Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Feb. 2016 - M 1 K 15.2705

bei uns veröffentlicht am16.02.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Gründe

Aktenzeichen: M 1 K 15.2705

Gericht: VG München

Urteil

16. Februar 2016

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Klage auf Baueinstellung; Ermessensreduzierung auf Null (verneint), Anspruch auf Rücknahme der Baugenehmigung (verneint)

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

...

vertreten durch: Regierung von ..., Prozessvertretung, B-str. ..., M.

- Beklagter -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

zu 1 und 2 bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

wegen bauaufsichtlichen Einschreitens FlNr. 18 Gemarkung ...

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2016 am 16. Februar 2016 folgendes

Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Kläger, ein ..., ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... Gem. .... Er begehrt die Baueinstellung in Bezug auf den „Anbau eines Ateliers an eine bestehende Bootsbauwerkstatt“ auf dem Grundstück FlNr. ... Gemarkung ... durch die Beigeladenen.

Seine Klage gegen die mit Bescheid vom .... Januar 2015 erteilte Baugenehmigung für dieses Vorhaben wurde mit noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 30. Juni 2015 mangels Verletzung in drittschützenden Rechten abgewiesen (M 1 K 15.704). Auf dieses zwischen den Beteiligten ergangene Urteil wird Bezug genommen.

Unter dem .... Mai 2015 hat der Kläger bei dem Landratsamt Rosenheim die aus seiner Sicht bestehende Abstandsflächenverletzung gerügt und beantragt, dass die Einstellung des Bauvorhabens angeordnet und die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 zurückgenommen wird.

Mit Bescheid vom .... Juni 2015 hat das Landratsamt Rosenheim diesen Antrag abgelehnt. Selbst wenn ein Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften vorläge, habe der Kläger als Nachbar keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten. Auch bei einer Verletzung der Abstandsflächenvorschriften würde die zu treffende Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Klägers ausfallen. Denn im engen Ortsbereich der ...insel würde durch eine Auslegung der Abstandsflächenvorschriften entsprechend der klägerischen Auffassung eine Bebauung unnötiger Weise auch dann verhindert, wenn die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts nicht beeinträchtigt würden.

Hiergegen erhob der Kläger zur Niederschrift in der im Verfahren M 1 K 15.704 durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 Klage, zu deren Begründung er insbesondere vorträgt, es möge zutreffen, dass die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 gemäß Art. 59 Bayerische Bauordnung (BayBO) erteilt worden sei und deshalb die Abstandsflächen nicht Prüfungsgegenstand gewesen seien. Der Ortstermin vom 30. Juni 2015 in dem Verfahren M 1 K 15.704 habe aber deutlich gezeigt, dass durch die Baumaßnahme der Beigeladenen bereits erheblich in den Altbestand eingegriffen worden sei. Es sei deshalb eine abstandsflächenrechtliche Gesamtbetrachtung anzustellen. Zugleich handle es sich aber nicht um eine Erweiterung des Altbestands, denn die Beigeladenen seien mit ihrem Anbau vom Altbestand abgerückt. Es handle sich um einen gesonderten Neubau, der sich an zwei Außenwänden berühre, nicht um eine Doppelhaushälfte, sondern um zwei verschiedene Baukörper, die sich lediglich an einer seitlichen Grenze berührten. Das Abstandsflächenprivileg könne nur für eine Wand in Anspruch genommen werden. Schon der Altbestand sei an zwei Seiten an die Grenze gebaut. Neu- und Altbau müssten im Verhältnis zueinander ebenfalls Abstandsflächen einhalten. Damit genüge ein Abstand von 3 m zur Grundstücksgrenze des Klägers nicht. Ferner sei zu dem Anwesen Hausnummer ... nach den Feststellungen beim Ortstermin ein Abstand von nur etwa 1,80 m eingehalten. Bei dieser Fallgestaltung sei das Ermessen zum bauaufsichtlichen Einschreiten auf Null reduziert.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids vom .... Juni 2015 wird der Beklagte verpflichtet, gegen die baurechtswidrigen Zustände auf dem Grundstück FlNr. ... Gemarkung ... einzuschreiten und die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 zurückzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er weist darauf hin, dass am .... Oktober 2015 für das streitige Vorhaben eine Baugenehmigung erteilt worden sei (Gegenstand der Verfahren M 1 K 15.5309 und M 1 K 15.5331).

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie machen geltend, der Bau sei zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 in der Sache M 1 K 15.704 bereits eingestellt gewesen und bis zur Erteilung der neuen Baugenehmigung vom .... Oktober 2015 eingestellt geblieben, weshalb der Antrag auf Verpflichtung zur Baueinstellung mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig sei. Jedenfalls habe der Kläger als Nachbar nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung und keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten. Auch dem Antrag auf Verpflichtung zur Rücknahme der Baugenehmigung fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil diese bereits Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens M 1 K 15.704 gewesen sei. Über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 30. Juni 2015 sei noch nicht entschieden.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift vom 16. Februar 2016, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil der Kläger weder einen Anspruch auf Baueinstellung noch auf Aufhebung der Baugenehmigung vom .... Januar 2015 hat und der Bescheid vom .... Juni 2015 sich deshalb im Ergebnis als rechtmäßig erweist (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

1. Der Klage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis, denn der Kläger kann damit seine Rechtsstellung noch verbessern.

Zum einen ist, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, das Bauvorhaben der Beigeladenen zwar im Rohbau, aber noch nicht völlig fertig gestellt. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fehlen der Verputz und die Anschlüsse, weshalb noch Bauarbeiten ausstehen, die eingestellt werden können.

Die Klage gegen die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 (M 1 K 15.704) wurde zwar von der erkennenden Kammer mit Urteil vom 30. Juni 2015 abgewiesen. Dies hindert aber rechtlich nicht die Aufhebung dieser Baugenehmigung gemäß Art. 48 ff. Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) durch die Bauaufsichtsbehörde. Im Übrigen geht die Kammer aufgrund des Wortlauts der Genehmigung vom .... Oktober 2015 davon aus, dass die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 durch diese nicht überholt und weiter existent ist. Denn in der Genehmigung vom .... Oktober 2015 wird auf die Auflagen in der Baugenehmigung vom .... Januar 2015 ausdrücklich Bezug genommen und das streitige Vorhaben nur im Bereich des Obergeschosses bezogen auf Nutzungsart und Grundriss geändert dargestellt.

2. Die Klage ist unbegründet, weil der Kläger weder einen Anspruch auf Baueinstellung (a) noch einen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung vom .... Januar 2015 (b) hat.

a) Der Klageantrag ist darauf gerichtet, den Beklagten zu verpflichten, gegen die baurechtswidrigen Zustände auf dem Grundstück FlNr. ... der Beigeladenen einzuschreiten. Die Auslegung ergibt, dass er nur als Antrag auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung i. S. d. Art. 75 BayBO verstanden werden kann, denn der Kläger hat bei dem Landratsamt mit Schreiben vom.... Mai 2015 ganz konkret nur eine Baueinstellung, nicht aber eine Baubeseitigung oder Nutzungsuntersagung beantragt. Klagen auf Baubeseitigung oder Nutzungsuntersagung wären deshalb wegen des Fehlens eines vorgängigen Antrags bei der Verwaltungsbehörde unzulässig.

