Verwaltungsgericht München Urteil, 03. Juli 2014 - M 22 K 13.4606

bei uns veröffentlicht am03.07.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Halter des Eurasier-Rüden „...“. Er wendet sich gegen die Anordnung eines Leinenzwangs durch die Beklagte.

Seit November 2011 wurden bei der Beklagten verschiedene Vorfälle angezeigt, bei denen der Hund des Klägers in der Begegnung mit den Hunden (einem Mops und einem Collie) zweier anderer Hundehalterinnen aus dem Wohnumfeld des Klägers auffällig geworden sein soll. Die Anzeigen umfassen insgesamt sechs Vorfälle. Der Hund des Klägers soll u.a. die Hundeführerinnen bzw. deren Hunde durch Knurren, Nachlaufen oder Anspringen angegangen sein. Es soll auch zu zwei Beißvorfällen gekommen sein, bei denen die anderen Hunde allerdings nicht ernsthaft verletzt worden seien. Der Eurasier des Klägers sei unangeleint und von seiner Begleitperson teilweise weit entfernt unterwegs gewesen. Der Kläger bestritt die Vorfälle im Wesentlichen. Die Beklagte ließ es zunächst bei Belehrungen des Klägers über seine Pflichten als Hundehalter bewenden. Mit Schreiben vom .... August 2013 forderte sie den Kläger schließlich auf, seinen Eurasier-Rüden von einer Sachverständigen auf Aggressivität und Gefährlichkeit untersuchen zu lassen.

Aus dem Gutachten vom .... August 2013 geht hervor, dass der Hund des Klägers unter Ablenkung keinen zuverlässigen Gehorsam zeige. Es sei eine Rivalität zu den Nachbarshunden (zwei Collies) festzustellen, die sich im Freilauf und beim Aufeinandertreffen negativ äußere. Der Hund des Klägers reagiere im angeleinten Zustand auf Anbellen durch die Nachbarshunde mit stoischer Ruhe. Er zeige auch bei Fremdbegegnungen ein sicheres Auftreten ohne Unruhe, Nervosität oder Überforderung. Auch an Personen habe er kein Interesse gezeigt. Allerdings zeige er keinen Gehorsam, wenn es für ihn etwas Interessantes zu erkunden gebe. Daraus erkläre sich auch das Hinlaufen, wenn er die Nachbarshunde im Freilauf sehe, zu denen er ein schlechtes Verhältnis habe. Das schlechte Verhältnis zu den rivalisierenden Hunden werde sich nie ändern oder verbessern lassen. An der Leine habe der Eurasier-Rüde eine gute Führigkeit gezeigt. Im Ergebnis empfiehlt die Gutachterin einen Leinenzwang im unmittelbaren Wohnbereich und an unübersichtlichen Stellen und zwar für beide Parteien.

Mit Bescheid vom .... September 2013, zugestellt am .... September 2013, ordnete die Beklagte für den Hund des Klägers einen Leinenzwang im Wohnumfeld an (Ziffer 1 des Bescheides). Das Wohnumfeld wurde durch eine beigefügte Karte sowie durch Nennung der das Wohnumfeld begrenzenden Straßenzüge definiert. Für den Fall eines Verstoßes gegen die Anordnung aus Ziffer 1 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 500,-- Euro angedroht (Ziffer 2 des Bescheides). Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides wurde angeordnet (Ziffer 3 des Bescheides).

