Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 15. Juli 2015 - 3 K 776/14.MZ

ECLI:ECLI:DE:VGMAINZ:2015:0715.3K776.14.MZ.0A
15.07.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück M., Flur XX, Flurstück YYY/1.

2

Er ist ebenfalls Eigentümer des unmittelbar angrenzenden Grundstücks Gemarkung M., Flur XX, Flurstück YYY/2, das bereits mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Die Flurstücke YYY/1 und YYY/2 sind aus einem Flurstück hervorgegangen. An das Flurstück YYY/1 grenzen nordwestlich die Parzellen ZZZ/1 und ZZZ/2 an, die seit dem 7. Januar 1972 als öffentlicher Gehweg gewidmet sind. Der Weg führt auf die Straße „Am V….“ und ist an der Ecke zur Parzelle AAA mit dem Straßenverkehrsschild Zeichen 239 als Gehweg gekennzeichnet. Das auf dem Flurstück YYY/2 errichtete Einfamilienhaus wurde 1962 genehmigt. Es liegt an einem südöstlich angrenzenden Stichweg (Parzelle BBB), der auf die Straße „Am V….“ führt. Eine Garage findet sich in der Straße „Am V…..“ auf Parzelle CCC. Im Jahr 1973 wurde ein Bauvorbescheid für die Errichtung einer Garage mit zwei Garagenplätzen auf dem damals noch ungeteilten Grundstück des Klägers im nördlichen Bereich – heute: Parzelle YYY/1 – erteilt. Im Jahr 1974 wurde dort die Errichtung eines offenen, überdachten Pkw-Einstellplatzes mit Geräteschuppen genehmigt und verwirklicht. Nach den Verwaltungsakten wurde diese Genehmigung in Unkenntnis der Widmung des Weges auf den Parzellen ZZZ/1 und ZZZ/2 als Gehweg erteilt.

3

Unter dem 26. März 2013 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück YYY/1. Ausweislich der vorgelegten Unterlagen sollen zwei Stellplätze angrenzend zur Parzelle ZZZ/1 hergestellt werden.

4

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Juli 2013 ab. Es fehle eine verkehrstechnische Erschließung der Parzelle YYY/1. Eine Befahrung des nur 2,40 m breiten Fußwegs auf den Parzellen ZZZ/1 und ZZZ/2 mit Fahrzeugen sei ausgeschlossen.

5

Gegen die Ablehnung legte der Kläger am 30. Juli 2013 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2014, zugestellt am 23. Juli 2014, von der Beklagten zurückgewiesen wurde. Dem Kläger fehle das Sachbescheidungsinteresse für eine Baugenehmigung, die hier im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfen sei. Auch wenn dort Vorschriften der Landesbauordnung nicht Prüfungsgegenstand seien, bestehe kein schutzwürdiges Interesse an der Genehmigung eines Vorhabens, das nicht legal verwirklicht werden könne. Hier ergebe sich ein offensichtlicher Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften, weil das Vorhaben gegen das Erfordernis der Herstellung von Stellplätzen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Landesbauordnung – LBauO – verstoße. Eine Herstellung von aus dem öffentlichen Verkehrsraum erreichbaren Stellplätzen sei auf dem Grundstück des Klägers nicht möglich, weil dieses nur über einen Fußweg erreichbar sei. Die Erreichbarkeit des Grundstücks mit Kraftfahrzeugen sei nicht gewährleistet. Eine Änderung der Widmung des Fußwegs bzw. dessen Freigabe für den Fahrzeugverkehr durch die zuständigen Stellen sei bislang nicht erfolgt. Es bestehe auch kein Anspruch auf eine bestimmte Art von Widmung einer Straße. Auch aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs folge kein Anspruch auf Widmung des Weges für den Kraftfahrzeugverkehr; der Anliegergebrauch gewährleiste nicht die Erreichbarkeit eines Grundstücks gerade mit Kraftfahrzeugen. Eine Herstellung der erforderlichen Stellplätze auf einem anderen Grundstück sei dem Kläger nach dessen Ausführungen nicht möglich. Ein Anspruch auf Ablösung der Stellplatzverpflichtung durch Zahlung eines Geldbetrags bestehe nicht. Die Beklagte stimme bekanntermaßen regelmäßig bei Wohnungseigentum einer Stellplatzablöse nicht zu, sondern lediglich im Bereich gewerblicher Bauvorhaben und Nutzungen. Auch eine Abweichung nach § 69 Abs. 1 LBauO komme nicht in Betracht, weil bei dem Grundstück des Klägers keine Sondersituation gegeben sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf Bestandsschutz berufen, weil dieser im Rahmen des Neubaus verloren gehe und aktuell auch keine Stellplätze oder Garagen auf dem Grundstück mehr existierten.

6

Mit seiner am 18. August 2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Der Weg zu dem Grundstück sei durch Pkw und sogar durch Lkw befahrbar. Der Unterbau sei ausweislich eines Schreibens des Bauaufsichtsamts aus dem Jahr 1969 als Nebenstraße ausgebaut worden, so dass er von „Tankfahrzeugen als auch von Möbel- und Müllfahrzeugen“ befahren werden könne. Der Weg sei daher eine befahrbare öffentliche Verkehrsfläche. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte am 7. Januar 1972 durch das entsprechende Straßenschild den Weg als Sonderweg für Fußgänger gekennzeichnet habe. Damit habe die Beklagte durch einen straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsakt in seine durch Art. 14 Grundgesetz – GG – gesicherte Baufreiheit eingegriffen, deren Inhalt und Schranken nur durch ein Gesetz bestimmt werden könnten. Solche müssten ihre Grundlage im Baugesetzbuch haben, wie etwa ein Bebauungsplan einer Gemeinde. Im Jahr 1973 sei ihm die Errichtung einer Garage genehmigt worden, die ausschließlich über diesen Weg zu erreichen sei. Die Garage sei für ein Fahrzeug und einen Wohnwagen bestimmt gewesen. Dass die Garage sich nunmehr in einem wenig ansehnlichen Zustand befinde, sei dem Umstand geschuldet, dass er altersbedingt keinen Stellplatz mehr für einen Wohnwagen benötige. Dies beseitige aber nicht die Stellplatzeigenschaft. Die Kriterien, die damals bei der Erteilung der Baugenehmigung gegolten hätten, seien keine anderen als die heutigen. Die Stellplätze seien auf dem Grundstück vorhanden und ordnungsgemäß anfahrbar; die Nichterreichbarkeit werde lediglich durch die verkehrspolizeiliche Anordnung verursacht. Der Kläger sei Anlieger, so dass es eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten unter Abwägung aller Interessen gäbe, etwa ein Hinweis „Anlieger frei bis…“. Die Beklagte ziehe entsprechende Ermessensprüfungen nicht mal in Erwägung.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juli 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung für das Grundstück Am V... in M. Flur XX Flurstück YYY/1 zu erteilen.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte tritt der Klage entgegen. Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid, auf die sie verweist, macht sie geltend: Die Bebaubarkeit des Grundstücks werde nicht durch das Straßenschild, sondern durch § 47 LBauO, d. h. durch eine gesetzliche Vorgabe der Landesbauordnung, eingeschränkt. Die Baugenehmigungsbehörde könne sich über die Verkehrsschilder nicht hinwegsetzen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erlass der begehrten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

14

Anspruchsgrundlage für die Baugenehmigung ist § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO. Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Vorliegend verstößt das geplante Vorhaben gegen § 47 Abs. 1 LBauO, da der Kläger die für die Errichtung des geplanten Wohnhauses erforderlichen Stellplätze nicht nachweisen kann.

15

Zwar findet in dem vereinfachten Genehmigungsverfahren des § 66 LBauO, der bezüglich des geplanten Wohngebäudes des Klägers gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBauO, einschlägig ist, nach § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO eine Prüfung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften und damit auch des § 47 LBauO nicht statt, um dessen Einhaltung zwischen den Beteiligten hier allein gestritten wird. Gleichwohl besteht dann kein Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren, wenn das genehmigte Vorhaben erkennbar dem Bauordnungsrecht widerspricht, der Bauantragsteller daher von einer ihm erteilten Baugenehmigung keinen Gebrauch machen könnte und deshalb das erforderliche Sachbescheidungsinteresse zu verneinen ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 24. Juni 2010 – 1 A 11265/09.OVG –, NVwZ-RR 2010, 868 und juris, Rn. 19, und Urteil vom 22. Oktober 2008 – 8 A 10942/08 –, ZfBR 2009, 167 und juris, Rn. 23 ff.). Dies ist hier der Fall, weil das geplante Vorhaben wegen der Nichterfüllung der Stellplatzverpflichtung nach § 47 LBauO offensichtlich nicht verwirklicht werden darf.