Zwar könnten die Abstandsflächenvorschriften grundsätzlich Prüfungsgegenstand dieses Verfahrens sein, denn im Rahmen der Verpflichtungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage derjenige der letzten mündlichen Verhandlung. Die unter Gewährung von Abweichungen gemäß Art. 63 BayBO von den Abstandsflächen nach Norden, Süden und Westen erteilte Baugenehmigung vom.... Oktober 2015 ist somit hier zu berücksichtigen. Durch die Erteilung der Abweichungen kann der Kläger sich somit nun (im Unterschied zum Verfahren wegen der ursprünglichen Baugenehmigung vom ....1.2015) auf das Abstandsflächenrecht berufen, Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO.

Die abstandsflächenrechtlichen Verhältnisse brauchen aber nicht geprüft zu werden, denn selbst bei einer Verletzung der Abstandsflächenvorschriften ergäbe sich kein Anspruch des Klägers auf Baueinstellung gemäß Art. 75 BayBO. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn jede Entscheidung außer der Baueinstellung mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des Klägers ermessensfehlerhaft wäre, d. h. wenn das in Art. 75 BayBO der Bauaufsichtsbehörde eingeräumte Ermessen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls auf Null reduziert wäre. Maßgebliches Kriterium ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach wird dem Nachbarn ein Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ausnahmsweise nur dann zugebilligt, wenn die von dem rechtswidrigen Bauwerk ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt (vgl. z. B. BayVerfGH, E.v. 3.12.1993 - Vf. 108-VI-92 - BayVBl 1994, 110 - juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 9.9.2009 - 15 ZB 08.3325 - juris Rn. 9). So liegt es hier nicht.

Das mit den Bescheiden vom .... Januar 2015 und .... Oktober 2015 bauaufsichtlich genehmigte Vorhaben umfasst die Errichtung eines Anbaus mit einer Grundfläche von rund 12 m² und einer Wohn-/Nutzfläche von rund 24 m². Die Wandhöhe beträgt 4,51 m. Der Anbau erfolgt an ein bestehendes, denkmalgeschütztes Nebengebäude, das ungenutzt ist und bleibt. Das denkmalgeschützte Nebengebäude findet seine Fortsetzung in dem direkt daran angebauten Nebengebäude auf dem südlich angrenzenden Grundstück des Klägers. Nach Westen ist der streitige Anbau vom klägerischen Grundstück durch den denkmalgeschützten Bestand abgeschirmt. Bei der Ermessensausübung ist nach den Umständen des Einzelfalles somit zum einen zu berücksichtigen, dass auch der Kläger mit seinem Nebengebäude den Grenzabstand zum Grundstück der Beigeladenen nicht einhält. Zum anderen fällt ins Gewicht, dass das Klägergrundstück von den Wirkungen des Bauvorhabens und seiner Nutzung durch den Gebäudebestand so geschützt ist, dass erhebliche und unverhältnismäßige Beeinträchtigungen oder Einschränkungen seiner eigenen Grundstücksnutzung durch die genehmigte Atelier- und Wohnnutzung nicht zu besorgen sind. In dieser Konstellation entspricht ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen jedenfalls nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

b) Auch einen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung vom .... Januar 2015 kann der Kläger nicht geltend machen.

Zwar ist die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 grundsätzlich einer Aufhebung noch zugänglich, weil sie, wie bereits ausgeführt, durch die Baugenehmigung vom .... Oktober 2015 weder aufgehoben noch überholt worden ist. Sie ist vielmehr noch immer wirksam und könnte theoretisch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts von dem Landratsamt zurückgenommen oder widerrufen werden.

Sofern man, entgegen dem Urteil vom 30. Juni 2015 (M 1 K 15.704), von der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ausginge, sind aber keinerlei Anhaltspunkte zur Begründung einer Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 48 BayVwVfG ersichtlich. Umstritten ist, ob eine Reduzierung des Rücknahmeermessens auf Null vor Eintritt der Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsakts überhaupt anzunehmen oder der Betroffene dann nicht viel eher auf die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu verweisen ist (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 48 Rn. 80). Dieser Auffassung folgend, scheitert ein Anspruch des Klägers auf Aufhebung der Baugenehmigung vom .... Januar 2015 bereits daran, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen diese Genehmigung noch nicht abgeschlossen ist. Im Fall der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts nimmt die Rechtsprechung eine Ermessensreduzierung auf Null ausnahmsweise z. B. an, wenn ein Aufrechterhalten des Verwaltungsakts schlechthin unerträglich ist, wenn ein Festhalten daran als ein Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erschiene, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Behörde aufdrängen musste oder wenn sie selbst mit ihrem Verhalten dazu beigetragen hat, dass der Betroffene den Verwaltungsakt bestandskräftig werden ließ (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 48 Rn. 79 a m. w. N. zur Rspr.). Eine entsprechende Konstellation liegt hier nicht vor.

Entsprechend dem Urteil der Kammer vom 30. Juni 2015 davon ausgehend, dass die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 rechtmäßig ist, würde sich im Übrigen der Widerruf der die Beigeladenen begünstigenden Baugenehmigung nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG richten. Jedoch ist offensichtlich keine der engen und abschließend in dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen erfüllt, so dass ein Widerruf hiernach nicht in Betracht kommt. Im Übrigen sind auch in diesem Fall keine Umstände erkennbar, die für eine Ermessensreduzierung auf Null sprechen könnten.

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem unterliegenden Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt haben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 1 K 15.704

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 30. Juni 2015

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Nachbarklage; Gebietserhaltungsanspruch nicht berührt; Erfolglose Berufung des Nachbarn auf Abstandsflächenrecht im Fall der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch Regierung von O., Prozessvertretung, B.-str. ..., M.

- Beklagter -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

wegen Baugenehmigung Fl. Nr. ... Gem. ...; Nachbarklage

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 am 30. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. .../2 Gem. ... Er ist Berufsfischer. Er wendet sich gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Anbau eines Ateliers an eine bestehende Bootsbauwerkstatt auf dem Nachbargrundstück Fl. Nr. ... Gem. ...

Im bauaufsichtlichen Verfahren erklärten die Beigeladenen als Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 58/... Gem. ... Unter dem 11. Februar 2014 die Zustimmung gemäß Art. 6 Abs. 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) zur Abstandsflächenübernahme.

Mit Bescheid vom ... Januar 2015, dem Kläger zugestellt am 29. Januar 2015, wurde den Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO erteilt. Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein. Art. 6 BayBO sei im vereinfachten Verfahren nicht Prüfungsgegenstand, durch die Abstandsflächenübernahme seien im Übrigen die erforderlichen Abstandsflächen nachgewiesen. Der abwehrende Brandschutz gehöre ebenfalls nicht zum Prüfprogramm, auch im Hinblick hierauf bestünden aber im Übrigen keine Bedenken.

