren Erkenntnisse vor, dass der Staat derartigen Übergriffen Vorschub leistet.
141Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 11 des Urteilsabdrucks.
142Die Annahme des VG Stuttgart, die serbischen staatlichen Organe würden gegen Übergriffe Dritter auf Roma in der Regel keinen Schutz gewähren,
143VG Stuttgart, Urteil vom 25. März 2014 – A 11 K 5036/13 -, S. 8 des Urteilsabdrucks,
144stützt sich allein auf die insoweit unergiebige Zeugenaussage von Frau Dr. Waringo in dem Verfahren A 11 K 5036/13. Ihre Aussage, S. 5 des Protokolls der Zeugenaussage, Übergriffe Dritter auf Roma blieben in der Regel folgenlos, die Polizei komme häufiger nicht, wenn sie von Roma gerufen werde und unternehme nichts, ist nicht durch Angabe konkreter Beispielsfälle konkretisiert worden. Die grundsätzliche Schutzbereitschaft der serbischen Behörde ergibt sich vielmehr daraus, dass es etwa in 2012 und 2013 zahlreiche Strafverfahren gegen sog. Hassverbrechen gegeben hat und zahlreiche Täter verurteilt worden sind.
145Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Übergriffe gegen Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 3 f.
146Soweit es bei Übergriffen auf Roma nicht zu Strafanzeigen und nach Strafanzeigen nicht zu Verurteilungen gekommen ist, ergibt sich aus den der Kammer zugänglichen Erkenntnissen kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass hierfür zumindest wesentlich mangelnde Schutzbereitschaft serbischer Behörden (mit-) ursächlich war. Im Übrigen lässt allein die Lückenhaftigkeit des Systems staatlicher Schutzgewährung oder eine im Einzelfall von den Betroffenen erfahrene Schutzversagung als solche die staatliche Schutzbereitschaft oder -fähigkeit nicht entfallen.
147VG Freiburg, Urteil vom 30. Juni 2014 – A 3 K 2238/12 -, juris, Rdn. 18, m. w. N.
148Entscheidend ist vielmehr, ob der Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln im Großen und Ganzen Schutz gewährt. Kein Staat ist in der Lage, Kriminalität und Übergriffe auf Minderheiten durchgängig zu verhindern.
149BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 – 9 C 60.89 -, juris, Rdn. 31; OVG NRW, Urteil vom 2. Juli 2001 ‑ 19 A 3030/99.A -, juris, Rdn. 42 f., m. w. N.
150An der generellen Bereitschaft des serbischen Staates, auch gegen Übergriffe auf Roma mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vorzugehen, bestehen schon angesichts des Bemühens des serbischen Staates um eine Verbesserung der Situation der Roma keine Zweifel.
151Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 14 des Urteilsabdrucks.
152(b) Beachtliche Anhaltspunkte dafür, dass Roma und Ashkali in Serbien sonst unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt sind, gibt es ebenfalls nicht.
153Ebenso VG Darmstadt, Urteil vom 19. Januar 2015 ‑ 1 K 1667/12.DA.A -, S. 12 f. des Urteilsabdrucks.
154Es lässt sich den der Kammer vorliegenden Erkenntnissen nicht entnehmen, dass für Angehörige der Volksgruppe der Roma und Ashkali in Serbien die Gefahr schwerster Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Todesgefahr bestünde. Roma und Ashkali haben in Serbien grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen einschließlich der Sozialhilfe und der medizinischen Grundversorgung. Ärztliche Notfallversorgung ist grundsätzlich auch für nicht registrierte Personen gewährleistet. Kinder unter 18 Jahren werden grundsätzlich kostenfrei behandelt, wenn sie registriert sind.
155Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Serbien vom 15. Dezember 2014, S. 12.
156Für bisher nicht registrierte Personen ist mit Gesetz vom 31. August 2012 die Grundlage für eine nachträgliche Eintragung ins Personenstandsregister unter vereinfachten Bedingungen geschaffen worden. Damit soll der rechtliche Status insbesondere der Roma verbessert werden. In dem Ende 2011 in Kraft getretenen neuen Meldegesetz ist darüber hinaus eine Regelung aufgenommen worden, um Personen, die nicht über einen Personalausweis verfügen, die Anmeldung zu erleichtern. Auch diese Regelung zielt darauf, bisher nicht registrierten Roma die Anmeldung zu ermöglichen. Roma werden auch dann grundsätzlich kostenfrei und ohne finanzielle Eigenbeteiligung in Serbien behandelt, wenn sie dort wegen ihrer traditionellen Lebensweise keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt haben. Mit der „Richtlinie über das Verfahren der Verwirklichung der Rechte aus der Sozialversicherung“ ist geregelt, dass Roma im System der Sozialversicherung angemeldet sein können, wenn sie eine persönliche Erklärung abgeben, dass sie Roma sind, und wenn sie eine persönliche Erklärung über den Ort ihres vorläufigen Aufenthalts abgeben.