16

Nach § 47 Abs. 1 LBauO dürfen bauliche Anlagen, bei denen ein Zugangs- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, nur errichtet werden, wenn Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe sowie in geeigneter Beschaffenheit hergestellt werden (notwendige Stellplätze). Die Einhaltung der Stellplatzverpflichtung ist eine zwingende Genehmigungsvoraussetzung für bauliche Anlagen und ein Bauantrag muss, wenn die notwendigen Stellplätze nicht – mit einer der in § 47 LBauO aufgezeigten Möglichkeiten – nachgewiesen werden, abgelehnt werden (vgl. VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 7. Dezember 2011 – 5 K 742/11.NW –, juris, Rn. 28). Die Stellplatzverpflichtung entfällt auch nicht schon deshalb, weil dem Verpflichteten die Erfüllung unmöglich oder unzumutbar ist; so unterfällt etwa auch ein in einer Fußgängerzone gelegenes Wohn- oder Geschäftshaus der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen (vgl. VGH BW, Urteil vom 27. April 1983 – 3 S 34/83 –, BRS 40 Nr. 147 und juris – LS –).

17

Entgegen der Ansicht des Klägers ist es auch nicht zu beanstanden, dass mit der Stellplatzverpflichtung eine Genehmigungsvoraussetzung „außerhalb des Baugesetzbuchs“ geschaffen wird. Mit der Stellplatzpflicht knüpft das Landesrecht in zulässiger Weise im nichtbodenrechtlichen Bereich zusätzliche Voraussetzungen an die Genehmigungsfähigkeit von Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB. Die Zulässigkeit eines Vorhabens nach den §§ 30 ff. BauGB steht – wie sich aus § 29 Abs. 2 BauGB ergibt – von vornherein unter dem Vorbehalt, dass auch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Landesrechts eingehalten sind. Die §§ 30 ff. BauGB räumen einen Baurechtsanspruch nur unter dem Vorbehalt auch der Erfüllung landesrechtlicher Voraussetzungen einschließlich der Stellplatzpflicht ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. September 1983 – 4 B 122/83 –, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 32 und juris, Rn. 6). Die Frage, inwieweit die Stellplatzverpflichtung erfüllt wird, hängt dabei auch davon ab, ob die vom Bauherrn vorgesehenen Stellplätze überhaupt zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeignet sind. Dies setzt voraus, dass sie (zulässigerweise) mit Kraftfahrzeugen erreicht werden können, wobei die jeweiligen straßen- bzw. straßenverkehrsrechtlichen Vorgabe zu beachten sind. § 47 Abs. 6 LBauO sieht insoweit vor, dass die Stellplätze von den öffentlichen Verkehrsflächen aus sicher und auf möglichst kurzem Weg zu erreichen sein müssen.

18

Dem Kläger ist die Herstellung von aus dem öffentlichen Verkehrsraum erreichbaren Stellplätzen auf seinem Grundstück nicht möglich, weil solche Stellplätze nur über einen Fußweg erreichbar wären, der nicht durch Fahrzeuge befahren werden darf. Die vom Kläger vorgesehenen Stellplätze auf seinem Grundstück erscheinen daher als völlig ungeeignet, um überhaupt eine Stellplatzverpflichtung nach § 47 LBauO zu erfüllen, weil sie über öffentliche Verkehrswege nicht (zulässigerweise) erreichbar sind.

19

Der Weg zum Grundstück des Klägers ist ein Fußweg, auf dem kein Kraftfahrzeugverkehr zulässig ist. Er wurde 1972 von der Beklagten als solcher dem Verkehr gewidmet. Der Umstand, dass der Weg – wie sich aus dem Schreiben des Bauaufsichtsamtes der Beklagten aus dem Jahre 1969 ergibt – es rein tatsächlich von seiner technischen Ausführung zulässt, bis an die Grundstücksgrenze heranzufahren (auch mit Tankfahrzeugen, Müllfahrzeugen und Möbelfahrzeugen), ändert an der rechtlichen Beurteilung des Weges und der daraus abzuleitenden zulässigen Nutzung nichts. Soweit der Kläger geltend macht, alleine durch das den Fußweg – klarstellend – kennzeichnende Verkehrsschild könne nicht in zulässiger Weise in seine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit eingegriffen werden, verfängt er damit nicht. Die Eigenschaft des Weges als Fußweg beruht auf der entsprechenden wegerechtlichen Widmung seitens der Beklagten, die der Beurteilung des Bauantrags und hier konkret der Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzung der Stellplatzverpflichtung zugrunde zu legen ist. Insoweit besagt § 29 Abs. 2 BauGB, dass sich die Zulässigkeit eines Bauvorhabens (auch) an der landesrechtlichen Voraussetzung der Stellplatzpflicht und in diesem Rahmen damit an den maßgeblichen straßenrechtlichen Vorgaben zu orientieren hat. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zudem klargestellt, dass eine Änderung des Nutzungsumfangs, sei es auch nur im Rahmen der Erweiterung auf Anliegerverkehr, gerade nicht in Betracht gezogen werde, da die Fußwege als solche aufrechterhalten werden sollten. Auch soweit der Kläger sich insoweit auf den Anliegergebrauch beruft, kann er nicht verfangen, weil dieser die Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz überhaupt gewährleistet, nicht jedoch notwendig die Erreichbarkeit des Grundstücks mit Kraftfahrzeugen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 – 11 C 38/92 –, BVerwGE 94, 136 und juris, Rn. 12).

20

Die nach § 47 Abs. 3 LBauO gleichfalls vorgesehene Herstellung von Stellplätzen oder Garagen auf einem in zumutbarer Entfernung liegenden anderen Grundstück – konkret z. B. durch Erweiterung der bestehenden Garage für das bereits bestehende Wohnhaus des Klägers – hat der Kläger ebenfalls nicht nachweisen können. Auch die Erfüllung der Stellplatzverpflichtung durch Zahlung eines Geldbetrags nach § 47 Abs. 4 LBauO scheitert – soweit der Kläger eine solche überhaupt für sich in Erwägung zieht – bereits daran, dass die Beklagte eine entsprechende Zustimmung, die in ihrem pflichtgemäßen Ermessen steht, bei Wohnvorhaben nicht in Aussicht stellt. Anhaltspunkte für eine willkürlich verweigerte Zustimmung oder für eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind vorliegend nicht ersichtlich; auch hat der Kläger solche nicht geltend gemacht.

21

Erfüllt der Kläger damit nicht die Voraussetzungen des § 47 LBauO, besteht vorliegend auch kein Raum für die Zulassung einer Abweichung nach § 69 Abs. 1 LBauO.

22

Danach kann die Aufsichtsbehörde zwar Abweichungen von Anforderungen nach der Landesbauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Wesentlicher Maßstab bei der Frage der Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen ist letztlich der Zweck der jeweiligen Anforderung, von der abgewichen werden soll. Die Berücksichtigung des durch diesen Zweck erfassten Schutzguts stellt die darin ausgedrückten öffentlichen Belange in den Vordergrund. Die betreffende Norm enthält für diese Belange einen Mindeststandard im Normalfall, von dem nur abgewichen werden kann, wenn sich die Grundstücks- und Bausituation von diesem, den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegenden Muster in deutlichem Maße unterscheidet und deshalb eine andere Gewichtung der öffentlichen Belange, als sie durch das Gesetz selbst erfolgt ist, zulässig wird, oder wenn anderweitige, zumindest gleichgewichtige öffentliche Belange die Abweichung gebieten (vgl. VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 21. Februar 2008 – 4 K 1255/07 –, juris, Rn. 31). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer danach vorausgesetzten Sondersituation sind für das klägerische Bauvorhaben jedoch nicht zu erkennen. Vielmehr ist die bauliche Situation in der Umgebung des geplanten Bauvorhabens gerade von einer Vielzahl von Wohngebäuden bzw. Wohngrundstücken geprägt, die ebenso der Stellplatzverpflichtung unterliegen und diese teilweise ebenfalls nicht an Ort und Stelle erfüllen können. Dabei kennzeichnet sich die Umgebung des klägerischen Grundstücks maßgeblich dadurch, dass in zahlreichen Fällen der Zugang bzw. die Zufahrt zu den Wohnhäusern über schmale Stichwege erfolgt und Stellplätze – insbesondere in Form von Garagen – auf Grundstücken in der Nähe vorgehalten werden müssen. Die schmalen Stichwege sind vielfach – bereits tatsächlich – für Kraftfahrzeuge nicht bzw. nicht ohne weiteres befahrbar, auch wenn sie – anders als der Fußweg zum Grundstück des Klägers – nicht ausdrücklich als Gehweg gewidmet sind. Die Zulassung einer Abweichung von § 47 LBauO im Fall des Klägers hätte zur Folge, dass in dem Baugebiet die Einhaltung der Stellplatzverpflichtung von anderen Bauherrn, die ein Wohnhaus errichten oder ein bestehendes Wohnhaus erweitern wollen, nicht gefordert werden könnte, die sich in der gleichen Situation wie der Kläger befinden und deren Grundstück ebenfalls mit einem Kraftfahrzeug nicht – sei es aus tatsächlichen, sei es aus rechtlichen Gründen – erreichbar ist. Damit wäre der gesetzlich verfolgte Zweck der Stellplatzpflicht, die Belastung des durch ein Bauvorhaben verursachten ruhenden Kraftverkehrs aus dem öffentlichen Verkehrsraum zur Wahrung von Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Straßenverkehrs herauszuhalten, nicht mehr in diesem Baugebiet zu erreichen.

