Verwaltungsgericht München Urteil, 14. Jan. 2016 - M 12 K 15.3771

14.01.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Vormerkung für eine größere Sozialwohnung.

Der am ... geborene Kläger beantragte am 22. Februar 2014 bei der Beklagten die Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung im Osten und im Zentrum Münchens für sich und seine Tochter. Zur Begründung gab er an, dass sich sein Krankheitsbild immer mehr verschlechtere (u. a. Platzangst, Wirbelsäulenschaden, drei Herzinfarkte) und er dringend eine größere Wohnung benötige. Er nehme bereits starke Medikamente gegen seine Angst vor kleinen und engen Räumen ein, die seinen Zustand jedoch nicht verbesserten. Seine Tochter sei alle vierzehn Tage an den Wochenenden bei ihm. Seine Wohnung sei jedoch zu klein, so dass sie nicht bei ihm übernachten könne. Seine Zuckungen (Restless-leg-Syndrom) zwängen ihn bereits jetzt schon dazu, ab und an mit Krücken zu gehen. Er beabsichtige, einen Antrag auf Pflegestufe zu stellen. In seiner jetzigen Wohnung könne er das Bad und die Küche nur schwer betreten, da diese so klein seien. Auch das Schlafzimmer könne er aufgrund seiner Größe nicht betreten. Er halte sich deshalb ausschließlich im Wohnzimmer auf.

Ausweislich des vorgelegten Mietvertrags bewohnt der Kläger seit 1. Mai 2000 eine Eineinhalbzimmerwohnung im Erdgeschoss in der ...-Str. ... in München (Gesamtwohnfläche 41,79 qm). Die Kosten der Unterkunft werden gedeckt durch Leitungen nach dem SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung). Ferner wurde ein Schwerbehindertenausweis vorgelegt, aus dem sich ein Grad der Behinderung von 80 ergibt.

Mit Schreiben vom ... März 2014 teilte der Kläger mit, dass er derzeit noch keinen Rollstuhl benötige. Das Restless-Leg-Syndrom verschlimmere sich jedoch von Monat zu Monat. Aufgrund seiner Erkrankungen und Behinderungen sei sein Leben nur in einer behindertengerechten Wohnung erträglich. In den Räumen seiner jetzigen Wohnung bekomme er Panikattacken und Angstzustände aufgrund seiner Klaustrophobie. Aufgrund seiner schweren Erkrankungen habe die Kindsmutter das alleinige Sorgerecht für die Tochter.

Des Weiteren legte der Kläger zwei Atteste des...-Klinikums... vom 18. März 2014 und vom 8. April 2014 vor. Dem Attest vom 18. März 2014 lassen sich folgende Diagnosen entnehmen: Alkoholabhängigkeit; Abhängigkeit von Sedativa und opioidhaltigen Schmerzmitteln; Klaustrophobie; Epilepsie; Polyneuropathie; Restless Legs; Z.n. Polytrauma 1981, seither Schmerzsyndrom von LWS und Becken; Z.n. Herzinfarkt 2002, 2007, 2009; arterielle Hypertonie; Z.n. Schnittwunde re. Unterarm; rez. Analfisten; Z.n. Leistenhernie re. (Operation 17. 12. 2013). Laut dem Attest vom 8. April 2014 leide der Kläger an einer Klaustrophobie. Dadurch bedingt erleide er in engen oder z. B. fensterlosen Räumen Angst- und Panikattacken. Auch bei Menschenansammlungen z. B. in Kaufhäusern oder in öffentlichen Verkehrsmitteln ereile ihn diese Angst. In entsprechenden Situationen komme es zu Schweißausbrüchen, Herzrasen, Blutdruckanstieg und Hyperventilation. Ein Versuch, diese Symptomatik medikamentös zu behandeln sei bislang erfolglos geblieben. Der Kläger sei hierdurch mehr oder weniger gezwungen, entsprechende Situationen zu meiden.