Gegen den Bescheid vom ... Januar 2015 hat der Kläger am 23. Februar 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung er insbesondere vorträgt, das angegriffene Vorhaben füge sich nicht im Sinne des § 34 Baugesetzbuch (BauGB) in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Im Bestand handle es sich um einen alten Schuppen/Fischputzraum, also nicht um einen Aufenthaltsraum. Das geplante Atelier sei so gestaltet, dass es ohne weiteres als Wohnraum oder Ferienwohnung genutzt werden könnte. Zudem füge sich ein Atelier nicht in die nähere Umgebung ein. Die Nutzung stelle auch keine sinnvolle und funktionsbedingte Erweiterung des Bestands dar. Sein Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters sei nachbarschützend. Ferner würden zwingende Abstandsflächenvorschriften verletzt. Das Baugrundstück werde im Süden und Westen rechtwinklig von der Fl. Nr. .../2 umgeben. Damit gebe es zwei abstandsflächenrelevante Grenzen zwischen den beteiligten Grundstücken. Der Altbestand auf dem Grundstück der Beigeladenen halte an der westlichen und der südlichen Grenze keine Abstandsflächen ein. Das streitige Vorhaben übernehme als Anbau im Westen den bestehenden Grenzbau. Ferner werde es im Norden direkt an der Grundstücksgrenze errichtet. Das Gesamtgebäude bestehend aus Alt- und Neubau stehe an drei Seiten auf der Grundstücksgrenze. Im Süden halte der Neubau zur Fl. Nr. .../2 einen Abstand von nur 3 Metern ein. Da es sich um einen Versprung von Alt- und Neubau handle, sei die südliche Außenwand abstandsflächenrechtlich gesondert zu betrachten. Wegen der beschriebenen Umstände sei gemäß Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO für die südliche Außenwand die volle Wandhöhe einzuhalten, welche bei deutlich über 4 Metern liege. Die Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück Fl. Nr. 58/... sei rechtlich irrelevant, weil die Abstandsfläche des Vorhabens über dieses Grundstück hinaus mehr als die Hälfte der Breite des daran anschließenden Wohnwegs beanspruche. Dass es sich dabei um einen öffentlichen Weg handle, werde bestritten. Eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften sei nicht möglich, weil aufgrund der engen Bauverhältnisse deren Einhaltung gewährleistet sein müsse. Zwar seien die Abstandsflächen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand. Das Landratsamt habe die Abstandsflächen aber ausdrücklich geprüft und rechtsirrig behandelt, weshalb der Kläger sich in seiner Anfechtungsklage hierauf berufen könne.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid des Landratsamts R. vom ... Januar 2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass der Kläger sich nicht auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften berufen könne. Die Abstandsflächenvorschriften als grundsätzlich drittschützende Normen seien vom Prüfungsumfang der Baugenehmigung

nach Art. 59 BayBO nicht umfasst und nähmen an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung nicht teil. Die angefochtene Genehmigung sei ausdrücklich im vereinfachten Verfahren erteilt worden, weshalb der Kläger sich auf eine Verletzung von Art. 6 BayBO nicht berufen könne. Auch eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs könne er nicht mit Erfolg geltend machen. Ein Bebauungsplan liege nicht vor und die nähere Umgebung entspreche keinem der Baugebiete der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO). Selbst wenn dies der Fall wäre, würde sich das Vorhaben seiner Art nach sowohl in ein allgemeines Wohngebiet wie auch in ein Mischgebiet einfügen.

Die Beigeladenen verteidigen ihr Vorhaben, aber stellen keinen eigenen Antrag.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift vom 30. Juni 2015, wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger wird durch die Baugenehmigung vom ... Januar 2015 nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Ficht ein Dritter den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt an, hängt der Erfolg seiner Klage davon ab, ob die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt ist (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 18 m. w. N. „Schutznormtheorie“). Eine Rechtsverletzung des Klägers durch die angefochtene Baugenehmigung kommt daher nur in Betracht, soweit die darin getroffene Feststellung zur Zulässigkeit des Vorhabens gegen den nachbarschützenden Gehalt der im Baugenehmigungsverfahren geprüften Normen verstößt. Dies ist nicht der Fall.

1. Die Art der baulichen Nutzung des streitigen Vorhabens hat keine Verletzung von Rechten des Klägers zur Folge.

Die Baugenehmigung vom ... Januar 2015 wurde zum Anbau eines „Ateliers“ erteilt. Unter einem Atelier versteht man eine Künstler- oder Handwerkerwerkstatt, die mit Wohnnutzung kombiniert sein kann. Dass im Erdgeschoss des Anbaus in den genehmigten Plan eine Toilette mit Waschbecken eingezeichnet ist, führt nicht zwingend dazu, dass hier von Wohnnutzung ausgegangen werden müsste. Nach den Einlassungen der Beigeladenen im Termin vom 30. Juni 2015 ist weder eine Wohnnutzung noch eine Nutzung für künstlerische Zwecke beabsichtigt. Vielmehr solle das Vorhaben dazu dienen, dass dort am Wochenende Büroarbeiten für die Hausverwaltungsfirma des Beigeladenen durchgeführt werden. Die hiernach tatsächlich beabsichtigte gewerbliche Nutzung fügt sich nach dem Ergebnis des Augenscheins in die Eigenart der näheren Umgebung ebenso ein wie die beantragte Nutzung. In der näheren Umgebung des Baugrundstücks befindet sich bereits Büro- und Wohnnutzung, aber auch Handwerk (Töpferwerkstatt). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die nähere Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, so dass § 34 Abs. 2 BauGB anzuwenden wäre, oder ob es sich um eine Gemengelage i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB handelt. Im ersteren Fall könnte der Kläger sich zwar auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen (BVerwG, U. v. 16.9.1993 - BVerwGE 94, 151 ff. - juris Ls. 3), dieser wäre aber nicht verletzt, weil die beabsichtigte Nutzung in Gestalt eines nicht störenden Gewerbes sowohl in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauGB ausnahmsweise wie in einem Mischgebiet i. S. d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BauNVO regelmäßig zulässig ist. Auch entspricht die Nutzung des Vorhabens dem gemäß § 34 Abs. 1 BauGB vorgegebenen Rahmen.

2. Auf eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften kann der Kläger sich nicht berufen, weil die Feststellungswirkung der Baugenehmigung gemäß Art. 59 BayBO diese nicht umfasst. Die im Einzelnen aufgeworfenen abstandsflächenrechtlichen Fragen brauchen deshalb nicht erörtert zu werden.

Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist der Prüfungsumfang gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO beschränkt (vgl. BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2454 - BayVBl 2009, 727). Materielles Bauordnungsrecht ist deshalb nicht zu prüfen, es sei denn, dies ist im Rahmen einer vom Bauherrn gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO ausdrücklich beantragten Abweichung geboten. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht zählt somit nicht zum von Art. 59 Satz 1 BayBO vorgegebenen Prüfprogramm. Da vorliegend eine Abweichung nicht beantragt wurde, scheidet eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus (BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris Rn. 10 m. w. N.)

Soweit sich der Kläger sinngemäß darauf beruft, dass die Abstandsflächenvorschriften hier gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung geworden seien, steht dem der Inhalt der Baugenehmigung entgegen. Im Tenor des angefochtenen Bescheids wird unter Buchst. A. sowie zu Beginn der Begründung ausdrücklich festgestellt, dass der Bauantrag gemäß Art. 59 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüft wurde. Das Landratsamt hat zudem die genehmigten Bauvorlagen mit dem Stempel versehen „Bauantrag nach Art. 59 BayBO geprüft - Erläuterung siehe Baugenehmigungsbescheid“. Das bringt unzweideutig zum Ausdruck, welchen Regelungsumfang die Baugenehmigung haben soll. Ihre Feststellungswirkung ist deshalb auf die in Art. 59 Satz 1 BayBO genannten Kriterien beschränkt. Die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften ist darin nicht mehr vorgesehen. Eine Verletzung von Nachbarrechten durch die angefochtene Baugenehmigung kommt nur insoweit in Betracht, als die gerügte Rechtsverletzung auch Gegenstand des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren war (vgl. BayVGH, B. v. 3.5.2011 - 15 ZB 11.286 - juris Rn. 15 f.)