23

Soweit sich der Kläger darüber hinaus auf Bestandsschutz beruft, weil für das Grundstück bereits 1973/1974 – ungeachtet der (Nicht-)Erreichbarkeit lediglich über den Gehweg – eine Baugenehmigung für einen Stellplatz/ein Carport erteilt und das Grundstück auch entsprechend genutzt wurde, kann er auch damit nicht durchdringen. Die Errichtung des Wohnhauses – mit dafür notwendigen Stellplätzen als „Annex“, die nach den vorgelegten Plänen zudem nicht mit den bisherigen identisch sind – stellt nämlich ein anderes und völlig neues Bauvorhaben auf dem Grundstück dar und nicht lediglich die Instandsetzung oder Erweiterung der bestehenden Stellplätze, so dass Bestandsschutzgesichtspunkte bereits deshalb nicht in Betracht kommen. Auch ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte bei Erteilung der Baugenehmigung für den Stellplatz/Carport irrtümlicherweise nicht beachtet hat, dass die Zufahrt nur über einen Fußweg möglich ist, und eine solche Zufahrt bislang geduldet hat, ungeachtet der hier nicht zu klärenden Frage, inwieweit die Stellplätze noch vorhanden sind, keinen Anspruch auf eine „weitergeltende“ Duldung auch für eine Zufahrt zum geplanten Wohnhaus, zumal sich die Intensität der Nutzung des Weges dabei in erheblichen Maße von der bisherigen Nutzung als Abstellplatz unterscheiden würde. Einen entsprechenden Anspruch auf „Fehlerwiederholung“ durch die Beklagte hat der Kläger nicht.

24

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZivilprozessordnungZPO –.

Beschluss

25

der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 15. Juli 2015

26

Der Streitwert wird auf 20.000,00 € (§ 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ-Beilage 2013, 57) festgesetzt.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 07. Dez. 2011 - 5 K 742/11.NW

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Die Kläger begehren von der Beklagten die Erteilung einer unbeschränkten Bauge

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Okt. 2008 - 8 A 10942/08

bei uns veröffentlicht am 22.10.2008

Tenor Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2008 wird die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6. Oktober 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2008 verpflichtet, der K

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.



Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2008 wird die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6. Oktober 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2008 verpflichtet, der Klägerin die Baugenehmigung zur Anbringung der beiden inneren Werbeanlagen am Gebäude Bubenpfad ... in L. zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die nach den Regeln des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu erteilende Baugenehmigung für die Errichtung zweier Werbeanlagen, die ihr wegen Verletzung des bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbots versagt wurde.

2

Mit Antrag vom 14. Juni 2006 begehrte sie die Genehmigung für vier beleuchtete Werbeanlagen im sogenannten Euro-Format (3,80 m x 2,70 m) an der Rückseite des Gebäudes Am Bubenpfad ..., die der Straße Kaiserwörthdamm zugewandt ist. Hierbei handelt es sich um eine Ein- und Ausfahrtstraße in die Stadt L., die in beiden Richtungen zweispurig ausgebaut ist. In der näheren Umgebung befinden sich eine Mercedes-Benz-Niederlassung, zwei Tankstellen und eine ATU-Werkstatt. Der Antragseingang wurde am 19. Juni 2006 unter dem Vorbehalt einer Vollständigkeitsüberprüfung der Bauunterlagen bestätigt. Anlässlich einer Ortsbesichtigung Ende September 2006 wurde festgestellt, dass die Werbetafeln sämtlich bereits angebracht wurden. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2006 wurde die Befestigung der beiden äußeren Werbetafeln genehmigt. Für die beiden inneren Werbetafeln wurde die Genehmigung im Wesentlichen aus Gründen der Stadtbildpflege untersagt, weil sie unsensibel in das Fensterband einschnitten und damit die gesamte Gebäudefassade verunstalteten.

3

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Stadtrechtsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2008 zurück: Entgegen der Auffassung der Klägerin sei eine Genehmigungsfiktion nach § 66 Abs. 4 LBauO deshalb nicht eingetreten, weil die Bearbeitungsfrist erst nach Bestätigung der Vollständigkeit der Bauunterlagen in Lauf gesetzt werde und eine solche Bestätigung hier nicht erfolgt sei. In der Sache sei die Baugenehmigung deshalb abzulehnen, weil mit den beiden inneren Werbeanlagen eine störende Häufung solcher Anlagen auftrete. Das Erscheinungsbild der klar gegliederten Fassade werde empfindlich gestört.

4

Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer Ortsbesichtigung mit Urteil vom 11. Juni 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die bauordnungsrechtliche Frage der verunstaltenden Wirkung der beiden Werbeanlagen sei zu Recht ausschließlicher Streit und Prüfungsgegenstand des Verfahrens. Zwar unterlägen Werbeanlagen dem vereinfachten Genehmigungsverfahren, so dass bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Dennoch dürfte die Bauaufsichtsbehörde auch in einem solchen Verfahren einzelne bauordnungsrechtliche Fragen behandeln, die sich ihr zur Prüfung aufdrängten. Dies leite sich aus ihrer in § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO niedergelegten Verpflichtung ab, auf die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorschriften hinzuwirken. Aufgrund der Entscheidung der Behörde werde der von Gesetzes wegen beschränkte Umfang des vereinfachten Genehmigungsverfahrens partiell bauordnungsrechtlich angereichert, was sich auch auf den Streitgegenstand der Verpflichtungsklage erstrecke. In der Sache folge die Kammer der Einschätzung der Beklagten, dass die straßenseitige Front der Fassade des Gebäudes Am Bubenpfad ... durch das waagerecht verlaufende Fensterband geprägt und strukturiert werde. Dieses klare Erscheinungsbild werde durch die beiden vor dem Fensterband angebrachten großflächigen Werbeanlagen empfindlich gestört, und zwar derart, dass ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand entstehe.

5

Die Klägerin führt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen aus: Zunächst habe sie einen Anspruch darauf, den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 66 Abs. 4 LBauO festzustellen. Die dreimonatige Entscheidungsfrist sei auch ohne Vollständigkeitsfeststellung der Behörde in Lauf gesetzt worden, weil diese es pflichtwidrig unterlassen habe, diese Feststellung innerhalb der vorgegebenen 10-Tage-Frist zu erklären. Es sei eine weit verbreitete Praxis der Baubehörden des Landes Rheinland-Pfalz, von dieser Vollständigkeitsfeststellung abzusehen, um den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern. Um dieses Verhalten effektiv zu sanktionieren, komme die entsprechende Anwendung von § 162 Abs. 1 BGB (Verhinderung des Bedingungseintritts) in Betracht. Jedenfalls sei aber der Hilfsantrag begründet. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung nach § 66 LBauO, da ihr Vorhaben mit bauplanungsrechtlichen Vorschriften vereinbar sei. Bauordnungsrecht sei nicht Gegenstand der Prüfung im vereinfachten Genehmigungsverfahren. Die Einhaltung dieser Bestimmungen obliege der Eigenverantwortung des Bauherrn. Ob bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegenstünden, müsse zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlage entschieden werden. Insofern könnten sich die Umstände im Laufe der Gültigkeit der Baugenehmigung durchaus auch zugunsten des Bauherrn ändern, weshalb er ein berechtigtes Interesse an der vorherigen Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens habe. Es stelle einen rechtswidrigen Kunstgriff dar, wenn die Bauaufsichtsbehörde das Prüfungsprogramm um das Bauordnungsrecht erweitern dürfe. Die dahingehende Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz stehe insofern im Kreis der übrigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung allein. Auch das Abstellen auf ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse für den Bauantrag bzw. auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse für eine entsprechende Verpflichtungsklage stelle eine unzulässige Umgehung der mit dem vereinfachten Genehmigungsverfahren bezweckten Einschränkung des präventiven Prüfungsprogramms dar.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

7

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2008

8

1. festzustellen, dass die Baugenehmigung für die beiden inneren Werbeanlagen am Gebäude Bubenpfad ... in L. als erteilt gilt ,

9

hilfsweise,

10

2. die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 6. Oktober 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 2008 zu verpflichten, ihr die Baugenehmigung zur Anbringung der beiden inneren Werbeanlagen am Gebäude Bubenpfad ... in L. zu erteilen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Zur Begründung führt sie aus, dass die Genehmigungsfiktion aus den im Widerspruchsbescheid dargelegten Gründen nicht eingetreten sei. Hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens sei es unter dem Gesichtspunkt des Sachbescheidungsinteresses zulässig, auch bauordnungsrechtliche Vorschriften zu prüfen. Hier liege ein offensichtlicher Verstoß gegen das Verunstaltungsverbot vor. Die Ausdehnung des Prüfungsprogramms sei gerade bei Werbeanlagen sinnvoll, weil die Verlagerung bauordnungsrechtlicher Fragen in das repressive baubehördliche Verfahren dem Betreiber ungerechtfertigte Vorteile einer zwischenzeitlichen Nutzungsmöglichkeit verleihe.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung hat hinsichtlich des hilfsweise erhobenen Verpflichtungsbegehrens Erfolg.

I.

16

Der Hauptantrag ist zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

17

Bei dem erst im Berufungsverfahren gestellten Antrag auf Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion für die beiden inneren Werbeanlagen handelt es sich um eine Klageerweiterung, die jedoch nach § 91 Abs. 1 VwGO wegen der Einwilligung des Beklagten zulässig ist.