In der Behördenakte befindet sich des Weiteren ein Attest von Dr. med...., Fachärztin für Neurologie und Nervenheilkunde, vom 18. Dezember 2009. Darin werden eine generalisierte Angststörung (ICD-10: F 41.1), eine Panikstörung, episodisch paroxysmale Angst (ICD-10: F 41.0), Epilepsie, nicht näher bezeichnet (ICD-10: G40.9) sowie ein Abhängigkeitssyndrom bei Gebrauch von Sedativa oder Hypnotika (ICD-10: F13.2) diagnostiziert.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15. April 2014 mit, dass er nach derzeitiger Rechtslage nicht zusammen mit seiner Tochter als Wohnungssuchende registriert werden könne, da kein alleiniges eigenes Sorgerecht bestehe und die Zustimmung des anderen Elternteils fehle. Hierauf erklärte sich der Kläger mit Schreiben vom ... April 2014 einverstanden, seine Tochter aus seinem Wohnungsantrag zu streichen.

Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 10. Februar 2015 amtsärztlich untersucht. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen wurde in dem Gesundheitszeugnis vom 24. Februar 2015 festgestellt, dass ein Wohnungswechsel des Klägers aus medizinischen Gründen derzeit nicht zwingend erforderlich sei. Mit einer gesundheitlichen Gefährdung bei einem Verbleib in der Wohnung müsse nicht gerechnet werden. Ein Mehrraumbedarf sei medizinisch nicht erforderlich. Ein Bad mit Fenster wäre aber wünschenswert, da aufgrund einer vorhandenen Erkrankung mit phasenhaften Verlauf das Betreten von fensterlosen Räumen in Zeiten hoher Krankheitsaktivität nur unter erschwerten Bedingungen möglich sei. Mit einer gesundheitlichen Gefährdung müsse nicht gerechnet werden, falls kein zusätzlicher Wohnraum genehmigt werde.

Daraufhin wurde der Kläger mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 29. Juli 2015 für eine öffentlich geförderte Wohnung mit 69 Gesamtpunkten (45 Grundpunkte, 5 Vorrangpunkte, 19 Anwesenheitspunkte) in Rangstufe II vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße wurden 1 Wohnraum mit einer Fläche ab 10 qm und 1 Wohnraum mit einer Fläche unter 10 qm festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe gesundheitliche Beeinträchtigungen nachgewiesen. Diese würden zwar ursächlich mit der Lage und/oder der Beschaffenheit der Wohnung zusammenhängen, erforderten objektiv aber nicht zwingend einen Wohnungswechsel. Dem Antrag seien daher 45 Grundpunkte zu erteilen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom ... August 2015, bei Gericht am 31. August 2015 eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Zur Begründung führte er aus, dass ihm die von der Beklagten vorgenommene Einstufung seines Antrags mit 69 Punkten unbegreiflich sei. Er leide an schweren seelischen psychischen Störungen. Er habe von mehreren Gutachtern bestätigt bekommen, dass eine größere Wohnung dringend erforderlich sei.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 13. Oktober 2015 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Eine Dringlichkeit aus gesundheitlichen Gründen, die ggf. eine Einstufung in eine höhere Rangstufe rechtfertigten, sei nicht nachgewiesen worden. Höhere Grundpunkte aus gesundheitlichen Gründen könnten nur vergeben werden, wenn der Wohnungswechsel aufgrund eines - mindestens deutlich nachteiligen - Zusammenhangs zwischen Lage und/oder Beschaffenheit der Wohnung und der gesundheitlichen Situation eines Haushaltsangehörigen notwendig sei. Aus keinem der vorgelegten Atteste ergebe sich ein solcher Zusammenhang. Insbesondere komme die festgestellte arterielle Hypertonie wegen der Lage der Wohnung im Erdgeschoss nicht als Dringlichkeitsgrund in Betracht. Anhaltspunkte für eine höhere Anzahl von Grundpunkten ergäben sich auch nicht aus dem vorgelegten Attest von Dr. ... vom 8. April 2014, wonach der Kläger aufgrund der attestierten Klaustrophobie allgemein in engen bzw. fensterlosen Räumen Angst- und Panikattacken erleide. Auf die aktuelle Wohnsituation (Eineinhalbzimmerwohnung) gehe das Attest nicht ein. Die erwähnten fensterlosen Räume seien auch nicht als Wohnräume für den Kläger vorgesehen. Nach den Feststellungen der ärztlichen Gutachterstelle des Referats für Umwelt und Gesundheit vom 24. Februar 2015 wäre zwar ein Bad mit Fenster für den Kläger wünschenswert; dieses Kriterium sei jedoch nicht Gegenstand der Bescheidsfestsetzungen, sondern könnte allenfalls bei der Auswahl der freigemeldeten Wohnungen für die Benennung bzw. ggf. als berechtigter Ablehnungsgrund für den Wohnungssuchenden gewertet werden, um eine Rückstufung zu vermeiden. Unter Berücksichtigung der Vorgaben der DA Mehrraum stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Vormerkung für eine größere Wohnung zu. In der Regel könne angenommen werden, dass für schwerbehinderte kranke Einzelpersonen selbst dann eine Eineinhalbzimmerwohnung als ausreichend anzusehen sei, wenn ein getrennter Schlafraum ärztlicherseits für notwendig erachtet werde (Ziffer 1.3 DA Mehrraum). Vorliegend handle es sich laut Mietvertrag um eine Wohnung mit eineinhalb Zimmern. Zwar sei die Größe der einzelnen Zimmer im Mietvertrag nicht gesondert angegeben. Vom Kläger sei bislang jedoch auch nicht vorgetragen bzw. nachgewiesen worden, dass beide Räume der Eineinhalbzimmerwohnung kleiner als 10 qm seien. Auch aus den beiden Attesten von Dr. ... vom 18. März 2014 und 8. April 2014 werde nicht ersichtlich, dass die derzeitige Eineinhalbzimmerwohnung für den Kläger nicht als angemessen einzustufen sei. Für die im Attest vom 8. April 2014 beschriebenen Angst- und Panikstörungen des Klägers in engen und fensterlosen Räumen bzw. in größeren Menschenansammlungen würden zudem auch zusätzliche Wohnräume nicht helfen. Der in der Antragsbegründung vorgetragene Mehrraumbedarf wegen der zeitweiligen Aufnahme der minderjährigen Tochter des Klägers sei nicht mehr Gegenstand des Klageverfahrens, weil der Kläger mit Schreiben vom ... April 2015 der Streichung seiner Tochter aus dem Antrag zugestimmt habe.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger beantragt,