Zur Begründung des Bescheides gab die Beklagte im Wesentlichen an: Am .... Juni 2013 sei der Eurasier-Rüde des Klägers innerhalb des Wohnumfeldes unangeleint in Richtung eines angeleinten Mops-Rüden gelaufen, dessen Halterin umgekehrt und vor dem Hund geflüchtet sei. Die Ehefrau des Klägers solle sehr weit (mindestens 500 m) von dem Eurasier-Rüden entfernt gewesen sein und davon nichts mitbekommen haben. Der Kläger sei bereits im November 2011 und im März 2012 belehrt und darauf hingewiesen worden, seinen Hund anzuleinen, wenn er anderen angeleinten Hunden begegnete. Weitere Meldungen über Vorgänge vom .... Mai 2012 (Hund springt Person an), vom .... Mai 2012 (Hund rast auf Person zu) und vom .... Juni 2012 (Hund beißt Collie in den Hals) lägen der Beklagten vor. In allen Fällen werde die weite Entfernung der Hundeführerin zum Hund des Klägers geschildert. Die Vorfälle seien durch Personen gemeldet worden, die selbst Hundehalter seien und im Wohnumfeld des Klägers lebten. Alle Begebenheiten hätten sich in diesem Wohnumfeld ereignet. Die Auswertung des Gutachtens und der vorliegenden Behördenakte ergebe, dass für den Eurasier-Rüden eine Anordnung nach Art. 18 Abs. 2 LStVG erforderlich sei. Da der Hund beim Vorfall vom .... Juni 2013 unangeleint auf den Mops zulaufen und die Halterin verschrecken konnte und bereits in der Vergangenheit immer wieder unangeleint auf missliebige Hunde im Wohnumfeld zulaufen konnte, müsse ein Leinenzwang angeordnet werden. Entsprechende Belehrungen hätten nicht den gewünschten Erfolg erzielen können. Der Leinenzwang werde auf das Wohnumfeld, innerhalb dessen ein Revierverhalten bestehe, begrenzt. Dadurch könnten künftig Sicherheitsstörungen verhindert werden. Auch wenn es nicht zu einer Verletzung des anderen Hundes oder dessen Halterin gekommen sei, sei die getroffene Anordnung gerechtfertigt, da eine Gesundheitsbeeinträchtigung bereits dann vorliege, wenn Dritte durch das Verhalten des Hundes in Angst und Schrecken versetzt würden. In der Gesamtschau über die insgesamt sechs eingegangenen Meldungen ergebe sich aufgrund der fehlenden Abrufbarkeit des Hundes ein Bild der mangelnden Einflussnahme auf ihn, wenn er im Wohnumfeld frei laufe und den missliebigen Hunden begegne. Dies werde durch die Erkenntnisse im Gutachten bestätigt. Die Anordnung des Leinenzwangs im Wohnumfeld sei verhältnismäßig. Sie diene dem Schutz besonders hochrangiger Rechtsgüter (Gesundheit und Eigentum) und stelle für den Hundeführer keine besonders starke Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit dar. Die Androhung des Zwangsgeldes beruhe auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die Androhung des Zwangsgeldes sei zur Durchsetzung des Leinenzwangs erforderlich und geeignet. Sie stelle im Verhältnis zu anderen Zwangsmitteln die am wenigsten belastende Maßnahme dar. Die Höhe des Zwangsgelds sei amtsüblich und liege am unteren Ende der Gesamtskala.

Am 7. Oktober 2013 erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,

den Bescheid der Beklagten aufzuheben.

Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die dem Bescheid zugrunde gelegten Vorfälle entsprächen teilweise nicht den Tatsachen. Am .... Februar 2012 habe sich der Hund des Klägers völlig ruhig verhalten, die Anzeigeerstatterin habe jedoch hysterisch auf den friedlichen Hund reagiert. Am .... Mai 2012 habe der Eurasier-Rüde die Tochter der Anzeigeerstatterin nicht berührt, diese habe aber der Hundeführerin hinterhergeschimpft. Am .... Juni 2012 sei umgekehrt der Collie der Anzeigeerstatterin auf den Hund des Klägers losgegangen. Es sei kein Blut geflossen und keine Verletzung dokumentiert worden. Am .... Juni 2013 sei die Anzeigeerstatterin umgekehrt und geflüchtet, bevor der Kläger überhaupt etwas bemerkt habe. Der Vorfall habe nach Auffassung des Klägers daher überhaupt nicht stattgefunden. Die Beklagte hätte insgesamt den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Die Vorfälle seien nicht erwiesen. Die Anordnung sei rechtswidrig, da sie unverhältnismäßig sei. Sie umfasse mehr als das von der Gutachterin vorgeschlagene „unmittelbare“ Wohnumfeld. Die Anordnung widerspreche den Erfordernissen des Tierschutzes, da dem Bewegungsbedürfnis des Hundes nicht hinreichend Rechnung getragen worden sei. Es bestehe keine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit von Menschen oder deren Eigentum, sondern nur eine Rivalität gegenüber den Hunden der Anzeigeerstatterin. Es sei eher von einem Nachbarschaftsstreit auszugehen als von einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Gefahr aus der Rivalität könne nur durch einen Leinenzwang für beide Seiten abgewehrt werden. Ein einseitiger Leinenzwang sei nicht sachgerecht.

