Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Mai 2016 - M 12 K 16.381
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Vormerkung für eine Sozialwohnung mit höherer Dringlichkeit.
Die am ... geborene Klägerin stellte am
Zum Zeitpunkt der Antragstellung wohnte die Klägerin in einer Eineinhalbzimmerwohnung mit Küche im ... in München (Gesamtwohnfläche 36,38 qm). Am
Einer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Sozialreferats der Landeshauptstadt München vom
Des Weiteren reichte die Klägerin mehrere ärztliche Atteste der Gemeinschaftspraxis Dr. med. ... und Dr. med. ... betreffend ihre Wohnsituation im ... ein. Dem Attest vom
Des Weiteren befindet sich in der Behördenakte ein ärztliches Attest von Dr. med. ..., Neurologe,
Mit Bescheid vom
Mit Schreiben vom
Am ... Januar 2016 erstattete die Klägerin eine Anzeige bei der Polizei wegen Bedrohung im ... betreffend den Zeitraum
Hierauf erließ die Beklagte am
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am ... Januar 2016 zur Niederschrift des Gerichts Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
den Bescheid vom
Zur Begründung machte sie geltend, dass sie dringend eine neue Wohnung benötige, da sie unter der fortdauernden Bedrohung im Umfeld ihrer derzeitigen Wohnung zwischenzeitlich so leide, dass sie nachts nur noch stundenweise schlafen könne und immer wieder von Angst erfüllt wachliege. Diese psychische Belastung führe mittlerweile auch zu physischen Krankheitserscheinungen, so dass sie dringend umziehen müsse, um der Bedrohungssituation zu entkommen. Die ihr von der Beklagten zuerkannte Punktezahl sei nicht ausreichend, um kurzfristig Wohnungsvorschläge zu erhalten.
Am ... Februar 2016 legte die Klägerin ein weiteres Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. med. ... und Dr. med. ...
Die Beklagte hat mit Schreiben vom
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin sei nach den Maßstäben des sozialen Wohnungsbaus ausreichend mit Wohnraum versorgt. Auseinandersetzungen im Wohnumfeld seien grundsätzlich einer objektiven Bewertung entzogen. Beweise für das Vorbringen der Klägerin lägen nicht vor; aufgrund ihrer Erkrankungen sei nicht auszuschließen, dass die Probleme von ihr selbst ausgingen. Die Vorlage einer Bescheinigung über die Erstattung einer Anzeige bei der Polizei sei zum Anlass genommen worden, die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Januar 2016 mit nunmehr 88 Grundpunkten zu registrieren. Sie sei damit Fällen gleichgestellt worden, die durch ihre Wohnsituation einer akuten gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt seien. Ihre Wohnsituation sei damit in Anbetracht der mangelhaften Beweislage mehr als ausreichend gewürdigt worden. Eine noch höhere Einwertung komme im Vergleich zu anderen Wohnungsnotstandsfällen nicht in Betracht, da von der Wohnung selbst keine Beeinträchtigungen ausgingen und fraglich sei, ob die derzeitigen Probleme durch einen Umzug tatsächlich auch dauerhaft gelöst werden könnten.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagtenvertreter zu Protokoll des Gerichts erklärt, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid vom
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Dringlichkeit (§ 113 Abs. 5 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom
Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist Art. 5 des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes (BayWoBindG). Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Bei der Benennung sind gemäß Art. 5 Satz 3 BayWoBindG insbesondere schwangere Frauen, Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen vorrangig zu berücksichtigen. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH
Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH
Die Bewertung des von der Klägerin vorgetragenen Lebenssachverhaltes mit 88 Grundpunkten ist vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden. Die von der Klägerin geltend gemachte Bedrohung durch Wohnumfeld ist in der Punktetabelle der Beklagten nicht als eigenständiger Tatbestand aufgeführt. Mit der Zuerkennung von 88 Grundpunkten hat die Beklagte die Situation der Klägerin mit Fällen gleichgesetzt, in denen die Antragsteller durch ärztliche Atteste nachweisen, dass sie aufgrund ihrer derzeitigen Wohnsituation einer akuten gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt sind. Diese Bewertung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Situation der Klägerin ist vergleichbar mit Fällen, in denen die Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen bei einem Verbleib in ihrer Wohnung einer akut lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt sind. Die Beklagte hat mit der vorgenommenen Dringlichkeitseinstufung damit der von der Klägerin als äußerst bedrohlich wahrgenommenen Situation in ihrem Wohnumfeld hinreichend Rechnung getragen. Die Festsetzung einer höheren Grundpunktezahl scheidet im Vergleich zu anderen Wohnungsnotstandsfällen aus, zumal die Klägerin - abgesehen von der bei der Polizei erstatteten Strafanzeige - bislang auch keine weiteren Beweise dafür erbracht hat, dass sie tatsächlich durch ihr Wohnumfeld bedroht wird. Auch aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste kommt keine höhere Einstufung ihres Wohnungsantrags in Betracht, da der Klägerin mit 88 Grundpunkten bereits die nach der Punktetabelle höchstmögliche Anzahl an Grundpunkten aus gesundheitlichen Gründen zuerkannt worden ist.
Die Vergabe von Vorrangpunkten scheidet vorliegend trotz der Behinderung der Klägerin aus, da der Grad der festgestellten Behinderung unter 50 v. H. liegt. Auch die Zuerkennung von 23 Anwesenheitspunkten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auf die Änderung der internen Richtlinie für die Festsetzung von Anwesenheitspunkten zum 10. März 2016 reagiert und die Anzahl der Anwesenheitspunkte im Fall der Klägerin entsprechend den Vorgaben der geänderten Richtlinie angepasst. Die derzeitige Einstufung der Dringlichkeit des Antrags der Klägerin mit insgesamt 111 Punkten ist daher rechtmäßig.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Mai 2016 - M 12 K 16.381
Urteilsbesprechung schreibenUrteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 12. Mai 2016 - M 12 K 16.381
Referenzen - Gesetze
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188
Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.