Dass das Landratsamt im Baugenehmigungsverfahren auch das Abstandsflächenrecht geprüft und die Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück Fl. Nr. 58/... in den Bescheidsgründen erwähnt hat, ändert daran nichts. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Um zu entscheiden, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, muss es der Behörde daher gestattet sein, sich mit dem Abstandsflächenrecht zu befassen. Der Prüfungsumfang nach Art. 59 Satz 1 BayBO wird dadurch aber nicht erweitert.

Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO ist ferner nicht dazu bestimmt, nachbarlichen Interessen zu dienen (vgl. BayVGH, B. v. 14.10.2010 - 15 ZB 10.1584 - juris Rn. 8 ff.). Der Kläger kann deshalb aus dieser Vorschrift keinen Anspruch dahingehend ableiten, dass die Baugenehmigung bei erkannten Verstößen gegen Abstandsflächenvorschriften zu versagen wäre.

3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Gründe

Aktenzeichen: M 1 K 15.5309

Gericht: VG München

Urteil

16. Februar 2016

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Änderung eines Bauvorhabens; Städtebauliche Bedeutung des Begriffs „Atelier“; Einvernehmen; Fehlende Beteiligung der Gemeinde im Genehmigungsverfahren

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

Gemeinde C.

vertreten durch den ersten Bürgermeister, Verwaltungsgemeinschaft B. a. C., G-Str. ..., B. a. C.

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

...

vertreten durch: Regierung von ..., Vertreter des öffentlichen Interesses, B-str. ..., M.

- Beklagter -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

zu 1 und 2 bevollmächtigt: Rechtsanwälte...

wegen Baugenehmigung (FlNr. 18 Gem. ...)

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2016 am 16. Februar 2016 folgendes

Urteil:

I.

Der Bescheid des Landratsamts Rosenheim vom 27. Oktober 2015 (Az. .../...) wird aufgehoben.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die den Beigeladenen unter dem 27. Oktober 2015 erteilte Baugenehmigung für den Anbau eines Ateliers mit Wohnraum an eine bestehende ...werkstatt auf dem Grundstück FlNr. ... Gemarkung ....

Mit Bescheid vom .... Januar 2015 war den Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens der Klägerin eine Baugenehmigung zum Anbau eines Ateliers an eine bestehende ...werkstatt erteilt worden. Diese Baugenehmigung ist aufgrund der Klage eines Grundstücksnachbarn noch nicht bestandskräftig, denn über den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil vom 30. Juni 2015 (M 1 K 15.704) wurde noch nicht entschieden.

Unter dem .... September 2015 haben die Beigeladenen beim Landratsamt einen Bauantrag zur Änderung der Baugenehmigung vom .... Januar 2015 gestellt. Das Bauvorhaben wurde nicht mehr als „Anbau eines Ateliers“, sondern als „Anbau eines Ateliers mit Wohnraum“ bezeichnet. In dem zur Genehmigung gestellten, geänderten Plan ist der Grundriss des Dachgeschosses von 13,31 m² Atelierfläche auf 11,46 m² Wohnfläche und eine 1,36 m² große Nasszelle (gesamt 12,82 m²) geändert. Ferner wurde eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) beantragt.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2015 erteilte das Landratsamt die beantragte Baugenehmigung sowie Abweichungen von den Abstandsflächen, ohne die Klägerin von dem Bauantrag und dem bauaufsichtlichen Verfahren zu benachrichtigen. Auf die Frage des gemeindlichen Einvernehmens der Klägerin wird in dem Bescheid nicht eingegangen. Unter „Sonstiges“ enthält er den Hinweis, dass im Übrigen die „Auflagen im Bescheid vom .... Januar 2015 (Az. ...) entsprechend“ gelten.

Gegen diesen Genehmigungsbescheid hat die Klägerin am .... November 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung sie insbesondere vorträgt, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem verfassungsrechtlich verbürgten kommunalen Selbstverwaltungsrecht, das die gemeindliche Planungshoheit umfasse. Mit dem Bescheid vom 27. Oktober 2015 werde abweichend von der ursprünglichen Baugenehmigung vom „29. Januar 2015“ (gemeint wohl: 22.1.2015) im Dachgeschoß anstelle von Ateliernutzung nun Wohnen genehmigt. In der mündlichen Verhandlung zur Nachbarklage gegen die ursprüngliche Baugenehmigung hätten die Beigeladenen angegeben, eine Wohnnutzung sei nicht beabsichtigt. Auch die Änderung des Grundrisses im Dachgeschoss sei der Umstellung auf Wohnnutzung geschuldet. Damit werfe das geänderte Vorhaben neue bauplanungsrechtliche Fragen auf. Verfahrensrechtlich hätte deshalb das gemeindliche Einvernehmen i. S. d. § 36 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) eingeholt werden müssen. Auch materiell sei in die Planungshoheit der Klägerin eingegriffen worden, denn sie hätte Gelegenheit erhalten müssen, mit den ihr im Rahmen ihrer Planungshoheit zur Verfügung stehenden Mitteln zur Sicherung ihres Planungsrechts auf das geänderte Vorhaben zu reagieren. Dieser Verstoß wiege so schwer, dass die angefochtene Baugenehmigung aufzuheben sei. Einer materiellrechtlichen Prüfung der Rechtslage bedürfe es darüber hinaus nicht. Zudem sei wegen des Antrags auf Abweichung im Rahmen der Genehmigung vom 27. Oktober 2015 erstmals Abstandsflächenrecht geprüft worden. Die hieran auch geknüpfte bauplanungsrechtlich relevante Frage der Gewährleistung des abwehrenden Brandschutzes im näheren Umgriff des Vorhabens sei damit erstmals aufgeworfen worden.

Die Klägerin beantragt,

der Bescheid des Landratsamts Rosenheim vom 27. Oktober 2015, Az. .../..., wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und vertritt die Auffassung, die Klägerin habe nicht erneut am bauaufsichtlichen Verfahren beteiligt werden müssen. Der zugrunde liegende Bauantrag enthalte weder Änderungen in der Nutzung des Gebäudes noch Grundrissänderungen im Vergleich zum bereits genehmigten Bauvorhaben. Vielmehr beinhalte der neue Bauantrag nun Anträge auf Abweichung von den Abstandsflächen. Bereits in der Erstgenehmigung sei die Möglichkeit, im Atelier auch zu wohnen, berücksichtigt. Dies sei auch aus der ursprünglichen Baubeschreibung vom 14. November 2013 ersichtlich, wo von 26,56 m² „Wohnfläche“ die Rede sei. Der Verzicht auf die Beteiligung der Gemeinde verletze diese nicht in ihren Rechten, denn das Vorhaben sei bereits unter Ersetzung ihres Einvernehmens genehmigt. § 36 BauGB sehe die Beteiligung der Gemeinde aus den städtebaulichen Gründen der §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB vor, nicht auch zur bauordnungsrechtlichen Abweichung von Abstandsflächen. Ebenso wenig sei der abwehrende Brandschutz Teil des Bauplanungsrechts.

