Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Okt. 2016 - M 12 K 16.3620

bei uns veröffentlicht am13.10.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klagen werden abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten der Verfahren zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Kostenentscheidung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine öffentlich geförderte Wohnung.

Die am ... geborene Klägerin bewohnt derzeit ein Zimmer in der Obdachlosenunterkunft ... in .... Sie hat einen Grad der Behinderung von 70.

Am .... April 2013 hat die Klägerin sich bei der Beklagten zu 2) für eine 1-Zimmer-Sozialwohnung im S. vormerken lassen.

Ab dem 1. April 2015 war die Klägerin in der ...str. ... in S. gemeldet.

Mit Hinweis auf diese Wohnung wurde die Klägerin von der Beklagten zu 2) am 29. Juli 2015 aus der Liste der Wohnungssuchenden gelöscht.

Am 10. Februar 2016 hat sich die Klägerin wegen der anstehenden Wohnungsräumung zum .... Mai 2016 als wohnungssuchend gemeldet und ist seitdem bei der Beklagten zu 2) nach deren Angaben für eine Sozialwohnung vorgemerkt.

Mit Schreiben vom .... März 2016, eingegangen am 8. März 2016, hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben.

Zur Begründung wurden im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin klage wegen fehlenden bezahlbaren Wohnraums. Durch das Harz IV-Niveau ihrer Rente könne die Klägerin keine Miete zahlen. Selbst die erlaubten 150 € Zusatzeinkommen reichten nicht. Ihr Sohn bezahle aber nichts für sie, da der Staat bezahlbaren Wohnraum anbieten müsse, nicht die Kinder.

Mit Schreiben vom .... April 2016 führte die Klägerin weiter aus, dass sie zum .... bzw. .... Mai 2016 ihre Wohnung laut Räumungsbeschluss geräumt haben müsse. Im Sommer 2015 sei sie monatelang einer Hitze von 70 Grad ausgesetzt gewesen und sei mehrmals ohnmächtig geworden, da die Vermieterin nicht besser dämmen wollte. So sei es irgendwann zur Kündigung gekommen. Ihre beiden Knie erlaubten ihr es nur noch im Erdgeschoss zu wohnen. Dies könne gerne mit einem ärztlichen Attest untermauert werden. Die Gemeinde bzw. der Bürgermeister hätten ihr mitgeteilt, dass es keine Unterkunft für sie gäbe.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2016 teilte der Beklagte zu 1) dem Sozialgericht München mit, dass die Klägerin vollstationär in der Einrichtung ... untergebracht gewesen sei. Zum 1. April 2015 habe sie eine Wohnung in der ...straße ... in S. angemietet und die Einrichtung verlassen. Am 20. April 2016 sei die Klägerin beim Beklagten zu 1) persönlich erschienen und habe ein Protokoll und ein Anerkenntnisurteil des AG W.s in Sachen Räumung und Herausgabe der Wohnung in der ...straße ... in S., Az.: ... ... .../16 vorgelegt. Inzwischen solle die Klägerin in der Herberge der ... sich aufgehalten haben. Dem Beklagten zu 1) gegenüber habe sie erwähnt sich einen Bus kaufen und auf dem Dauercampingplatz in ... wohnen zu wollen.

Mit Schreiben vom .... Mai 2016 führte die Klägerin weiter aus, dass sie die Beklagte zu 2) wegen fehlendem Wohnraum verklage. Sie habe Knieprobleme, da sie ihre Wohnung nur über 49 Treppenstufen erreiche. Es gebe auch keine ebenerdigen Herbergen oder Unterkünfte. Auch auf dem Wohnungsmarkt gebe es zu wenige Parterre-Wohnungen. Die Beklagte zu 2) habe sie seit 2013 nicht in der Dringlichkeitsliste zur Sozialwohnung beachtet. Die Missachtung ihrer gesundheitsbedingten Dringlichkeit durch den Beklagten zu 1) „bringe sie zur Anzeige“.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2016 teilte der zuständige Obergerichtsvollzieher den Beklagten zu 1) die Räumung für den .... Juli 2016 mit.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2016 teilte der Beklagte zu 1) dem Sozialgericht mit, dass der Klägerin am 9. August 2010 ein Wohnberechtigungsschein, gültig bis 9. August 2011, in Rangstufe 1 ausgestellt worden sei. Ein aktueller Antrag liege nicht vor. Man habe nur für wenige Wohnungen das Benennungsrecht. Eine Vormerkung erfolge überwiegend bei Gemeinden und Städten. Letztlich entscheide der Verfügungsberechtigte, wer als Mieter angenommen werde. Sollte die Klägerin einen Antrag stellen, könne ihr ggf. ein Wohnberechtigungsschein ausgestellt werden.

Mit Beschluss vom 16. Juni 2016, Az.: S 42 SO 191/16 wurde die Klage an das Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen und der Rechtsweg zu den Sozialgerichten für unzulässig erklärt.

Mit Schreiben vom .... August 2016 führte die Klägerin weiter aus, dass sie sowohl gegen den Beklagten zu 1) als auch gegen die Beklagte zu 2) klagen wolle.