Die Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2013 zur Klage Stellung und beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Anordnung sei gerechtfertigt, da eine konkrete Gefahr vom Hund des Klägers ausgehe. Es seien sechs Meldungen über Vorfälle wie Nachlaufen, Anknurren, Anspringen und Angehen fremder Hunde vorhanden. Ein solches Verhalten bei einem großen Hund löse bei Menschen Angst und Schrecken aus und beeinträchtigte die Gesundheit. Zudem sei die Gefahr von unvorhersehbaren und unkontrollierbaren Kettenreaktionen mit Gesundheitsgefahren gegeben. Die Meldungen stammten von zwei unterschiedlichen Personen (der Halterin des Mopses und der Halterin zweier Collies) aus dem Wohnumfeld des Klägers, die unabhängig voneinander Anzeige zu verschiedenen Vorfällen erstattet hätten. Dies untermauere die Feststellung, dass der Eurasier Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Hunden und deren Haltern verursache. Eine konkrete Gefahr liege bereits dann vor, wenn der Hund sich gegenüber einer Person gefahrdrohend gezeigt habe, ohne dass der Halter einschreite. Das Gutachten bestätige, dass der Hund nicht abgerufen werden könne, wenn er unangeleint etwas Interessantes (wie die rivalisierenden Hunde) entdeckt habe. Die Verhinderung weiterer Vorfälle sei ohne Leinenzwang nicht gesichert. Belehrungen seien ohne Erfolg geblieben. Das Wohnumfeld umfasse den Bereich, der von Hund und Anzeigeerstattern häufig frequentiert wäre. Weitere Freiflächen außerhalb des Wohnumfeldes seien vorhanden und könnten für den Freilauf genutzt werden. Anhaltspunkte, die eine Anordnung gegenüber den beiden anderen Hundehalterinnen rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sei von weiteren im Gutachten empfohlenen Anordnungen, z.B. Leinenzwang an unübersichtlichen Stellen, abgesehen worden.

Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2014 bekräftigte der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen.

Mit Beschluss vom 22. April 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Am 3. Juli 2014 fand die mündliche Verhandlung statt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO -).

1. Die Anordnung eines Leinenzwangs auf Grundlage von Art. 1 Abs. 2 Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß Art. 18 Abs. 2 LStVG können Gemeinden zum Schutz der in Abs. 1 genannten Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum, öffentliche Reinlichkeit) Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Die Anordnung erfordert die Prognose einer konkreten Gefahr für ein geschütztes Rechtsgut, hier insbesondere die Gesundheit von Menschen.

1.1. Eine Gesundheitsverletzung ist nicht erst dann zu bejahen, wenn es zu äußerlich sichtbaren Verletzungen kommt, sondern bereits dann, wenn das körperliche oder seelische Wohlbefinden beeinträchtigt wird. Auch ein Erschrecken oder Angstzustände fallen darunter (Bengl/Berner/Emmering, LStVG, Stand 2013, Art. 18 Rn. 8, st. Rsp. z.B. BayVGH U.v. 9.11.2010 – 10 BV 06.3053 – juris Rn. 25). Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn bei ungehindertem Fortgang des objektiv zu erwartenden Geschehens in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt – also mit der Verletzung eines der geschützten Rechtsgüter – hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann (st. Rsp. z.B. BVerwG U.v. 3.7.2002 – 6 CN 8/01 – juris, BayVGH U.v. 9.10.2010 – 10 BV 06.3053 – juris).

1.2. Die Feststellung der Gefahr verlangt eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherter Prognose. Es müssen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss auf den drohenden Eintritt eines Schadens rechtfertigen. Der Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, der für die Annahme einer Gefahr erforderlich ist, hängt von der Größe und dem Gewicht des drohenden Schadens ab: Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts muss umso größer sein, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist; sie darf umso kleiner sein, je schwerer der etwa eintretende Schaden wiegt (st. Rsp. siehe auch Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Juli 2013, Art. 18 Rn. 33 m.w.N.). Nicht erforderlich ist, dass das schädigende Ereignis bereits stattgefunden hat. Ist es jedoch bereits zu einem Vorfall gekommen, bei dem ein Hund eine Person oder einen anderen Hund angegriffen hat, so hat sich die von jedem Hund ausgehende abstrakte Gefahr bereits realisiert. Es besteht dann die konkrete Gefahr weiterer derartiger Vorfälle, die Gefährlichkeit des Hundes bedarf keiner weiteren Nachprüfung (st. Rsp. z.B. BayVGH B.v. 113.1.2013 – 10 CS 11.2379 – juris, B.v. 18.11.2011 – 10 ZB 11.1837 – juris).