Die Beigeladenen vertreten ebenfalls die Auffassung, der Tekturantrag habe keine bauplanungsrechtlich relevanten Änderungen des Vorhabens beinhaltet, weshalb der Verzicht auf die Beteiligung der Klägerin diese nicht in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletze. Selbst wenn eine Ersetzung ihres Einvernehmens erforderlich gewesen wäre, führe das nicht zur Begründetheit der Klage, weil kein vom materiellen Recht losgelöster Anspruch auf Einhaltung eines vorgeschriebenen Verfahrens bestehe. Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift vom 16. Februar 2016, wegen der weiteren Einzelheiten und wegen des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die Baugenehmigung vom 27. Oktober 2015 ist rechtswidrig und die Klägerin wird dadurch in eigenen subjektivöffentlichen Rechten, nämlich in ihrer Planungshoheit als durch Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Bayerische Verfassung (BV) geschütztem Bestandteil des kommunalen Selbstverwaltungsrechts verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die Klägerin hätte von dem Änderungsbauantrag in Kenntnis gesetzt werden und damit die Möglichkeit erhalten müssen, über die Erteilung des gemäß § 36 BauGB erforderlichen gemeindlichen Einvernehmens zu entscheiden. Damit hätte sie, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, die Gelegenheit erhalten, zu entscheiden, ob sie die städtebauliche Entwicklung durch Bauleitplanung steuern und hierzu Sicherungsinstrumente einsetzen will.

1. Gemäß Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist der Bauantrag schriftlich bei der Gemeinde einzureichen. Nach Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBO ist eine Stellungnahme der Gemeinde zum Bauantrag vorgesehen. Eine Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren ist somit zunächst unabhängig von § 36 BauGB gesetzlich bestimmt. Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es, dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden Rechnung zu tragen, das sich nicht in der städtebaulichen Planungshoheit im Sinn von § 36 BauGB erschöpft.

Die Beigeladenen sind von der in Art. 64 Abs. 1 BayBO vorgesehenen Vorgehensweise abgewichen und haben ihren Änderungsantrag unmittelbar dem Landratsamt vorgelegt. Das Landratsamt hätte deshalb gemäß Art. 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBO die Klägerin als Stelle, deren Beteiligung durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist, zu dem Bauantrag hören müssen. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Änderungsantrag städtebaulich i. S. d. § 36 BauGB relevante Änderungen enthielt.

2. Die erneute Einholung des Einvernehmens der Klägerin zu dem Änderungsbauantrag vom .... September 2015 war gemäß § 36 BauGB erforderlich und ist zu Unrecht unterblieben. Die Baugenehmigung vom 27. Oktober 2015 ist allein deshalb rechtswidrig und aufzuheben. Einer materiellrechtlichen Verletzung der Planungshoheit der Klägerin bedarf es nicht.

Die Beigeladenen haben erstmals mit ihrem Änderungsbauantrag vom .... September 2015 Wohnnutzung beantragt. Die Änderung der Art der baulichen Nutzung ist städtebaulich erheblich und hat zur Folge, dass das Einvernehmen der Gemeinde gemäß § 36 BauGB zu dem Änderungsantrag erneut eingeholt werden muss. Die Erforderlichkeit des Einvernehmens bezieht sich auf das Vorhaben, das Gegenstand des jeweiligen bauaufsichtlichen Verfahrens ist. Wird das Vorhaben geändert und erhält demgemäß das bauaufsichtliche Verfahren einen anderen Inhalt, bedarf es eines erneuten Ersuchens an die Gemeinde nach § 36 BauGB; ein für ein anderes Vorhaben erteiltes Einvernehmen macht ein erneutes Einvernehmen nicht entbehrlich (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 1.8.2015, § 36 BauGB Rn. 13; BVerwG, B.v. 11.8.2008 - 4 B 25.08 - juris Rn. 11).

Wie auch aus § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB und Art. 58 Abs. 3 BayBO ersichtlich, wonach die Unterlagen im Genehmigungsfreistellungsverfahren (in dem es eines Einvernehmens wegen der vorangegangenen Bauleitplanung grundsätzlich nicht bedarf) vom Bauherrn bei der Gemeinde einzureichen sind, will der Gesetzgeber gewährleisten, dass die Gemeinde von allen Vorhaben mit städtebaulicher Relevanz erfährt. Hierdurch soll sie in die Lage versetzt werden, auf ein Vorhaben, sofern es städtebaulich relevant ist, planerisch reagieren zu können (vgl. Krautzberger in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, § 36 Rn. 4).

Der ursprüngliche Bauantrag der Beigeladenen hat eine Wohnnutzung nicht, zumindest nicht hinreichend bestimmt, umfasst. Dies konnte im Urteil der Kammer vom 30. Juni 2015 in der Sache M 1 K 15.704 unerörtert bleiben, weil eine Rechtsverletzung des dortigen Klägers und Grundstücksnachbarn angesichts der Prägung der näheren Umgebung des Bauvorhabens durch Wohnen, Handwerk und Gewerbe gleichermaßen bei jeder Interpretation des Begriffs „Atelier“ ausschied. Im vorliegenden Verfahren kommt es dagegen auf die Art der baulichen Nutzung an, weil die Klägerin als Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit die Möglichkeit haben muss, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln des Städtebaurechts die städtebauliche Entwicklung auf dem Baugrundstück und in dessen näherer Umgebung zu steuern.

Der Begriff „Atelier“ ist der städtebaulichen Terminologie fremd und kann keiner der in der Baunutzungsverordnung aufgeführten Arten der baulichen Nutzung eindeutig zugeordnet werden. Der Begriff „Atelier“ ist auslegungsbedürftig und kann insbesondere eine handwerklich/künstlerische, eine gewerbliche, aber auch eine Wohnnutzung umfassen. Ein Indiz dafür, dass bereits mit dem ursprünglichen Bauantrag Wohnnutzung beabsichtigt war, kann darin gesehen werden, dass im Formblatt der Baubeschreibung zum Bauantrag vom 13. November 2013 die Rubrik „Wohnfläche“ anstelle der Rubrik „Gewerbefläche“ ausgefüllt ist. Die gewichtigeren Umstände sprechen aber dagegen. Nämlich zum einen, dass in der Planzeichnung zum ursprünglichen Bauantrag lediglich im Erdgeschoss eine Toilette mit Waschbecken vorgesehen war, eine Wohnnutzung nur mit einem Waschbecken als Waschgelegenheit aber Art. 46 Abs. 3 BayBO widersprechen würde. Vor allem spricht aber gegen eine ursprünglich beantragte und genehmigte Wohnnutzung, dass die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 über die Nachbarklage gegen die Baugenehmigung vom .... Januar 2015 sich zur Auslegung des Begriffs „Atelier“ selbst festgelegt und ausdrücklich zur Niederschrift angegeben haben, es sei keine Wohnnutzung beabsichtigt.

Nach dem Eingabeplan vom 21. September 2015 wurde das Bauvorhaben der Beigeladenen im Verhältnis zu der Genehmigung vom .... Januar 2015 in städtebaulich relevanter Art und Weise verändert. Der Grundriss des Dachgeschosses ist von 13,31 m² Atelierfläche auf 11,46 m² Wohnfläche und eine 1,36 m² große Dusche (gesamt 12,82 m²) geändert worden. Wie auch die Neuformulierung der Beschreibung des Bauvorhabens („Anbau eines Ateliers mit Wohnen an eine bestehende ...werkstatt“) zeigt, wurde damit nunmehr eine neue Nutzungsart, nämlich Wohnen, beantragt.