18

Der Antrag ist indes nicht begründet. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 66 Abs. 4 Satz 5 LBauO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift gilt die Baugenehmigung als erteilt, wenn über den Bauantrag nicht innerhalb der nach den Sätzen 2 und 3 maßgeblichen Frist entschieden worden ist. Der Beginn der hiernach maßgeblichen Bearbeitungsfrist ist in § 66 Abs. 4 Satz 2 eindeutig dahin geregelt, dass die Frist erst „nach Feststellung der Vollständigkeit“ in Lauf gesetzt wird, was aufgrund des systematischen Zusammenhangs dahin zu verstehen ist, dass es sich - entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 1 LBauO - um eine schriftliche Feststellung der Vollständigkeit handeln muss (vgl. die Urteile des Senats vom 20. Februar 2002, DVBl. 2002, 724 und vom 4. Juli 2007, BauR 2007, 1718; zuletzt: Beschluss des Senats vom 5. September 2008 - 8 A 10701/08.OVG -). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung reicht es nicht aus, dass die Behörde nach § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBauO verpflichtet gewesen wäre, die Vollständigkeit innerhalb der dort vorgesehenen Prüfpflicht „binnen 10 Werktagen“ festzustellen. Denn der Gesetzgeber hat diese 10-Werktage-Frist ausdrücklich nicht „fiktionsbewehrt“ ausgestaltet (vgl. das Urteil vom 20. Februar 2002, a.a.O.). Hat der Gesetzgeber aber lediglich an das Verstreichen der Entscheidungsfrist nach § 66 Abs. 4 LBauO eine Fiktionswirkung geknüpft, nicht aber an das Verstreichen der Prüffrist für die Vollständigkeit des Bauantrags, kommt ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 162 Abs. 1 BGB (Vereitelung des Bedingungseintritts) entgegen der Auffassung des Klägers von vornherein nicht in Betracht. Dies bedeutet nicht, dass das gesetzwidrige Unterlassen der Vollständigkeitsprüfung und -bestätigung sanktionslos bleibt. So kann die pflichtwidrige Unterlassung der Vollständigkeitserklärung Amtshaftungsansprüche wegen verspäteter Erteilung der Baugenehmigung auslösen (vgl. das Urteil des Senats vom 20. Februar 2002, a.a.O.). Im Übrigen ist es Sache des Gesetzgebers, auch die 10-Werktage-Frist nach § 65 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBauO um eine Fiktionswirkung zu ergänzen, sollte er den Eindruck gewinnen, die in § 66 Abs. 4 LBauO angeordnete Entscheidungsfrist werde von den Baubehörden durch pflichtwidriges Unterlassen der Vollständigkeitserklärung in großem Umfang unterlaufen, wie von dem Bevollmächtigten der Klägerin vorgetragen wird, wofür dem Senat indes bislang ausreichende Anhaltspunkte fehlen.

II.

19

Mit dem Hilfsantrag hat die Klage indessen Erfolg.

20

Das Verpflichtungsbegehren ist zulässig, insbesondere kann der Klägerin das Rechtsschutzinteresse an der Erteilung der eingeschränkten Baugenehmigung nach § 66 LBauO nicht abgesprochen werden. Der Verpflichtungsantrag ist auch begründet, weil die eingeschränkten Anspruchsvoraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

21

1. Zum Prüfungsprogramm für die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer nach den Regeln des vereinfachten Genehmigungsverfahrens zu erlassenden Baugenehmigung führt der Senat zunächst aus:

22

Streitgegenstand der Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung des Klägers, dass die beantragte Genehmigung im Hinblick auf die gesetzliche Anspruchsgrundlage zu Unrecht verweigert worden ist, mithin nach den gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt besteht (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 28).

23

Der Beklagte ist zum Erlass der beantragten Baugenehmigung verpflichtet, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO). Die danach umfassende Prüfungspflicht der Behörde ist im vereinfachten Genehmigungsverfahren dahingehend eingeschränkt, dass lediglich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu kontrollieren ist (§ 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO); bauordnungsrechtliche Bestimmungen gehören nicht hierzu (vgl. Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 3. Februar 1999, MinBl. S. 90 zu § 66 Abs. 3). Werbeanlagen unterfallen nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 LBauO dem vereinfachten Genehmigungsverfahren. Die Zurücknahme der präventiven Kontrolle verfolgt den Zweck der Verfahrenserleichterung bei gleichzeitiger Stärkung der Verantwortung des Bauherrn und seiner qualifizierten Beauftragten (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zur LBauO 1986, LT-Drucks. 10/1344, S. 90; das Urteil des Senats vom 23. Oktober 2002 - 8 A 10994/02.OVG -, S. 7 d.U., ESOVGRP; Jeromin, LBauO, 2. Aufl. 2008, § 66 Rn. 57).

24

Der gesetzlichen Einschränkung der präventiven Kontrolle durch die Bauaufsichtsbehörde korrespondiert ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung bei Vorliegen der entsprechend eingeschränkten Voraussetzungen, d.h. der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit den zum gesetzlichen Prüfungsprogramm gehörenden Vorschriften. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Bauaufsichtsbehörde nicht befugt, das ihr gesetzlich vorgegebene Prüfungsprogramm und damit die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilende Baugenehmigungen zu erweitern. Dies hat zur Folge, dass Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nach § 66 LBauO und Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens auseinanderfallen können. Diese Konsequenz der Einführung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens haben die mit Bausachen befassten Senate des erkennenden Gerichts bereits in den Urteilen vom 17. Juli 1996 (AS 26, 227 - LS 3 -, 8. Senat) und vom 26. September 1996 (AS 26, 267 [274 f.], 1. Senat) näher erläutert.

25

Die vom Verwaltungsgericht angenommene Erweiterung des Regelungsgehalts der - ablehnenden - Behördenentscheidung mit entsprechender Erweiterung des Streitgegenstandes der Verpflichtungsklage im anschließenden Verwaltungsprozess findet im Gesetz keine Stütze. Vielmehr kann der Bauherr die Erteilung der Genehmigung verlangen, sofern die im Gesetz geregelten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und nicht ausnahmsweise das Sachbescheidungsinteresse zu verneinen ist.

26

Lediglich im umgekehrten Fall der Erteilung der Baugenehmigung nach § 66 LBauO ist es denkbar, dass die Behörde die - entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm - beschränkte Feststellungswirkung des Bescheids um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften ergänzt, und zwar mit entsprechenden Auswirkungen auf den Streitgegenstand des anschließenden Verwaltungsprozesses. Denn die in diesem Fall in Betracht kommende Anfechtungsklage eines Nachbarn hat sämtliche Regelungsteile (Feststellungswirkungen) der Baugenehmigung zum Gegenstand. Der Nachbar ist in einem solchen Fall auch gehalten, die Baugenehmigung in vollem Umfang anzugreifen, um zu verhindern, dass hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Feststellungen Bestandskraft eintritt. Auf diese prozessuale Folgewirkung hat der Senat in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil vom 23. Oktober 2002 hingewiesen und ergänzend ausgeführt, dass eine solche Verfahrensweise der Behörde aus Gründen der Verfahrensvereinfachung gerechtfertigt sein kann, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen (vgl. a.a.O., S. 7 f. d.U.).

27

Erkennt die Behörde im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens hingegen Umstände, die für eine Unvereinbarkeit des Vorhabens mit Bauordnungsrecht sprechen, so ist ihr aus den oben dargelegten Gründen zwar eine Erweiterung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen untersagt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist sie deshalb jedoch nicht verpflichtet, diese bauordnungsrechtlichen Fragen im vereinfachten Genehmigungsverfahren gänzlich auszublenden. So entspricht es ihrer allgemeinen Aufgabe zur Überwachung der Einhaltung der baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften (§ 59 Abs. 1 LBauO), wenn sie die Baugenehmigung nach § 66 LBauO um Hinweise zu möglichen Verletzungen bauordnungsrechtlicher Vorschriften ergänzt (vgl. bereits den Beschluss des Senats vom 18. November 1991, AS 23, 321 [323]; auch: BayVGH, Beschluss vom 6. Juni 2002, BauR 2003, 683 - zusätzliche Anordnungen, die mit der Baugenehmigung verbunden werden können -).