1.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, geht von einem frei herumlaufenden großen und kräftigen Hund regelmäßig eine konkrete Gefahr für die Gesundheit Dritter aus. Dies gilt nicht nur, wenn der Hund sich aggressiv zeigt, sondern auch bereits dann, wenn er ein hundetypisches und verspieltes Verhalten zeigt und in durchaus friedlicher Absicht auf unbeteiligte Passanten zuläuft und diese anspringt, so dass diese – insbesondere Kinder – zu Fall kommen und sich verletzen können. Es kommt vor, dass unerfahrene oder ängstliche Menschen allein durch das Herannahen von großen Hunden in Angstzustände versetzt werden, was bereits als Gesundheitsverletzung anzusehen ist. Auch kann es zu gefährlichem Fehlverhalten wie Ausweichen auf die Straße oder Davonlaufen von Personen kommen, das zu Unfällen und Gesundheitsverletzungen führen kann. Auch nicht „hundegerechte“ Reaktionen von Passanten sind dem Hundehalter zuzurechnen (vgl. zum Ganzen BayVGH U.v. 9.11.2010 – 10 BV 07.3053 – juris Rn. 25 ff. m.w.N., Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Juli 2013, Art. 18 Rn. 8).

1.4. Im vorliegenden Fall ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass hinreichende Anhaltspunkte die Annahme einer konkreten Gefahr für die Gesundheit von Menschen rechtfertigen, da der Eurasier-Rüde des Klägers die Anzeigeerstatterinnen zumindest in Angst versetzt hat. Es besteht die Gefahr, dass der Hund des Klägers, sollte er weiter im Wohnumfeld unangeleint ausgeführt werden, auch künftig Angstreaktionen verursacht.

Bei dem Hund des Klägers handelt es sich um einen großen und kräftigen Hund. Laut Gutachten weist er eine Widerristhöhe von 57 cm und ein Gewicht von 40 kg auf. Dies ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für sich genommen schon ausreichend für die Annahme einer konkreten Gefahr. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass sich die Gefahr von Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Angstzustände – wie sich aus der Behördenakte nachvollziehen lässt – bereits in mehreren Fällen konkretisiert hat. Aus der Dokumentation der Meldungen der Anzeigeerstatterinnen in der Behördenakte ergibt sich zweifelsfrei, dass diese in Angst versetzt worden sind (z.B. Bl. 55 ff. der Behördenakte: E-Mail Verkehr v. 4.6.2013, 15.3.2012, 15.2.2012, 22.11.2011). Auch wenn unterschiedliche Darstellungen darüber bestehen, ob es zu einem Biss des Eurasier-Rüden gekommen ist, ob das Herannahmen des Eurasier-Rüden als freundlich oder aggressiv zu beurteilen ist, oder ob es zu einer Personenberührung genommen ist, geht aus den Meldungen zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls zweifelsfrei hervor, dass der Eurasier-Rüde unangeleint den betroffenen Personen in einer Art und Weise begegnet ist, die diese in Angst versetzt haben. Bestätigt wird dies durch die Einschätzung der Sachverständigen im Gutachten vom .... August 2013, wonach eine Rivalität des klägerischen Hundes zu den Hunden der Anzeigeerstatterinnen besteht, und dieser unter Ablenkung keinen Gehorsam zeigt. Es ist durchaus plausibel, dass der Hund des Klägers, wenn er auf die rivalisierenden Hunde der Anzeigeerstatterinnen trifft, nicht abrufbar ist. Der fehlende Gehorsam im Zusammenspiel mit der Rivalität zu den Hunden der Anzeigeerstatterinnen rechtfertigt die Prognose einer konkreten Gefahr.

1.5. Einer weiteren Sachaufklärung durch die Beklagte bedurfte es daher nicht. Eine vollständige Aufklärung des tatsächlichen Ablaufs eines Vorfalls, wie sie in einem förmlichen Strafverfahren erfolgen würde, ist als Voraussetzung für ein sicherheitsrechtliches Einschreiten nicht erforderlich (st. Rsp. z.B. BayVGH U.v. 18.12.2004 Az.: 24 ZB 04.2313; Bengl/Berner/Emmerig, Art. 18 Rn. 53). Anders als im Strafrecht, wo es um den zweifelsfreien Nachweis eines persönlich vorwerfbaren schuldhaften Verhaltens geht, steht im Sicherheitsrecht der Aspekt einer effizienten Gefahrenabwehr im Vordergrund.