157Auswärtiges Amt vom 1. Juli 2014 – 508-516.80/48127.
158In der Praxis ist allerdings der Zugang von Roma zu Sozialleistungen und zur Gesundheitsversorgung häufig aufgrund fehlender Dokumente für eine Registrierung schwierig. Außerdem wird berichtet, dass Roma von Staatsbediensteten beim Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen diskriminiert werden. Die Registrierung von Personen ohne dauerhaften oder vorübergehenden Wohnsitz an der Adresse eines staatlichen für die Gewährung von Sozialleistungen zuständigen Social Welfare Center ist oft ein langwieriger Prozess und nicht in allen Landesteilen möglich.
159Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 1 ff.
160Entscheidend ist für die Gewährung subsidiären Abschiebungsschutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG, dass der serbische Staat generell bereit und in der Lage ist, auch Roma den Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen unter zumutbaren Bedingungen zu eröffnen. Auf ein eventuelles Fehlverhalten von Amtswaltern in Einzelfällen bei der Anwendung der serbischen Vorschriften über den Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen kommt es ebenfalls nicht an. Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, dass die auch für Roma eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten in Serbien keinen ausreichenden Schutz gegen die willkürliche Versagung des Zugangs zu Sozial- und Gesundheitsleistungen bieten. Dementsprechend ist auch ohne Bedeutung, dass die Gewährung von Sozialleistungen in Einzelfällen durch Social Welfare Center willkürlich zu niedrig berechnet wird und die Gewährung von Sozialleistungen unter Hinweis auf die Arbeitsfähigkeit eines Familienmitglieds versagt wird, obwohl dieses keine Arbeit findet.
161Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 5 f.
162Hinzu kommt, dass das Bemühen um Arbeit auch in Deutschland eine Verpflichtung für Bedürftige ist (§ 2 SGB II). Im Übrigen besteht in Serbien für Bedürftige während der Zeit der Arbeitssuche die Möglichkeit, für die Dauer von drei Monaten Nothilfe einer serbischen Gemeinde in Anspruch zu nehmen.
163Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 6, Fußnote 39.
164Soweit die Gewährung von Sozialhilfe voraussetzt, Unterstützung von zur Unterhaltsleistung verpflichteten Verwandten einzufordern,
165Schweizerische Flüchtlingshilfe, Serbien: Zugang zu Sozialleistungen für Roma und Ashkali, 15. März 2015, S. 4 f.,
166stellt dies keine rechtsstaats- oder menschenrechtswidrige Voraussetzung dar. Sie ist ein auch das deutsche Sozialrecht prägender Grundsatz (§§ 9, 33 SGB II).
167Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
168Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der am ... 1979 geborene Kläger zu 1), seine am ... 1982 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2) sowie deren am ... 2003, am ... 2004, am ... 2006 und am ... 2013 geborene Kinder, die Kläger zu 3) bis 6) sind kosovarische Staatsangehörige vom Volk der Ashkali mit islamischer Religion. Sie reisten am 13.7.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 20.8.2014 Asylanträge.
Bei der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger zu 1) zu seinen Asylgründen an, dass er 1998 und 1999 serbischer Soldat gewesen sei. Ab 2012 habe er bei seinem Cousin in M... gelebt, wo ihn Mitglieder der UCK zu Hause aufgesucht hätten. Sie hätten ihn befragen wollen, weil er damals Soldat gewesen sei. Jeder, der zu einer derartigen Befragung mitgenommen worden sei, sei nicht mehr zurückgekommen. Die Klägerin zu 2) beruft sich ebenfalls darauf, dass ihr Mann wegen seiner Zeit als Soldat gesucht werde.
Mit Bescheid vom
Gegen diesen Bescheid, der den Klägern am 18.12.2014 zugestellt wurde, haben diese durch ihren Bevollmächtigten am 29.12.2014 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben.