Ist, wie hier wegen der beschriebenen städtebaulich relevanten Änderung des Vorhabens, der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB eröffnet, sichert die Vorschrift der Gemeinde ein Mitwirkungsrecht, das die Baugenehmigungsbehörde zu achten hat und dessen Wahrung im Klagewege erzwingbar ist. Ist der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB eröffnet, entfaltet sich dessen planungsrechtliche Schutzfunktion: Die vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit (BVerwG, U.v. 16.9.2004 - BVerwG 4 C 7.03 - BVerwGE 122, 13/18 - juris Rn.15). Bereits die Missachtung des gesetzlich gewährleisteten Rechts der Klägerin auf Einvernehmen führt zur Aufhebung der Baugenehmigung, ohne dass es darauf ankommt, ob ihre gemeindliche Planungshoheit auch materiellrechtlich verletzt ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.2008 - 4 B 25.08 - NVwZ 2008, 1347 ff. - juris Rn. 6, 9 f.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oderPostanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Empfehlung in Nr. 9.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Klage einer Nachbargemeinde gegen die Baugenehmigung: 30.000 Euro) wurde nicht herangezogen, weil die Klägerin keine „Nachbargemeinde“ ist. Auch die Empfehlung in Nr. 9.10 des Streitwertkatalogs ist nicht einschlägig, weil das Einvernehmen der Klägerin nicht ersetzt worden ist. Der Streitwert wurde deshalb in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs nach der Bedeutung der Sache gebildet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 1 K 15.704

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 30. Juni 2015

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Nachbarklage; Gebietserhaltungsanspruch nicht berührt; Erfolglose Berufung des Nachbarn auf Abstandsflächenrecht im Fall der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch Regierung von O., Prozessvertretung, B.-str. ..., M.

- Beklagter -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

wegen Baugenehmigung Fl. Nr. ... Gem. ...; Nachbarklage

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 am 30. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. .../2 Gem. ... Er ist Berufsfischer. Er wendet sich gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Anbau eines Ateliers an eine bestehende Bootsbauwerkstatt auf dem Nachbargrundstück Fl. Nr. ... Gem. ...

Im bauaufsichtlichen Verfahren erklärten die Beigeladenen als Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 58/... Gem. ... Unter dem 11. Februar 2014 die Zustimmung gemäß Art. 6 Abs. 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) zur Abstandsflächenübernahme.

Mit Bescheid vom ... Januar 2015, dem Kläger zugestellt am 29. Januar 2015, wurde den Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO erteilt. Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein. Art. 6 BayBO sei im vereinfachten Verfahren nicht Prüfungsgegenstand, durch die Abstandsflächenübernahme seien im Übrigen die erforderlichen Abstandsflächen nachgewiesen. Der abwehrende Brandschutz gehöre ebenfalls nicht zum Prüfprogramm, auch im Hinblick hierauf bestünden aber im Übrigen keine Bedenken.

Gegen den Bescheid vom ... Januar 2015 hat der Kläger am 23. Februar 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung er insbesondere vorträgt, das angegriffene Vorhaben füge sich nicht im Sinne des § 34 Baugesetzbuch (BauGB) in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Im Bestand handle es sich um einen alten Schuppen/Fischputzraum, also nicht um einen Aufenthaltsraum. Das geplante Atelier sei so gestaltet, dass es ohne weiteres als Wohnraum oder Ferienwohnung genutzt werden könnte. Zudem füge sich ein Atelier nicht in die nähere Umgebung ein. Die Nutzung stelle auch keine sinnvolle und funktionsbedingte Erweiterung des Bestands dar. Sein Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters sei nachbarschützend. Ferner würden zwingende Abstandsflächenvorschriften verletzt. Das Baugrundstück werde im Süden und Westen rechtwinklig von der Fl. Nr. .../2 umgeben. Damit gebe es zwei abstandsflächenrelevante Grenzen zwischen den beteiligten Grundstücken. Der Altbestand auf dem Grundstück der Beigeladenen halte an der westlichen und der südlichen Grenze keine Abstandsflächen ein. Das streitige Vorhaben übernehme als Anbau im Westen den bestehenden Grenzbau. Ferner werde es im Norden direkt an der Grundstücksgrenze errichtet. Das Gesamtgebäude bestehend aus Alt- und Neubau stehe an drei Seiten auf der Grundstücksgrenze. Im Süden halte der Neubau zur Fl. Nr. .../2 einen Abstand von nur 3 Metern ein. Da es sich um einen Versprung von Alt- und Neubau handle, sei die südliche Außenwand abstandsflächenrechtlich gesondert zu betrachten. Wegen der beschriebenen Umstände sei gemäß Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO für die südliche Außenwand die volle Wandhöhe einzuhalten, welche bei deutlich über 4 Metern liege. Die Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück Fl. Nr. 58/... sei rechtlich irrelevant, weil die Abstandsfläche des Vorhabens über dieses Grundstück hinaus mehr als die Hälfte der Breite des daran anschließenden Wohnwegs beanspruche. Dass es sich dabei um einen öffentlichen Weg handle, werde bestritten. Eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften sei nicht möglich, weil aufgrund der engen Bauverhältnisse deren Einhaltung gewährleistet sein müsse. Zwar seien die Abstandsflächen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand. Das Landratsamt habe die Abstandsflächen aber ausdrücklich geprüft und rechtsirrig behandelt, weshalb der Kläger sich in seiner Anfechtungsklage hierauf berufen könne.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid des Landratsamts R. vom ... Januar 2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass der Kläger sich nicht auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften berufen könne. Die Abstandsflächenvorschriften als grundsätzlich drittschützende Normen seien vom Prüfungsumfang der Baugenehmigung

nach Art. 59 BayBO nicht umfasst und nähmen an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung nicht teil. Die angefochtene Genehmigung sei ausdrücklich im vereinfachten Verfahren erteilt worden, weshalb der Kläger sich auf eine Verletzung von Art. 6 BayBO nicht berufen könne. Auch eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs könne er nicht mit Erfolg geltend machen. Ein Bebauungsplan liege nicht vor und die nähere Umgebung entspreche keinem der Baugebiete der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO). Selbst wenn dies der Fall wäre, würde sich das Vorhaben seiner Art nach sowohl in ein allgemeines Wohngebiet wie auch in ein Mischgebiet einfügen.

Die Beigeladenen verteidigen ihr Vorhaben, aber stellen keinen eigenen Antrag.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift vom 30. Juni 2015, wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger wird durch die Baugenehmigung vom ... Januar 2015 nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Ficht ein Dritter den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt an, hängt der Erfolg seiner Klage davon ab, ob die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt ist (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 18 m. w. N. „Schutznormtheorie“). Eine Rechtsverletzung des Klägers durch die angefochtene Baugenehmigung kommt daher nur in Betracht, soweit die darin getroffene Feststellung zur Zulässigkeit des Vorhabens gegen den nachbarschützenden Gehalt der im Baugenehmigungsverfahren geprüften Normen verstößt. Dies ist nicht der Fall.