1.6. Die Beklagte hat ihr Ermessen fehlerfrei im Sinne von § 114 VwGO ausgeübt. An die Begründung des Entschließungsermessens sind regelmäßig keine hohen Anforderungen zu stellen, da das Ermessen der Sicherheitsbehörde bei Vorliegen einer Gefahr grundsätzlich dahingehend intendiert ist, dass diese tätig werden muss (intendiertes Erschließungsermessen). Bei der Auswahl der anzuordnenden Maßnahme, hat die Sicherheitsbehörde insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 8 LStVG) zu beachten.

Die Anordnung des Leinenzwangs für den Eurasier-Rüden „...“ ist geeignet um die erkannte Gefahr abzuwehren, da die Gefahr immer dann besteht, wenn der Hund unangeleint im Wohnumfeld unterwegs ist. Dies wird bestätigt durch das Sachverständigengutachten vom .... August 2013. Ein milderes Mittel, das in gleichem Maße zur Gefahrenabwehr geeignet wäre, ist nicht ersichtlich (vgl. Art. 8 Abs. 1 LStVG).

Die Anordnung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn, d.h. der durch die angeordnete Maßnahme zu erwartenden Schaden steht nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg (Art. 8 Abs. 2 LStVG). Die räumliche Bemessung des Wohnumfeldes erscheint sachgerecht. Die Beklagte hat den Bereich zugrunde gelegt, in dem Begegnungen mit den als rivalisierend bekannten Hunden der Anzeigeerstatterinnen regelmäßig zu befürchten sind. Die Beschränkung auf einen kleineren Bereich („unmittelbaren Wohnbereich“) erscheint nicht zielführend, da es nicht nur in der unmittelbaren Nachbarschaft, sondern beim Ausführen in der näheren Umgebung zu gefährlichen Begegnungen gekommen ist und auch in Zukunft kommen kann. Die Beklagte ist im Übrigen an die Empfehlungen der Sachverständigen nicht gebunden, sondern trifft ihre eigene Ermessensentscheidung.

Der Einwand des Klägers, dem Bewegungsbedürfnis des Hundes werde nicht genügend Rechnung getragen, greift nicht durch. Ausreichende Freilaufflächen sind außerhalb des festgelegten Wohnumfeldes vorhanden. Darüber hinaus dürfen tierschutzrechtliche Belange nicht auf Kosten der öffentlichen Sicherheit gehen. Hundehalter müssen sich den höheren Rang der zu schützenden Rechtsgüter – hier Gesundheit – entgegenhalten lassen und dürfen drauf verwiesen werden, die nötige Bewegung ihres Hundes auf andere Weise sicher zu stellen (Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand Juli 2013, Art. 18 Rn. 6).

Der Kläger kann der Beklagten nicht entgegenhalten, sie hätte auch gegenüber den rivalisierenden Hunden einen Leinenzwang anordnen müssen. Die Anordnung eines Leinenzwangs gegenüber den anderen Hunden ist nicht geeignet, die vom klägerischen Hund ausgehende Gefahr zu bekämpfen. Die Anordnung eines „einseitigen“ Leinenzwangs für den Hund des Klägers erscheint auch deswegen als sachgerecht, da die Gutachterin festgestellt hat, dass der Eurasier in angeleintem Zustand sich führig zeigt und unbeeindruckt vom Gebell der rivalisierenden Nachbarshunde. Ob ein Leinenzwang auch gegenüber den Haltern der rivalisierenden Hunde geboten ist, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Anordnung des Leinenzwangs ist daher von der Rechtsgrundlage des Art. 18 Abs. 2 LStVG gedeckt. Der Leinenzwang ist rechtmäßig.

2. Auch gegen den Bescheid im Übrigen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere sind die Androhung des Zwangsgelds und die Anordnung des Sofortvollzugs rechtmäßig. Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt der Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 118 Abs. 5 VwGO).

3. Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Abs. 1, 711 ZPO.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt

(§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-i.V.m. Nr. 35.2 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen. (2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird au

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.

(2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
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11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.