Mit Schreiben vom 19. August 2016 hat der Beklagte zu 1) beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass seit dem 9. August 2011 kein Antrag auf einen Wohnberechtigungsschein bei dem Beklagten zu 1) eingegangen sei. Er selbst habe nur für wenige Wohnungen das Benennungsrecht. Eine Vormerkung erfolge überwiegend bei den Städten und Gemeinden. Diese hätten für die meisten Wohnungen im Landkreis W.-S. das Benennungsrecht. Wenn die Klägerin einen Folgeantrag auf einen Wohnberechtigungsschein stelle und die EK-Grenze nicht überschreite, könne ihr ein Wohnberechtigungsschein ausgestellt werden. Ein gültiger Wohnberechtigungsschein sei nicht gleichbedeutend damit, dass dem Antragsteller sofort eine Sozialwohnung zugewiesen werden könne. Leider gebe es mehr Personen mit gültigem Wohnberechtigungsschein als Sozialwohnungen. Zudem könne der Beklagte zu 1) nur Vorschläge und Benennungen unterbreiten, die Entscheidung liege aber allein beim verfügungsberechtigten Eigentümer der Sozialwohnung.

Mit Schreiben vom 30. August 2016 führte die Beklagte zu 2) aus, dass bei einem zwischenzeitlichen Wohnungswechsel angenommen werde, dass keine Sozialwohnung mehr benötigt werde. Die für eine Sozialwohnung vorgemerkten Interessenten würden regelmäßig mit dem Melderegister abgeglichen. Deswegen sei die Klägerin am 29. Juli 2015 aus der Liste der Wohnungssuchenden gelöscht worden. Zur Vermeidung der Obdachlosigkeit durch die Wohnungsräumung am .... Juli 2016 sei der Klägerin durch die Beklagte zu 2) ein Zimmer in der Obdachlosenunterkunft ... ... ... zugewiesen worden.

Mit Schreiben vom .... September 2016 führte die Klägerin aus, dass die Beklagte zu 2) auch bei einem abgelaufenen Wohnberechtigungsschein und jahrelangem Kontakt von der Obdachlosigkeit der Klägerin wisse. Sie sei von der Beklagten zu 2) in eine verwahrloste Notunterkunft ohne Kochgelegenheit, Heizung, Warmwasser gebracht worden. Die Klägerin könne keine 37 Stufen wegen ihrer Knie laufen. Sie habe im Jahre 2013 einen Antrag für einen Wohnberechtigungsschein gestellt. Ihr sei nie von einer Neuantragsstellung erzählt worden. Auch wenn ihr ein neuer Wohnberechtigungsschein erteilt werde, werde ihr der Beklagte zu 1) keine Erdgeschoss-Wohnung geben.

Am .... September 2016 hat die Klägerin einen Folgeantrag beim Beklagten zu 1) gestellt. Sie habe Knie- und Herzprobleme. Eine Erdgeschoss-Wohnung sei der einzige geeignete Wohnraum.

Mit Bescheid vom 20. September 2016 hat der Beklagte zu 1 der Klägerin einen Wohnberechtigungsschein in Rangstufe 1 erteilt. Die angemessen Wohnfläche wurde mit 50 qm oder 2 Wohnräumen mit Nebenräumen festgesetzt.

Mit Schreiben vom .... Oktober 2016 hat die Klägerin ausgeführt, dass sie leider an der Verhandlung nicht teilnehmen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2016 entschieden werden, obwohl die Klägerin nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin ist form- und fristgerecht geladen worden.

Die Klagen sind gem. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Klägerin von dem Beklagten zu 1) die Erteilung eines Wohnberechtigungsscheins und von der Beklagten zu 2) die Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung begehrt.

Die Klagen sind bereits unzulässig.

Soweit die Klägerin von dem Beklagten zu 1) eine Vormerkung begehrt, ergibt sich das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses daraus, dass der Klägerin mit Bescheid des Beklagten zu 1) vom 20. September 2016 ein Wohnberechtigungsschein in Rangstufe 1 erteilt wurde. Die Klage wird unzulässig, wenn der Kläger klaglos gestellt wird. (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, vor § 40 Rn. 11). Die Klägerin kann durch eine Entscheidung des Gerichts keine Verbesserung ihrer Rechtsstellung mehr erreichen.

Soweit die Klägerin von der Beklagten zu 2) eine Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung begehrt, ergibt sich das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses bereits daraus, dass die Klägerin bei der Beklagten zu 2) bereits vorgemerkt ist. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Kläger mit der Klage eine Verbesserung seiner Rechtsstellung nicht erreichen kann, die Klage also nutzlos ist (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, vor § 40 Rn. 11). Die Klägerin ist seit 22. Februar 2016 bei der Beklagten zu 2) in der höchsten Dringlichkeitsstufe vorgemerkt. Dies ergibt sich zum einem aus dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, zum anderen aus einem internen E-Mail-Verkehr vom .... April 2016.

Nach alledem waren die Klagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.