1. Die Art der baulichen Nutzung des streitigen Vorhabens hat keine Verletzung von Rechten des Klägers zur Folge.

Die Baugenehmigung vom ... Januar 2015 wurde zum Anbau eines „Ateliers“ erteilt. Unter einem Atelier versteht man eine Künstler- oder Handwerkerwerkstatt, die mit Wohnnutzung kombiniert sein kann. Dass im Erdgeschoss des Anbaus in den genehmigten Plan eine Toilette mit Waschbecken eingezeichnet ist, führt nicht zwingend dazu, dass hier von Wohnnutzung ausgegangen werden müsste. Nach den Einlassungen der Beigeladenen im Termin vom 30. Juni 2015 ist weder eine Wohnnutzung noch eine Nutzung für künstlerische Zwecke beabsichtigt. Vielmehr solle das Vorhaben dazu dienen, dass dort am Wochenende Büroarbeiten für die Hausverwaltungsfirma des Beigeladenen durchgeführt werden. Die hiernach tatsächlich beabsichtigte gewerbliche Nutzung fügt sich nach dem Ergebnis des Augenscheins in die Eigenart der näheren Umgebung ebenso ein wie die beantragte Nutzung. In der näheren Umgebung des Baugrundstücks befindet sich bereits Büro- und Wohnnutzung, aber auch Handwerk (Töpferwerkstatt). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die nähere Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, so dass § 34 Abs. 2 BauGB anzuwenden wäre, oder ob es sich um eine Gemengelage i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB handelt. Im ersteren Fall könnte der Kläger sich zwar auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen (BVerwG, U. v. 16.9.1993 - BVerwGE 94, 151 ff. - juris Ls. 3), dieser wäre aber nicht verletzt, weil die beabsichtigte Nutzung in Gestalt eines nicht störenden Gewerbes sowohl in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauGB ausnahmsweise wie in einem Mischgebiet i. S. d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BauNVO regelmäßig zulässig ist. Auch entspricht die Nutzung des Vorhabens dem gemäß § 34 Abs. 1 BauGB vorgegebenen Rahmen.

2. Auf eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften kann der Kläger sich nicht berufen, weil die Feststellungswirkung der Baugenehmigung gemäß Art. 59 BayBO diese nicht umfasst. Die im Einzelnen aufgeworfenen abstandsflächenrechtlichen Fragen brauchen deshalb nicht erörtert zu werden.

Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist der Prüfungsumfang gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO beschränkt (vgl. BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2454 - BayVBl 2009, 727). Materielles Bauordnungsrecht ist deshalb nicht zu prüfen, es sei denn, dies ist im Rahmen einer vom Bauherrn gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO ausdrücklich beantragten Abweichung geboten. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht zählt somit nicht zum von Art. 59 Satz 1 BayBO vorgegebenen Prüfprogramm. Da vorliegend eine Abweichung nicht beantragt wurde, scheidet eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus (BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris Rn. 10 m. w. N.)

Soweit sich der Kläger sinngemäß darauf beruft, dass die Abstandsflächenvorschriften hier gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung geworden seien, steht dem der Inhalt der Baugenehmigung entgegen. Im Tenor des angefochtenen Bescheids wird unter Buchst. A. sowie zu Beginn der Begründung ausdrücklich festgestellt, dass der Bauantrag gemäß Art. 59 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüft wurde. Das Landratsamt hat zudem die genehmigten Bauvorlagen mit dem Stempel versehen „Bauantrag nach Art. 59 BayBO geprüft - Erläuterung siehe Baugenehmigungsbescheid“. Das bringt unzweideutig zum Ausdruck, welchen Regelungsumfang die Baugenehmigung haben soll. Ihre Feststellungswirkung ist deshalb auf die in Art. 59 Satz 1 BayBO genannten Kriterien beschränkt. Die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften ist darin nicht mehr vorgesehen. Eine Verletzung von Nachbarrechten durch die angefochtene Baugenehmigung kommt nur insoweit in Betracht, als die gerügte Rechtsverletzung auch Gegenstand des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren war (vgl. BayVGH, B. v. 3.5.2011 - 15 ZB 11.286 - juris Rn. 15 f.)

Dass das Landratsamt im Baugenehmigungsverfahren auch das Abstandsflächenrecht geprüft und die Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück Fl. Nr. 58/... in den Bescheidsgründen erwähnt hat, ändert daran nichts. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Um zu entscheiden, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, muss es der Behörde daher gestattet sein, sich mit dem Abstandsflächenrecht zu befassen. Der Prüfungsumfang nach Art. 59 Satz 1 BayBO wird dadurch aber nicht erweitert.

Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO ist ferner nicht dazu bestimmt, nachbarlichen Interessen zu dienen (vgl. BayVGH, B. v. 14.10.2010 - 15 ZB 10.1584 - juris Rn. 8 ff.). Der Kläger kann deshalb aus dieser Vorschrift keinen Anspruch dahingehend ableiten, dass die Baugenehmigung bei erkannten Verstößen gegen Abstandsflächenvorschriften zu versagen wäre.

3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 1 K 15.704

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 30. Juni 2015

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte: Nachbarklage; Gebietserhaltungsanspruch nicht berührt; Erfolglose Berufung des Nachbarn auf Abstandsflächenrecht im Fall der Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...,

- Kläger -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch Regierung von O., Prozessvertretung, B.-str. ..., M.

- Beklagter -

beigeladen:

1. ...

2. ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

wegen Baugenehmigung Fl. Nr. ... Gem. ...; Nachbarklage

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2015 am 30. Juni 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. .../2 Gem. ... Er ist Berufsfischer. Er wendet sich gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Anbau eines Ateliers an eine bestehende Bootsbauwerkstatt auf dem Nachbargrundstück Fl. Nr. ... Gem. ...

Im bauaufsichtlichen Verfahren erklärten die Beigeladenen als Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 58/... Gem. ... Unter dem 11. Februar 2014 die Zustimmung gemäß Art. 6 Abs. 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) zur Abstandsflächenübernahme.

Mit Bescheid vom ... Januar 2015, dem Kläger zugestellt am 29. Januar 2015, wurde den Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß Art. 59 BayBO erteilt. Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein. Art. 6 BayBO sei im vereinfachten Verfahren nicht Prüfungsgegenstand, durch die Abstandsflächenübernahme seien im Übrigen die erforderlichen Abstandsflächen nachgewiesen. Der abwehrende Brandschutz gehöre ebenfalls nicht zum Prüfprogramm, auch im Hinblick hierauf bestünden aber im Übrigen keine Bedenken.

Gegen den Bescheid vom ... Januar 2015 hat der Kläger am 23. Februar 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung er insbesondere vorträgt, das angegriffene Vorhaben füge sich nicht im Sinne des § 34 Baugesetzbuch (BauGB) in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Im Bestand handle es sich um einen alten Schuppen/Fischputzraum, also nicht um einen Aufenthaltsraum. Das geplante Atelier sei so gestaltet, dass es ohne weiteres als Wohnraum oder Ferienwohnung genutzt werden könnte. Zudem füge sich ein Atelier nicht in die nähere Umgebung ein. Die Nutzung stelle auch keine sinnvolle und funktionsbedingte Erweiterung des Bestands dar. Sein Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters sei nachbarschützend. Ferner würden zwingende Abstandsflächenvorschriften verletzt. Das Baugrundstück werde im Süden und Westen rechtwinklig von der Fl. Nr. .../2 umgeben. Damit gebe es zwei abstandsflächenrelevante Grenzen zwischen den beteiligten Grundstücken. Der Altbestand auf dem Grundstück der Beigeladenen halte an der westlichen und der südlichen Grenze keine Abstandsflächen ein. Das streitige Vorhaben übernehme als Anbau im Westen den bestehenden Grenzbau. Ferner werde es im Norden direkt an der Grundstücksgrenze errichtet. Das Gesamtgebäude bestehend aus Alt- und Neubau stehe an drei Seiten auf der Grundstücksgrenze. Im Süden halte der Neubau zur Fl. Nr. .../2 einen Abstand von nur 3 Metern ein. Da es sich um einen Versprung von Alt- und Neubau handle, sei die südliche Außenwand abstandsflächenrechtlich gesondert zu betrachten. Wegen der beschriebenen Umstände sei gemäß Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO für die südliche Außenwand die volle Wandhöhe einzuhalten, welche bei deutlich über 4 Metern liege. Die Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück Fl. Nr. 58/... sei rechtlich irrelevant, weil die Abstandsfläche des Vorhabens über dieses Grundstück hinaus mehr als die Hälfte der Breite des daran anschließenden Wohnwegs beanspruche. Dass es sich dabei um einen öffentlichen Weg handle, werde bestritten. Eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften sei nicht möglich, weil aufgrund der engen Bauverhältnisse deren Einhaltung gewährleistet sein müsse. Zwar seien die Abstandsflächen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand. Das Landratsamt habe die Abstandsflächen aber ausdrücklich geprüft und rechtsirrig behandelt, weshalb der Kläger sich in seiner Anfechtungsklage hierauf berufen könne.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid des Landratsamts R. vom ... Januar 2015 wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass der Kläger sich nicht auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften berufen könne. Die Abstandsflächenvorschriften als grundsätzlich drittschützende Normen seien vom Prüfungsumfang der Baugenehmigung