Sie tragen vor, dass der Asylantrag zu Unrecht als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei. Im Bescheid sei eine Entscheidung über die Frage, ob den Klägern subsidiärer Schutz zustehe, im Tenor nicht getroffen worden. Hinzu komme, dass die Kläger zu 1) und 2) glaubhaft vorgetragen hätten, dass der Kläger zu 1) von der UCK gesucht werde und an kriegerischen Auseinandersetzungen der Serben gegen die Albaner auf serbischer Seite teilgenommen habe. Soweit das Bundesamt den Sachvortrag des Klägers damit in Frage stelle, dass die UCK-Leute erst 15 Jahre nach dem Krieg auf den Kläger getroffen seien, sei dem entgegenzuhalten, dass angesichts der Nachkriegssituation der Aufenthalt des Klägers sowie sein Kampfeinsatz auf serbischer Seite gegen die Albaner möglicherweise lange nicht bekannt gewesen sei.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten in Ziff. 2, 3 und 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung.
Mit Ergänzungsbescheid vom
Auf den Antrag der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Regensburg unter dem Az. RO 6 S 14.30902 mit Beschluss vom 27.1.2015 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Mit Beschluss vom 27.1.2015 hat das Verwaltungsgericht Regensburg die Verwaltungsstreitsache auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Akten des Bundesamts sowie die wechselseitigen Schriftsätze in diesem sowie im Eilverfahren und den Inhalt der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18.2.2015.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Zwar teilt das Gericht nicht die Ablehnung der Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet. Die von den Klägern glaubhaft geschilderten Vorfälle knüpfen nämlich an ein asylrelevantes Geschehen an; die Kläger haben insoweit Verfolgungstatsachen schlüssig vorgetragen, die positive Feststellung politischer Verfolgung ist nicht verlangt (vgl. Bergmann in: Renner/Bergmann/Dienelt, Asylverfahrensgesetz, Kommentar, § 29 a, Rn. 10).
2. Den Klägern steht aber kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Das Gericht geht nicht davon aus, dass die Kläger im K. eine asylrelevante Verfolgung zu erwarten haben.
a) Die Kläger sind als Ashkali im Fall ihrer Rückkehr in den K. keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt. Eine Gruppenverfolgung von Ashkali ergibt sich weder aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik K. vom 25.11.2014 (im Folgenden: Lagebericht) noch aus sonstigen Erkenntnisquellen. Die nicht-albanischen Minderheiten genießen im K. vielmehr laut Verfassung weitreichende Rechte. Dies gilt auch für die Minderheit der Roma, Ashkali und Ägypter (RAE). Unter anderem sind ihnen vier Parlamentssitze garantiert (vgl. Lagebericht, S. 8). Zudem tritt die Regierung öffentlich für Toleranz und Respekt gegenüber der Gruppe der Roma, Ashkali und Ägypter ein und wirbt dafür, ihr kulturelles Erbe zu schützen (Lagebericht, S. 9). Diese Einschätzung entspricht auch der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte, die eine Gruppenverfolgung von Ashkali im K. verneint (BVerwG, U. v. 21.4.2009 - 10 C 11/08 - juris; zuletzt VG Würzburg, B. v. 3.3.2014 - W 1 S 14.30223 - juris, Rn. 21 m. w. N.). Im Übrigen haben auch die Kläger selbst nichts vorgetragen, was die Annahme einer Gruppenverfolgung begründen könnte.
b) Den Klägern droht auch keine individuelle Verfolgung im K., der sie nicht entgehen könnten. Zwar erachtet das Gericht die Behauptungen des Klägers zu 1) als durchaus glaubwürdig, er sei im K.krieg als Wehrdienstleistender in der Artillerie auf der Seite der Serben am Beschuss von Dörfern beteiligt gewesen und deshalb sei von ehemaligen Angehörigen der UCK bei seinem Cousin nach ihm gefragt worden.
Es kann jedoch dahin gestellt bleiben, ob aus dieser bloßen Nachfrage schon eine asylerhebliche individuelle Bedrohung resultiert. Das Gericht geht nämlich unabhängig davon, ob dem Kläger tatsächlich im Fall einer Befragung durch ehemalige UCK-Angehörige eine asylerhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, davon aus, dass den Klägern hinsichtlich einer solchen möglichen Bedrohung des Klägers zu 1) durch Umzug in einen anderen Landesteil des K. eine inländische Fluchtalternative offensteht (vgl. Lagebericht, S. 17). Insoweit ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger zu 1), selbst wenn er, wie er behauptet, den ehemaligen UCK-Angehörigen, die nach ihm gefragt haben sollen, mit Vor- und Zunamen bekannt sein sollte, im ganzen K. auffindbar wäre. Daran ändert auch das Vorbringen nichts, dass angeblich der Cousin des Klägers zu 1) den nachfragenden früheren UCK-Angehörigen gegenüber erwähnt hat, dass die Schwiegereltern des Klägers zu 1) aus F. stammten. Denn selbst wenn dies zuträfe, stünde den Klägern die Möglichkeit offen, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Kläger insbesondere in größeren Städten, etwa im Bereich der Hauptstadt P. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor einer etwaigen Verfolgung sicher wäre (vgl. VG Würzburg, U. v. 26.2.2013 - W 1 K 12.30038 - juris, Rdnr. 19). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass P. mit mehr als 160.000 Einwohner eine Großstadt ist und auch die zweitgrößte Stadt, Pr., knapp 100.000 Einwohner besitzt.