28

Darüber hinaus entspricht es langjähriger Rechtsprechung der beiden Bausenate des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, dass die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren abgelehnt werden kann, wenn das Bauvorhaben offensichtlich gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstößt. Grundlage hierfür ist nicht die Erweiterung des gesetzlichen Prüfungsprogramms und der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die Baugenehmigung, sondern die davon zu trennende verfahrensrechtliche Anforderung des Sachbescheidungsinteresses, dem im gerichtlichen Verfahren das Rechtsschutzinteresse entspricht. Der Bauherr hat nämlich kein schutzwürdiges Interesse an der Genehmigung eines Vorhabens, von dem ausgeschlossen ist, dass er es legal verwirklichen kann (vgl. OVG RP, Urteil vom 17. Juli 1996, a.a.O., LS 1; Urteil vom 26. September 1996, a.a.O., S. 275; Urteil vom 23. Oktober 2002, a.a.O., S. 8 d.U.; auch bereits: Urteil vom 9. Juni 1993 - 8 A 10876/92.OVG -, S. 10 d.U.; ferner: Rundschreiben des Ministeriums der Finanzen vom 3. Februar 1999, a.a.O.). Die Berücksichtigung von Anforderungen an das Bauvorhaben außerhalb des gesetzlichen Prüfungsprogramms der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Beurteilung des Sachbescheidungsinteresses ist ein allgemeiner verfahrensrechtlicher Grundsatz, der nicht auf das vereinfachte Genehmigungsverfahren beschränkt ist, sondern ebenso etwa bei der eingeschränkten Prüfungsbefugnis der Bauaufsichtsbehörde wegen paralleler Genehmigungsvorbehalte zugunsten anderer Behörden Anwendung findet (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 2 LBauO). Dass die Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagen kann, wenn das Bauvorhaben in Widerspruch zu Anforderungen steht, die nicht Gegenstand des eingeschränkten Prüfungsprogramms sind, entspricht entgegen der Auffassung der Klägerin der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur einschließlich der von ihr selbst vorgelegten Urteile (vgl. Jäde, BayVBl. 2005, 301 m.w.N.; Schretter/Schenk, in: Reichel/Schulte, Handbuch Bauordnungsrecht, 2004, 14. Kapitel, Rn. 24 m.w.N.; BayVGH, Urteil vom 23. März 2006, BayVBl. 2006, 537 und juris Rn. 18; BayVGH, Beschluss vom 3. September 2007 – 1 ZB 07.151 -, juris Rn. 14; VG Gießen, Urteil vom 31. März 2008 - 1 K 99/08.Gi - S. 8 d.U.).

29

Fehlendes Sachbescheidungsinteresse kann freilich nur dann angenommen werden, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass das nach § 66 LBauO zu genehmigende Vorhaben wegen entgegenstehender sonstiger Vorschriften offensichtlich nicht verwirklicht werden darf (vgl. BayVGH, Urteil vom 23. März 2006, a.a.O., Rn. 18). Weil die Anwendung der sonstigen Vorschriften nicht zum Prüfungsprogramm der Behörde gehört, ist deren Berücksichtigung im Rahmen der Prüfung des Sachbescheidungsinteresses auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.

30

2. Nach dem so vorgegebenen Prüfungsrahmen hat die Klägerin mit ihrem Verpflichtungsbegehren Erfolg.

31

a) Zunächst ist der Verpflichtungsantrag zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Klägerin das hierfür erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht abgesprochen werden.

32

Das Rechtsschutzinteresse an der Verpflichtung zur Erteilung der eingeschränkten Baugenehmigung nach § 66 LBauO würde fehlen, wenn ausgeschlossen wäre, dass die Klägerin mit dieser Baugenehmigung etwas anfangen könnte. Dies wäre dann der Fall, wenn das Bauvorhaben aus anderen als den zum Prüfungsprogramm des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gehörenden Gründen dauerhaft nicht verwirklicht werden dürfte. Dies haben die Beklagte und das Verwaltungsgericht hier mit der Begründung bejaht, dass die beiden inneren Werbeanlagen auf die Straßenfront des Gebäudes Am Bubenpfad ... verunstaltend wirkten und damit bauordnungsrechtlich unzulässig seien. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

33

Werbeanlagen sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1/§ 52 Abs. 2 Satz 1 LBauO mit ihrer Umgebung so in Einklang zu bringen, dass sie benachbarte bauliche Anlagen sowie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten. Als Sondertatbestand einer Verunstaltung verbietet § 52 Abs. 2 Satz 2 LBauO die störende Häufung von Werbeanlagen.

34

Verunstaltung bedeutet nicht bereits jede Störung der architektonischen Harmonie, also nicht jede Unschönheit, sondern nur einen hässlichen, das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht nur beeinträchtigenden, sondern verletzenden Zustand. Maßgeblich ist dabei, ob der Anblick bei einem nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Betrachter nachhaltigen Protest auslöst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. April 1995, NJW 1995, 2648). Das Verunstaltungsverbot bezweckt, krasse Gegensätzlichkeiten und Widersprüche im Erscheinungsbild bebauter Gebiete durch das Hinzutreten störender baulicher Anlagen abzuwehren (vgl. BVerwG, a.a.O.). Ob eine Werbeanlage in diesem Sinne verunstaltend wirkt und welcher Umgriff dabei mit einzubeziehen ist, ist aufgrund der örtlichen Gegebenheiten, insbesondere des Standorts der Anlage, der Art und Struktur der in der näheren Umgebung vorhandenen Gebäude, Straßenzüge und Landschaftsteile zu beurteilen (vgl. BayVGH, Urteil vom 15. März 2007 - 26 B 05.3020 -, juris, Rn. 11).

35

Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier nach Auffassung des Senats noch nicht von einer verunstaltenden Wirkung der streitgegenständlichen beiden inneren Werbeanlagen auf das Orts- und Straßenbild auszugehen . Hiergegen spricht zunächst die Lage des Gebäudes Am Bubenpfad ... in einem faktischen Gewerbegebiet. In einem solchen Gebiet sind Werbeanlagen grundsätzlich allgemein zulässig und entfalten auch nur ausnahmsweise störende Wirkung. Eine solche Ausnahme mit verunstaltender Wirkung ist hier auch nicht im Hinblick auf den Anbringungsort der Anlagen gegeben. Wie sich aus den zu den Akten gereichten Fotografien ohne weiteres ergibt, ist die nähere Umgebung des Gebäudes Am Bubenpfad ... nicht bereits durch sonstige Werbeanlagen überfrachtet. Auch das Erscheinungsbild der Straßenfront des Gebäudes wird durch die beiden zusätzlichen Werbeanlagen nicht in einem Maße beeinträchtigt, dass von einem hässlichen, das ästhetische Empfinden des Beschauers verletzenden Zustand gesprochen werden könnte. Dabei erkennt auch der Senat wie bereits die Beklagte und das Verwaltungsgericht, dass die mit dem Fensterband bewirkte Strukturierung der Fassade und die damit verfolgte architektonische Harmonie durch die davor angebrachten Werbetafeln gestört wird. Indes genügt dies noch nicht, um eine verunstaltende Wirkung anzunehmen. Gemessen am gesamten Erscheinungsbild der Straßenfront des Gebäudes Am Bubenpfad ... erweist sich die konkrete Platzierung der beiden inneren Werbeanlagen nach Auffassung des Senats noch nicht als in krassem Sinne störend.

36

b) Der Verpflichtungsantrag ist auch begründet.

37

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung nach §§ 70 Abs. 1 Satz 1 und 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO.

38

Die beiden Werbeanlagen sind nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig. Wie der Stadtrechtsausschuss bereits zutreffend ausgeführt hat, sind solche gewerblichen Anlagen in einer als Gewerbegebiet zu qualifizierenden Umgebung allgemein zulässig. Von ihnen gehen auch keine unzumutbaren Störungen im Sinne von § 15 Abs. 1 BauNVO aus. Aus den oben dargelegten Gründen führen sie auch nicht zu einer Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB, zumal insofern ohnehin auf einen größeren maßstabbildenden Bereich abgestellt werden muss (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2000, NVwZ 2000, 1169). Die Verletzung sonstiger zum Prüfungsprogramm der Genehmigung nach § 66 LBauO gehörender öffentlich-rechtlicher Vorschriften sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

40

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

41

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,-- € festgesetzt, wobei sich die Klageerweiterung wegen des mit dem Verpflichtungsbegehren identischen wirtschaftlichen Interesse nicht streitwerterhöhend ausgewirkt hat (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren von der Beklagten die Erteilung einer unbeschränkten Baugenehmigung.

2

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks FlurNr. …, A-Straße … in Kaiserslautern. Das Gebäude liegt an der Ecke B-Straße/A-Straße direkt gegenüber der zentralen Bushaltestelle am C-graben und weniger als 100 m entfernt von einer weiteren Bushaltestelle am D-Platz. Sowohl A-Straße als auch die nördlich gelegene C-Straße sind Teil der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße 37. Die A-Straße verläuft in Richtung West/Ost, die C-Straße in Richtung Ost/West. In einer Entfernung von 100 – 200 m befinden sich ein großer Parkplatz sowie zwei öffentliche Parkhäuser.

3

Mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 hatte die Beklagte den Umbau und die Nutzungsänderung eines Piercing-Studios im Erdgeschoss in einen Imbissbetrieb genehmigt. Dieser wird seither zum Straßenverkauf von zubereiteten Speisen und alkoholfreien Getränken genutzt. Diese werden aus einem ca. 11,66 m² großen Verkaufsraum durch eine geöffnete Glasfront an die Kunden abgegeben; einen Zugang für diese gibt es nicht. Hinter dem Verkaufsraum befinden sich ein 16,07 m² großer Zubereitungsraum sowie ein 11,70 m² großer Lagerraum, der auch separat von der Schneiderstraße zugänglich ist. Am 01. Juni 2010 beantragten die Kläger die Erweiterung des Imbissbetriebs in Gestalt einer Nutzungsänderung des Lagerraums zum Gastraum, der mit mehreren Tischen und Stühlen ausgestattet werden soll.