ihn für eine größere Wohnung und mit einem Bad mit Fenster zu registrieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Gründe

Verfahrensgegenstand ist vorliegend der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2015, mit dem der Kläger für eine öffentlich geförderte Wohnung mit insgesamt 69 Punkten in Rangstufe II vorgemerkt und als angemessene Wohnungsgröße 1 Wohnraum mit einer Fläche ab 10 qm sowie 1 Wohnraum mit einer Fläche unter 10 qm festgesetzt wurde. Ausgehend von dem zuletzt in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag wendet sich der Kläger mit seiner Klage allein gegen die Festsetzung der angemessenen Wohnungsgröße (§ 88 VwGO).

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die Zubilligung zusätzlichen Wohnraums noch auf Vormerkung für eine Sozialwohnung mit einem Bad mit Fenster, §§ 113 Abs. 5 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO. Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2015 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zubilligung von zusätzlichem Wohnraum.

Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes (BayWoFG) in der Fassung vom10. April 2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 2009, wird ein Wohnberechtigungsschein erteilt, wenn die Größe des Wohnraums angemessen ist. Eine Definition der angemessenen Wohnraumgröße findet sich weder im Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz noch im Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz oder in der Verordnung zur Durchführung des Wohnraumförderungs- und Wohnungsbindungsrechts (DVWoR). Eine „punktgenaue“ Auslegung dergestalt, dass für einen konkreten Wohnungssuchenden nur eine Wohnung mit einer ganz bestimmten Quadratmeterzahl und/oder Zimmeranzahl angemessen wäre, scheidet naturgemäß aus. Die für den jeweiligen Wohnungssuchenden „angemessene“ Wohnungsgröße bewegt sich vielmehr innerhalb einer gewissen Bandbreite. Solange die Behörde diese Bandbreite nicht unter- oder überschreitet, also den Wohnungssuchenden nicht für eine unangemessen kleine oder unangemessen große Wohnung vormerkt, liegt es im Ermessen der Behörde, welchen Wohnungstyp bzw. welche Wohnungsgröße sie im Rahmen der Vormerkung festsetzt. Die Beklagte hat das ihr diesbezüglich zustehende Ermessen durch verschiedene Dienstanweisungen allgemein ausgeübt. Hinsichtlich der angemessenen Wohnraumgröße ist die Dienstanweisung Mehrraumbedarf (DA Mehrraum) vom 11.10.2001 zu berücksichtigen.