nach Art. 59 BayBO nicht umfasst und nähmen an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung nicht teil. Die angefochtene Genehmigung sei ausdrücklich im vereinfachten Verfahren erteilt worden, weshalb der Kläger sich auf eine Verletzung von Art. 6 BayBO nicht berufen könne. Auch eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs könne er nicht mit Erfolg geltend machen. Ein Bebauungsplan liege nicht vor und die nähere Umgebung entspreche keinem der Baugebiete der Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung - BauNVO). Selbst wenn dies der Fall wäre, würde sich das Vorhaben seiner Art nach sowohl in ein allgemeines Wohngebiet wie auch in ein Mischgebiet einfügen.

Die Beigeladenen verteidigen ihr Vorhaben, aber stellen keinen eigenen Antrag.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift vom 30. Juni 2015, wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger wird durch die Baugenehmigung vom ... Januar 2015 nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Ficht ein Dritter den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt an, hängt der Erfolg seiner Klage davon ab, ob die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt ist (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 18 m. w. N. „Schutznormtheorie“). Eine Rechtsverletzung des Klägers durch die angefochtene Baugenehmigung kommt daher nur in Betracht, soweit die darin getroffene Feststellung zur Zulässigkeit des Vorhabens gegen den nachbarschützenden Gehalt der im Baugenehmigungsverfahren geprüften Normen verstößt. Dies ist nicht der Fall.

1. Die Art der baulichen Nutzung des streitigen Vorhabens hat keine Verletzung von Rechten des Klägers zur Folge.

Die Baugenehmigung vom ... Januar 2015 wurde zum Anbau eines „Ateliers“ erteilt. Unter einem Atelier versteht man eine Künstler- oder Handwerkerwerkstatt, die mit Wohnnutzung kombiniert sein kann. Dass im Erdgeschoss des Anbaus in den genehmigten Plan eine Toilette mit Waschbecken eingezeichnet ist, führt nicht zwingend dazu, dass hier von Wohnnutzung ausgegangen werden müsste. Nach den Einlassungen der Beigeladenen im Termin vom 30. Juni 2015 ist weder eine Wohnnutzung noch eine Nutzung für künstlerische Zwecke beabsichtigt. Vielmehr solle das Vorhaben dazu dienen, dass dort am Wochenende Büroarbeiten für die Hausverwaltungsfirma des Beigeladenen durchgeführt werden. Die hiernach tatsächlich beabsichtigte gewerbliche Nutzung fügt sich nach dem Ergebnis des Augenscheins in die Eigenart der näheren Umgebung ebenso ein wie die beantragte Nutzung. In der näheren Umgebung des Baugrundstücks befindet sich bereits Büro- und Wohnnutzung, aber auch Handwerk (Töpferwerkstatt). Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die nähere Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, so dass § 34 Abs. 2 BauGB anzuwenden wäre, oder ob es sich um eine Gemengelage i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB handelt. Im ersteren Fall könnte der Kläger sich zwar auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen (BVerwG, U. v. 16.9.1993 - BVerwGE 94, 151 ff. - juris Ls. 3), dieser wäre aber nicht verletzt, weil die beabsichtigte Nutzung in Gestalt eines nicht störenden Gewerbes sowohl in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauGB ausnahmsweise wie in einem Mischgebiet i. S. d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BauNVO regelmäßig zulässig ist. Auch entspricht die Nutzung des Vorhabens dem gemäß § 34 Abs. 1 BauGB vorgegebenen Rahmen.

2. Auf eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften kann der Kläger sich nicht berufen, weil die Feststellungswirkung der Baugenehmigung gemäß Art. 59 BayBO diese nicht umfasst. Die im Einzelnen aufgeworfenen abstandsflächenrechtlichen Fragen brauchen deshalb nicht erörtert zu werden.

Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist der Prüfungsumfang gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO beschränkt (vgl. BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2454 - BayVBl 2009, 727). Materielles Bauordnungsrecht ist deshalb nicht zu prüfen, es sei denn, dies ist im Rahmen einer vom Bauherrn gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO ausdrücklich beantragten Abweichung geboten. Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht zählt somit nicht zum von Art. 59 Satz 1 BayBO vorgegebenen Prüfprogramm. Da vorliegend eine Abweichung nicht beantragt wurde, scheidet eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus (BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris Rn. 10 m. w. N.)

Soweit sich der Kläger sinngemäß darauf beruft, dass die Abstandsflächenvorschriften hier gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung geworden seien, steht dem der Inhalt der Baugenehmigung entgegen. Im Tenor des angefochtenen Bescheids wird unter Buchst. A. sowie zu Beginn der Begründung ausdrücklich festgestellt, dass der Bauantrag gemäß Art. 59 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren geprüft wurde. Das Landratsamt hat zudem die genehmigten Bauvorlagen mit dem Stempel versehen „Bauantrag nach Art. 59 BayBO geprüft - Erläuterung siehe Baugenehmigungsbescheid“. Das bringt unzweideutig zum Ausdruck, welchen Regelungsumfang die Baugenehmigung haben soll. Ihre Feststellungswirkung ist deshalb auf die in Art. 59 Satz 1 BayBO genannten Kriterien beschränkt. Die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften ist darin nicht mehr vorgesehen. Eine Verletzung von Nachbarrechten durch die angefochtene Baugenehmigung kommt nur insoweit in Betracht, als die gerügte Rechtsverletzung auch Gegenstand des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren war (vgl. BayVGH, B. v. 3.5.2011 - 15 ZB 11.286 - juris Rn. 15 f.)

Dass das Landratsamt im Baugenehmigungsverfahren auch das Abstandsflächenrecht geprüft und die Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück Fl. Nr. 58/... in den Bescheidsgründen erwähnt hat, ändert daran nichts. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO darf die Bauaufsichtsbehörde den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Um zu entscheiden, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, muss es der Behörde daher gestattet sein, sich mit dem Abstandsflächenrecht zu befassen. Der Prüfungsumfang nach Art. 59 Satz 1 BayBO wird dadurch aber nicht erweitert.

Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO ist ferner nicht dazu bestimmt, nachbarlichen Interessen zu dienen (vgl. BayVGH, B. v. 14.10.2010 - 15 ZB 10.1584 - juris Rn. 8 ff.). Der Kläger kann deshalb aus dieser Vorschrift keinen Anspruch dahingehend ableiten, dass die Baugenehmigung bei erkannten Verstößen gegen Abstandsflächenvorschriften zu versagen wäre.

3. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf Euro 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.