4

Mit Schreiben vom 20. August und 15. September 2010 wies die Beklagte gegenüber den Klägern auf die Erforderlichkeit eines Stellplatznachweises für zwei Stellplätze hin und bat um Vorlage entsprechender Unterlagen. Nachdem die Kläger mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10. September 2010 eine Abweichung der Anzahl der notwendigen Stellplätze vor und nach der Nutzungsänderung in Abrede gestellt hatten, bat die Beklagte mit Schreiben vom 18. November 2010 die Kläger noch einmal unter Fristsetzung bis 01. Dezember 2010 um Vorlage der entsprechenden Stellplatznachweise und kündigte für den Fall der Nichtvorlage die Zurückweisung des Bauantrags an.

5

Gegen dieses Schreiben erhoben die Kläger am 01. Oktober 2010 Widerspruch mit der Begründung, ein Nachweis der geforderten Stellplätze sei nicht erforderlich.

6

Daraufhin lehnte die Beklagte gegenüber den Klägern die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 06. Dezember 2010 unter Bezugnahme auf den fehlenden Stellplatznachweis ab.

7

Hiergegen legten die Kläger am 03. Januar 2011 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2011, den Klägern zugestellt am 11. Juli 2011, wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Kläger gegen das Schreiben der Beklagten vom 18. November 2010 mit der Begründung zurück, dieses sei kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Ferner verpflichtete der Stadtrechtsausschuss die Beklagte, den Klägern unter Abänderung des Bescheids vom 06. Dezember 2010die begehrte Baugenehmigung unter der modifizierenden Auflage des Nachweises eines den baurechtlichen Anforderungen genügenden Stellplatzes oder der Ablösung desselben zu erteilen. Zur Begründung führte der Stadtrechtsausschuss aus, für den 11,70 m² großen Gastraum seien grundsätzlich zwar zwei Stellplätze anzusetzen. Durch die vorherige Nutzung als Lagerraum habe kein Stellplatzbedarf bestanden; demnach könne ein bereits nachgewiesener Stellplatzbedarf nicht gegengerechnet werden. Vorliegend komme aber eine Verringerung der Zahl der notwendigen Stellplätze in Betracht, da das Anwesen der Kläger gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sei. Deshalb sei nicht der ortsübliche Mittelwert von einem Stellplatz je 6 bis 12 m² Gastraum anzusetzen, sondern ein für die Kläger günstigerer Teiler. Daraus ergebe sich die Forderung von nur einem Stellplatz. Eine vollständige Freistellung von jeglicher Stellplatzpflicht scheide aus.

8

Die Kläger haben dagegen am 11. August 2011 Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, das Schreiben vom 18. November 2011 sei ein anfechtbarer Verwaltungsakt, denn darin werde unmissverständlich festgestellt, dass eine Ablehnung erfolge, wenn die geforderten Bauunterlagen nicht eingereicht würden. Es handele sich um eine vorweggenommene Regelungswirkung, welche beim Empfänger den Eindruck eines Verwaltungsakts vermittle. Der Stadtrechtsausschuss fordere im Widerspruchsbescheid zu Unrecht noch einen Stellplatz. Die Beklagte habe bei der Erteilung der Baugenehmigung im Jahre 2006 keine zusätzlichen Stellplätze verlangt. Es sei kein Grund ersichtlich, warum bei unveränderten Voraussetzungen nunmehr ein zusätzlicher Stellplatz gefordert werde. Der Stadtrechtsausschuss habe im Übrigen auch die Anbindung des Anwesens an den Öffentlichen Personennahverkehr nicht ausreichend bewertet.

9

Die Kläger beantragen,

10

den „Bescheid“ der Beklagten vom 18. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juli 2011 aufzuheben

11

sowie

12

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juli 2011 zu verpflichten, die am 01. Juni 2010 beantragte Baugenehmigung zur Erweiterung des Imbisses in Gestalt der Nutzungsänderung eines knapp 11,70 m² großen Lagerraums zum Gastraum in dem Anwesen A-Straße … in ... Kaiserslautern ohne Auflagen zu erteilen.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie verweist auf den ergangenen Widerspruchsbescheid.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), kann mit den im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) verfolgten Anträgen keinen Erfolg haben. Der Antrag zu 1) ist bereits unzulässig (I.). Der Antrag zu 2) ist zwar zulässig (II.), in der Sache aber unbegründet (III.).

I.

18

Die Klage gegen den „Bescheid“ vom 18. November 2010 ist unzulässig. Es fehlt an der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, denn bei dem streitgegenständlichen Schreiben der Beklagten vom 18. November 2010 handelt es sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes - LVwVG - i.V.m. § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -. Ob ein behördliches Schriftstück einen Verwaltungsakt enthält, ist in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - nach den Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln, die für Willenserklärungen allgemein gelten. Danach richtet sich die Auslegung eines Verwaltungsakts nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte (BVerwG NVwZ 2005, 1070; BGH NVwZ-RR 2008, 154). Ergeht das Schreiben äußerlich in der Form eines Verwaltungsakts und erweckt es den Rechtsschein, eine abschließende Entscheidung zu treffen, so ist dagegen derselbe Rechtsbehelf gegeben wie gegen „echte“ Verwaltungsakte (OVG Schleswig-Holstein, NJW 2000, 1059; vgl. auch Bay. VGH, BayVBl. 2003, 212). Materiell-rechtlich ist ein Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG die rechtsverbindliche hoheitliche Regelung eines Einzelfalles durch eine Verwaltungsbehörde. Die getroffene Maßnahme muss Rechte des Betroffenen unmittelbar begründen, verbindlich feststellen, beeinträchtigen, aufheben oder mit bindender Wirkung verneinen. Eine solche Regelung eines Einzelfalles setzt eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung voraus.

19

Hier erging das Schreiben der Beklagten vom 18. November 2010 nicht in der Form eines Verwaltungsakts. Es war weder mit „Bescheid“ überschrieben noch enthielt es eine Rechtsbehelfsbelehrung. Materiell-rechtlich stellt das genannte Schreiben der Beklagten, mit dem diese die Kläger aufgefordert hat, den Nachweis für die beiden zusätzlich geforderten Stellplätze bis spätestens 01. Dezember 2010 vorzulegen, ebenfalls keinen Verwaltungsakt dar. Wie der Stadtrechtsausschuss der Beklagten im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt hat, zieht die bloße Aufforderung zur Vorlage eines Stellplatznachweises allein noch keine Rechtsfolge gegenüber dem Betroffenen nach sich. Es fehlt an dem für einen Verwaltungsakt unabdingbaren Element der Regelung (s. auch Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, Kommentar zur LBauO RhPf, 2. Auflage 2008, §65 Rn. 10).

II.

20

Der Antrag zu 2) ist zulässig.

21

1. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO. Unabhängig davon, ob man den vom Stadtrechtsausschuss in der Ziffer 2 des Widerspruchsbescheids vom 08. Juli 2011 verlangten Nachweis eines den baurechtlichen Anforderungen genügenden Stellplatzes oder der Ablösung desselben als modifizierende Auflage oder als Nebenbestimmung im Sinne des § 36 VwVfG qualifiziert (s. dazu unten III.), hat der Stadtrechtsausschuss der Beklagten die Baugenehmigung nicht selbst erteilt. Vielmehr hat er die Beklagte verpflichtet, die Baugenehmigung mit der verfügten Einschränkung zu erteilen (näher dazu, dass es der Widerspruchsbehörde freisteht, die Genehmigungsbehörde lediglich zu verpflichten, die Baugenehmigung zu erteilen, oder die Baugenehmigung selbst zu erteilen BVerwG, NVwZ 2008, 437). Dem Verpflichtungswiderspruchsbescheid kommt kein der Baugenehmigung vergleichbarer materiell-rechtlicher Regelungsgehalt zu. Er erschöpft sich in der Erklärung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch des Bauherrn die in Streit stehenden Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Baugenehmigung gegeben sind und daher die Ausgangsbehörde zur Erteilung verpflichtet wird. Der Verpflichtungswiderspruchsbescheid bedarf noch der “Vollziehung” seitens der Ausgangsbehörde (vgl. BVerwG, NVwZ 2008, 437). Insofern scheidet hier eine isolierte Anfechtungsklage gegen den vom Stadtrechtsausschuss geforderten Stellplatznachweis selbst dann aus, wenn man dieses Verlangen - entgegen der Auffassung des Stadtrechtsausschusses - als isoliert anfechtbare Nebenbestimmung im Sinne des § 36 VwVfG ansieht (vgl. zur isolierten Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen BVerwG, NVwZ 2011, 429 und BVerwGE 60, 269).

22

2. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.

III.

23

Der Antrag zu 2) ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erteilung der von ihnen begehrten Baugenehmigung zur Erweiterung des Imbisses in Gestalt der Nutzungsänderung eines knapp 11,70 m² großen Lagerraums zum Gastraum in dem Anwesen A-Straße … in ... Kaiserslautern ohne den vom Stadtrechtsausschuss verlangten Nachweis eines den baurechtlichen Anforderungen genügenden Stellplatzes oder der Ablösung desselben. Der Bescheid der Beklagten vom 06. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Stadtrechtsausschusses vom 08. Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

24

Rechtsgrundlage für das Begehren der Kläger auf Erteilung einer unbeschränkten Baugenehmigung ist § 70 Abs. 1 Satz 1 der Landesbauordnung - LBauO -. Danach ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 4 LBauO kann die Baugenehmigung unter Auflagen oder Bedingungen erteilt werden.