Nach den Vorgaben der DA Mehrraum ist die Wohnungsgröße in der Regel angemessen, wenn auf jedes Haushaltsmitglied ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt. Zusätzlicher Wohnraum kann insbesondere aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen oder z. B. für junge Familien gewährt werden. Solange kein besonderer Mehrraumbedarf vorliegt, bewegt sich die Behörde innerhalb der durch den Begriff der Angemessenheit vorgegebenen Bandbreite, wenn sie Einpersonenhaushalte nur für Einzimmerwohnungen vormerkt. Die Beklagte verstößt mit dieser restriktiven Praxis auch nicht gegen die sie bindenden Regelungen in Nr. 5.7 Satz 2 der vom Bayerischen Staatsministerium des Innern erlassenen Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWoBindR) vom 2. Mai 2012, wonach für Alleinstehende bis zu 50 qm Wohnfläche oder bis zu zwei Wohnräume angemessen sind. Diese Regelung bezieht sich direkt nur auf die Ausstellung des Wohnberechtigungsscheins nach Art. 4 BayWoBindG (vgl. die Überschrift von Nr. 5 VVWoBindR), der in Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf nicht zwingend erforderlich ist (vgl. § 3 Abs. 2 Halbsatz 2 DVWoR), in den Gebieten ohne erhöhtem Wohnungsbedarf für den Verfügungsberechtigten jedoch den Nachweis darstellt, dass die freigewordene Wohnung dem Wohnungssuchenden überlassen werden darf, wenn die im Wohnberechtigungsschein angegebene Wohnungsgröße „nicht überschritten“ wird (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayWoBindG). Die in Nr. 5.7 VVWoBindR angegebenen Werte sind daher nur Obergrenzen. Das geht auch aus dem Wortlaut deutlich hervor. Dies korrespondiert auch mit den Wohnraumförderungsbestimmungen 2012 (WFB 2012) der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 22. Januar 2012, Az. IIC1-4700-001/11 (AllMBl S. 592). Nach Nr. 22.2 WFB 2012 ist eine Einzimmerwohnung mit höchstens 40 qm für eine Person angemessen.

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist die Ermessensentscheidung der Beklagten, im Fall des Klägers als angemessene Wohnungsgröße 1 Wohnraum ab 10 qm und 1 Wohnraum unter 10 qm festzusetzen, rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat seinen ursprünglichen Antrag, wonach seine Tochter als Haushaltsangehörige bei der Vormerkung mitberücksichtigt werden sollte, aufgrund seiner fehlenden Personensorge nicht länger aufrechterhalten, sondern sich mit Schreiben vom ... April 2014 mit der Streichung seiner Tochter aus seinem Antrag einverstanden erklärt. Da seine Tochter ihn jedoch regelmäßig besucht und es sich im Fall des Klägers um einen Ein-Personen-Haushalt handelt, hat die Beklagte den Kläger zur Ermöglichung seines Umgangsrechts entsprechend der Vorgaben in der Dienstanweisung „Sorgerecht“ für eine Eineinhalbzimmerwohnung vorgemerkt (vgl. Nr. 3.1 der Dienstanweisung „Sorgerecht“).