Die Begründung eines neuen Wohnsitzes im K. ist den Klägern auch zumutbar. Es ist nämlich davon auszugehen, dass sie unter der Voraussetzung, dass sie sich am neuen Wohnort registrieren lassen, dort sowohl Zugang zu einer das Existenzminimum sichernden Sozialhilfe als auch zur nötigen medizinischen Versorgung haben (ebenso VG Würzburg, U. v. 26.2.2003, a. a. O.). Insoweit besteht auch keine begründete Befürchtung, dass die Kläger bei ihrer Rückkehr in einen anderen Landesteil des K. gleichsam „vor dem Nichts“ stünden. Bei einer solchen Registrierung ist zudem gemäß dem Lagebericht das „Civil Rights Program K.“ (CRP/K), eine Nichtregierungsorganisation, durch kostenlose Rechtsberatung und Unterstützung behilflich (Lagebericht, S. 11). In einer solchen Registrierung liegt nach Auffassung des Gerichts trotz der insoweit durchaus nachvollziehbaren subjektiven Befürchtungen der Kläger auch kein ernsthaftes Risiko, dass der Kläger zu 1) hierdurch von den ehemaligen UCK-Mitgliedern entdeckt werden könnte, da dies voraussetzen würde, dass nicht nur diese ehemaligen UCK-Angehörigen Zugriff auf die Registrierungsdaten hätten, sondern darüber hinaus auch eine Suche nach dem Kläger zu 1) von landesweitem Interesse wäre. Für beides bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Zum einen gibt es keine Hinweise, dass die im Übrigen bereits seit dem 20.9.1999 offiziell aufgelöste UCK (vgl. hierzu wikipedia, Internet-Lexikon: UCK) noch derartige Möglichkeiten haben könnte. Zum anderen erscheint auch äußerst unwahrscheinlich, dass jemand, der nach eigenem Vorbringen lediglich einfacher Wehrdienstleistender der Artillerie war und nicht an exponierter Stellung auf serbischer Seite gekämpft hat, von so großem Interesse für die früheren UCK-Angehörigen oder gar landesweit bekannt sein könnte.
3. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylVfG. Auch insoweit wird auf das Bestehen einer zumutbaren inländischen Fluchtalternative verwiesen, die den Eintritt eines ernsthaften Schadens für die Kläger im Sinn dieser Vorschrift hinreichend sicher ausschließen kann.
4. Ebenso wenig ist im Fall der Klägers von Abschiebungshindernissen i. S. v. § 60 AufenthG auszugehen.
a) Für ein Vorliegen der Voraussetzungen von § 60 Abs. 3 oder 4 AufenthG sind weder Anhaltspunkte vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b) Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) hat das Bundesamt zu Recht abgelehnt. Die derzeitigen Bedingungen im K. lassen nicht die Annahme zu, dass den Klägern bei einer Abschiebung in den K. eine entsprechende Gefahr droht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im Bescheid vom 4.12.2014 Bezug genommen (§ 77 Abs.2 AsylVfG), denen das Gericht folgt.
c) Auch für eine individuell-konkrete Gefahr für den Kläger i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, die über die allgemeine Gefahrenlage im K. hinausgeht, bestehen keine zureichenden Anhaltspunkte. Was die mögliche Bedrohung des Klägers zu 1) durch frühere Mitglieder der UCK betrifft, wird auf die obigen Ausführungen unter 3 b) verwiesen, wonach den Klägern eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht,.§ 60 Rn. 51). Da § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lediglich zielstaatsbezogene Gefahren erfasst, kann eine eventuelle Reiseunfähigkeit keine Berücksichtigung finden, sondern wäre von der Ausländerbehörde im Rahmen der Abschiebung zu prüfen. Im Übrigen wird auch insoweit auf die Ausführungen des Bundesamts im Bescheid vom 4.12.2014 verwiesen (§ 77 Abs.2 AsylVfG), denen sich das Gericht anschließt.
5. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83 b AsylVfG abzuweisen.
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.