25

Da es sich bei der Baugenehmigung um einen gebundenen Verwaltungsakt handelt, auf den ein Rechtsanspruch besteht, wenn die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO gegeben sind, darf sie gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 VwVfG mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn diese u.a. sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Baugenehmigung erfüllt werden. Zu dieser Fallgruppe zählt die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitete Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörden bei nur geringen Verstößen gegen das öffentliche Baurecht, die Baugenehmigung unter entsprechenden Nebenbestimmungen zu erteilen, anstatt sie zu versagen (Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O., § 70 Rn. 79).

26

Vorliegend hat der Stadtrechtsausschuss der Beklagten diese im Widerspruchsbescheid vom 08. Juli 2011 zu Recht verpflichtet, die Baugenehmigung nur unter der Einschränkung des vorherigen Nachweises eines den baurechtlichen Anforderungen genügenden Stellplatzes oder der Ablösung desselben zu erteilen. Bei dieser Einschränkung handelte es sich nach Auffassung der Kammer um die Verpflichtung der Beklagten, die Baugenehmigung nur unter einer Nebenbestimmung in Form einer Bedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG zu gewähren (vgl. VGH Baden-Württemberg, VBlBW 1995, 29; VG Neustadt, Beschluss vom 24. Oktober 2000 - 4 L 2312/00.NW -).

27

Nebenbestimmungen sind Regelungen, die einem Hauptverwaltungsakt beigefügt werden und dessen Inhalt oder Wirkung betreffen. Sie stehen in einem Akzessorietätsverhältnis zum „Haupt“verwaltungsakt und teilen als „Neben“bestimmung sein rechtliches Schicksal. Die Nebenbestimmungen sind abzugrenzen von den sog. Inhaltsbestimmungen eines Verwaltungsakts. Während Nebenbestimmungen zusätzliche Regelungen zu einem inhaltlich bestimmten Verwaltungsakt treffen, legen die Inhaltsbestimmungen erst den Gegenstand und die Grenzen des Verwaltungsakts fest. Eine Inhaltsbestimmung liegt insbesondere vor, wenn der Verwaltungsakt mit einem anderen Inhalt als beantragt erlassen wird und sich dieser als „Minus“ oder „Aliud“ gegenüber dem Antrag erweist, d. h. die Genehmigung qualitativ verändert. In Rechtsprechung und Literatur wird in diesem Zusammenhang der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Begriff der „modifizierenden Auflage“ oder der modifizierenden Genehmigung verwendet (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20. August 2008 - 1 A 10286/08.OVG - m. w. N.; Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O., § 70 Rn. 94).

28

In Anwendung dieser Grundsätze ist hier von einer Nebenbestimmung in Form einer Bedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG auszugehen. Gemäß § 47 Abs. 1 LBauO dürfen bauliche Anlagen sowie andere Anlagen, bei denen ein Zugangs- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, nur errichtet werden, wenn Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe sowie in geeigneter Beschaffenheit hergestellt werden (notwendige Stellplätze). Ihre Zahl und Größe richtet sich nach Art und Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der Benutzerinnen und Benutzer sowie der Besucherinnen und Besucher der Anlagen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel ist dabei zu berücksichtigen. Die Einhaltung der Stellplatzverpflichtung ist eine zwingende Genehmigungsvoraussetzung für bauliche oder andere Anlagen (Lang in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O., § 47 Rn. 12). Werden die notwendigen Stellplätze nicht - mit einer der in § 47 LBauO aufgezeigten Möglichkeiten - nachgewiesen, so muss der Bauantrag abgelehnt werden. Die Beklagte ist daher gehalten, das Bauvorhaben der Kläger nur unter der Voraussetzung zu genehmigen, dass auch die notwendigen Stellplätze nachgewiesen werden. Der erforderliche Nachweis kann mit Hilfe einer Bedingung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG von dem Stellplatzverpflichteten verlangt werden (s. VGH Baden- Württemberg, a.a.O. m.w.N.).

29

Dass der Stadtrechtsausschuss der Beklagten im Widerspruchsbescheid statt von einer „Bedingung“ von einer „modifizierenden Auflage“ gesprochen hat, ist unschädlich. Auf die Bezeichnung als Neben- oder Inhaltsbestimmung durch die Behörde kommt es nicht an. Hinter einer als „Auflage“ bezeichneten Regelung kann sich eine Bedingung oder inhaltliche Veränderung des Verwaltungsakts verbergen. Entscheidend ist nicht die äußere Form, sondern das inhaltlich Gewollte (Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 868). Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten wollte diese aber zweifelsfrei nur unter der Bedingung des Stellplatznachweises zur Erteilung der Baugenehmigung verpflichten.

30

Die vom Stadtrechtsausschuss der Beklagten im Widerspruchsbescheid angeordnete Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der genannten Bedingung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

31

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 LBauO sind bei der Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen oder andere Anlagen, bei denen ein Zugangs- oder Abgangsverkehr zu erwarten ist, Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass sie die infolge der Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Eine Verpflichtung zur Schaffung notwendiger Stellplätze besteht also nicht nur im Falle der Neuerrichtung einer baulichen Anlage, sondern auch dann, wenn eine Änderung der Anlage einen erhöhten Zugangs- oder Abgangsverkehr als Folge erwarten lässt.

32

Eine „Änderung“ i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 LBauO liegt u.a. vor, wenn ein vorhandenes Bauwerk umgestaltet wird, ohne dass die Grenze überschritten wird, ab der von einer Neuerrichtung gesprochen werden muss (Lang in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O., § 47 Rn. 33). Von einer „geänderten Benutzung“ ist auszugehen, wenn sich die genehmigte Zweckbestimmung der baulichen Anlage ändert. Hier sind die Voraussetzungen einer „Benutzungsänderung“ gegeben. Das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaute Anwesen der Kläger soll im Erdgeschoss derart umgestaltet werden, dass der bisher als Lager verwendete 11,70 m² große Raum künftig als Gastraum genutzt werden kann.

33

Die Einschätzung des Stadtrechtsausschusses der Beklagten, dass die mit dem Bauantrag der Kläger vom 01. Juni 2010 zur Genehmigung gestellte Änderung einen erhöhten Abstellbedarf für Kraftfahrzeuge erwarten lasse, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

34

§ 47 Abs. 2 LBauO erfordert zur Ermittlung des Mehrbedarfs an Stellplätzen einen Vergleich des Stellplatzbedarfs vor und nach der Änderung oder Nutzungsänderung (Lang in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O., § 47 Rn. 34; VGH Baden-Württemberg, BRS 60 Nr. 124 und BRS 62 Nr. 121). Bei der Ermittlung des bisherigen Bedarfs ist auf die zuletzt legal ausgeübte Nutzung abzustellen. Mehrbedarf ist gegeben, wenn der durch die Änderung verursachte Bedarf den bisherigen Bedarf übersteigt. Entsteht durch die Änderung kein Mehrbedarf, kann die Bauaufsichtsbehörde die Änderung grundsätzlich nicht zum Anlass nehmen, den Nachweis von Stellplätzen zu verlangen, die schon für die bisherige Anlage oder Nutzung gefehlt haben. Die Bauaufsichtsbehörde, der bei der Feststellung des Stellplatzbedarfs kein Beurteilungsspielraum zusteht, hat eine prognostische Entscheidung unter Einbeziehung der Umstände des Einzelfalles und der allgemeinen Lebenserfahrung zu treffen.

35

Für die Ermittlung des Stellplatzbedarfs findet, da die Beklagte die Zahl der notwendigen Stellplätze nicht abweichend in einer gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 9 LBauO zulässigen Stellplatzsatzung festgelegt hat, § 47 Abs. 1 und 2 LBauO sowie die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen betreffend Zahl, Größe und Beschaffenheit der Stellplätze für Kraftfahrzeuge vom 24. Juli 2000 (MinBI. 2000, Seite 231) Anwendung. Diese Verwaltungsvorschrift enthält Richtzahlen für den notwendigen Stellplatzbedarf, an denen sich die Verwaltung regelmäßig zu orientieren hat. Denn bei diesen Richtzahlen handelt es sich um sachverständig festgestellte durchschnittliche Erfahrungswerte, die in objektiven, statistischen Mittelwerten zum Ausdruck kommen und die einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad für sich haben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Juni 2001 - 8 C 11919/00.OVG - m.w.N.). Die Richtzahlen sind allerdings ihrerseits nicht absolut, sondern setzen nur einen gewissen Rahmen, innerhalb dessen im Allgemeinen die Aufsichtsbehörde die Zahl der notwendigen Stellplätze aufgrund der Besonderheiten des konkreten Bauvorhabens sowie der örtlichen Verhältnisse festzusetzen hat.