Ein hierüber hinausgehender Mehrraumbedarf aus gesundheitlichen Gründen ist hingegen nicht anzunehmen. Nach Nr. 1. der DA Mehrraum ist zusätzlicher Wohnraum aus gesundheitlichen Gründen angemessen, wenn der Antragsteller oder ein Haushaltsangehöriger wegen einer dauerhaften, schweren Behinderung oder Erkrankung mit einer gesundheitlichen Gefährdung rechnen muss, falls er keinen zusätzlichen Raum, insbesondere als gesondertes Schlafzimmer erhält. Dabei wird gemäß Nr. 1.3 der DA Mehrraum grundsätzlich eine 1 ½ Zimmerwohnung für eine kranke Einzelperson als ausreichend angesehen, wenn ein getrennter Schlafraum ärztlicherseits für notwendig erachtet wird. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einen zusätzlichen Wohnraum angewiesen wäre. Der Kläger wurde am 10. Februar 2015 amtsärztlich untersucht. Hierbei wurde dem Gesundheitszeugnis vom 24. Februar 2015 zufolge festgestellt, dass ein Mehrraumbedarf aus gesundheitlichen Gründen nicht notwendig ist. Aus Sicht der Amtsärztin muss auch nicht mit einer gesundheitlichen Gefährdung des Klägers gerechnet werden, falls kein zusätzlicher Wohnraum genehmigt wird. Ausgehend von den amtsärztlichen Feststellungen ist die Zuerkennung eines zusätzlichen Wohnraums aus medizinischen Gründen daher nicht veranlasst.

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den weiteren vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attesten vom 18. März 2014, 8. April 2014 und 18. Dezember 2009. Diese stellen die amtsärztlichen Feststellungen im Gesundheitszeugnis vom 24. Februar 2015 nicht durchgreifend in Frage. Die vorgenannten Atteste lagen bereits zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung vor und wurden bei der Erstellung des Gesundheitszeugnisses berücksichtigt. Dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankungen zusätzlichen Mehrraum benötigt, geht aus keinem der vorgelegten ärztlichen Atteste hervor: Das Attest vom 18. März 2014 von Herrn Dr. ... beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Auflistung der beim Kläger diagnostizierten Erkrankungen ohne jedoch einen Zusammenhang zwischen den festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Anzahl der dem Kläger zur Verfügung stehenden Wohnräume herzustellen. In seinem Attest vom 8. April 2014 führt der Arzt zwar aus, dass der Kläger in engen oder z. B. fensterlosen Räumen Angst- und Panikattacken erleidet. Dieser Aussage lässt sich jedoch allenfalls entnehmen, dass der dem Kläger in einer zukünftigen Sozialwohnung zustehende Wohnraum ggf. eine bestimmte Mindestgröße aufweisen muss, damit sich der Kläger darin aufhalten kann. Dass der Kläger aus medizinischen Gründen auf einen zweiten Wohnraum angewiesen ist, ergibt sich aus dem Attest jedoch gerade nicht. Auch aus dem Attest von Frau Dr. med. ... vom 18. Dezember 2009 geht nicht hervor, dass der Kläger einer gesundheitlichen Gefährdung ausgesetzt ist, wenn kein zusätzlicher Wohnraum zuerkannt wird. Das Attest befasst sich mit den Chancen des Klägers für die Wiederaufnahme einer Erwerbsfähigkeit, stellt jedoch keinen Bezug zwischen der Wohnsituation des Klägers und den festgestellten Erkrankungen her. Schließlich ist der Kläger nach seinem eigenen Vortrag nicht auf einen Rollstuhl angewiesen, so dass sich ein zusätzlicher Mehrraumbedarf auch nicht hierauf stützen lässt.

2. Ebenso wenig hat der Kläger einen Anspruch auf Vormerkung für eine Sozialwohnung, die über ein Bad mit einem Fenster verfügt.

Die Ausstattung einer Sozialwohnung ist einer Regelung durch die Beklagte nicht zugänglich. Weder das Gesetz über die Wohnraumförderung in Bayern (Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz) noch das Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern (Bayerisches Wohnungsbindungsgesetz) vermittelt einen Anspruch darauf, dass eine Sozialwohnung mit einem Bad mit einem Fenster ausgestattet sein muss. Darüber hinaus hat die Beklagte bereits schon keine Möglichkeit, dem Kläger eine bestimmte Sozialwohnung zur Verfügung zu stellen oder Einfluss auf deren Ausstattung zu nehmen. Denn hierüber entscheidet allein der Vermieter. Sofern es dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nur möglich ist, eine Sozialwohnung zu beziehen, die über ein Bad mit Fenster verfügt, kann dies daher allenfalls bei der Auswahl der freigemeldeten Wohnungen für die Benennung bzw. ggf. als berechtigter Ablehnungsgrund Berücksichtigung finden. Ein Anspruch auf Vormerkung für eine Sozialwohnung, die über ein Bad mit einem Fenster verfügt, besteht hingegen nicht.

3. Selbst bei einer Auslegung des klägerischen Begehrens dahingehend, dass der Kläger auch die im Bescheid vom 29. Juli 2015 vorgenommene Bewertung der Dringlichkeit seines Antrags mit 69 Gesamtpunkten angreift, wäre die Klage unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Festsetzung einer höheren Dringlichkeit.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist Art. 5 des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes (BayWoBindG). Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Bei der Benennung sind gemäß Art. 5 Satz 3 BayWoBindG insbesondere schwangere Frauen, Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen vorrangig zu berücksichtigen. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH vom 23.9.1987, DWW 1988, 55).

Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH vom 14. 04. 1999 - 24 S 99.110). Nach der Punktetabelle können aus gesundheitlichen Gründen 45 Punkte vergeben werden, soweit nicht 71 oder 88 Punkte zutreffen. Die Vergabe von 71 Punkten ist nach der Punktetabelle bei ungünstigen Wohnverhältnissen aus gesundheitlichen Gründen vorgesehen, 88 Punkte werden bei einer akuten gesundheitlichen Gefährdung zuerkannt.

Die Beklagte hat die Dringlichkeit des Vormerkantrags des Klägers aufgrund der von ihm geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hier ermessensfehlerfrei mit 45 Grundpunkten bewertet. Nach der Verwaltungspraxis der Beklagten ist die Vergabe von 71 Grundpunkten nur in Fällen vorgesehen, bei denen eine konkrete und erhebliche gesundheitliche Gefährdung aufgrund der Wohnsituation durch den Antragsteller nachgewiesen wurde. Nach den amtsärztlichen Feststellungen im Gesundheitszeugnis vom 24. Februar 2015 ist im Fall des Klägers ein Wohnungswechsel aus medizinischen Gründen derzeit nicht zwingend erforderlich. Zwar wäre aus Sicht der Amtsärztin ein Bad mit Fenster wünschenswert; dass das Bad des Klägers kein Fenster aufweist, führt aus Sicht der Amtsärztin jedoch nicht dazu, dass bei einem Verbleib des Klägers in seiner Wohnung mit einer gesundheitlichen Gefährdung des Klägers gerechnet werden muss. Eine konkrete und erhebliche gesundheitliche Gefährdung aufgrund der Wohnsituation lässt sich daher nicht annehmen. Auch aus den weiteren vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attesten ergibt sich keine höhere Dringlichkeit. Weder das Attest von Dr. ... vom 18. März 2014 noch das Attest von Frau Dr. med. ... vom 18. Dezember 2009 stellen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der aktuellen Wohnsituation des Klägers und seinen physischen und psychischen Erkrankungen her. Laut dem Attest von Herrn Dr. ... vom 8. April 2014 erleidet der Kläger zwar in engen oder z. B. fensterlosen Räumen Angst- und Panikattacken. Auch dieses Attest geht jedoch nicht auf die konkrete Wohnsituation des Klägers ein. Dass ein Umzug des Klägers aus medizinischer Sicht zwingend erforderlich ist, lässt sich dem Attest ebenfalls nicht entnehmen.

Die Vergabe von 5 Vorrangpunkten sowie 19 Anwesenheitspunkten begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken, so dass die Einstufung der Dringlichkeit des Antrags des Klägers mit insgesamt 69 Punkten rechtmäßig ist.

4. Nach alledem war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 188


Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Gesetz über die soziale Wohnraumförderung


Wohnraumförderungsgesetz - WoFG

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.