36

Gemäß Ziffer 2.2 dieser Verwaltungsvorschrift ist bei Anlagen mit unterschiedlicher Nutzung der Stellplatzbedarf für die Nutzungsart getrennt zu ermitteln. Gemäß Ziffer 6.1 der Anlage zur vorgenannten Verwaltungsvorschrift i. V. m. dem Beschluss des Bauausschusses der Beklagten vom 31. Oktober 1995 hat diese den Mittelwert des dort angegebenen Richtzahlrahmens zur Ermittlung des Stellplatzbedarfes für Gaststätten (ein Stellplatz je 6 – 12 m² Gastraum) angesetzt, demnach pro 9 m² ein Stellplatz. Hiervon ausgehend wären bei der Größe des Gastraums der Kläger von 11,70 m² zwei Stellplätze zu fordern. Im Hinblick auf die gute Anbindung des Anwesens der Kläger an den Öffentlichen Personennahverkehr hat der Stadtrechtsausschuss der Beklagten den Nachweis von einem Stellplatz jedoch für ausreichend gehalten. Dieses Verlangen nach einem Stellplatz verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

37

Zunächst befreit der Umstand, dass das Gebäude der Kläger in der Nähe zu zwei öffentlichen Parkhäusern sowie einem öffentlichen Parkplatz in Kaiserslautern liegt, die Kläger nicht davon, selbst Stellplätze herzustellen. Denn öffentliche Stellplätze haben nicht den Zweck, den von Anliegern geschaffenen ruhenden Verkehr aufzunehmen. Aufgabe der Regelung des § 47 Abs. 1 LBauO ist es, den ruhenden Verkehr außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums von denjenigen Anlagen aufnehmen zu lassen, die Ziel und Quelle des Zugangs- und Abgangsverkehrs sind. Eine Anrechnung von in der Nähe befindlichen Stellplätzen auf einem anderen Grundstück kommt gemäß § 47 Abs. 3 LBauO nur dann in Betracht, wenn die Benutzungsmöglichkeit für die individuellen Zwecke öffentlich-rechtlich abgesichert ist. Ist es dem Bauherrn nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich, seiner Stellplatzverpflichtung gemäß § 47 Abs. 3 LBauO nachzukommen, kann er - wie vom Stadtrechtsausschuss im Widerspruchsbescheid alternativ gefordert - nach § 47 Abs. 4 LBauO die Stellplatzverpflichtung ablösen, indem er einen Geldbetrag an die Kommune zahlt. Der Ablösebetrag ist zweckgebunden zu verwenden, u.a. für die Herstellung öffentlicher Parkeinrichtungen wie Parkplätze oder Parkhäuser an geeigneter Stelle (§ 47 Abs. 5 Nr. 1 LBauO). Dabei liegt eine bestimmungsgemäße Verwendung des Ablösebetrages auch dann noch vor, wenn er auf bereits errichtete öffentliche Parkflächen angerechnet wird, die den durch das Vorhaben des Bauherrn ausgelösten zusätzlichen Verkehr aufnehmen können (BGH, BauR 1981, 279). Die Kläger können sich somit ihrer Stellplatzverpflichtung nicht mit der Begründung entziehen, es seien bereits genügend öffentliche Parkflächen in der Umgebung vorhanden.

38

Die Entscheidung des Stadtrechtsausschusses der Beklagten, den Nachweis von einem Stellplatz jedoch wegen der guten Anbindung des Anwesens der Kläger an den Öffentlichen Personennahverkehr für ausreichend zu halten, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 LBauO, der auch im Rahmen der anzustellenden Prognose über den infolge der Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeugverkehr nach § 47 Abs. 2 LBauO zu beachten ist, ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu berücksichtigen. Diese Vorschrift geht davon aus, dass mit günstigen Angeboten des öffentlichen Personennahverkehrs die Zahl der mit einem eigenen Kraftfahrzeug anfahrenden Benutzer und Besucher der Anlagen reduziert werden können, insbesondere bei baulichen Anlagen, die nicht Wohnzwecken dienen (LT-Drucksache 12/3238 Seite 27). Eine Verringerung der Zahl der notwendigen Stellplätze kommt danach in Betracht, wenn die Ermittlungen in dem konkreten Einzelfall ergeben, dass sich die bestehenden und absehbaren Fahrgewohnheiten vor dem Hintergrund leistungsfähiger Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs auf die Stellplatzfrage auswirken. Zu berücksichtigen sind insoweit vor allem der Nutzungszweck der Anlage, aber auch der Einzugsbereich der jeweiligen Anlage und die für diesen Personenkreis tatsächlich bestehenden Möglichkeiten des Abschlusses an den öffentlichen Nahverkehr (Lang in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O., § 47 Rn. 21).

39

Gemessen daran entsteht durch die Umnutzung des Lagerraums in einen Gastraum in dem Imbissbetrieb der Kläger zusätzlicher Stellplatzbedarf. Wie oben ausgeführt, erfordert § 47 Abs. 2 LBauO zur Ermittlung des Mehrbedarfs an Stellplätzen einen Vergleich des Stellplatzbedarfs vor und nach der Änderung oder Nutzungsänderung. Vor der beantragten Nutzungsänderung wurde der streitgegenständliche Raum lediglich als Lager für den Imbissbetrieb der Kläger genutzt. Für den Imbissbetrieb als solchen hatte die Beklagte im Jahre 2006 in Übereinstimmung mit der vorgenannten Verwaltungsvorschrift und § 47 Abs. 1 Satz 3 LBauO keine Stellplätze gefordert. Ein ausschließlicher Straßenverkauf ist keine Gaststätte im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gaststättengesetzes - GastG -, da es an dem Tatbestandsmerkmal „zum Verzehr an Ort und Stelle“ fehlt. Daher war die Ziffer 6.1. der Verwaltungsvorschrift, die für Gaststätten einen Stellplatz je 6 – 12 m² Gastraum vorsieht, nicht einschlägig. Vielmehr war der Straßenimbiss als „Laden“ im Sinne der Ziffer 3.1 der Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren. Diese Ziffer bringt für Läden einen Stellplatz je 30 – 40 m² Verkaufsnutzfläche, mindestens jedoch zwei Stellplätze je Laden in Ansatz. Im Hinblick darauf, dass der recht kleine Straßenverkauf der Kläger gut an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen, im Übrigen für die Bewohner der näheren Umgebung in der A-Straße zu Fuß bequem zu erreichen und mangels Vorhandenseins von Sitzgelegenheiten ein Verweilen vor Ort ausgeschlossen ist, konnte die Beklagte im Jahre 2006 von der Forderung nach Schaffung von Stellplätzen für den Imbissbetrieb absehen.

40

Die rechtliche Situation ändert sich aber durch die geplante Nutzungsänderung des Lagerraums in einen Gastraum. Durch die Umgestaltung des Lagerraums in einen Gastraum, in dem die Kunden der Kläger künftig verweilen und dort die zubereiteten Speisen und alkoholfreien Getränke konsumieren können, wandelt sich der Betrieb um von einem anzeigepflichtigen Gewerbebetrieb im Sinne der Gewerbeordnung in einen gemäß § 2 Abs. 2 GastG erlaubnisfreien Gaststättenbetrieb. Damit greift nunmehr die Ziffer 6.1. der vorgenannten Verwaltungsvorschrift ein, die für Gaststätten einen Stellplatz je 6 – 12 m² Gastraum vorsieht. Die Kammer hält im vorliegenden Fall aufgrund der guten Anbindung des Gaststättenbetriebs der Kläger an den öffentlichen Personennahverkehr mit zwei Bushaltstellen in unmittelbarer Nähe sowie des Umstands, dass die geplante Gaststätte für die Bewohner der näheren Umgebung zu Fuß mühelos erreichbar ist, eine Richtzahl von einem Stellplatz je 12 m² Nutzfläche jedenfalls nicht für nicht unangemessen. Die von den Klägern begehrte Freistellung von jeglicher Stellplatzpflicht kommt dagegen nicht in Betracht. Durch das neue Konzept der Kläger, künftig auch Gäste in einem Gastraum zu bewirten, gewinnt ihr Betrieb deutlich an Attraktivität, denn dadurch werden neue Kunden erschlossen, die sich ansonsten nicht einem Imbissbetrieb wie dem der Kläger versorgen würden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche neuen Gäste entweder in der unmittelbaren Umgebung wohnen oder die Gaststätte ausschließlich mit Hilfe des öffentlichen Personennahverkehrs aufsuchen werden. Vielmehr ist bei lebensnaher Betrachtungsweise damit zu rechnen, dass zumindest einige Gäste der Kläger die geplante Gaststätte, die unmittelbar an der Bundesstraße 37 liegt und daher verkehrsmäßig gut angebunden ist, nach Einrichtung eines Gastraums mit Kraftfahrzeugen ansteuern und deshalb auf einen Parkplatz angewiesen sein werden.

41

Haben die Kläger damit keinen Anspruch auf eine Freistellung von jeglicher Stellplatzpflicht, war die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer bedingungsfreien Baugenehmigung abzuweisen.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO.

43

Beschluss

44

Der Wert des Streitgegenstandes wird in Anlehnung an Nr. 9.1.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 6.000 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG).

45

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten gelten die §§ 30 bis 37.

(2) Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.